Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Endlich war der ersehnte Sonnabend herangekommen. Pommerle war so erregt, daß ihr schon früh, beim Ankleiden, das Glas aus der Hand fiel und zerbrach. Dann stieß sie sich so heftig an den Kopf, daß eine Beule entstand. Auf dem Schulweg stolperte sie mehrfach, und in der Schule war sie unaufmerksam. Doch die Lehrer zeigten große Nachsicht. Gehörte doch der Direktor der Schule auch zu denen, die abends den Maskenball bei Torleges besuchten.
Bei Benders war man übereingekommen, daß Pommerle allein nach der Villa ginge, und zwar sollte sie zehn Minuten vor acht Uhr das Haus verlassen. Die Eltern hatten ein feierliches Versprechen abgegeben, um diese Zeit im Hinterzimmer zu bleiben, damit niemand das fortgehende Pommerle sah, denn sie fürchtete, daß unter dem Mantel ein Eckchen des blauen Kleides hervorschauen könne.
»Wir verlassen fünf Minuten nach acht das Haus«, lachte der Vater.
»Und eine Viertelstunde später knalle ich dir die drei Küsse auf. Am Montag gehen wir dann gemeinsam und kaufen das Gartenbuch.«
Während sich Pommerle in ihrem Zimmer als Kornblume ankleidete, schlüpfte Bender in den weißschwarzen Bajazzo. – Frau Bender hatte die Tracht einer schlesischen Bäuerin gewählt und sah sehr reizend aus. Ein Auto wartete, das Benders, die sich tatsächlich nicht um Pommerle kümmerten, in kürzester Zeit nach der Torlegeschen Villa brachte. Zwei kleine Vorzimmer standen bereit, damit dort die Larven umgebunden werden konnten.
Die beiden großen Festräume strahlten in hellem Licht. Man hatte gebeten, pünktlich zu sein. So waren die meisten Gäste bereits anwesend, als der Bajazzo und die Bäuerin eintraten. Nur Fabrikbesitzer Torlege und Frau hatten keine Larven vor dem Gesicht. Herzlich begrüßten sie die Ankommenden.
Was konnte man hier nicht alles sehen! Einen Maharadscha, einen eleganten Don Carlos, einen altdeutschen Ritter, einen Eremiten, dann verschiedene Herren, die nur einen Domino angelegt hatten. Einer von ihnen, ganz in Grau, machte eine geradezu komische Figur. Er war klein und sehr dick.
Bei den Damen sah man viele schöne Gewänder. Eine Elfenkönigin, eine Rose, eine Kornblume, eine Griechin, eine Kolombine, eine Norwegerin, ein Kostüm aus der Rokokozeit und viele andere.
Pommerle stand im Erker und behielt den Eingang im Auge. Ein Maharadscha war gekommen. Ihr Herz pochte heftig. Der Maharadscha eilte rasch durch den Saal, und Pommerle stellte fest, daß ihr Väterli einen anderen Gang habe. Sie wußte ja auch, daß er den Minnesänger gewählt hatte. Der war noch nicht gekommen. Dagegen kam soeben ein weißschwarzer Bajazzo in recht schönem Gewande. Pommerle schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. Als er dann an ihr vorüberkam, schnupperte sie mit dem Näschen ziemlich auffällig. – Der war bereits erkannt. Dieser Bajazzo konnte kein anderer sein als Ingenieur Lorenz Brunner, den Ilse das »Stinktier« nannte. Schon von weitem roch sie das Kölnische Wasser auf seinem Anzug.
Aber auch Bender ging achtlos an der Kornblume vorüber. Er hatte eine Nixe ins Auge gefaßt, die anmutig durch den Saal schwebte. Das waren die weißen Blüten, von denen eine in Pommerles Zimmer auf dem Teppich gelegen hatte.
»Zu dumm«, murmelte er, »daß ich beim Anziehen das Kölnische Wasser zerbrochen und über den Anzug gegossen habe. Ich werde meinen Tänzerinnen Kopfweh verursachen.«
Pommerle reckte den Hals. Durch die Tür trat soeben ein Minnesänger ein. Schwarz der Samtmantel, mit Pelz verbrämt, in der Hand die Harfe. Ja, das war des Vaters schlanke Gestalt – das war sein Gang. So stolz trug nur einer das Haupt, ihr Väterli.
Die kleine Kapelle, die Torlege verpflichtet hatte, spielte aus der »Fledermaus« den Chorgesang: »Erst ein Kuß, dann ein Du – Du – Du – immerzu.«
Pommerle kicherte vor Vergnügen. Sollte sie sogleich auf den Minnesänger zueilen und ihm die zugesagten drei Küsse aufknallen? Sie war voller Übermut, als sie bemerkte, daß der Minnesänger suchend im Saal umherging und die Elfenkönigin betrachtete.
›Ich darf mich nicht verraten, muß zu jedem gehen, ihn necken und bei dieser Gelegenheit dem Minnesänger in die Harfe greifen.‹ So eilte Pommerle durch den Saal, versetzte dem Bajazzo einen Nasenstüber, verbeugte sich zierlich vor dem spanischen Ritter, zog einen roten Domino am Ärmel, rief dem rundlichen Grauen ein übermütiges: »Rollmops« zu, und eilte wieder zu dem Minnesänger.
Sie griff in seine Harfe, näherte sich rasch dem Ohr des Minnesängers. Der hörte das geflüsterte Wort: »Erkannt.« Schon war die Kornblume wieder fort.
Der Minnesänger schaute interessiert der Kornblume nach und machte sich sogleich daran, sie zu verfolgen.
»Schöne Blume – – «
»Geliebter Minnesänger! Blickst du umher in diesem edlen Kreise?«
»Da blick' ich auf, zu einem nur der Sterne, der an dem Himmel, der mich blendet, steht«, sang der Minnesänger mit verstellter Stimme.
»Bist erkannt – brauchst deine Stimme nicht erst zu verstellen. Hörst du, was die Musik spielt: ›Erst ein Kuß, dann ein Du!‹«
»Bin nicht abgeneigt«, erwiderte der Minnesänger. »Drei bekommst du – nicht einen! Drei knallende Küsse!«
»Die lasse ich mir gern gefallen. – Warte, süße Kornblume, ich lüfte ein wenig die Larve.«
»Und das Gartenbuch ist mein!«
»Welches Buch?«
»Es steht in der Buchhandlung von Kranz und heißt – ach, Väterli, das weißt du ja selber!«
Ein unterdrücktes Lachen erklang unter der Seidenlarve. »Also nun die drei Küsse!«
»Brauchst deine Stimme nicht länger zu verstellen. Schade, daß ich mich zu erkennen geben mußte, Väterli! Du hast sicher gedacht, dein Pommerle ist die Nixe.«
»Ich denke nur an die drei Küsse, Pommerle.« Er zog die Larve ein wenig zurück, und Pommerle drückte ihre roten Lippen feurig auf die Lippen, die ihr entgegenstrebten.
»Eins – – zwei – – «
»Den dritten noch ein wenig länger, sonst gibt es das Buch nicht!«
»Ganz lang, Väterli!« Und Pommerle küßte und küßte, lachte dann silberhell auf, klopfte dem Minnesänger noch zärtlich auf die Schulter und sagte: »Und jetzt tanzen wir noch zusammen!«
»Freilich, mein süßes Pommerle«, klang es in tiefsten Tönen zurück.
»Hübsch siehst du aus, kein anderer ist so hübsch wie du. Väterli, ich kümmere mich um die anderen nicht mehr, ich tanze nur mit dir!«
»Durchaus einverstanden.«
»Väterli, die Ilse denkt, du bist der Maharadscha. Sieh mal, wie sie ihn umtänzelt. Na, sie wird sich ärgern, wenn sie ihren Irrtum erkennt. Ich konnte mich nicht irren. Als du zur Tür hereinkamst, wußte ich, daß du mein Väterli bist. – Na, verehrter Bajazzo, was wollen Sie bei uns?«
»Ein Tänzchen – mich fesselte dein Lachen, schöne Kornblume!«
»Such dir lieber eine Kolombine, Bajazzo! Ich habe für dich nichts übrig. Mein Herz ist diesem Minnesänger zugeflogen, er behält es!«
»Ja, er behält es!«
»Erst ein Kuß – – dann ein Du – «, sang Pommerle.
»Bitte«, sagte der Minnesänger und legte wieder seinen Mund frei.
»Da hast du noch einen! – Wie freue ich mich, daß ich dich gleich erkannte. Väterli, du hast eine kluge Tochter. – Wollen wir nun mal Mütterchen suchen?«
»Ach nein«, bat der Minnesänger, »Mütterchen hat ihr Vergnügen ohne uns. Aber zur Sektbude werde ich dich führen.«
»Schon jetzt?«
»Sekt macht Stimmung, süße Kornblume.«
»Ich bin in Stimmung«, sagte Pommerle strahlend, »trotzdem können wir ein Glas schmettern!«
In den Arm des Minnesängers geschmiegt, trank Pommerle nacheinander zwei Glas Sekt.
Ihre Stimmung wurde immer ausgelassener. Manchem vorübertanzenden Paare rief sie ein übermütiges Wort zu. Als der Minnesänger abermals mit Pommerle zum Büfett ging, als er ihr wieder ein Glas reichte, stand, wie aus der Erde gewachsen, der Bajazzo neben ihr. Mit einem raschen Griff nahm er ihr das Glas aus der Hand.
»Nanu!« brauste Pommerle auf. »Mach, daß du fortkommst, Hanswurst!«
»Mach, daß du fortkommst!« stimmte der Minnesänger mit ein.
Aber der Bajazzo blieb. Er schaute den anderen an. »Eine so frische Kornblume will sorgsam behütet sein«, sagte er langsam.
Der Minnesänger stutzte. Schon war der Bajazzo fort. Da wandte sich der Minnesänger an seine Begleiterin. »Einer deiner Angehörigen?«
»Ach, Väterli, ich glaube, du bist beschwipst! Das ist doch der Skunks! Wahrscheinlich bekommt er nichts mehr zu trinken, nun trinkt er anderen alles weg. – Willst du mir noch ein Glas bringen, Väterli?«
»Nein, Pommerle, wir wollen es genug sein lassen. – Das war also der Skunks? Wer ist das?«
»Väterli, jetzt weiß ich es genau, du hast einen in der Krone! Ilse erzählte mir doch, daß heute die beiden Ingenieure aus der Fabrik auch geladen sind. Ich habe es dir ganz bestimmt neulich gesagt.«
»Die beiden Ingenieure? Und einer davon ist ein Skunks? Das verstehe ich nicht!«
»Ach du – du – du – « Pommerle schlug den Minnesänger mit der flachen Hand auf das Barett. »Du erinnerst dich nur nicht mehr daran. Na, es ist ja heute Maskenball, da kann mein Väterli auch mal aus der Rolle fallen! Ich tue es heute auch! Nicht wahr, heute wollen wir recht lustig sein, heute nimmt keiner etwas übel, da können wir unserem Übermut die Zügel schießen lassen. – Daß du so lustig bist und alles mitmachst, Väterli, ist der größte Spaß dabei!«
»Und der Skunks?«
»Das ist der Ingenieur Lorenz Brunner. Ilse sagte mir, er gießt jeden Tag eine Flasche wohlriechender Düfte über sich aus. Dann riecht er furchtbar; darum nannte sie ihn Skunks oder – das Stinktier! Du hast mir selbst den häßlichen Namen verwiesen, so nenne ich den dummen Kerl kurzweg Skunks. – Du hast doch eben gerochen, Väterli? Heute riecht er nach Kölnischem Wasser.«
»Hm – –
»Erinnerst du dich nun wieder daran? Hu, wenn ich mit dem Skunks lange tanzen müßte, bekäme ich Kopfschmerzen. Na, er tanzt ja wenig. Ich glaube, den kann keiner leiden!«
»Und der andere Ingenieur?«
»Der heißt der Scheitelaffe!«
»Scheitelaffe – sehr nett. Hast du ihn heute schon herausgefunden?«
»Nein«, sagte Pommerle, »ich habe kein Verlangen, nach dem eitlen Gecken zu suchen. Ich möchte lieber wissen, was der schöne Enrico Madeni für ein Kostüm trägt. Ich glaube, er ist der Carlos, der dort drüben mit der Griechin schäkert.«
»So, so – – «
»Väterli, ich möchte dir einen Vorschlag machen. Mir ist furchtbar heiß unter der Larve. Wir ziehen uns in ein Nebenzimmer zurück, dort legen wir die Larven ab, essen ein paar belegte Brötchen, dann kommen wir wieder in die Festräume.«
»Demaskierung ist erst um Mitternacht.«
»Ach, Väterli, wir kennen uns doch bereits.«
»Ich werde jetzt einmal mit der hübschen Elfenkönigin tanzen.«
»Du willst tanzen?«
»Freilich, warum soll ich mir nicht liebenswürdige junge Mädchen suchen, die nicht gleich in jedem parfümierten Herrn ein Stinktier sehen? Auf Wiedersehen später, schöne Kornblume!«
Pommerle stand sprachlos. Wenn ihr Väterli bisher immer die Stimme verstellt hatte, war es ihr plötzlich, als kämen die letzten Worte von den Lippen eines Fremden. Sie konnte sich doch nicht irren? Der Minnesänger war bestimmt der Vater. – Plötzlich überkam sie eine heiße Angst. Sie schaute hinüber nach dem Maharadscha. Nein, darunter steckte kein Professor Bender!
»Er muß mein Väterli sein!«
Der Minnesänger tanzte mit der Elfenkönigin, tanzte so jugendlich und lebhaft, daß Pommerles Atem immer lauter ging. – Da kam ein Herr aus der Biedermeierzeit an sie heran und bat um einen Tanz. Pommerle sagte kaum ein Wort, ihre Augen hingen an dem Minnesänger, der gar so flott tanzte. –
Frau Bender beobachtete seit einer ganzen Weile die Nixe. Sie zeigte sich nicht gerade von der besten Seite. Sie hatte anscheinend ein wenig zu tief ins Glas geschaut. Das fröhliche Maskentreiben erweckte wohl Pommerles Übermut. Als jetzt Ilse Torlege dem Bajazzo einen kräftigen Schlag auf die Schulter versetzte und laut »alter Hanswurst« rief, hielt es Frau Bender für richtig, ihre Tochter aus den Armen eines Rattenfängers zu lösen.
»Laß mir meinen kostbaren Schatz«, sagte der Rattenfänger und küßte Ilse mehrmals.
»Ich bin eine Rattenkönigin, ich bin dem Rattenfänger von Hameln verfallen, muß in den Berg hinein!«
Frau Bender faßte Ilse am Arm. »Einen Augenblick.«
»Was willst du, schöne Bäuerin? Eine Nixe gehört nicht zu dir!«
Ilse ließ sich von Frau Bender fortziehen. »Pommerle, ich gönne dir jede Freude, aber das geht zu weit. Du wirst morgen ein beschämendes Gefühl haben, wenn du an deinen heutigen Übermut denkst.«
Da Frau Bender ihre Stimme nicht verstellte, wurde sie sogleich von Ilse erkannt. »Verzeihung«, stammelte sie. »Ich – bin nicht das Pommerle!«
»Ach so – Ilse! Seid heiter und fröhlich, aber haltet euch in den Grenzen. Du bist erst sechzehn Jahre alt, später spottet man über dich, das würde dir wehtun.«
Ehe Frau Bender eine Antwort erhalten konnte, war sie zwischen den Tanzenden verschwunden. – Ilse stand mit gesenktem Kopfe da und mußte Frau Bender rechtgeben. Sie wollte leise fortschleichen, da hatte sie der Rattenfänger schon wieder erfaßt und riß sie an sich. Erneut wollte er sie küssen.
»Lassen Sie mich in Ruhe!« brauste Ilse auf.
»Ich denke nicht daran!« erwiderte der Rattenfänger lachend. »Ich habe dich viel zu lange entbehren müssen. Nun will ich dich für ein Weilchen für mich haben. Das ist für dich auch das beste!«
»Wenn Sie mich nicht loslassen – bekommen Sie eine Ohrfeige.«
»Ich lasse dich nicht los!«
»Sie verkennen mich, mein Herr! Ich bin die Tochter des Hauses!«
»Das weiß ich, mein Schatz, darum bin ich dir auch so gut.«
Ilse floh ins Nebenzimmer. Der Rattenfänger verfolgte sie. Da niemand in dem Raume war, schrie sie den Dreisten ergrimmt an: »Schämen Sie sich! Ich bin sechzehn Jahre alt und muß auf Anstand sehen! Sonst habe ich morgen, wenn ich erwache, ein beschämendes Gefühl in mir! – Verlassen Sie den Raum, mein Herr, oder ich rufe meinen Vater, der wirft Sie verkehrt aus dem Hause!«
»Siehst du, so gefällst du mir, kleine Nixe! Vorhin hast du mir gar nicht gefallen, darum holte ich dich aus den Armen des Maharadscha. Jetzt bist du so ganz nach meinem Geschmack. Darum bekommst du einen herzhaften Kuß.«
»Noch einen Schritt und – es geschieht ein Unglück! – Ich rufe um Hilfe!«
Wieder kam der Rattenfänger auf sie zu, nahm die Larve vom Gesicht und schaute Ilse lachend an. »Na, kleine Schwester, darf dir dein Bruder Wolf nicht einen aufbrennen?«
»Du – –?«
»Ja, ich habe dich gleich erkannt. Als du mir gar zu lustig wurdest, habe ich dich mit Beschlag belegt.«
»Ach, schäme dich, Wolf!«
»Keine Ursache – aber nun komm, nun wollen wir gemeinsam in schönster Harmonie zurück in den Tanzsaal gehen. – Nixlein, ich bitte um den nächsten Tanz.«
»Du hast mich furchtbar geängstigt und aufgeregt, Wolf, das muß gesühnt werden. – Sage mir rasch, ob Enrico Madeni schon hier ist.«
»Freilich, ich habe schon mit ihm gesprochen.«
»Welches Maskenkleid trägt er?«
»Es wird nichts verraten – suche ihn dir allein!«
Ilse blieb in der Tür stehen und beobachtete die Tanzenden. Auf einem Sofa, in der Ecke des Raumes, saß eine Griechin, neben ihr ein spanischer Edelmann.
»Wolf, ich weiß, wer die Griechin ist, aber ich verrate es nicht. Ich werde mich mal zu den beiden setzen.«
»Laß sie lieber allein. Sie betragen sich anständig. Da braucht keiner dazwischenzufahren wie beim Maharadscha und der Nixe.«
»Du Schafskopf!«
»Komm, Kleines, wir tanzen.«
So konnte Ilse nur von weitem neidvolle Blicke auf ihre Freundin Karin werfen, die sich angeregt mit dem schlanken Spanier in einem wundervollen echten Kostüm unterhielt.
»Das ist ganz bestimmt Enrico Madeni«, murmelte sie. »Mein Herz sagt es mir!«
»Das ist Enrico Madeni«, hatte auch Karin Rauke gesagt, als sie unter den Masken Umschau hielt und den spanischen Edelmann erblickte. Sehr bald machte sie sich an ihn heran. Lieber Himmel, war der gewachsen! Das war wirklich eine echte griechische Erscheinung. Von Kopf bis Fuß antike Kunst, klassisches Altertum!
»Nun, edler Don Carlos«, so redete sie ihn an, »ist es schön in Griechenland?«
»Ich komme aus Spanien, dem Lande der Apfelsinen und Zitronen. Ich bin Don Carlos, der Infant – der Sohn von König Philipp, der die klassischen Worte sprach – –
»Geben Sie Gedankenfreiheit!«
»Das hat er gerade nicht gesagt. Das war der Marquis Posa.«
»Ach so«, sagte Karin verwirrt, »ich weiß schon, Don Carlos hat etwas anderes gesagt. Er sagt immer nur Erhabenes! Ich habe mich wenig mit Spanien beschäftigt, dagegen mehr mit Griechenland. – Ist es schön dort unten?«
»Ich hoffe es!«
»Nun«, flötete Karin in den süßesten Tönen, »Sie müssen es doch wissen!«
»Schöne Griechin, was fragen Sie mich? Sie kommen aus diesem Land, Sie haben es durchstreift, haben das Altertum an sich vorübergleiten lassen. Ich könnte von Ihnen Auskunft erbitten.«
»O nein«, sagte Karin verschämt, »ich hatte meine Gründe, dieses Kostüm zu wählen. Es sollte – eine kleine Huldigung für einen ausländischen Gast sein, der heute unter uns weilt.«
»So so – –
»Man hörte viel von ihm reden.«
»Darüber hat man die alten Freunde vergessen?«
»Alte Freunde?«
»Ja, ja«, seufzte Don Carlos, »nun freue ich mich darauf, ein paar schöne Stunden mit der schönen Tochter Ilions zu verleben, sie aber hält Ausschau nach einem anderen. Recht traurig für mich!«
Karin lachte. Ihr helles, natürliches Lachen erklang. Don Carlos nickte unmerklich mit dem Kopf.
»Ich bin mit meinem Gesellschafter sehr zufrieden, ich sehne mich nach keinem anderen.«
»Mir geht es ebenso! – Man könnte doch einmal sein mitleidiges Herz reden lassen, schöne Griechin. – Schau hinüber, dort der graue Domino steht einsam und verlassen an der Tür. Wollen wir ihn heranholen? Ich glaube, er langweilt sich.«
»Den da?« Karin wies mit dem Finger auf einen kleinen, dicklichen Herrn, der den grauen Domino trug.
»Ja, schöne Griechin, den da!«
»Ich denke nicht daran, mich mit dem kleinen runden Faß abzugeben.«
»Vielleicht stellt er die Tonne des Diogenes dar. – Also auch Griechenland.«
»Teuerster Don Carlos, laß die Tonne stehen, wo sie steht. Für mich ist sie Luft. Ich bin zufrieden.«
»Und ich auch. – Also, tanzen wir!«
Als Ilse ihren Tanz mit dem Rattenfänger beendet hatte, schoß Pommerle wie ein Pfeil auf die Freundin zu.
»Ilse, ich bin blamiert!«
»Ich auch!«
»Ich habe einen Mann geküßt, den ich für meinen Vater hielt – und er ist nicht mein Vater!«
»Ich habe einem Ohrfeigen angeboten, der mich küßte – dann war es mein Bruder. – Na, der hat mich ausgelacht.«
»Ilse, hast du vielleicht meinen Vater entdeckt?«
»Nein, aber der Maharadscha ist es nicht.«
»Wo ist er dann? Ilse, teuerste Freundin, hilf mir! Das schöne Buch ist futsch. – Der Minnesänger hat es mir zwar versprochen, doch von ihm will ich es nicht!«
»Wer ist denn der Minnesänger?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Pommerle kläglich. »Aber ich weiß es«, rief Ilse, »es ist unser Direx!«
»Himmel – nur das nicht!« stöhnte Pommerle. »Ich darf doch den Direx nicht küssen. – Ilse, er läßt mich durchfallen. – Ach, was habe ich alles gesagt! – – Ja, was habe ich denn gesagt? – Ilse, mein Herz zittert, wenn ich daran denke, was ich ihm alles gesagt habe! Darum hat er auch nichts von dem Stinktier gewußt. – Der Direx – ich habe den Direx geküßt!«
»Pommerle, sieh mal, dort steht steif und stolz ein roter Domino, der schaut beständig zu uns herüber. Könnte der dein Vater sein? Fühle ihm doch mal auf den Zahn!«
»Nein, nein«, sagte Pommerle kleinlaut, »ich habe dem Minnesänger genug auf den Zahn gefühlt, ich mache nicht mehr mit.«
»Du, der rote Domino ist ganz bestimmt dein Vater. – Komm, wir gehen zusammen hin. Wir können doch auch artig sein.«
»Es scheint mir auch, als ob das mein Väterli ist. Also los!«
Die beiden Freundinnen schritten schnurstracks auf den roten Domino zu, der ihnen freundlich beide Hände entgegenstreckte.
»Daran erkenne ich meine Pappenheimer«, rief Pommerle, »der Papa, der Vater – das Väterli! Ätsch, nun habe ich dich doch erkannt!«
»Das Pommerle und die Ilse«, klang es zurück.
»Ach, Väterli, denke doch, ich glaubte bestimmt, du seist der Minnesänger! Ich habe ihn geküßt, weißt du, wegen des Gartenbuches, das ich gern gewinnen wollte.«
»Und ich habe geglaubt, Herr Professor, Sie seien der Maharadscha. Nun haben wir Sie erkannt!«
»Väterli, ich bin beschwipst! Ich habe ein bißchen reichlich getrunken.«
»Ja, ja, ich habe es gesehen!«
»Deswegen brauchte nicht solch frecher Kerl zu kommen und mir mein Glas Sekt aus der Hand zu nehmen. – Väterli, Hast du eine Ahnung, wer der Bajazzo ist?«
»Nein!«
»Väterli, wollen wir mal tanzen? – Warte mal, erst muß ich dir einen Kuß geben, weißt du, ich will wenigstens das kleine Gartenbuch bekommen. Das große habe ich ja verloren. Es ist schon elf Uhr vorbei. Aber das kleine bekomme ich vielleicht doch. – Da – da – – « Pommerle wollte dem roten Domino einen Kuß geben. Der wich ihr aus.
»Väterli, willst du nicht? Ich habe doch den anderen nur aus Versehen geküßt, sonst hätte ich es wirklich nicht gemacht.« Stürmisch umhalste sie den roten Domino, hob dessen Larve ein wenig empor und – prallte zurück. Einen Schnurrbart hatte ihr Väterli nicht. »Wieder der Falsche!« rief sie entsetzt.
Der rote Domino lachte. »Ja, Pommerle, es ist der falsche, nicht das Väterli, aber dein väterlicher Freund.«
»Jule würde sagen: ›Es ist alles verhext‹«, stammelte Pommerle. »Ilse, jetzt suche ich mein Väterli nicht mehr. Ich setze mich in eine Ecke und warte auf Mitternacht!«
»Darf ich mich dazusetzen?« fragte der rote Domino. »Wir trinken ein Glas Zitronenwasser.«
»Nein, danke«, sagte Pommerle, »ich sehe einen, der ist so einsam wie ich. Ich hole mir den Rollmops, er hat anscheinend keine Freunde, er scheint fremd zu sein. Mit ihm werde ich ernste Gespräche führen. Dann kann ich nicht mehr hereinfallen.«
»Ach, Pommerle«, meinte Ilse, »laß den kleinen Dicken. Komm, wir wollen lustig sein!«
»Nein«, sagte Pommerle, »ich hole mir den Dicken! Wir werden artig im Nebenzimmer sitzen und mathematische Aufgaben oder dergleichen lösen.«
»Recht so«, sagte der rote Domino, »die letzten beiden Mathematikarbeiten wurden von Pommerle Bender nicht ganz richtig gelöst.«
»Himmel, das ist unser Direx!« rief Ilse, faßte Pommerle am Arm und zog sie mit sich fort. Der rote Domino lachte laut. »Ja, ja, ihr habt recht, das war der Direx!«
Pommerle fühlte sich bedrückt und voller Unruhe. Wie gern hätte sie jetzt die Eltern zur Seite gehabt. Aber sie wagte nicht mehr, eine Maske anzureden. So stand sie, verdeckt von einem Vorhang, in einer Fensternische und schaute umher. Überall fröhliches Treiben. Wie auf einer einsamen Insel kam sie sich vor. Da tanzten die Masken an ihr vorüber, lachten und scherzten. Drüben saß Karin und plauderte angeregt mit Don Carlos – dem Griechen.
»Ja, ja, Schiller hat recht«, philosophierte sie, »ein jeder treibt sich an dem anderen rasch und fremd vorüber und fragt nicht nach seinem Schmerz. – Ach ja, fremd und kalt gehen sie alle an mir vorüber. – Wie muß es einem Einsamen ums Herz sein, wenn keiner kommt, keiner sagt ihm ein gutes Wort – –
»Niedliche Kornblume – – «
Da war schon wieder der Bajazzo bei ihr. Der Ingenieur aus der Torlegeschen Fabrik. Nein, den konnte sie nicht leiden. Seinetwegen hatte sie sich vor dem Minnesänger blamiert. Anscheinend hatte der den Spitznamen übel genommen. Sicher ein Freund des Skunks.
»Bitte, belästigen Sie mich nicht, mein Herr, ich habe kein Verlangen nach albernen Späßen.«
»Weltschmerz?«
»Lache, Bajazzo«, rief Pommerle dramatisch, »aber lache woanders, nicht hier! Du kennst ja kein Gefühl. – Ich möchte allein sein.«
»Und ich möchte so gern ein wenig mit der frischen Kornblume plaudern.«
»Nein, mein Herr – gehen Sie zu den Fröhlichen!«
»Warum bist du nicht fröhlich, schöne Kornblume?«
»Mir wurden Enttäuschungen bereitet.«
Es schien, als lächle der Bajazzo.
»Bitte, verlassen Sie mich«, wiederholte Pommerle. »Meine Freude sei geteilet, meinen Schmerz trag' ich allein.«
»Aber liebe Kornblume – – «
»Bitte, gehen Sie! Ich erblicke drüben einen Einsamen, einsam wie ich. Er soll mein Los teilen.«
Der Bajazzo wurde stehengelassen; Pommerle ging langsam hin zu dem grauen Domino, der noch immer am Türpfosten lehnte.
Der Einsame tat ihr leid. Er schien niemanden erkannt zu haben; eine hübsche Figur hatte er auch nicht. Was machte das? Er würde gewiß nicht dreist werden, war gewiß froh, wenn sich einer ihm widmete.
»Willst du mit mir tanzen?« fragte Pommerle leise.
»Ich kann leider nicht tanzen.«
»Willst du dann ein wenig mit mir plaudern?«
»Sehr gern!«
»So komm ins Nebenzimmer, grauer Domino, ich bin ein wenig müde.«
»Darf ich Ihnen meinen Arm reichen?«
»Danke.«
Dann saßen die beiden nebeneinander auf einem Sofa im Nebenzimmer. Anfangs recht steif, bis der graue Domino sagte: »Die Larve ist so warm und unbequem, ich werde sie abnehmen.«
Ein rundliches Gesicht schaute Pommerle an; schwarze, verschleierte Augen blickten das junge Mädchen an. »Ich möchte mich noch nicht demaskieren«, sagte Pommerle, »ich kenne Sie zwar nicht – «
»Verzeihen Sie: Herr Torlege, mein Studienfreund, brachte mich mit. Er sagte, ein Maskenball wäre eine nette Auffrischung für mich. Ich sitze sonst über meinen Büchern. Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Madeni, Student der Astronomie.«
Pommerle lachte lustig auf. »Nun machen Sie aber Ulk mit mir! Nach Enrico Madeni suche ich schon den ganzen Abend.«
»Der bin ich,« klang es ernst zurück.
»Sie sind der schöne griechische Jüngling?«
»Student der Astronomie.«
Pommerle legte die Hand auf den Mund. Beinahe hätte sie wieder etwas Dummes gesagt. – Das also war der göttergleiche, klassisch schöne Grieche? Das war der Mann, um dessentwillen sie beinahe mit den beiden Freundinnen auseinandergekommen wäre, den jede für sich gewinnen wollte?
»Sie hörten schon von mir?«
»Ja – oder nein – ich – – ich – – «, stotterte Pommerle. »Durch meine Freundin hörte ich von Ihnen. Nun bin ich sehr erfreut, einen Herrn aus Griechenland zu sehen.«
»Ich bin ein schwerfälliger Mensch«, sagte Madeni, »ich weiß in einem fröhlichen Kreise wenig anzufangen.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Pommerle leise. »Die Freude entflieht, der Schmerz muß bleiben. Ich hätte Lust heimzugehen, aber – können Sie mir nicht sagen, wo ich meinen Vater finde? – Ach nein, Sie kennen meinen Vater ja nicht.«
»Wenn Sie Ihren Vater durchaus zu sprechen wünschen, will ich mich an Herrn Torlege wenden.«
Pommerle wollte etwas sagen. Da erblickte sie wieder in der Tür den schwarzweißen Bajazzo. Freundlich nickte er ihr zu.
»Ein dreister Patron, der mich den ganzen Abend verfolgt«, sagte sie so laut, daß er es unbedingt hören mußte. »Er verdiente einen Denkzettel!«
Da lachte der Bajazzo noch einmal und verschwand.
»Ein junges Mädchen, wie Sie, sollte fröhlich sein.«
»Ach, das hat seine Gründe! Ich will vergessen, was gewesen ist. – Sie kennen doch Griechenland?«
»Ja, es ist meine Heimat.«
»Und nun versuchen Sie, in den Sternen zu lesen?«
»Ich studiere Astronomie.«
Verstohlen betrachtete Pommerle den dicklichen Herrn. An dem Tannenzweiglein, das sie in der Andreasnacht gezogen hatte, stand die Nummer zwölf. Danach war ihr ein Mann beschieden, der sich die schwarze Kunst erkoren hatte.
»Sagen Sie mir eins, Herr Madeni – Astronomie ist doch eine Wissenschaft, keine schwarze Kunst?«
»Eine sehr ernste und hochinteressante Wissenschaft.«
»Bitte, erzählen Sie mir davon.«
»Das ist nicht das rechte Gespräch auf einem Maskenfest.«
»So erzählen Sie mir von Ihrer Heimat – Griechenland. Sie haben dort einen klassischen Boden.«
Da taute Madeni auf. Er sprach von den Schönheiten seines Landes, von den Menschen, sprach so anregend, daß Pommerle alles um sich her vergaß. Und als er nun gar auf die Pflanzen zu sprechen kam, kümmerte sich Pommerle überhaupt nicht mehr um das fröhliche Maskentreiben. Einmal kam Ilse und winkte, aber Pommerle schüttelte den Kopf. Sie hatte längst die Larve vom Gesicht genommen und lauschte mit strahlenden Augen den Worten Madenis.
Plötzlich tönten laute Trompetenstöße. »Zwölf Uhr – Demaskierung«, sagte Madeni. »Ich glaube, wir müssen zu den Gästen zurückkehren.«
»Ja, jetzt will ich endlich wissen, unter welcher Maske mein Väterli steckt. Ich fürchte beinahe, daß er nicht mitgekommen ist. Vielleicht wurde er im letzten Augenblick zurückgehalten.«
Die Masken wurden abgelegt. Nur der Bajazzo, der abermals auf Pommerle zueilte, hatte die Larve noch vor dem Gesicht.
»Ich bitte rasch um drei Küsse«, klang es an ihr Ohr.
»Mein Herr, Sie haben die Larve abzulegen.«
»Freilich, Pommerle!« Dabei tat er es.
Das Wort blieb dem jungen Mädchen im Halse stecken.
»Väterli – – «
»Ja, mein Kleines, der dreiste Kerl, der dich beständig verfolgte, der gebührend zurückgewiesen werden mußte – ist das Väterli!«
»Väterli – Väterli!« Pommerle lag in den Armen des Bajazzo und schaute über dessen Schulter nach den anderen aus. Der schöne Don Carlos war Ilses ältester Bruder, Herbert Torlege, Student der Medizin. Der rote Domino war wirklich der Direktor. Der Minnesänger war ein ihr Unbekannter, ein schlanker junger Mann.
Da eilte auch schon Ilse an ihr vorbei. »Dein Väterli wurde von uns für das Stinktier gehalten.«
»Wer ist der?« fragte Pommerle und wies auf den Minnesänger. »Unser einer Ingenieur, Lorenz Brunner.«
»Nun ist es ganz aus«, ächzte Pommerle und barg das blutrote Gesicht an der Schulter des Vaters.
Eine übermütige Stimmung folgte der Demaskierung. Zwar hatten sich die meisten längst erkannt, nur Karin hatte bis zum letzten Augenblick in ihrem Don Carlos den griechischen Studenten vermutet. Nach dem Griechen sahen sich Ilse und Karin gespannt um. Ilse fragte den Bruder.
»Der«, sagte Karin, »der kleine Dicke, die Tonne des Diogenes?«
»Laß nur«, erwiderte Herbert, »er ist ein tüchtiger Mensch, der es bestimmt weit bringen wird.«
»Das soll ein schöner Grieche sein?« meinte Ilse wegwerfend. »Keine klassische Nase, keine griechische Gestalt, nichts, gar nichts Klassisches! – Karin, du kannst ihn haben.«
»Danke, ich war mit Don Carlos sehr zufrieden. Wir schenken ihn Pommerle! Sie muß doch einen bekommen, der die schwarze Kunst betreibt.«
Pommerle war sehr still. Sie wagte kaum die Augen zu erheben, aus Furcht, sie könnte den Blicken Ingenieur Brunners begegnen. Aber auch der schien sie zu meiden. Er schaute über sie hinweg.
»Eigentlich bin ich sehr müde«, sagte Pommerle. »Mit sechzehn Jahren braucht man einen Maskenball nicht bis zum Ende auszukosten.«
»Und nun wird es nichts mit dem Gartenbuch, Pommerle.«
»Bitte, schweige, Väterli, ich möchte nicht daran erinnert werden.«
Als sie zehn Minuten später neben Ilses Vater stand, näherte sich ihr Ingenieur Brunner. »Gnädiges Fräulein, ich hatte Ihnen heute ein Buch versprochen. Wollen Sie mir den genauen Titel und den Verfasser angeben?«
Wie hochfahrend er sprach. Wie kühl seine Augen sie anblickten.
»Das ist ungültig! Ich bitte – ich bitte, vergessen Sie die gehabte Unterhaltung.«
»Das wird schwer sein«, sagte er mit leisem, spöttischem Auflachen. »Warum sollte ich mir meinen Spitznamen nicht merken?«
»Bitte, entschuldigen Sie«, flüsterte Pommerle verlegen, »es war nicht böse gemeint.«
Brunner verneigte sich kühl und ließ Pommerle stehen.
Man blieb noch bis ein Uhr beisammen, dann mahnte Professor Bender zum Heimgehen. Er mußte sein Pommerle wieder von der Seite des Griechen fortholen. Sie hatten schon wieder ein Gespräch über Palmenarten begonnen.
»Schade, daß Sie Montag schon wieder abfahren«, sagte Pommerle. »Und nun will ich es Ihnen gestehen: Ich hatte mich schon vorher sehr darauf gefreut, heute einen Griechen kennenzulernen. Ich bin gar nicht enttäuscht worden.«
Da glitt über das ernste Gesicht Madenis ein Lächeln.