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In welchem der Richter von Trapezunt in sehr erfinderischer Weise zu seiner Untersuchung vorschreitet.
Nach Zurücklassung der Araba und der Reit- und Zugthiere in den außerhalb gelegenen Ställen waren der Seigneur Keraban und seine Begleiter eben in die Caravanserai eingetreten. Meister Kidros begleitete sie mit vielen Verbeugungen und stellte die angezündete Laterne, die im Innern des Hofes eine nur sehr geringe Helligkeit verbreitete, in eine Ecke.
»Ja wohl, Seigneur, wiederholte Kidros mit tiefer Verbeugung, treten Sie ein! – Bitte, treten Sie ein. Das ist hier die Caravanserai von Rissar.
– Und wir befinden uns nur noch zwei Lieues von Trapezunt? fragte der Seigneur Keraban.
– Zwei Lieues, nicht mehr!
– Gut. Daß ordentlich für unsere Pferde gesorgt wird. Wir brauchen sie morgen bei Tagesanbruch wieder.«
Damit wendete er sich zu Ahmet, der eben Amasia nach einer Bank geleitete, wo sie sich neben Nedjeb niedersetzte.
»Da seh' Einer! rief er im Tone heit'rer Laune Seit mein Herr Neffe diese Kleine wiedergefunden, beschäftigt er sich nur noch mit ihr allein, und ich bin genöthigt, von Ort zu Ort für unser Fortkommen zu sorgen.
– Das ist auch ganz natürlich, Seigneur Keraban, wozu diente denn sonst ein Onkel? bemerkte Nedjeb.
– Es soll Niemand Ursache haben, sich über mich zu beklagen, sagte Ahmet lächelnd.
– Auch nicht über mich, fügte das junge Mädchen hinzu.
– O, ich beklage mich auch über Keinen ... nicht einmal über den braven Van Mitten, der doch den Gedanken ... ja, den unverzeihlichen Gedanken gefaßt hatte, mich unterwegs zu verlassen.
– Bitte, sprechen wir davon nicht mehr, meldete sich Van Mitten, weder jetzt noch jemals.
– Bei Mohammed! rief der Seigneur Keraban, warum nicht davon sprechen? So ein kleines Wortgeplänkel über diesen Gegenstand ... oder über jeden beliebigen andern, das brächte uns das Blut gut in Fluß.
– Ich glaubte, lieber Onkel, wendete Ahmet ein, daß Du beschlossen hättest, fürder auf jeden Streit zu verzichten?
– Gewiß, Du hast ganz Recht, lieber Neffe, und es wird mich auch Niemand je wieder dabei ertappen, selbst wenn ich tausendmal im Rechte wäre.
– Das wird ja die Zukunft lehren! murmelte Nedjeb.
– Ich denke übrigens, lenkte Van Mitten ab, wir thun weit gescheidter, einige Stunden ruhigen Schlaf zu suchen.
– Wenn man hier überhaupt wird schlafen können! brummte Bruno, der wie immer in miserabler Laune war.
– Können Sie uns für die Nacht Zimmer abgeben? fragte Keraban den Meister Kidros.
– Gewiß, Seigneur, antwortete der Verwalter, so viel Sie brauchen.
– Schön ... sehr schön! rief Keraban. Morgen werden wir also in Trapezunt sein, nach zehn weiteren Tagen in Scutari eintreffen ... und da werden wir ein tüchtiges Mahl bereit finden ... eine gedeckte Tafel, zu der ich Sie eingeladen habe, Van Mitten.
– Ja, das sind Sie uns auch schuldig, Freund Keraban.
– Eine Mahlzeit ... in Scutari? flüsterte Bruno seinem Herrn zu. Ja ... das heißt, wenn wir überhaupt noch bis dahin kommen.
– Ah, geh' mir, Bruno! versetzte Van Mitten, etwas Muth, zum Teufel! Und wär's nur unserem alten Holland zu Ehren!
– O, ich gleiche ihm schon, unserm Holland! Wie dieses das bewegliche Meer, so umschließt mich die schlotternde Kleidung!« antwortete Bruno, indem er mit der Hand unter die zu weit gewordene Weste fuhr.
Von seinem Versteck aus belauschte Scarpante die Wechselreden der neuen Ankömmlinge und spannte auf den Moment, wo er in seinem Interesse sich mit einmischen konnte.
»Nun also, fragte Keraban, welches Zimmer können die beiden jungen Mädchen erhalten?
– Dieses hier, antwortete Meister Kidros, nach einer Thür in der zur linken Hand verlaufenden Mauer weisend.
– Dann gute Nacht, meine kleine Amasia, sagte Keraban, mög' Allah Dir liebliche Träume bescheeren!
– So wie Ihnen, Seigneur Keraban, antwortete das junge Mädchen. Auf Wiedersehen morgen, lieber Ahmet!
– Auf morgen, meine Amasia, erwiderte der junge Mann, nachdem er seine Verlobte innig an's Herz gedrückt hatte.
– Kommst Du, Nedjeb? fragte Amasia.
– Ich folge Ihnen, theure Herrin, rief Nedjeb, aber ich weiß schon im Voraus, von wem wir noch eine ganze Stunde plaudern werden.«
Die beiden jungen Mädchen verschwanden durch die, ihnen von Meister Kidros geöffnete Thür in dem betreffenden Zimmer.
»Und nun, fragte Keraban weiter, wo werden diese beiden wackeren Burschen – er wies dabei auf Bruno und Nizib – Unterkommen finden?
– In einem nach außen gelegenen Zimmer, wohin ich sie sofort führen werde,« antwortete Meister Kidros.
Damit begab er sich schon nach einer im Hintergrunde des Hofs gelegenen Thür und winkte Bruno und Nizib, ihm zu folgen, eine Aufforderung, der die beiden, von einer langen Tagreise erschöpften »wackeren Burschen,« nachdem sie ihren Herren noch Gute Nacht gesagt, gern Folge leisteten.
»Jetzt gilt's zu handeln oder nie!« murmelte Scarpante für sich.
Der Seigneur Keraban, Van Mitten und Ahmet erwarteten die Rückkehr des Meister Kidros und gingen inzwischen auf dem Hofe der Caravanserai hin und her. Der Onkel war in der besten Laune. Alles gestaltete sich ihm nach Wunsche: er durfte annehmen, zur bestimmten Zeit an dem Ufer des Bosporus wieder einzutreffen, und freute sich schon im Voraus auf das lange Gesicht der ottomanischen Beamten, wenn sie ihn wieder erscheinen sahen. Für Ahmet bedeutete die Rückkehr nach Scutari gleichzeitig die Feier seiner so sehr erwünschten Hochzeit; für Van Mitten die Rückkehr ... nun ja ... eben die Rückkehr.
»Nun, werden wir etwa ganz vergessen? ... Und unsere Zimmer?« begann der Seigneur Keraban.
Sich umdrehend, bemerkte er Scarpante, der näher auf ihn zu getreten war.
»Sie fragen nach dem für den Seigneur Keraban und seine Begleiter bestimmten Zimmer? sagte er sich verneigend, als ob er zu der Dienerschaft der Caravanserai gehörte.
– Ja.
– Bitte, hier!«
Scarpante wies dabei nach rechts nach einer Thür, die auf einen Gang führte, an dem das Zimmer der reisenden Kurdin, dicht neben dem, in welchem der Seigneur Yanar wachte, gelegen war.
»Kommt, liebe Freunde, kommt!« antwortete Keraban und stieß kräftig die ihm von Scarpante bezeichnete Thür auf.
Alle Drei traten in den Gang; aber was gab's da, bevor sie nur Zeit fanden, die Thür wieder zu schließen, für eine Bewegung, was für Rufe und welches Geschrei! Zunächst ließ sich eine schreckliche weibliche Stimme vernehmen, der sich sehr bald die eines Mannes beigesellte.
Völlig unklar über das, was hier vorging, wendeten sich der Seigneur Keraban, Van Mitten und Ahmet eiligst wieder nach dem Hofe der Caravanserai zurück. Sofort öffneten sich auf allen Seiten die Thüren und die Reisenden stürzten aus ihren Zimmern. Amasia und Nedjeb erschienen wieder bei dem Geräusche; Bruno und Nizib kamen von links her herein. Inmitten des Halbdunkels sah man das Schattenbild des wüthenden Yanar aufragen. Endlich stürzte aus dem Gange, in welchen der Seigneur Keraban und die Seinen so unkluger Weise eingedrungen waren, ein weibliches Wesen hervor.
»Raub! ... Ueberfall! ... Mord!« rief dieses Weib.
Es war die edle Sarabul, von großer, kräftiger Gestalt und energischem Auftreten, mit leuchtenden Augen und lebhafter Gesichtsfarbe, schwarzem Haar und mit einem gebieterischen Zug um den Mund, zwischen dem drohend zwei Reihen blendender Zähne hervorschimmerten – mit einem Wort, der ganze Seigneur Yanar, nur in's Weibliche übersetzt.
Offenbar wachte, um für jeden Fall vorbereitet zu sein, die Reisende in ihrem Zimmer in dem Augenblicke, wo Eindringlinge dessen Thür aufgerissen hatten, denn sie trug noch die vollständige Bekleidung, einen »Mintan« aus Tuch mit Goldstickerei um den Aermeln und der Taille, eine »Entari« aus glänzender, schräg quarrirter Seide, welche mittelst eines Shawls um den Leib befestigt war, während diesem Gürtel weder ein damascirtes Pistolenpaar noch der Yatagan in grüner Maroquinscheide fehlte; auf dem Kopfe ein weites mit Seidentüchern von lebhafter Farbe umwundenes Fez, von dem ein langer »Puskul« wie der Klöppel einer Glocke herabhing; an den Füßen rothlederne Stiefeln, in denen der untere Theil des »Chalwar,« d. i. des Beinkleides der orientalischen Frauen, verschwand. Verschiedene Reisende haben behauptet, daß eine kurdische Frau in dieser Tracht einer Wespe ähnlich sähe. Man kann dem wohl zustimmen. Jedenfalls war die edle Sarabul nicht dazu geschaffen, eine solche Vergleichung zu entkräften, und diese Wespe mußte jedenfalls einen ganz gefährlichen Stachel besitzen.
»Was für eine Frau! sagte halblaut Van Mitten.
Und was für ein Mann!« erwiderte der Seigneur Keraban, auf deren Bruder Yanar weisend.
Da rief dieser eben wüthend:
»Noch ein neuer Ueberfall! Alle müssen verhaftet werden!
– Verhalten wir uns stille, raunte Ahmet seinem Onkel in's Ohr, denn ich fürchte, wir sind die unschuldige Ursache dieses ganzen Aufstandes.
– Bah, 's hat uns ja kein Mensch gesehen, antwortete Keraban, und Mohammed selbst würde uns nicht wieder erkennen.
– Was giebt es denn, Ahmet? fragte das junge Mädchen, die sich scheu an ihres Verlobten Seite drängte.
– Nichts, liebe Amasia, versicherte Ahmet, nichts!«
In diesem Augenblicke erschien Meister Kidros auf der Schwelle des Thores im Grunde des Hofes und rief:
»Ja, Sie kommen ganz zur passenden Zeit, Herr Richter!«
Wirklich war der von Trapezunt herberufene Richter eben in der Caravanserai eingetroffen, wo er übernachten sollte, um am folgenden Morgen auf Grund der Klage jenes kurdischen Geschwisterpaares die Untersuchung vorzunehmen. Ihm folgte ein Gerichtsdiener, der auf der Sehwelle stehen blieb.
»Wie, sagte er, die Schurken hätten ihr Bubenstück von vergangener Nacht erneuert?
– Es scheint so, Herr Richter, antwortete Meister Kidros.
– Man schließe alle Thüren der Caravanserai, befahl der Beamte mit ernster Stimme. Niemand darf dieselbe ohne meine Erlaubniß verlassen!«
Sein Befehl wurde ausgeführt, und alle Reisenden sahen sich nun als Gefangene, denen die Caravanserai vorläufig als Haftlocal diente.
»Und nun, Richter, sagte die edle Sarabul, verlange ich Gerechtigkeit gegen jene Uebelthäter, welche sich nicht scheuen, eine wehrlose Frau zu überfallen ...
– Nicht nur eine Frau, sondern noch obendrein eine Kurdin!« setzte der Seigneur Yanar mit drohender Geberde hinzu.
Erklärlicher Weise folgte Scarpante aufmerksam dieser Scene, von der ihm nicht das Geringste entging.
Der Richter – ein verschmitzter Kerl, wenn es darauf ankam, mit zwei Augen wie Bohrlöchern, einer spitzen Nase und festgeschlossenem Munde, der unter dem buschigen Barte fast verschwand – bemühte sich, die in der Caravanserai befindlichen Personen näher zu betrachten, was bei der geringen, von der einzigen in einer Ecke des Hofes angebrachten Laterne verbreiteten Helligkeit ein ziemlich mißliches Ding war. Nachdem er das schnell abgemacht, wendete er sich an die vornehme Reisende.
»Sie behaupten also, fragte er sie, daß vergangene Nacht einige Uebelthäter versucht haben, in Ihr Zimmer einzudringen?
– Das behaupte ich.
– Und daß dieselben diesen verbrecherischen Versuch eben wiederholt haben?
– Sie selbst oder andere.
– Und vor ganz kurzer Zeit?
– Vor wenigen Minuten.
– Würden Sie sie wieder erkennen?
– Nein! ... Mein Zimmer war dunkel, der Hof hier ebenfalls, so daß ich deren Gesicht nicht sehen konnte.
– Waren es viele Männer?
– Das weiß ich nicht.
– Wir werden's aber erfahren, Schwester, rief der Seigneur Yanar, wir werden's erfahren, und dann wehe den Verruchten!«
In demselben Augenblicke flüsterte Keraban dem Holländer wieder in's Ohr:
»Es ist nichts zu fürchten! Uns hat kein Mensch gesehen!
– Ein wahres Glück, antwortete Van Mitten, dem es vor den Folgen dieses Abenteuers immerhin noch etwas bangte, denn mit diesen kurdischen Teufeln könnte die Geschichte für uns schlimm ablaufen.«
Inzwischen ging der Richter auf und ab; zum großen Mißvergnügen der Kläger schien er noch gänzlich unschlüssig zu sein.
»Richter, nahm die edle Sarabul wieder das Wort und kreuzte dazu die Arme über der Brust, soll denn die Gerechtigkeit in Ihren Händen ganz ohnmächtig bleiben? ... Sind wir nicht Unterthanen des Sultans, welche auf seinen Schutz Anspruch haben? ... Eine Frau meines Standes sollte das Opfer eines so schimpflichen Attentates gewesen sein, und die Schuldigen, welche von hier unmöglich haben entweichen können, entgingen der verwirkten Strafe?
– Sie ist wirklich prächtig in ihrer Art, diese Kurdin! bemerkte der Seigneur Keraban sehr richtig.
– Prächtig ... aber furchteinflößend! meinte Van Mitten.
– Was beschließen Sie, Richter? fragte der Seigneur Yanar.
– Lichter, Fackeln her! rief die edle Sarabul, dann will ich sehen ... suchen ... und erkenne vielleicht die Schurken, welche es gewagt haben ...
– Das ist unnöthig, fiel ihr der Richter in's Wort. Ich nehme es auf mich, den oder die Schuldigen zu entdecken.
– Ohne Licht? ...
– Ohne Licht!«
Damit gab der Beamte seinem Gerichtsdiener ein Zeichen, und dieser verschwand, nachdem er bejahend genickt, durch die Thür im Hintergrunde.
Währenddem konnte sich der Holländer nicht enthalten, seinem Freunde Keraban zuzuraunen:
»Ich weiß nicht warum, aber es ist mir etwas bange wegen des Ausganges dieser fatalen Geschichte.
– Ei, bei Allah, Sie sind aber auch immer so furchtsam!« erwiderte Keraban.
In Erwartung des Wiedereintretens des Gerichtsdieners schwiegen Alle, nicht ohne die sehr natürliche Empfindung einer gewissen Neugier.
»Sie behaupten also, Richter, fragte der Seigneur Yanar, trotz der herrschenden Dunkelheit erkennen und herausfinden zu können ...
– Ich? ... O nein! antwortete der Richter. Das überlass' ich einem höchst intelligenten Thiere, das mich bei derlei Untersuchungen schon wiederholt mit bestem Erfolge unterstützt hat.
– Einem Thiere? rief die Reisende erstaunt.
– Jawohl ... einer Ziege ... einem feinen, höchst pfiffigen Thiere, welches den Schuldigen, wenn er überhaupt noch hier ist, schon zu bezeichnen wissen wird. Uebrigens muß derselbe ja noch anwesend sein, da Niemand seit der Minute, wo das Attentat begangen wurde, die Caravanserai hat verlassen können.
– Er ist ein Narr, dieser Richter!« murmelte Keraban.
Eben jetzt erschien der Gerichtsdiener wieder und zerrte eine Ziege an den Hörnern, die er bis mitten in den Hof führte.
Es war ein hübsch gebautes Thier von der Gattung Aegagrus, in deren Eingeweide sich zuweilen eine steinige Concretion, der sogenannte Bezoar, vorfindet, der seiner vermeintlichen heilbringenden Eigenschaften wegen im Orient sehr hoch geschätzt wird. Diese Ziege mit dem feinen Maule, dem lockigen Barte und dem intelligenten Aussehen, kurz mit ihrer »spirituellen Physiognomie« schien der ihr von dem Richter zugedachten Rolle als Prophet ganz gewachsen zu sein. In Kleinasien, Anatolien, Armenien und Persien trifft man ganze Heerden dieser Bezoarziegen, welche sich ebenso durch die Schärfe aller Sinne wie durch erstaunliche Beweglichkeit und Gewandtheit auszeichnen.
Die Ziege – deren Weisheit der Richter über die Maßen pries – war von mittlerer Größe, am Bauche, an der Brust und am Halse von weißer, an der Stirne, dem Kinn und oben längs des Rückens von schwarzer Farbe. Sie hatte sich graziös in den Sand niedergelegt und betrachtete sich verschmitzten Blickes und die kleinen Hörner hin und her bewegend die »Gesellschaft«.
»Welch' hübsches Thier! rief Nedjeb.
– Aber was will der Richter damit beginnen? fragte Amasia.
– Irgend eine Hexerei, antwortete Ahmet, von der sich jene Schwachköpfe sicherlich bethören lassen.«
Das war auch die Meinung des Seigneur Keraban, der sich nicht genirte, höhnisch mit den Achseln zu zucken, während Van Mitten jene Vorbereitungen mit einer gewissen Unruhe verfolgte.
»Wie, Richter, sagte da die edle Sarabul, dieser Ziege wollen Sie es anheimgeben, die Schuldigen herauszufinden?
– Ja, eben dieser, erklärte der Richter.
– Und wird sie dieser Erwartung entsprechen? ...
– Ganz gewiß!
– Wie soll das zugehen? fragte der Seigneur Yanar, der in seiner Eigenschaft als Kurde geneigt war, Allem zuzustimmen, was einen Anstrich von Aberglauben hatte.
– O, höchst einfach, antwortete der Richter. Alle hier anwesenden Reisenden werden Einer nach dem Andern über den Rücken meiner Ziege streichen, welche, sobald sie die Hand des Schuldigen fühlt, das durch vernehmbares Meckern zu erkennen geben wird.
– Der gute Mann ist weiter nichts, als ein Jahrmarkts-Taschenspieler! murmelte Keraban.
– Aber, Richter, niemals ... bemerkte die edle Sarabul, niemals wird doch ein einfältiges Thier ...
– Sie werden's ja sehen!
– Und warum nicht? ... meinte der Seigneur Yanar. Auf die Gefahr hin, selbst des Attentates angeklagt zu werden, will ich mit meinem Beispiele vorangehen und die Probe zu machen beginnen.«
Damit näherte sich Yanar der Ziege, welche unbeweglich liegen blieb und strich ihr mit der Hand über die ganze Länge des Rückens.
Die Ziege blieb stumm.
»Nun die Andern!« sagte der Richter.
Einer nach dem Andern ahmten die im Hofe der Caravanserai vereinigten Reisenden Yanar nach und streichelten den Rücken des Thieres; jedenfalls waren diese aber nicht schuldig, denn die Ziege ließ dabei kein anklagendes Meckern hören.