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Als Lewin mit dem frühen Morgenrot erwacht war, versuchte er es, die Gefährten zu wecken. Wasjenka, auf dem Bauche liegend und den einen Fuß noch mit dem Strumpfe von sich streckend, schlief so fest, daß keine Antwort von ihm zu erhalten war.
Oblonskiy weigerte sich im Schlafe, so früh aufzubrechen und selbst Laska, verschlafen und im Kreis zusammengeringelt, am Rande des Schuppens liegend, erhob sich nur ungern und streckte träge, eins nach dem andern, die Hinterbeine von sich.
Nachdem Lewin sich angekleidet hatte, ergriff er das Gewehr, öffnete sachte die kreischende Thür des Schuppens, und trat auf die Gasse hinaus. Die Kutscher schliefen bei den Wagen, die Pferde träumten; nur eines fraß faul seinen Hafer, ihn mit seinem Schnauben auf der Holzkrippe auseinanderblasend.
Auf dem Hofe war alles noch grau.
»So früh schon auf, Herr?« wandte sich, freundlich, wie zu einem alten guten Bekannten, die alte Hausmutter, welche aus dem Bauernhause kam, an ihn.
»Ja, es soll zur Jagd gehen, Mütterchen! Komme ich dort nach dem Sumpfe?«
»Gerade durch die Gärten, unsere Tennen, lieber Mann, und die Hanffelder; dort geht der Weg.«
Behutsam mit den nackten, gebräunten Füßen auftretend, führte die Alte Lewin und öffnete ihm den Verschlag bei der Tenne.
»Geradeaus so und du kommst in den Sumpf; unsere Kinder haben dort Nachtweide gehabt.«
Laska lief lustig voraus auf dem Fußsteig; Lewin folgte ihm mit schnellen, leichten Schritt, fortwährend nach dem Himmel schauend. Er wünschte, die Sonne möchte nicht früher aufgehen, als bis er zum Ried gekommen wäre, doch die Sonne säumte nicht. Der Mond, welcher noch schien, als er herausgetreten war, glänzte jetzt nur noch wie ein Stück Quecksilber. Das Morgenrot, welches man vorher deutlich sehen mußte, war jetzt zu suchen, und vorher unbestimmt gewesene Flecken im fernen Felde waren jetzt klar sichtbar; es waren Kornfeime. Der ohne das Sonnenlicht noch nicht sichtbar gewesene Thau in dem duftenden, hohen Hanf durchnäßte die Füße und die Bluse Lewins bis über den Gürtel. In der klaren Ruhe des Morgens waren die leisesten Geräusche vernehmlich. Eine Biene flog mit dem Sausen der Kugel an Lewins Ohr vorüber. Er schaute auf und sah eine zweite, eine dritte. Sie alle kamen hinter dem Zaune des Bienengartens hervorgeflogen und verschwanden über dem Hanf in der Richtung nach dem Ried. Der Fußsteig führte gerade aus in den Sumpf, und diesen selbst konnte man schon an den Dünsten erkennen, welche sich aus ihm erhoben, hier dichter, dort weniger dicht, so daß die Wiese und Gebüsche wie kleine Inseln in dem Nebel flimmerten. Am Rande der Niederung und des Weges lagen Knaben und Bauern, welche die Nacht beim Vieh gewacht hatten und im Morgenrot alle unter ihren Kaftanen schliefen. Unweit von ihnen gingen drei gefesselte Pferde; eines derselben klirrte in seinen Ketten. Laska ging neben seinem Herrn, nach vorwärts strebend und sich umblickend.
Nachdem Lewin bei den schlafenden Bauern vorübergegangen und an die erste Wasserstelle gelangt war, besichtigte er die Pistons und ließ den Hund los. Eines der Pferde, ein gutgefütterter, brauner Dreijähriger, erschrak, als er den Hund erblickte, hob den Schweif und schnob. Die übrigen Pferde gerieten gleichfalls in Schrecken, und eilten mit den gefesselten Beinen im Wasser plätschernd, und mit den aus dem dichten Lehm gezogenen Hufen einen Lärm verursachend, welcher dem Klopfen ähnlich war, aus dem Sumpfe.
Laska war stehen geblieben, schaute spöttisch auf die Pferde und fragend auf Lewin. Dieser streichelte den Hund, und pfiff, zum Zeichen, daß er nun beginnen könne.
Munter und vorsichtig eilte Laska über das unter ihm schwankende Moor.
Als er in den Sumpf geeilt war, witterte er unter den ihm vertrauten Gerüchen und Sumpfgräsern, des Schlammes und des hier nicht hergehörigen Duftes von Pferdemist, der in diesem ganzen Revier verbreitet war, den Geruch eines Vogels, des Vogels, der ihn mehr als alle anderen Witterungen in Aufregung versetzte.
An manchen Stellen im Moos und bei Sumpfpflanzen war dieser Geruch sehr stark, aber es ließ sich nicht entscheiden, nach welcher Seite hin er zunahm oder schwächer wurde.
Um die Richtung zu finden, war es nötig, weiter unter den Wind zu gehen. Ohne die Bewegung seiner Füße zu fühlen, eilte Laska in scharfem Galopp, doch derart, daß er bei jedem Sprung Halt machen konnte, wenn es nötig werden sollte, nach rechts, hinweg von dem von Osten her wehenden leichten Morgenwind, und wandte sich dann gegen denselben. Mit offener Nase die Luft in sich einziehend, witterte er sogleich, daß nicht nur die Spuren von ihnen, sondern sie selbst da waren, in seiner Nähe, und nicht vereinzelt, sondern viele. Laska verminderte die Schnelligkeit seines Laufes. Sie waren da, aber wo, vermochte er noch nicht zu bestimmen.
Um den Ort nun zu finden, begann er bereits einen Kreislauf, als ihn die Stimme seines Herrn davon abzog. »Laska, dort,« sagte er, ihn auf die andere Seite weisend. Der Hund stand, und frug ihn, ob es nicht besser wäre, zu thun, wie er begonnen hätte! Doch der Herr wiederholte mit strenger Stimme seinen Befehl, auf einen mit Wasser überdeckten Fleck zeigend, wo nichts sein konnte.
Er gehorchte ihm, sich stellend als suche er, um ihm Vergnügen zu machen, durchstreifte den Fleck und kehrte dann zu seinem alten Platz zurück, und sofort witterte er die Vögel wieder. Jetzt, da sein Herr ihn nicht mehr störte, erkannte er, was zu thun sei, und begann, ohne auf seine Füße acht zu haben und ärgerlich über die hohen Erdhügel strauchelnd, oder ins Wasser fallend, aber mit flinken starken Füßen seinen Kreislauf, welcher ihm alles klarmachen mußte.
Der Geruch der Vögel wurde stärker und stärker, er drang immer bestimmter und bestimmter auf ihn ein, und plötzlich war es ihm vollkommen klar, daß einer derselben dort, hinter jenem Erdhügel sei, fünf Schritte vor ihm; und er blieb stehen, blieb unbeweglich mit dem ganzen Körper.
Auf seinen niederen Beinen konnte er vor sich nichts sehen, an der Witterung aber erkannte er, daß der Vogel nicht weiter als fünf Schritt entfernt von ihm saß. Er stand, mehr und mehr des Wildes Nähe fühlend und sich in der Erwartung freuend. Die steife Rute war hochgestreckt und bebte nur ganz am Ende. Sein Maul war leicht geöffnet, die Ohren waren gespitzt. Das eine Ohr hatte sich noch während des Laufs zurückgelegt, und er atmete schwer, aber vorsichtig, und schaute sich noch vorsichtiger nach seinem Herrn um, mehr mit den Augen, als mit dem Kopfe. – Dieser, mit seinem gewohnten Gesicht, aber den ihm stets furchtbaren Augen, kam, über die Erdhaufen strauchelnd, ungewöhnlich gemächlich, wie ihm schien, und doch lief er.
Als Lewin das seltsame Suchen Laskas bemerkt hatte, wie sich dieser ganz zur Erde drückte, mit großen Schritten der Hinterfüße gleichsam rudernd, das Maul leicht geöffnet, erkannte er, daß Laska einer Schnepfe nachspüre und eilte, im Geiste Gott bittend, daß er ihm Erfolg, besonders für den ersten Vogel verleihe, zu dem Hunde.
Als er nahe an diesen herangekommen war, hielt er in seiner Größe vor sich Umschau und erblickte mit den Augen, was sein Hund mit der Nase erkannt hatte. In einem Schlupfwinkel zwischen zwei Erdhügeln, in der Entfernung von einem Faden, war eine Bekassine sichtbar. Den Kopf gewendet, lauschte sie; dann plötzlich die Flügel leise reckend und sie wieder zusammenlegend, schüttelte sie das Hinterteil und verbarg sich hinter einer Ecke.
»Stell, stell!« rief Lewin, Laska in den Rücken stoßend.
»Ich kann ja nicht,« dachte Laska, »wohin soll ich gehen? Von dorther wittere ich die Vögel, aber wenn ich mich vorwärts bewege, werde ich nicht erfahren, wo sie sind. Doch er stieß den Hund mit dem Knie und sprach in aufgeregtem Flüsterton, »stell', mein Laska, stell'!«
»Nun, wenn er es denn will, werde ich es thun, doch ich bin jetzt für nichts mehr verantwortlich,« dachte Laska, und drang in vollem Laufe vorwärts zwischen den Erdhügeln. Er hatte bis jetzt noch nichts gemerkt und nur geschaut und gelauscht, ohne etwas zu erfassen.
Zehn Schritte von seinem vorigen Platze erhob sich mit breitem Schnarchen und dem den Schnepfen eigenen vollen Ton des Flügelschlags eine Schnepfe, stürzte aber sofort auf den Schuß schwer platschend mit der Weißen Brust auf den nassen Moor herab. Eine zweite ließ nicht auf sich warten und stieg hinter Lewin ohne Hund auf.
Als Lewin sich nach ihr umwandte, war sie schon weit entfernt, aber sein Schuß erreichte sie. Nachdem sie zwanzig Schritt geflogen war, stürzte sie, sich steil im Kreise erhebend und überschlagend, wie ein geworfener Ball schwer auf einen trockenen Platz herab.
»So hat das Ding Sinn!« dachte Lewin, die noch warmen, fetten Vögel in seiner Jagdtasche bergend, »nicht so, Laskchen, das wird etwas werden?«
Als Lewin, nachdem er das Gewehr wieder geladen hatte, sich weiter bewegte, war die Sonne, obwohl hinter den Wolken noch nicht sichtbar, bereits aufgegangen. Der Mond, seines Schimmers ganz verlustig gegangen, stand bleich wie eine Wolke am Himmel, und von den Sternen war kein einziger mehr sichtbar. Der Morast sah wie Bernstein aus; die Bläue der Gräser ging über in gelbes Grün. Die kleinen Sumpfvögel tummelten sich auf den von Thau schimmernden, lange Schatten am Bache werfenden Büschen. Ein Habicht war erwacht und saß auf einem Schober, den Kopf von einer Seite auf die andere wendend und grießgrämig auf den Sumpf blickend. Dohlen flogen auf das Feld, und ein barfüßiger Junge trieb schon die Pferde zu dem sich unter seinem Kaftan aufrichtenden, und sich kratzenden Alten. Der Rauch der Schüsse lag weiß wie Milch auf dem Grün des Grases.
Einer der Knaben kam zu Lewin gelaufen.
»Herr, gestern waren da Enten!« rief er ihm zu und folgte ihm aus der Ferne.
Lewin gewährte es doppeltes Vergnügen, vor den Augen des Knaben, welcher seine Freude darüber ausdrückte, noch Schlag auf Schlag drei Bekassinen erlegen zu können.