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(Zimmer des Gouverneurs.)
Alonzo, Pedro, ein Offizier, treten herein.
Alonzo. Ein spanisches, sagten Sie?
Pedro. Ein spanisches Kriegsschiff von achtzig Kanonen.
Alonzo. Aus welcher Absicht ist es gelandet?
Pedro. Es will sich hier von neuem mit frischem Wasser versorgen, da eine Windstille es unterwegs lange aufgehalten hat.
Alonzo. Gut.
Pedro geht ab.
Alonzo. Ein spanisches Kriegsschiff? – Warum können mich die Ueberredungen Sebastiano's nicht ganz beruhigen? – Bin ich ein Verbrecher? – Nein, es ist unmöglich, wem soll ich folgen, als der Religion und ihren Dienern? – Und doch blick' ich mit Bangigkeit in die Zukunft. – Was ist es, das ich fürchte, wenn unvermuthet ein Schiff an diese Küsten landet? – Welche furchtbare Nachrichten erwarte ich? – Wenn doch Sebastiano käme, in seiner Gegenwart fühl' ich mich stärker. –
Alonzo. Ein Bedienter.
Bedienter. Ein Fremder will die Ehre haben aufzuwarten.
Alonzo. Wer ist es?
Bedienter. Er hat mir seinen Namen nicht gesagt.
Alonzo. Sonderbar! Laß ihn hereinkommen.
Der Bediente geht ab, öffnet die Thür und läßt den Fremden herein.
Alonzo. Der Fremde.
Der Fremde verbeugt sich gegen den Gouverneur, der ihn mit aufmerksamen Augen betrachtet.
Alonzo. Was – verlangen Sie?
Fremder. Die Gewährung einer Bitte.
Alonzo. Sie ist?
Fremder. Mich anzuhören.
Alonzo. Das ist meine Pflicht. – er klingelt, ein Bedienter erscheint. – Stühle. – der Bediente setzt Stühle. Setzen Sie sich. – man setzt sich. – Ihr Vortrag?
Fremder. Betrifft – den unglücklichen Alla-Moddin.
Alonzo. In welcher Rücksicht?
Fremder. Für ihn zu bitten komm ich hieher, ich will es versuchen, ob meine Worte Eingang bei Ihnen finden.
Alonzo. Für den Verräther?
Fremder. O säße auf meinen Lippen die süße Ueberredung, daß ich Sie von der Unschuld dieses unglücklichen Fürsten überzeugen könnte.
Alonzo. Was können Sie zu seiner Vertheidigung sagen?
Fremder. Gehn Sie in seinen Kerker und ich bedarf keiner Worte, sehn Sie es selbst, wie der, der sonst frei und glücklich war, seufzend dasitzt, das Haupt gegen die gefühllose Mauer gelehnt. – O Alonzo, er war einst König.
Alonzo. Aber er ist ein Verräther.
Fremder. Er? – O glauben Sie nicht alles, was boshafte Freunde sagen. – Er ein Verräther? O lassen Sie Ihre Großmuth über Ihren Argwohn siegen, hören Sie meine Bitte, geben Sie der Welt ein Beispiel des Edelmuths, erwerben Sie sich die Dankbarkeit eines Fürsten, die Liebe eines Volks, öffnen Sie seinen Kerker; – geben Sie meiner Bitte Gehör!
Alonzo. Ich kann nicht.
Fremder. Sie können nicht? – Wer darf Ihnen hiebei Gesetze vorschreiben?
Alonzo. Er werde Christ – und sogleich werden sich die Riegel seines Kerkers öffnen. Dies sei der Beweiß seiner Unschuld.
Fremder. Indem er sich des Verdachtes schuldiger macht? – Wäre Alla-Moddin ein Verräther, schon längst hätte er Ihr Anerbieten angenommen, schon längst hätte er den Schritt gethan, auf den Sie dringen, und wäre längst unsrer Religion wieder untreu geworden.
Alonzo. Er werde Christ.
Fremder. Der friedliche Alla-Moddin, der mit seiner Gattin und seinem Sohn hieher kam, ein Verräther? – O Sie glauben es selbst nicht, Sie können es nicht glauben; reißen Sie sich von den Ketten los, die Ihre Meinung fesseln, – hören Sie mich, Alonzo!
Alonzo. Er werde Christ.
Fremder. Sein Sie gerecht! – Es führen mehrere Wege zur Tugend, zum Glück.
Alonzo. Sie sprechen kühn.
Fremder. Für einen Freund. – Sein Sie gerecht! Kann Ihre Meinung, oder nennen Sie es Religion, nicht auch irren? – Lassen Sie ihm seine Ueberzeugung, die ihn beruhigt, die ihn beglückt, lassen Sie ihn mit dieser leben, und nach seinem Tode selbst dem Rechenschaft geben, der ihn mit diesen Gesinnungen schuf.
Alonzo. Sie setzen mich in Erstaunen.
Fremder. Sein Sie gerecht! – Ahmen Sie des Allmächtigen Güte nach, dessen Bekenner wir sind, sein Sie gütig, um auch seine Güte zu verdienen. – Er läßt über Suhlu und Manilla regnen, über beide Inseln rollen seine Donner, über beide lächelt sein Sonnenschein. Er straft nicht, warum wollen Sie strafen? – Er erzwingt von keinem Geschöpfe Anbetung und Lob, denn jeder Athemzug der Natur ist sein Lobgesang. – Warum wollen Sie es thun? – Sein Sie nicht grausam, wenn er gütig ist, geben Sie meinen Bitten Gehör –!
Alonzo. Sie – – –
Fremder. O sprechen Sie es aus das schöne Bekenntniß, das Sie in meinen und den Augen der Welt erheben wird: sprechen Sie die Worte aus: Er sei frei!
Alonzo. Aber – – –
Fremder. Sprechen Sie es aus, damit ich Ihr Freund sein kann.
Alonzo. Bedenken Sie – –
Fremder. Er ist frei?
Alonzo. Er – –
Sebastiano tritt herein.
Vorige. Sebastiano.
Fremder. Es war vergebens! –
Pause.
Sebastiano sieht wechselweise Alonzo und den Fremden an.
Fremder. Alonzo! – Ist er frei?
Sebastiano. Wer?
Alonzo verwirrt. Alla-Moddin.
Sebastiano mit einem durchdringenden Blick auf Alonzo. Alla-Moddin?
Fremder dringend. Ist er frei?
Alonzo, die Augen auf Sebastiano gerichtet, verwirrt. – – Nein.
Fremder. Nein? – Und Ihr Versprechen – er sieht auf Sebastiano. O warum mußten wir gestört werden! Ein schönes Mitleid fand Eingang in Ihre Brust, – als –
Sebastiano. Ich hinzutrat, und dieses eitle Mitleid verscheuchte. – Alonzo, was wollen Sie thun?
Alonzo. Ich erkenne mein Unrecht, – ich widerrufe mein Versprechen.
Fremder. Sie wollen also dem Edelmuth nicht den Sieg über Vorurtheile einräumen?
Sebastiano. Vorurtheile?
Fremder. Was anders? – Wie können Sie ein Mitgeschöpf, einen edlen Menschen bloß darum quälen, weil er anders betet als Sie?
Sebastiano. Und ein Spanier spricht so in meiner Gegenwart? Fürchten Sie nicht die heilige Inquisition?
Fremder. Die Wahrheit darf nichts fürchten.
Sebastiano. O des unglücklichen Zeitalters, in dem man Irrthum Wahrheit tauft!
Fremder. Wozu des Streits? – Alonzo, soll ich so ohne Hoffnung von Ihnen gehen?
Sebastiano. In seinem Namen darf ich antworten: Ja!
Fremder. Nun so hab' ich denn alles gethan, was ich konnte; ich gehe, und Sie werden es bereuen, daß Sie mich so haben gehen lassen. – Leben Sie wohl! – Er will gehn.
Alonzo. Wo wollen Sie hin?
Fremder. Nach Spanien, dort der Regierung Ihre Grausamkeit zu melden.
Alonzo. Nach Spanien?
Sebastiano. Der Regierung?
Fremder. Die Schwachheit eines Mannes anzuzeigen, dem man Manilla vertraute, und die Bosheit eines Priesters, der diese Schwachheit mißbraucht; noch eher, als Sie es glauben, werden Sie den Erfolg meines Unternehmens empfinden.
Sebastiano. Wer sind Sie?
Fremder. Man soll es untersuchen, ob es erlaubt ist, einen König so zu behandeln? – ob es erlaubt ist, unter einem nichtigen Vorwand grausam zu sein.
Sebastiano. Bleiben Sie, wer sind Sie?
Fremder. Der Vertheidiger der Menschheit, Ihr unbekannter doch nicht heimlicher Feind. – Alonzo, leben Sie wohl, und trauen Sie diesem Manne nicht. Er geht ab.
Alonzo. Sebastiano.
Alonzo sieht dem Fremden verwirrt nach; Sebastiano überlegt und sieht Alonzo bedeutend an.
Alonzo. Sebastiano – –
Sebastiano. Alonzo – –
Alonzo. Er stürzt hinaus –
Sebastiano. In sein Verderben!
Alonzo. Wer mag er sein?
Sebastiano. Ein verwegner Abentheurer, der in einem nichtigen Enthusiasmus die Rechte der Menschheit vertheidigen will.
Alonzo. Wenn er reiste –
Sebastiano. Mag er!
Alonzo. So sind wir verloren.
Sebastiano. Sie kennen ja den Hof. Wird die Regierung jeden Enthusiasten anzuhören würdigen? Sie versperrt so gern ihr Ohr vor dem Geschrei der Noth, das Märchen von Menschenliebe und Menschenrecht findet dort keinen Eingang.
Alonzo. Wenn er reiste –
Sebastiano. Ein Wort aus Ihrem Munde, und er soll nicht reisen.
Alonzo. Wie das?
Sebastiano. Ein Gefängniß soll es ihm unmöglich machen.
Alonzo. Er im Kerker, ohne etwas verbrochen zu haben.
Sebastiano. Hat er Sie nicht gelästert? – Ich traf ihn in Alla-Moddins Gefängniß, in freundlicher Unterredung mit dem Heiden; er blickte mich zornig an, und vertheidigte den Halsstarrigen gegen meine christlichen Ermahnungen.
Alonzo. Nun –
Sebastiano. Ueberlassen Sie mir die Sorge ihn in Sicherheit zu bringen.
Alonzo. Nun wohl, ich verlasse mich ganz auf Sie, handeln Sie, wie es Ihnen gut dünkt, – wie es die Nothwendigkeit gebietet, – nur thun Sie ihm kein Unrecht.
Sebastiano. Ich gehe, um die nöthigen Anstalten zu treffen, sogleich bin ich wieder hier.
Alonzo. Es sei! – Er geht. – Ob ich ihn zurückrufe? – Er hört mich nicht mehr! – Dieser Fremde sprach mit einem Ton, der mir ans Herz drang, sein Blick durchschaute mich auf eine Art, daß mir war, als ob ich erröthen müßte. Sebastiano! Sebastiano! Wenn Deine Worte Irrlichter wären, die mich vom Wege der Wahrheit ablockten. – Er steht nachdenkend.
Alonzo. Sebastiano.
Sebastiano. Worüber sinnen Sie, gnädiger Herr?
Alonzo. Ich?
Sebastiano. Wozu dieser finstre Ernst auf der gefurchten Stirn? Wozu dieser auf den Boden geheftete Blick?
Alonzo. O Sebastiano, wir entehren diesen Fremdling, indem wir ihn auf eine so schändliche Art behandeln.
Sebastiano. Welche Sprache! Ich hörte sie in Ihrem Munde noch nie.
Alonzo. Desto schlimmer, wenn sie Ihnen fremd ist. – Wir handeln nicht recht, Sebastiano!
Sebastiano. Nicht recht? – Seit wann ist Ihnen meine Redlichkeit verdächtig geworden?
Alonzo. Nicht Ihre Redlichkeit, Sebastiano; aber der Mensch kann irren. In der Entfernung glänzt der Wassertropfen oft eben so hell als der Diamant, und wer giebt Ihnen die Macht, hinausschreiten zu wollen über die Schranken der schwachen Menschheit? – Sebastiano, können Sie nicht auch irren?
Sebastiano. Auch wenn ich den Befehlen der Macht gehorche, deren Thron die Wahrheit ist? – Dieser Fremdling beleidigt Sie und die Majestät, deren Spiegel Sie sind, er beleidigt die Gottheit, deren Widerschein Sie bestrahlt, – und dennoch sollte er unbestraft bleiben? Er sollte öffentlich unsrer heiligen Religion in's Angesicht lachen? Wollen Sie dadurch dem Laster die Schranken öffnen? Sie kennen die Macht des Beispiels; Ihre Gewalt würde ein Spott des Pöbels, mein Kleid das Gelächter des Volks werden, die Wahrheiten unsrer Religion würden verhöhnt werden –
Alonzo. Hören Sie auf! Wenn um diesen Preis gerungen wird, so will ich mich zum Kampfe rüsten. Ich werfe alle meine Zweifel hinter mir, und vertraue ganz auf Ihre Klugheit.
Sebastiano. Wollen Sie das?
Alonzo. Gewiß!
Sebastiano. Werden Sie stets so denken?
Alonzo. Stets!
Sebastiano. Nun wohl, so hab' ich eine Bitte.
Alonzo. Sie ist gewährt.
Sebastiano. Ich besuchte heut Alla-Moddin.
Alonzo. Der Unglückliche! Wie geht es ihm?
Sebastiano. O beklagen Sie ihn nicht, er ist Ihres Bedauerns unwürdig, nur Ihren Zorn verdient er, und eben ihn betraf meine Bitte.
Alonzo. Sprechen Sie.
Sebastiano. Ihn von itzt an bloß meiner Behandlung zu überlassen.
Alonzo. Warum hassen Sie ihn so?
Sebastiano. Ich hasse ihn nicht, aber ich liebe Sie. Er ist unbeugsamer als der Fels, den tausend Wogen nicht erweichen, er steht da in seinem Trotz und spottet meiner Worte.
Alonzo. Er spottet? – Und seufzt schon zwei Jahre im Kerker? – Noch Spott? – Oder sollte dieser Spott ein Vorbote der Verzweiflung sein?
Sebastiano. Ein Kind der kühnsten Hoffnung, der Hoffnung baldiger Befreiung.
Alonzo. Befreiung?
Sebastiano. Itzt ist es offenbar, er ist ein Verräther! Als ich ihm heut von neuem drohte, stand er wüthend auf, krampfhaft zuckte seine Faust, jede Muskel bebte, und im Wahnsinn rief er aus: Omal! führe mich über die Leichen dieser Unmenschen in mein Vaterland zurück! – Diese Hoffnung macht, daß er unser Anerbieten zurückweist, mich verspottet, und meiner heiligen Lehren lacht; dies ist die Ursach, die ihn heut antrieb, mit unerhörter Frechheit durch Gotteslästerungen mein Ohr zu zerreißen.
Alonzo. Durch Gotteslästerungen?
Sebastiano. Ja. – Dein Gott ist meiner Verehrung zu klein! – Halten Sie dies für keine Gotteslästerung?
Alonzo. Unerhört!
Sebastiano. Er trotzt auf Ihre Güte, die Sie an einen Undankbaren verschleudern, sein Freund wird einst von Suhlu hieherschiffen, auch Alla-Moddin wird die Mauer zu öffnen wissen, entfliehen – und schon hör' ich des Heiden schadenfrohes Gelächter.
Alonzo. Nein, dahin soll es nie mit uns kommen! – Ich übergebe ihn jetzt Ihren Händen, er sei der Ihrige, behandeln Sie ihn ganz so wie es ihrer Klugheit gut dünkt. – Aber – er entdeckte den Wächtern selbst zuerst die Oeffnung, durch die Omal entkam, und er gegen unser Leben verschworen?
Sebastiano. Schlechtes, übergoldetes Metall, falscher Glanz einer erlognen Tugend, Lieder uns in den Schlaf zu singen, um desto sicherer zu entfliehen.
Alonzo. Warum fehlt mir die Ueberzeugung, daß Sie Recht sprechen? Eine innre Stimme sagt mir: wir behandeln diesen unglücklichen König zu hart.
Sebastiano. Und was nennen Sie zu hart behandeln? – Sie sorgen für ihn mit eben der Sorgfalt, mit der ein liebevoller Vater für einen ungerathenen Sohn sorgt. Sie wollen nicht, daß an jenem großen Tage der Einsammlung diese Aehre einsam da stehe, ein Spiel der Winde. – Sie wollen ihn glücklich, ewig glücklich machen. Unsre Kirche öffnet ihre liebevollen Arme, er weist sie verhönend zurück. – Ist es Sünde, dem Wahnsinnigen den Dolch aus den Händen zu winden? Den Trunkenen mit Gewalt vom jähen Abgrund zurückzureißen? – Wo ist die Sünde, Alla-Moddin in den Schooß der Seligkeit zu führen?
Alonzo. Ich gebe nach. –
Sebastiano. Jetzt schriftlich Ihre Vollmacht.
Alonzo schreibt und giebt das Blatt an Sebastiano.
Sebastiano schreibt wenige Zeilen, klingelt, ein Bedienter tritt auf. Dies dem Gefangenwärter! – Er giebt ihm beides, der Bediente geht ab.
Vorige. Der Fremde. Man sieht eine Wache durch die halb offen gelassene Thür.
Pause, beide sehn ihn schweigend an.
Fremder. Sie scheinen verwundert. – Diese Rolle gehört mir! – Ist dies die Gastfreundschaft auf Manilla? – Bewirthet ihr so den Fremdling? Geht der Spanier so mit seinem Landsmann um?
Sebastiano trotzig. Wer sind Sie? – Ihren Namen, Ihren Stand!
Fremder unwillig. Ich antworte nur dem, der fragen kann.
Vorige. Ein Bedienter.
Bedienter. Gusmann de Beremona!
Alonzo. Beremona? – Dieser vornehme Spanier? – Woher?
Bedienter. Er kam mit dem eben angelandeten Schiffe.
Alonzo. Ich erwarte ihn. Bedienter ab.
Alonzo. Nun, – wer sind Sie?
Vorige. Gusmann.
Gusmann tritt in demselben Augenblick herein, er verbeugt sich, eilt dann auf den Fremden zu und umarmt ihn. Er ist – mein Freund!
Alonzo und Sebastiano sehn ihn staunend an.
Alonzo nach einer Pause. Er ist mein Gefangener.
Gusmann. Den Sie vielleicht auf meine Bitte freigeben werden.
Alonzo. Vielleicht auch nicht.
Gusmann reicht ihm ein Packet. Auch dann nicht?
Alonzo, der es durchsieht. Was ist das? – Himmel! – Sebastiano! Sie hatten sich doch geirrt! – Er geht schnell ab, nachdem er Gusmann und den Fremden aufmerksam angesehen hat.
Fremder. Alonzo! Sie selber stießen meine Freundschaft von sich.
Sebastiano erstaunt. Was ist das?
Gusmann. Hier für Sie. Er reicht ihm Briefe.
Sebastiano. sieht sie durch, blickt Gusmann und den Fremden grimmig an, knirscht und murmelt für sich. Verfluchter! – Er geht schnell von der andern Seite ab.
Gusmann. Der Fremde.
Fremder, der Gusmann noch einmal umarmt. O Freund, ich bin erstaunt, Sie schon hier zu sehen, – ich glaubte nicht, daß das landende Schiff das Ihrige wäre. – Ich selbst bin erst seit gestern hier.
Gusmann. Ich hatte eine sehr glückliche Fahrt, und ich fand Gelegenheit, schon einige Tage nach Ihnen abzusegeln.
Fremder. O glücklich, daß Sie gekommen sind! – Kommen sie itzt in den Kerker des unglücklichen Alla-Moddin.
Gusmann. Kennt er Sie?
Fremder. Nein.
Gusmann. Ich bringe eine Nachricht mit, die Ihnen und jedem Rechtschaffenen sehr angenehm sein muß.
Fremder. Sie ist?
Gusmann. Außer der Absetzung Alonzo's – die Aufhebung des Jesuiterordens in allen spanischen Besitzungen. Wunderbar! daß ich zugleich der Ueberbringer dieser beiden Zeitungen sein muß, – darum sah uns Sebastiano mit so glühenden Augen an.
Fremder. Alles entwickelt sich noch glücklicher als wir dachten.
Gusmann. Ich habe noch hundert Kleinigkeiten zu besorgen, die nothwendig gethan sein müssen, – leihen Sie mir Ihren Beistand, dann wollen wir den Unglücklichen besuchen und ihm die Nachricht seiner Freiheit bringen. gehn beide ab.
(Alla-Moddins Gefängniß.)
Alla-Moddin. Amelni. Lini.
Alla-Moddin sitzt an der Mauer; Amelni neben ihm und stickt mit Gold eine schwarze seidne Leibbinde: Lini sieht ihr aufmerksam zu.
Alla-Moddin. Schon zittert ein röthlicher Schein auf jenen Wogen, und der Fremde kehrt noch nicht zurück.
Amelni. Du hoffst auf ihn so sehnlich, als ob er Dir Deine Freiheit anzukündigen habe.
Alla-Moddin. So ist der Mensch! Heut am Morgen schien es mir, als wäre mir alles gleichgültig, und doch zähl' ich itzt jeden Pulsschlag, horche auf jeden Schall des Windes gegen die Schlösser, ob nicht endlich durch die geöffnete Thür der neugewonnene Freund hereintrete. Ich wünsche seinen Anblick eben so sehr, als der Schiffer das Angesicht der Sonne nach einer stürmischen Nacht.
Amelni nachdenkend. Warum muß die Tafel meines Gedächtnisses so düster aussehen? – Dieser Fremde – – alle Erinnerung so ganz verwischt –
Alla-Moddin. Amelni, was suchst Du mit Deinen Gedanken?
Amelni. Die Wiedererinnerung dieses Mannes.
Alla-Moddin. Des Fremden?
Amelni. Mir ist in einem Augenblick, als müßt' ich ihn kennen, und dann ist er mir plötzlich wieder ganz fremd; denn ich müßte mich doch erinnern, wenn, und bei welcher Gelegenheit ich ihn sahe.
Lini. Mutter, warum bist Du denn nicht fröhlicher?
Amelni. Und warum sollt' ich es sein?
Lini. Deiner schönen Arbeit wegen. Sieh nur, ich freue mich schon so, daß ich Dir blos zusehe, wie ein Goldfaden sich neben den andern freundschaftlich hinschmiegt, wie hier ein Stern und dort einer aus der schwarzen Nacht hervortritt; wie mußt Du Dich nun erst freuen, wenn Du Dir bei jedem neuen Sterne sagen kannst: das hab' ich gethan! – Es ist doch schön, so künstlich zu sein! – Du mußt mir auch solche Binde schenken, liebe Mutter. Jetzt nicht! – Wenn ich groß und schön bin, wenn – – (habe ich doch in der langen Zeit gar den Namen vergessen) Vater! – Wie heißt das Eisen, mit dem man sich gegen die Spanier vertheidigen muß?
Alla-Moddin. Schwert, Knabe, vergiß das Wort nie!
Lini. Ja, wenn ich erst ein Schwert schwingen kann, dann, nicht wahr, liebe Mutter, dann schenkst Du mir auch solche schöne schwarze Binde?
Alla-Moddin. Itzt erst bemerk' ich Dein Geschäft. – Amelni! Sieh diese Mauern an, sie spotten über Dich. Soll dies mich an mein voriges Glück erinnern? – Ha! sonst! sonst! – Weißt Du noch; Amelni, als Du mit jener Binde mich schmücktest, da ich gegen die wilden Insulaner zog, die Suhlu verheerten? – Aber jetzt – wenn werd' ich diese gebrauchen? Die Zeit wird sie zernagen, zwischen diesen Mauern wird sie zerstäuben, und ich möchte über jeden Stich eine Thräne vergießen, mit dem Du so sorgfältig diesen Flor durchbohrst. – Du weinst, Amelni? – – O laß sie mich wegküssen, diese Thränen.
Amelni. Laß sie fließen auf dieses Tuch herab, ein Todtenopfer Deinem gestorbenen Muthe. – Wohin ist Dein Geist entflohen? Ruf' ihn zurück.
Alla-Moddin. Er schwärmt in Suhlu's blühenden Hainen.
Amelni. Gedenke der Worte des Freundes: Valmont kehrt gewiß zurück, denn er hält, was er versprach.
Alla-Moddin. O Du weißt nicht – vor sich. ach Sebastiano! – laut. Kennst Du denn nicht das Märchen von Runal?
Amelni. Nein.
Lini. Ein Märchen, Vater? – O erzähle, ich will es nachher meinem Vogel wieder erzählen, damit ich etwas zu thun habe.
Alla-Moddin. Fern von seinem Vaterlande war Runal in einem schwarzen Walde verirrt, die Winde bliesen mit heiserer Stimme durch die klappernden Zweige, Kälte übergoß mit Zittern seinen Körper. Räuber (es waren Europäer) nahmen ihm seine Kleider, der Regen trieb ihm schneidend entgegen, er zitterte vor Frost. – Der Wald öffnet sich – er tritt heraus. – Der Himmel mit dicht über einander gewälzten Wolken verhüllt, kein Stern, kein Mondenstrahl, vor ihm eine große unendliche Wüste. – Kein Mensch in der Nähe? seufzt Runal, und blickt umher; kein Licht? kein Mensch? – Sein Blick kehrt unbefriedigt, thränenvoll zurück. Noch einmal blickt er rückwärts nach den Wald, die Vergangenheit düster hinter ihm, die Zukunft öde vor ihm. – Ha! dort zwischen schwarzen herabhangenden Wolken, an der fernen Gränze des Horizonts, ein blaues, flimmerndes Licht, dicht an den Boden gedrängt. – Neu gestärkt geht er nach diesem Lichte zu, es erhebt sich, und war – ein Stern! – Schaudernd wirft sich Runal nieder, und weint, itzt noch trostloser als zuvor.
Amelni seufzend. Ich verstehe Dich.
Lini. Und weinte denn der Stern nicht mit ihm?
Amelni greift nach der Laute. Soll ich singen?
Alla-Moddin. Itzt nicht. – Diese süßen Töne würden allen Muth aus meiner Brust hinwegschmelzen.
Amelni. Wende Dein trübes Auge hieher, sieh auf diese Stickerei. Sieh wie alle Goldfaden sich hier auf den düstern Grund hinlegen, und aus schwarzem Boden emporkeimen, – ein Bild des menschlichen Lebens. Diese Sonnen und Sterne sind des Menschen glückliche Tage, können sie ohne das schwarze Unglück sein, das sie hervorbringt? Horch! – Hörst Du die Tritte? – Der Fremde!
Vorige. Lorenzo mit einer Wache.
Alla-Moddin. O getäuschte Erwartung!
Lorenzo. Alla-Moddin!
Alla-Moddin. Was verlangst Du?
Lorenzo. Folge zum Statthalter.
Alla-Moddin. Es sei. – Er geht mit einigen von der Wache ab.
Vorige ohne Alla-Moddin.
Amelni zu Lorenzo. Warum siehst Du uns so düster und bedeutungsvoll an? Es liegt eine Nachricht auf deinen Lippen, die Du auszusprechen fürchtest. Sprich!
Lorenzo. Ich bedaure Euch.
Amelni. Wie hat sich diese Empfindung zu Dir verloren?
Lorenzo. Euren Fluch nicht über mich! – Er winkt, einer von der Wache reicht ihm Ketten.
Lini. Was hast Du da?
Lorenzo. Ein Geschenk – für Dich.
Lini. Für mich?
Amelni. Götter! – Alla-Moddin – Deine Ahndung! –
Lini. Was soll ich damit?
Alla-Moddin hinter der Scene. Unmöglich! Verrätherei! Alle Flüche des Himmels auf Euer Haupt herab, Bösewichter!
Lini. Der Vater schreit! –
Amelni. Warum hassen mich Suhlu's Götter so sehr, daß ich dies alles erleben muß?
Alla-Moddin, hinter der Scene, man hört Ketten rasseln. Zurück! – O Himmel, gieb Deinen Blitz in meine Hand!
Lini weinend. Ich muß weinen, wenn ich den Vater so schreien höre.
Alla-Moddin ungesehen. Omal! – Valmont!
Lorenzo zu Lini. Komm! – Er will ihm die Ketten anlegen.
Lini. Lieber Mann, was willst Du thun?
Lorenzo, sich die Augen trocknend. Die grausame Pflicht meines Amtes erfüllen.
Lini. Du willst mir diese großen Ringe anlegen? – Sie sind zu schwer für meine kleinen Arme. –
Lorenzo. Ich muß.
Lini. Laß es immer sein, denkst Du mich dadurch fester zu halten? – Ich muß ja doch hier bleiben.
Amelni faßt Lini in ihre Arme. Ist denn alles Erbarmen hier todt? – Wenn Du Kinder hast, so schone seiner.
Lini. Vielleicht hast Du auch einen kleinen Sohn, wie ich bin, bedenk' einmal, wenn man ihn so binden wollte, würd' es Dir nicht wehe thun? – Laß mir immer die Arme frei, ich kann ja sonst nicht einmal meinen lieben Vogel dort füttern, und Du wirst doch nicht verlangen, daß er vor Hunger sterben soll? – Du siehst mich an. – Sieh mich freundlich an, und ich will Dich auch als einen guten Mann loben, ich will Dich den besten aller Spanier nennen. – Bist Du schon je so gebunden gewesen? – Gewiß nicht, denn sonst würdest Du meinen kleinen Händen diese Quaal nicht anthun wollen. –
Lorenzo. Ich vermag es nicht. Er wirft die Ketten hin und geht ab.
Vorige ohne Lorenzo.
Lini. Nun bin ich wieder froh, er geht.
Amelni. O traure, daß er ging, mit ihm ging Dein Schutzgeist hinweg, denn sieh nur die Augen dieser Männer, die wie Gewitterwolken auf Dein Angesicht hängen. – Ich kann Dich nicht schützen. – Sie geht zurück, setzt sich auf ein Ruhebett, verhüllt ihr Gesicht und weint.
Einer von der Wache nimmt die Ketten auf, und geht damit auf Lini zu.
Lini. Du wirst mich doch nicht binden wollen? – Du siehst wirklich so aus. – Schämst Du Dich denn nicht? – Auf Suhlu ist der ein Bösewicht, der einem Kinde wehe thut. – Folge jenem Manne nach, – ich habe Dich nie gesehen, und Du könntest so grausam sein? – Wie starr er mich ansieht! als ob er mich nicht verstände! – Seht, ich weine, denn ich fürchte mich wirklich vor Euch, – bei Euch in Europa weint man wohl nicht, denn Ihr lacht über mich, – freilich spreche ich nur wie ein Kind. – Ihr seid lauter Grausamkeit, und Euer Betragen macht, daß ich wirklich zornig auf Euch werde! – Nun wohl! – Hier sind meine Arme! – Ich will nicht hinsehn, damit Ihr Euch nicht schämt, wenn ich Euch ansehe, – nun bindet mich, denn eben so leicht könnt' ich diese ehernen Ringe zum Mitleid bewegen, als Euch. – Er wendet sich hinweg und wird gefesselt, die Wache geht ab.
Amelni. Lini.
Lini. Ach Mutter! wie glücklich, daß sie Dich vergessen haben, ich will Deine Hände ansehen, und dabei die Last der meinigen vergessen.
Amelni. O Lini! – Du bist ein fürchterlicher Anblick.
Lini. Ach Mutter! – Du mußt mir zuweilen etwas auf der Laute vorspielen, denn ich kann es nun nicht mehr. Er geht zu seinem Vogel. Sieh einmal, Freund, wie ich aussehe! – Du kannst nun froh sein, daß Du Deine Füße noch frei hast. – Du bist doch ein guter Vogel, ich glaube, Du würdest weinen, wenn es Dich Deine Eltern gelehrt hätten, so wie ich es von meiner Mutter gelernt habe.
Vorige. Alla-Moddin.
Alla-Moddin stellt sich stumm am Eingang des Gefängnisses, in seelenloser Betäubung mit seinen Ketten rasselnd.
Amelni fährt bei diesem Geklirre auf, sieht ihn, und stürzt auf ihn zu. O mein Alla-Moddin!
Alla-Moddin gleichsam erwachend. Bin ich Alla-Moddin? – Unmöglich! – Er in Ketten? – O Amelni! Amelni!
Lini. Vater! Vater! – Leid' es nicht, daß ich so herumgehn muß.
Alla-Moddin wüthend. Auch Du? – O Barbaren! – Fluch! tausendfacher Fluch vom Himmel herab auf das Haupt der Bösewichter! – O Alonzo! – Sebastiano! Er schlägt wüthend mit den Ketten gegen die Mauer. O könnt' ich mit diesen Ketten diese Mauern verwunden, bis sie darniederstürzten?– O Wuth! Verzweiflung! – Warum machtet ihr meine Kraft nicht unsterblich? – So tief bin ich gefallen? – So tief Gattin und Sohn? – O Lini, Lini, würge Dich mit diesen Fesseln! stirb Unglücklicher! stirb! der Tod befreit von jedem Ungemach! stirb!
Lini. Mutter! – er läuft zu Amelni, und verbirgt sich an ihren Busen. Mutter! – Hilf mir! – Sieh, wie die Augen meines Vaters glühen.– Was hab' ich gethan, daß mein Vater so sehr auf mich zürnt, der sonst immer so freundlich gegen mich war?
Vorige. Sebastiano.
Sebastiano stellt sich vor Alla-Moddin und betrachtet ihn aufmerksam.
Alla-Moddin mit kaltem Grimme. Willkommen! – Weide Dich an diesem Anblick.
Sebastiano ergrimmt vor sich murmelnd. Nein! Ihr sollt nicht siegen! – Eure Bemühung sei vergebens! – zu Alla-Moddin, dem er einen Becher hinhält. Trink!
Lini umfaßt Alla-Moddin. Vater, thu es ja nicht, dieser Mann könnte Dir etwas geben, das übel schmeckt und Dir nachher Schmerzen machte.
Amelni tritt hinzu. Alla-Moddin! trink nicht, es ist Gift!
Alla-Moddin. Gift? – O nenn' es nicht so! Es ist ein Labetrunk, der mich schnell aus diesem Kerker in lichte Fluren entrücken wird, dann sind diese Ketten nicht mehr um meinen freien Arm geschlungen, dann wird jede Deiner Thränen reichlich bezahlt, alles was hinter uns liegt, ist dann ein schwarzer Traum, den die aufwachende Morgenröthe verscheuchte. Bitte diesen freundlichen Mann, er wird auch für Dich noch einige Tropfen haben.
Sebastiano. Trink!
Alla-Moddin ergreift den Becher. Die Götter Suhlu's winken mir mit freundlicher Geberde! Ich trinke Seligkeit aus diesem Becher.
Man hört aus der Ferne eine schallende Stimme »Alla-Moddin« rufen.
Sebastiano dringend. Trink, Verzagter!
Stimme. Wo ist er? Schließ eilig auf!
Alla-Moddin. War dies nicht des Fremden Stimme? – Ha! er kömmt! – Eine frohe Ahndung fliegt durch meinen Geist, ich trinke nicht! – Er wirft den Becher weg, und Gusmann und der Fremde treten herein.
Vorige. Gusmann. Der Fremde.
Fremder. Alla-Moddin.
Lini eilt auf den Fremden zu. Ach, da bist Du ja, lieber fremder Mann, – hilf uns doch! –
Fremder. Sebastiano! ich durchschaue Ihre Absicht, Alla-Moddin in Ketten? Und jetzt?– Sie wollten sich rächen, mit teuflischer Bosheit wollten Sie unsre Mühe vereiteln. – O glücklich, daß wir nicht zu spät gekommen sind!
Sebastiano. Wenigstens habe ich Ihnen keine Rechenschaft zu geben. – Er geht ab.
Fremder. In Ketten? – Lorenzo! Der Gefangenwärter kömmt. Hinweg mit diesen Fesseln! –
Lorenzo. O! ein angenehmes Geschäft! – Er nimmt ihnen die Ketten ab und geht ab.
Lini. O wie leicht ist mir jetzt wieder! – wie wohl!
Fremder. Alla-Moddin, Du kennst Deinen Freund nicht mehr. Warum siehst Du so starr? – Wie ist Dir?
Alla-Moddin. Sahst Du je, wie ein Heer von furchtbaren Gewitterwolken sich verfolgend über ein Feld dahinzog, wie ein Donner hinter dem andern rollt, ein Blitz dem andern entgegensprang? Die bange Flur wagt es nicht, unter dem geißelnden Hagel sich zu regen: – so ist mir. Ich stehe da, vom Sturm des Unglücks umsaust, voll dunkler Ahndung, unbefriedigt, als sollt' ich auf Sonnenschein hoffen.
Fremder. Und Du hoffest nicht vergebens. – Alla-Moddin! er umarmt ihn. Sagt Dir diese Umarmung nichts? – O so fühle in diesem heißen Kusse die Nachricht, die Deiner wartet. – er bringt ihn schnell in die Arme Amelni's. Ihr seid frei!
Alla-Moddin und Amelni umarmen sich feurig, sie staunen, die Sprache versagt ihnen.
Lini im stärksten Ausbruch der Freude. Frei? – Frei? – Gewiß? – Ach ja! ja! denn der Vater lächelt, und die Mutter lächelt und weint im Lächeln! – Nun so freue Dich doch Vater! – Mutter! weine nicht! – Nun, warum ist denn alles so still? Singt, – tanzt! – Lieber Vogel, wir sind frei! Singe ein Liedchen! – Warum spielt die Laute nicht von selbst? – O die vereinigte Stimme von ganz Suhlu würde mir itzt nicht laut und jauchzend genug sein. – er umarmt schnell Gusmann. Wir sind frei! – eben so den Fremden. Frei! – Du bist ein guter Spanier! – er fliegt in die Umarmung seiner Eltern. Ach, was schwatze ich so lang? ich will mit Euch weinen!
Alla-Moddin umarmt Amelni und Lini. Itzt umarmt der freie Alla-Moddin die freie Gattin, den freien Sohn. – Ein neuer Frühling meines Lebens beginnt mit diesem sonnebeglänzten Augenblick, die Blume unsers Glücks ist wieder aufgeblüht – ihr Duft ist Seligkeit!
Amelni. Wir sind frei – sie geht auf den Fremden zu. frei – und Du – Sonnenschein in meiner trüben Erinnerung! – und Du bist – Valmont!
Alla-Moddin. Valmont?
Fremder. Erkenne ihn an dieser Umarmung? sie umarmen sich.
Amelni. Wie ein Lichtstrahl flog's durch meine Seele. –
Alla-Moddin. Ach! Valmont! – zärtlicher Freund!
Lini. Nun Valmont, so umarme mich denn auch einmal wieder, Du hast Dein Versprechen erfüllt, und ich gebe Dir nun den Kuß zurück, den Du mir damals gabst, als Du mir den Vogel da schenktest. – Aber dem Kleinen da muß ich nun mein Versprechen auch halten, ich bin frei, und auch er soll frei werden. Und Dich Valmont will ich lieben, wie ich Runi und die kleine Velda liebe, – ich will – er naht sich dem Vogel. ich verstehe dich! – er nimmt ihn aus dem Käfig. Noch einen Kuß – und nun er läßt ihn durch die Kluft der Mauer fliegen. lebe wohl – Wie freudig er die Flügel schlägt! – Wie wohl wird ihm sein, wenn er im blühenden Hain seine Gespielen wieder findet, die ihm mit Gesängen entgegen kommen, wenn er zu den Gebüschen zurückkömmt, durch die er hüpfte, als er noch nicht singen konnte – sieh! da fliegt er wieder vorbei! – Fahre wohl, schneller Freund, wir sehn uns nun nicht wieder.
Amelni. Aber wie war es Dir möglich, Valmont, so schnell Dein heutiges Versprechen zu erfüllen?
Gusmann. Es gelang ihm, nach tausend vergeblichen Versuchen, die ihn nie ermüdeten, Gehör zu finden. Sebastiano wird nach Spanien vor Gericht gefordert: zugleich ist sein Orden auf ewig zernichtet, Alonzo wird abgesetzt, und ich bin an seiner Statt hieher geschickt, Statthalter von Manilla zu sein.
Alla-Moddin. Aber Valmont, warum kamst Du unter diesem fremden Gewande in meine schwarze Wohnung.
Valmont. Um nicht zurückgewiesen zu werden, da Alonzo seit langer Zeit schon alle anscheinende Freunde von Dir entfernte; einem Spanier versagte man den Eingang nicht. – Das Schiff meines Freundes Gusmann landete später als das meinige, ohne ihn war ich ohnmächtig. – Alla-Moddin, sollte Valmont ohne Hülfe, nur mit Versprechungen zu seinem Freunde kommen, der aus ihn hoffte? – Der Fremde konnte trösten, Valmont mußte etwas mehr als Trost bringen. –
Amelni. O des zärtlichen Freundes! – Aber ist es nicht wunderbar, daß wir noch hier stehen, daß wir vergessen, des neugewonnenen Gutes zu genießen? – Diese Wände stimmen zu unsrer Freude nicht.
Vorige. Gonsalvo.
Gusmann. Was wollen Sie?
Gonsalvo. Sie sprechen, gnädigster Herr.
Sie sprechen leise zusammen.
Amelni nimmt ihre gestickte Binde. Alla-Moddin! Nun habe ich nicht vergebens gearbeitet. Sieh, wie die Götter unsrer kurzsichtigen Sorgen spotten, nimm diese Binde zum Andenken dieses Tages. Sie umgürtet ihn mit der Leibbinde.
Gusmann nach einer Pause. Gewiß? – Ich möchte es für ein Märchen, oder eine Frucht der Einbildung halten.
Gonsalvo. Nichts weniger, gnädiger Herr. Mehrere Spanier haben diese Indianer landen sehen, von denen man weder weiß, woher sie kommen, noch was sie auf Manilla wollen. Unter den Felsen gegen Osten halten sie sich verborgen, an hundert Kanots stehn dort in versteckten Buchten. Ein vorübergehender Spanier hat deutlich von ihnen die Worte: Alonzo, Alla-Moddin, Rache gehört. Sein Sie auf Ihrer Hut, gnädiger Herr, diese Heiden haben schon manchen wackern Castilier hintergangen.
Gusmann. Schon gut. – Der morgende Tag wird alles entdecken. –
Gonsalvo geht ab. Gusmann zieht Valmont auf die Seite und spricht mit ihm heimlich.
Valmont. Und Sie können noch zweifeln?
Gusmann. Aber die Vorsicht –
Valmont. Nein Gusmann, er ist ein edler Mann, so daß Ihnen nachher auch der leiseste Verdacht wehe thun wird. –
Gusmann. Aber da es doch möglich ist –
Valmont. Ich verbürge mich für ihn. – Sind Sie nun zufrieden? –
Gusmann. Wenn er das Gefängniß verläßt, so darf ich also von Ihnen den Gefangenen fordern?
Valmont. Ich bins zufrieden.
Gusmann. Ich will indeß mehrere Boten aussenden, diese Nachricht ist nicht unwichtig. – Er geht ab.
Alla-Moddin. Was ist Deinem Freunde, er sahe mißvergnügt aus?
Valmont. O er ist ein mißtrauischer Spanier, – laß ihn. Die Nacht naht heran, komm, wir wollen diesen Abend an einer fröhlichen und freundschaftlichen Tafel feiern.
Alla-Moddin. Wir gehn der Freiheit entgegen, die Traurigkeit bleibe ewig hinter diesen Schlössern zurück!
Sie gehn, in der Thür bleibt Lini stehen.
Lini geht zurück und nimmt die Laute. O du süße Sängerin, hast mich oft froh gemacht, wenn ich nicht schlafen konnte; meinen Vogel hab' ich fliegen lassen, aber dich will ich mit nach Suhlu nehmen, du sollst mich oft an diese kalten Mauern erinnern, und wie lieb ich dich hier hatte. – Dich will ich nie verlassen. –
(Der Vorhang fällt.)