Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunzehntes Kapitel

Sheridan empfing Emma sofort.

Ihre Schönheit machte offenbar starken Eindruck auf ihn. Wohlwollend hörte er sie an und ließ sie in seinem Arbeitszimmer Szenen der Julia rezitieren.

»Die psychologischen Momente sind richtig erfaßt!« sagte er dann. »Auch Ihre Stimme ist biegsam und hat einen sympathischen Klang. Dennoch wage ich noch kein endgültiges Urteil abzugeben. Der Raum ist zu klein, um die Bühnenwirkung einschätzen zu können.«

Er überlegte einen Augenblick, dann ließ er auf der Bühne die Dekoration zu der Wahnsinnsszene der Ophelia setzen. Hier, im vollen Lichte der Lampen spielte Emma vor dem leeren Hause. Sie empfand keine Furcht; mit leidenschaftlicher Hingabe vertiefte sie sich in den Geist der Rolle.

Die Erinnerung an jene Zeit stieg in ihr herauf, da sie, von Sir John verlassen, das Kind geboren hatte. Noch einmal durchlebte sie die Reue, die Selbstanklage, die Verzweiflung, die sie bis an den Rand des Wahnsinns getrieben hatten. In Ophelia spielte sie sich selbst.

Sheridan hatte in der Mitte des Parketts gesessen. Als Emma geendet, kam er auf die Bühne, das ausdrucksvolle Gesicht voll scharfen Nachdenkens. Er zögerte eine Zeitlang, dann aber gab er ihr sein Urteil. In schonender Form, aber ohne Umschweife und ohne Beschönigung.

Er sagte dasselbe, was Romney gesagt hatte.

Sie hörte ihm zu. Es war ihr, als klinge seine Stimme aus weiter Ferne und als gälten seine Worte nicht ihr, sondern irgendeiner Fremden, die da in einem dunklen Winkel der Kulissen stand.

Ein bleiches, schmerzverzogenes Gesicht, dieses Gesicht der anderen ...

Große, weit aufgerissene Augen starrten aus dem Dunkel, zwei flackernde Flammen ...

Ophelia ...

Jung und schön war Ophelia. Voll Liebe, voll Vertrauen. Und das Leben spielte mit ihr sein altes, grausames Spiel ...

Plötzlich brach Emma in ein schrilles Gelächter aus.

– – – – – – – –

Ein paar Augenblicke später erinnerte sie sich an nichts mehr und war erstaunt, als sie Sheridans Sorge um sie sah. Er ließ einen Wagen holen und wollte ihr einen Diener mitgeben, um sie sicher zu Romney zurückzugeleiten.

Den Wagen nahm sie an, aber den Diener wies sie zurück. Ihr fehlte nichts. Sie war nur ein wenig müde, aber die Fahrt würde sie erfrischen.

Sie dankte Sheridan mit Worten, die sie selbst kaum hörte, und fuhr zum Cavendish Square zurück. Unterwegs schlief sie ein. Als der Wagen hielt, mußte der Kutscher sie wecken.

– – – – – – – –

Im Atelier saß Romney in seinem Winkel, der Zuflucht seiner trüben Stunden. Bei Emmas Eintritt sprang er auf und eilte ihr mit einem besorgt fragenden Blick entgegen. Ihr stummes Achselzucken sagte ihm alles.

An der Staffelei betrachtete Sir Fetherstonehaugh das sich der Vollendung nähernde Bild. Nun kam er hervor.

»Mr. Romney hat mir gestattet, in seiner Gegenwart mit Ihnen zu verhandeln, Miß Hart!«, sagte er in feierlichem Ton und in reinem Englisch. »Wollen Sie mir ebenfalls die Erlaubnis dazu erteilen?«

Heftig unterbrach sie ihn.

»Ich wüßte nicht, was ich mit Ihnen noch zu verhandeln hätte!«

In seinem Gesicht veränderte sich keine Miene.

»Ich habe Mr. Romney gesagt, daß ich einen Fauxpas begangen habe, als ich Hebe Vestina fünfzig Pfund anbot, und daß ich diesen Fauxpas bedauere. Ich habe Mr. Romney ferner mitgeteilt, was ich seiner Circe vorhin angeboten habe. Aber auch das ist ein Fauxpas, den ich ebenfalls bedauere. Endlich habe ich Mr. Romney um Rat gefragt, was ich tun muß, um Miß Hart für mich zu gewinnen. Mr. Romney aber wußte mir keinen Rat und verwies mich an Sie selbst. Darf ich Sie daher fragen, unter welchen Bedingungen Sie einwilligen würden, die Meine zu werden?«

Ungeduldig hatte sie ihn abermals unterbrechen wollen. Aber der Gegensatz zwischen seinem ernsthaften Gesicht und seinen komischen Worten entwaffnete für einen Augenblick ihren Zorn.

»Sind Euer Herrlichkeit sich darüber klar, wem Sie Ihre Zuneigung schenken?«

Er sah sie bewundernd an.

»Der schönsten Frau der Erde!«

»Und das genügt Ihnen?«

»Es genügt mir!«

»Es ist aber noch nicht alles, Mylord! So wissen Sie denn, ich stamme aus dem niedersten Volke, kann nichts, habe nichts und bin soeben von Mr. Sheridan zurückgewiesen worden, als ich mich um eine Stelle am Drury-Lane-Theater bewarb. Endlich besitze ich ein Kind, dessen Vater in meine Schönheit verliebt war. Wie Euere Lordschaft. Als er mich besessen hatte, warf er mich auf die Straße.«

»Wie heißt dieser Mensch?«

»Sir John Willet Payne.«

»Der Admiral?«

»Damals war er Kapitän!«

»Er ist ein Schurke. Ich werde es ihm sagen, wenn er mir eines Tages begegnet. Im übrigen hat das mit unserer Angelegenheit nichts zu tun. Ich bin ein Mensch, Sie sind ein Mensch. Das ist mein Standpunkt. Ich bitte nochmals um Ihre Bedingungen!«

Seine unerschütterliche Bedachtsamkeit reizte sie.

»Gut denn, Mylord!« stieß sie zornig heraus. »Ich, die Entehrte, habe beschlossen, nur einem Lord anzugehören. Und auch diesem nur dann, wenn er mich heiratet. Ist das nicht Wahnsinn?«

Er antwortete nicht gleich. Er sah sie nachdenklich an.

»Ich glaube nicht, daß es Wahnsinn ist!« sagte er dann langsam. »Ich bin überzeugt, daß Sie Ihr Ziel erreichen werden. Leider bin ich augenblicklich nicht in der Lage, mich in dieser Frage sofort zu entscheiden. Ich bin noch minorenn und habe einige Rücksichten zu nehmen. Sobald ich mir Klarheit verschafft habe, werde ich mir gestatten, Sie zu benachrichtigen. – Mr. Romney, ich danke Ihnen! Sie werden von mir hören, Mylady!«

Er winkte Romney zu und machte Emma eine tiefe Verbeugung. Dann verließ er das Atelier, mit den tänzelnden Schritten, die seiner britischen Steifheit ein so lächerliches Gepräge verliehen.

Mylady ...

Ein armer Narr, der wohl nicht wußte, was er sprach.

– – – – – – – –

»Sie sind von der Natur mit so reichen Gaben ausgestattet,« sagte Romney, als sie ihm Sheridans Entscheidung mitgeteilt hatte, »daß ich über Ihre Zukunft ohne Sorge bin. Sie müssen sich Ihrer Kraft nur erst bewußt werden. Und dann brauchen Sie nur zu wollen!«

»Wollen!« stieß sie in quälendem Zweifel heraus. »Immer habe ich gewollt, niemals etwas erreicht!«

»Vielleicht haben Sie bisher nicht das Richtige gewollt. In Ihnen ist noch alles in Gärung. Sie sind kompliziert, aus lauter Gegensätzen zusammengesetzt. Sie haben gleichzeitig das Herrische einer Aristokratin, den Lebens- und Freiheitsdrang einer fahrenden Frau und die ehrbare Sittsamkeit einer kleinen Bürgerin. Was nun stärker in Ihnen ist ... noch ist es nicht zu erkennen!«

Voll Selbstverspottung schürzte sie die Lippen.

»Jedenfalls bin ich augenblicklich eine gemeine Abenteuerin!«

»Gemein? Sie handeln, wie Ihre Natur es Ihnen eingibt. Und die Natur ist nie gemein. Wären wir in dem Frankreich Ludwigs des Fünfzehnten, so würden Sie wie eine Pompadour einen König zu Ihren Füßen sehen und der Welt Gesetze diktieren. In Griechenland würden Sie die Aspasia des Perikles, in Rom die Berenice des Titus geworden sein, die aus den plebejischen Flaviern weltbeherrschende Cäsaren machte.«

Sie zuckte die Achseln.

»Wir sind in England. Und in England gilt die Frau nichts!«

Er nickte.

»Es ist wahr, seit den Tagen der Elisabeth haben die Frauen für den Staat keine Bedeutung mehr gehabt. Das Parlament hindert unsere Könige, das ›L'etat, c'est moi!‹ zu proklamieren. Sie hatten daher recht, als Sie die Anträge des Prinzen George zurückwiesen. Was wären Sie geworden? Die Mätresse eines Prinzen. Das ist in England sehr wenig.«

»Daran habe ich damals gar nicht gedacht! Er war mir zuwider und sein Treiben ekelte mich an.«

»Weil da die Ehrbarkeit der kleinen Bürgerin in Ihnen sprach.«

Nachdenklich ging sie hin und her.

»Es ist richtig. Etwas Ängstliches, Beschränktes steckt in mir. Immer fiel es mir in den Arm, wenn ich handeln wollte. Ohne diesen Hemmschuh wäre ich heute vielleicht glücklich!«

Zweifelnd wiegte er den Kopf.

»Glücklich? Halten Sie die kleinen Bürgerinnen für unglücklich?«

Etwas wie Heiterkeit erschien für einen Augenblick auf ihrem Gesicht.

»Leben wie Mrs. Thomas in Hawarden? Wie Mrs. Cane in ihrem Laden? Ich stürbe vor Langerweile!«

Er sah sie aufmerksam an. Mit leisem Forschen.

»Wenn Sie einen Mann von Herzen lieb hätten ...«

Der heitere Schimmer verschwand plötzlich von ihrem Gesicht.

»Liebe!« stieß sie finster heraus. »Ich will nichts von Liebe wissen! Ich liebe niemand! Ich bin überhaupt nicht mehr fähig zu lieben! Mein Herz ist tot!«

Sie dachte an das, was sie von dieser viel gepriesenen Liebe bisher erfahren hatte.

Overton ... Tom ... Sir John ...

Der eine war achtlos an ihr vorübergegangen, der andere hatte gezögert, bis es zu spät war, der dritte hatte sie mit Füßen getreten ...

Und Romney ...

Es fiel ihr ein, daß er nichts von dem wissen konnte, was in ihr vorging. Daß er in seinem Zartgefühl sie niemals nach ihrer Vergangenheit gefragt hatte. Und dieses schonende Vertrauen rührte ihr das Herz.

»Ich weiß, Sie möchten gern erfahren, was auf mich drückt!« sagte sie leise. »Sie haben mich lieb und möchten mir helfen. Ich kann es Ihnen aber nicht sagen. Noch nicht. Und doch ... Ich sterbe noch daran!«

Zärtlich nahm er ihre Hand.

»Wenn Sie es sich von der Seele wälzen könnten! Das Schweigen macht Sie krank.«

Sie wußte, daß es so war. In der ganzen Zeit hatte sie unter diesem Schweigen gelitten. Aber sie konnte nicht davon sprechen. Sie brachte es nicht heraus. Sanft machte sie sich von Romney los.

Aber plötzlich sagte sie es dennoch. Es sprengte ihr die Lippen, brach hervor wie ein Sturm.

Sie verheimlichte nichts. Die Gewalttat Sir Johns, den kurzen Taumel des an Wahnsinn grenzenden Genusses, die trostlose Verlassenheit, die Geburt des Kindes, das dunkle Leben der Straße – alles offenbarte sie mit einer Schonungslosigkeit gegen sich selbst, die ihr gleichzeitig Schmerz und einen seltsamen, fast wollüstigen Rausch bereitete Mit einem einzigen wilden Aufschrei ihrer Seele endete sie.

»Welche Leidenschaft in Ihnen ist!« sagte Romney erschüttert. »Und wie Sie hassen können!«

»Hassen?« grübelte sie. »Haßte ich Sir John? Wenn ich ihn gehaßt hätte – oh, ich hätte ihn getötet! Aber so ... es war etwas Dunkles, Übermächtiges in mir ... es trieb mich ihm in die Arme, obgleich ich ihn verabscheute. Auch zu Tom trieb es mich. Er brauchte mich nur zu zwingen, Und ich hätte ihm gehört. Es war nicht Liebe. Etwas Sehnsüchtiges, Verführerisches. Es stieg in mir auf, plötzlich, machte mich taumeln, daß ich nicht wußte, was ich tat!«

Romney nickte still vor sich hin.

»Die Natur des Weibes. Die Zeit des Reifens ...«

»Die Natur? Was für eine Natur ist das, die mich dem ersten besten in die Arme wirft? ... Und doch ... es ist wahr, ich hasse Sir John nicht. Seltsam! Der einzige Mensch, den ich bisher gehaßt habe, war ein Weib. Ein junges Mädchen, das mich beleidigte. Um eine Kleinigkeit war's! Aber ich hasse sie noch immer. Böses könnte ich ihr antun, wenn ich die Macht hätte.«

Sie sagte es langsam vor sich hin, dem Rätsel ihres Herzens nachspürend.

Wie kam es nur, daß sie jetzt an Overton denken mußte, ohne äußeren Anlaß?

Wenn sie ihn wiedergesehen hätte, wäre jetzt alles ganz anders. Mit Leib und Seele wäre sie die Seine geworden ohne Zögern, ohne Reue. Hatte sie nicht in Sir Johns schändlichen Umarmungen einen süßen Trost geschöpft aus der Einbildung, es seien Overtons Arme, die sie umfingen, Overtons Lippen, die sie küßten, Overtons Worte, die ihr Leidenschaft ins Herz träufelten?

Er aber hatte sie verschmäht. Fing sie nun an, ihn darum zu hassen?

– – – – – – – –

Drei Wochen später stellte Romney die »Circe« aus. Wie Reynolds es vorausgesagt, hatte das Werk einen ungeheuren Erfolg. Es machte seinen Schöpfer zum begehrtesten Porträtmaler Londons. Die Kupferstecher vervielfältigten es, die Bilderhändler legten es aus, in Hunderten von Exemplaren fand es Verbreitung. Bewundernd stand die Menge vor der zauberischen Gestalt, die aus der Vorzeit heraufgestiegen schien, um die Welt aufs neue dem Schönheitsideal der alten Hellenen zu unterwerfen.

Romney feierte den Sieg in der stillen Zurückgezogenheit des Ateliers. Der neue Ruhm erzeugte in ihm einen glühenden Schaffensdrang. Schon hatte er ein zweites Bild Emmas auf der Staffelei, das ihre Seele wiedergeben sollte. »Sensibility« nannte er es, und wollte in ihr die zarte Empfindsamkeit des Mädchenherzens malen, das vor jeder rauhen Berührung sich mimosenhaft in sich zurückzieht. Die unter dem gleichen Namen bekannte Pflanze sollte auf dem Bilde angebracht werden, um den ganz auf das Seelische gestellten Ausdruck der Gestalt sinnfällig zu erklären. Entwürfe zu weiteren Bildern Emmas als Bacchantin, Ariadne, Alope, Kassandra, Miranda, als Titania, Hebe, Maria Magdalena, Calypso, Sibylle, Iphigenie trug er mit sich herum und füllte seine Mappe mit zahllosen Studien und Skizzen. Unaufhörlich studierte er ihr Gesicht, verfolgte mit gierigen Augen jeden Wechsel des Ausdrucks, suchte selbst die flüchtigste Regung mit schnellem Stift festzuhalten. In Emma betete er nicht nur das kostbare Modell und die schöne Frau an, sie war ihm das Weib überhaupt.

Auch Emma blieb nicht unberührt von dem Zauber des Ruhmes. Sie, die Unbekannte, Niedriggeborene kam nun durch die Hand eines Künstlers auf die Nachwelt. Diese blauen Augen, dieses rotleuchtende Haar, diese schwellend roten Lippen würden noch das Entzücken von Generationen bilden. Die vielleicht nichts von Emma Lyon wußten, als daß sie irgendwo in einem unbekannten Winkel geboren und gestorben war, gleich Millionen anderer ihres Geschlechts ...

Aufs neue ergriff sie der brennende Drang, mehr zu sein, als nur ein Geschöpf der Lust für andere. Ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, es zu lenken zu hohem Aufstieg, oder zu tiefem Fall.

Wie von langer Krankheit genesen fühlte sie sich, kraftvoll erhob sich abermals in ihr der Wille.

– – – – – – – –

Seit Wochen war Sir Fetherstonehaugh nicht mehr im Atelier gewesen. Nun, gegen das Ende des Frühjahrs kam er plötzlich eines Morgens herein.

Er war bei seiner Mutter und bei seinem Vormund gewesen, um ihre Einwilligung zu seiner Heirat mit Emma zu erlangen. Beide hatten sie ihm rund abgeschlagen.

»Mais je ferai ce que je veux, quand même!« sagte er. »In zwei Jahren, wenn ich majorenn geworden bin, werde ich Ihnen meine Hand reichen, Miß Hart. Jusque-là biete ich Ihnen Up Park in Sussex für den Sommer zum Wohnsitz an. Ein Schloß, über das ich verfüge. En hiver nous serons à Londres. Tout est preparé, wir können jeden Tag abreisen. Meine Freunde in Sussex erwarten Sie. Wir werden reiten, jagen, spielen, tout ce que vous pourrez souhaiter! Man wird Ihnen überall mit dem einer Lady Fetherstonehaugh schuldigen Respekt begegnen!«

Er machte ihr jene tiefe Verbeugung, die er aus Paris mitgebracht hatte, und sah sie erwartungsvoll an. Erstaunt hatte sie ihm zugehört. Nun flog etwas wie ein Lächeln des Spottes und des Mißtrauens um ihre Lippen, das zu der Pose der »Sensibility«, in der sie eben noch für Romneys Bild gewesen war, in einem schneidenden Gegensatz stand.

»Und wer bürgt mir dafür, daß Euere Lordschaft bis zu Ihrer Großjährigkeitserklärung meiner nicht überdrüssig werden und mich fortwerfen, wie einen abgenutzten Handschuh?«

Schweigend holte Sir Fetherstonehaugh ein von einem Notar beglaubigtes Schriftstück hervor, das er ihr überreichte.

Unter Verpfändung seiner Ehre als Mann und englischer Baronet verpflichtete er sich darin, Emma am Tage seiner Großjährigkeitserklärung zu heiraten. Sollte er dieses sein Wort nicht einlösen, so gestand er jedermann das Recht zu, ihn als Schurken, meineidigen Lügner und Ehrlosen zu behandeln. Auch war für diesen Fall eine Entschädigung von zwanzigtausend Pfund ausgesetzt, die Emma ohne richterlichen. Spruch zustehen sollte. Dieselbe Summe erhielt sie, wenn Sir Fetherstonehaugn vor Erfüllung seines Eheversprechens starb.

Emma reichte das Dokument Romney zum Lesen. Er prüfte es lange und sorgfältig. Alles war in Ordnung; Emma brauchte nur einzuwilligen, um in zwei Jahren Lady Fetherstonehaugh zu sein.

Das Ziel ihres Ehrgeizes bot sich ihr dar. Dennoch zögerte sie, zuzugreifen. Etwas in ihr widerstrebte. Etwas, wie eine leise Stimme, die unter dem Schutt ihres Herzens zu weinen schien.

»Sie würden mich also als Ihre Braut betrachten, Mylord?« fragte sie nach einer Weile. »Und nichts von mir verlangen, was ich Ihnen nicht freiwillig gebe?«

Er stutzte einen Augenblick. Dann verneigte er sich ernst.

»Alles soll so sein, wie Sie es wünschen, Mylady!«

Wieder nannte er sie mit dem stolzen Titel. Und wieder gewann das Wort seinen berauschenden Klang. Schon wollte sie zusagen, als Romney dazwischentrat und sie in einen entfernten Winkel des Ateliers zog.

»Willigen Sie nicht ein, Miß Emma!« bat er besorgt. »Sehen Sie nicht, daß Sir Fetherstonehaugh ein unmündiger Knabe ist? Er weiß nicht, was er tut.«

In ihren Augen erschien ein flackerndes Licht.

»Auch ich war unmündig! Auch ich wußte nicht, was ich tat! Dennoch nahm, mich Sir John als willkommene Beute!«

Bestürzt sah Romney sie an.

»Sir John handelte als Schurke an Ihnen, aber er tat's nicht mit kaltem Blute! Er liebte Sie! Sie aber –«

Er stockte.

»Ich aber?« fragte sie langsam zurück. »Woher wissen Sie, daß ich Sir Fetherstonehaugh nicht liebe?«

Sie lächelte, während sie ihre Augen tief in die seinen senkte. Eine grausame Regung machte ihr Herz kalt und listig.

Romney wurde totenblaß. Er wollte etwas entgegnen, fand aber kein Wort. Den Kopf auf die Brust sinken lassend, wandte er sich ab.

Sie wußte nun, daß er sie liebte. Darum war er schwach. Ihr Herz aber war tot. Und das war ihre Stärke.

Ruhig gab sie Sir Fetherstonehaugh die Hand.

»Wie darf ich Mylord nennen?«

Er berührte die schlanken Finger mit seinen Lippen, ehrerbietig, wie ein Kavalier Marie Antoinettes.

»Harry, Mylady!«

»Und wann reisen wir nach Up Park?«

»In drei Tagen, Lady Emma.«

»In drei Tagen, Sir Harry!«


 << zurück weiter >>