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Sir Isaac Tramber war in einer bösen Stimmung, als er sich nach Lincoln begab. Er hatte sich ein Zugabteil reservieren lassen und verwünschte das unglückliche Zusammentreffen, als er entdeckte, daß das nächste von Horace Gresham belegt war.
Er war auf dem Bahnsteig auf und ab gegangen und hatte auf seine Gäste gewartet. Lord Verlond hatte versprochen, ihn zu begleiten und auch Lady Mary mitzubringen. Um so größer war sein Ärger gewesen, als er am Fenster des nächsten Abteils das Schild entdeckt hatte: ›Reserviert für Mr. Horace Gresham‹.
Horace kam ungefähr fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges. Er war, im Gegensatz zu Sir Isaac, zufrieden und gut gelaunt; er erwiderte den kaum wahrnehmbaren Gruß des Baronets durch ein leichtes Kopfnicken.
Tramber sah nervös auf seine Uhr und fluchte innerlich auf Verlond und sein verschrobenes Wesen. Drei Minuten vor Abfahrt des Zuges tauchten die Gestalten des jungen Mädchens und des alten Mannes endlich in der Ferne auf.
»Sie dachten wohl, wir würden überhaupt nicht kommen?« fragte der Lord, als sie herangekommen waren. »Sie scheinen etwas nervös zu sein.«
Sir Isaac half Lady Mary etwas verlegen beim Einsteigen.
»Aber nein, ich hatte nur nicht damit gerechnet, daß Sie so spät kommen würden.«
»Wir sind doch gar nicht spät daran.«
Verlond ließ sich gemächlich auf dem Eckplatz nieder, den Sir Isaac für die junge Dame vorgesehen hatte.
Bekannte gingen vorbei und grüßten; ein paar Neugierige traten näher.
»Fahren Sie auch zu den Rennen nach Lincoln, Lord Verlond?« fragte ein junger Mann.
»Nein«, erwiderte der Lord mit gespielter Liebenswürdigkeit, »ich bin eben im Begriff, mich mit Mumps ins Bett zu legen.«
Nach dieser Antwort verzog sich der andere schleunigst.
»Sie können sich zu mir setzen, Ikey – lassen Sie Mary nur allein«, sagte der Alte mürrisch. »Ich möchte zunächst einmal alles über Ihr Pferd wissen. Hundertfünfzig Pfund habe ich darauf gesetzt. Es ist viel wichtiger, daß Sie mir über das Pferd Aufschluß geben, als daß Sie nichtssagende Fragen an meine Nichte stellen.«
»Das war aber doch gar nicht meine Absicht«, entgegnete Sir Isaac vorwurfsvoll.
»Doch! Sie wollen wissen, ob sie heute nacht gut geschlafen hat, ob sie es auch nicht zu warm im Wagen findet, ob sie lieber mit dem Rücken oder mit dem Gesicht zur Fahrtrichtung sitzt und ob ihr ein Eckplatz angenehmer ist als ein Mittelplatz. Lassen Sie Mary nur zufrieden, Ikey. Das entscheidet sie alles am besten selbst. Ich kenne das Mädchen besser als Sie.« Er sah Mary aufmunternd an. »Der junge Gresham ist nebenan. Geh doch einmal in den Gang und klopf ans Fenster, damit er herauskommt.«
»Ich glaube, er hat ein paar Freunde bei sich, Onkel.«
»Das ist doch ganz gleich!« rief Verlond gereizt. »Was gehen uns seine Freunde an? Gehörst du nicht auch zu seinen Freunden? Also bring ihn ruhig her.«
Sir Isaac kochte vor Wut.
»Ich möchte ihn aber wirklich nicht hierhaben«, sagte er laut. »Sie vergessen, Verlond, daß ich in Gegenwart dieses Mannes nicht über ›Timbolino‹ sprechen kann.«
»Ach, seien Sie doch nicht so ängstlich! Glauben Sie denn, daß er nicht ebensogut über ›Timbolino‹ unterrichtet ist wie Sie? Meinen Sie, der hat die Sportzeitungen in der letzten Zeit nicht gelesen?«
»Zeitungsberichte können niemals das sagen, was der Eigentümer weiß«, entgegnete Sir Isaac gewichtig.
»Ich habe aus ihnen aber offenbar mehr erfahren als Sie. Ihr Pferd war gestern morgen Favorit – heute ist das nicht mehr der Fall, Ikey.«
»Ich kann doch unmöglich alle Wetten verrückter Leute kontrollieren«, murrte Sir Isaac.
»Bedenken Sie eins: Diese verrückten Leute lassen das Geld, das sie gewettet haben, stehen – vergessen Sie das nicht, Ikey. Wenn Sie meine Rennerfahrung besäßen und wenn Sie schon so viel Geld beim Rennen gewonnen hätten wie ich, dann würden Sie nichts mehr darauf geben, was die Eigentümer von ihren Pferden sagen. Ebensogut könnte man eine Mutter nach den Vorzügen ihrer Tochter fragen. Die wird genausowenig objektiv urteilen wie der Besitzer eines Rennpferdes.«
Der Zug hatte die unfreundlichen Vororte Londons passiert und eilte nun durch grüne Felder Hatfield entgegen. Es war ein herrlicher Frühlingstag; die Sonne schien warm und freundlich und stimmte alle zufriedenen Menschen fröhlich. Sir Isaac fühlte sich jedoch sehr wenig glücklich; auch hatte er nicht die geringste Lust, über die Ehrlichkeit der Rennleute oder über Sportfragen im allgemeinen zu sprechen.
Zu seinem größten Ärger stand Mary auf und trat scheinbar gleichgültig in den Gang hinaus. Er hätte schwören mögen, daß er sie an das Fenster des Nebenabteils klopfen hörte. Aber hierin irrte er sich natürlich, denn Mary ging nur vorbei; immerhin genügte das, um von der kleinen Gesellschaft gesehen zu werden, die sich lachend und angeregt unterhielt. Im nächsten Augenblick kam Horace zu ihr heraus.
»Es war eigentlich Onkels Idee, dich wegzuholen – ich bin wirklich unschuldig«, begrüßte sie ihn; ihre Wangen röteten sich.
»Lord Verlond ist wirklich ein Gentleman«, sagte Horace begeistert. »Ich nehme alles zurück, was ich über ihn gesagt habe.«
»Das werde ich ihm berichten«, meinte sie schalkhaft. »Sicher wird er sich freuen!«
»Nein, nein, das darfst du auf keinen Fall.«
»Ich möchte einmal ernsthaft mit dir sprechen«, sagte sie plötzlich. »Komm in unser Abteil. Onkel und Sir Isaac unterhalten sich interessiert über ›Timbolino‹ – ist das der richtige Name?«
Er nickte und lachte vergnügt.
»Sie werden überhaupt nicht merken, was wir miteinander zu besprechen haben.«
Der Lord nickte Horace kurz zu, als dieser eintrat; Sir Isaac warf ihm nur einen mürrischen Blick zu. Es war schwierig, hier eine vertrauliche Unterhaltung zu führen, aber Mary richtete es so ein, daß sie nur dann wichtige Dinge berührte, wenn das Gespräch der beiden anderen lauter und eifriger wurde.
»Ich bin sehr besorgt um Onkel«, sagte sie leise.
»Ist er krank?«
»Nein, das meine ich nicht, obwohl er auch leidend ist. Ich meine sein widerspruchsvolles Wesen. Die günstige Stimmung dir gegenüber könnte plötzlich wieder umschlagen. Du weißt doch, wie bereitwillig er darauf einging, daß du . . .«
Sie zögerte, und er faßte ihre Hand unter dem Schutz der großen Zeitung, die auf ihrem Schoß lag.
»Ja, es war wirklich prächtig von ihm«, sagte er leise. »Ich hätte niemals geglaubt, daß dieser alte Teu – dein lieber Onkel«, verbesserte er sich, »so zugänglich sein könnte.«
Sir Isaac und der Lord waren im Augenblick aneinandergeraten.
»Eben weil er seine Zusage so impulsiv gegeben hat, kann er sie auch ebenso plötzlich widerrufen. Ich fürchte immer, daß er seine Meinung wieder ändert und sich feindlich gegen dich stellt.«
»Das mag er versuchen – ich nehme es mit ihm auf.«
»Hören Sie einmal zu, Gresham«, wandte sich Lord Verlond jetzt an Horace. »Sie gehören doch zu den Leuten, die immer alles wissen. Wer sind eigentlich die ›Vier Gerechten‹ von denen man in letzter Zeit so häufig spricht?«
Sir Isaac Tramber beobachtete Horace scharf. Er war ein Mann, der seinen Argwohn nicht verbarg.
»Ich weiß nicht mehr als Sie. Es scheint eine bewunderungswürdige Vereinigung von Leuten zu sein, die sich die Aufgabe gestellt haben, die Schädlinge der menschlichen Gesellschaft auszurotten.«
»Wer sind sie denn, daß sie sich anmaßen, Recht und Unrecht beurteilen zu können?« Der Lord sah Horace düster an. »Das ist doch eine Unverschämtheit! Wozu bezahlen wir denn Richter, Geschworene, Polizeibeamte und so weiter? Wozu bezahlen wir all diese Steuern und Abgaben, die nur ein teuflisches Gehirn erfinden kann? Tun wir es vielleicht, damit diese Affen herkommen und sich mir nichts, dir nichts in unsere Justiz einmischen? Das ist doch wirklich unerhört und lächerlich!« rief er aufgeregt.
Horace erhob abwehrend die Hand.
»Machen Sie doch mir keine Vorwürfe.«
»Aber Sie billigen das«, beschuldigte ihn der Lord. »Ikey sagt es, und Ikey weiß doch alles – nicht wahr?«
Sir Isaac fühlte sich unbehaglich.
»Ich habe nicht gesagt, daß Gresham etwas davon wüßte«, begann er lahm.
»Also, warum lügen Sie jetzt?« fragte Verlond schroff. »Sie haben mir doch gerade eben erzählt, daß Sie Gresham für einen der Führer der ›Vier Gerechten‹ halten.«
Obgleich Sir Isaac an die brutalen Bloßstellungen seines Freundes gewöhnt war, wurde er doch dunkelrot.
»Aber das habe ich doch nicht so gemeint«, erwiderte er verlegen und ärgerlich. »Verflucht noch mal, Lord Verlond, bringen Sie mich doch nicht in eine solche Lage. Womöglich werde ich noch auf Schadenersatz und dergleichen verklagt.«
Auf Horace machte die Verwirrung des Baronets keinen Eindruck.
»Beunruhigen Sie sich nicht«, sagte er kühl, »ich habe nicht die Absicht, Sie vor den Kadi zu bringen.«
Er wandte sich wieder Mary zu, während der Lord Sir Isaac in ein neues Gespräch verwickelte. Der alte Herr besaß die Eigentümlichkeit, sprunghaft wie ein Irrwisch sein Thema zu wechseln. Kaum war eine Minute vergangen, so plauderte er über Fischerei und Angeln. Sir Isaac wußte in diesen Dingen nur wenig Bescheid, aber trotzdem traktierte ihn Verlond mit Salmfang, Forellenzucht und Hechtstechen.
*
Kurz vor Mittag fuhr der Zug in Lincoln ein. Horace hatte früher für gewöhnlich ein Wochenendhaus außerhalb der Stadt gemietet, aber in diesem Jahr wollte er noch am gleichen Tag wieder nach London zurückkehren.
Auf dem Bahnhof trennte er sich von Mary.
»Ich werde dich später auf dem Rennplatz sehen«, sagte er. »Was hast du vor? Fährst du heute abend wieder nach Hause?«
Sie nickte.
»Hängt sehr viel für dich davon ab, daß dein Pferd dieses Rennen gewinnt?« fragte sie ein wenig ängstlich.
»Man macht sich im allgemeinen nicht soviel Sorgen wegen der Rennen in Lincoln. Es ist noch etwas zu früh für die Saison, und nicht einmal die gewohnheitsmäßigen Rennwetter haben genügend Sicherheit, um große Summen zu setzen. Man weiß eben noch zuwenig, und es ist fast unmöglich, etwas Bestimmtes darüber zu sagen, welche Pferde in Form sind. Ich persönlich glaube, daß ›Nemesis‹ siegt, obwohl das Rennen in Lincoln nur selten von jungen Stuten gewonnen wird. Sie ist ein ausgezeichneter Sprinter – kurze, scharfe Läufe liegen ihr. Ich weiß, daß schon früher Pferde wie sie dieses Rennen gewonnen haben. Wenn man allerdings den Durchschnitt nimmt, so ist alles gegen ein Pferd wie ›Nemesis‹.«
»Aber ich dachte, du seist deiner Sache ganz sicher.«
Er lachte ein wenig.
»Nun ja, am Montag ist man voll Vertrauen, und am Dienstag zweifelt man wieder. Das gehört nun einmal dazu. Die Form der Pferde wechselt nicht halb so schnell wie die Stimmung der Eigentümer. Wahrscheinlich treffe ich heute noch jemand, der mir sagt, daß ein gewisses Pferd todsicher im letzten Rennen gewinnen wird. Der Mann packt mich am Jackettknopf und versucht, mir die Überzeugung einzuhämmern, daß dies die leichteste Methode sei, Geld zu machen, seit überhaupt Rennen abgehalten werden. Und wenn ich ihn dann nach dem letzten Rennen wiedersehe, erklärt er mir ganz kalt, daß er überhaupt nicht auf das Pferd gesetzt hat, weil er im letzten Moment einen anderen Tip bekam – von einem Unbekannten, der die Schwester der Tante des Pferdebesitzers kennt. Das ist nun einmal so beim Rennen; du darfst nicht erwarten, daß die Leute beständig sind.
Ich bin natürlich noch immer überzeugt, daß ›Nemesis‹ gewinnen wird, aber ich glaube nicht mehr so felsenfest daran wie früher. Selbst der beste Examenskandidat wird in Gegenwart des Examinators nervös.«
Lord Verlond war zu ihnen getreten und hatte die letzten Worte der Unterhaltung gehört.
»Ikey ist auch jetzt noch ganz sicher, daß ›Timbolino‹ gewinnen wird. Übrigens habe ich eben erfahren, daß der Boden ziemlich weich ist.«
Horace sah ihn einen Augenblick fast ängstlich an.
»Das kommt Ihrem Pferd wenig zustatten, mein Freund. Ein Sprinter, der das Lincoln-Rennen versucht, braucht festen Boden. Ich sehe schon, daß ich heute fünfzehnhundert Pfund Gewinn mit nach London zurücknehmen werde.«
»Haben Sie auf ›Timbolino‹ gesetzt?«
»Stellen Sie keine unverschämten Fragen«, sagte der Lord kurz, »die obendrein noch unnötig sind. Sie wissen verdammt gut, daß ich auf ›Timbolino‹ gesetzt habe. Oder glauben Sie das etwa nicht? Ich habe darauf gesetzt, aber ich fürchte, ich werde mein Geld verlieren.«
»Sie fürchten?«
Welche Fehler der Lord auch haben mochte, Horace wußte, daß er mit Anstand verlieren konnte, und war daher ein wenig erstaunt.
Der Lord nickte. Er scherzte jetzt nicht, und der unangenehme, feindliche Ausdruck, den seine Gesichtszüge sonst trugen, war verschwunden. Staunend erkannte Horace, daß Verlond sich plötzlich in einen außerordentlich gut aussehenden älteren Herrn verwandelt hatte. Die festen Linien des Mundes waren gerade, und über dem blassen Gesicht lag ein Schatten von Melancholie.
»Ja, ich fürchte tatsächlich.« Er sprach ruhig und ohne die zynische Bitterkeit, die zu ihm zu gehören schien. »Dieses Rennen ist für manche Leute sehr wichtig. Mich geht die Sache allerdings kaum etwas an.« Ein leichtes Lächeln spielte um seinen Mund. »Aber ich kenne andere«, fuhr er dann ernst fort, »für die der Ausgang dieses Rennens Leben oder Tod bedeutet.« Plötzlich nahm er wieder seine gewöhnliche Haltung an. »Nun? Was sagen Sie dazu, daß der alte Lord Verlond plötzlich sentimental geworden ist, Mr. Gresham?«
Horace schüttelte verwirrt den Kopf.
»Ich fürchte, ich habe Ihnen nicht folgen können.«
»Aber vielleicht können Sie mir in anderer Weise folgen«, erwiderte der Lord schroff. »Hier steht mein Wagen. Guten Morgen!«
Horace schaute ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte; dann machte er sich auf den Weg zum Rennplatz.
Das Benehmen des alten Herrn hatte ihn nicht wenig beunruhigt. Man wußte in ganz London, daß Verlond eine verteufelt scharfe Zunge hatte. Aber als Horace darüber nachdachte, während er am Flußufer entlangging, fand er, daß Lord Verlond eigentlich selten etwas gesagt hatte, was unschuldige, harmlose Leute verletzen oder beleidigen konnte. Sein sarkastischer Spott richtete sich hauptsächlich gegen Angehörige seiner eigenen Klasse, und seine Wutausbrüche galten meistens allgemein bekannten Missetätern.
Die Art, wie er seinen Erben behandelt hatte, war natürlich unverzeihlich. Der Lord selbst entschuldigte diese auch niemals; er vermied es hartnäckig, darüber zu sprechen, und im allgemeinen wagte auch niemand, diese unangenehme Sache in seiner Gegenwart zu erwähnen.
Lord Verlond war außerordentlich wohlhabend und Horace Gresham hatte allen Grund, sich darüber zu freuen, daß er selbst gleichfalls ein nicht unbeträchtliches Vermögen besaß. Im anderen Fall wären seine Aussichten nicht die glänzendsten gewesen. Sein eigener Reichtum schloß zumindest die Vermutung aus, daß er nur Lady Marys Geld nachjagte – ein Verdacht, der sonst sicher laut geworden wäre. Ihm selbst war es höchst gleichgültig, ob sie die Millionen des Lords erbte oder nicht.
An diesem Tag befanden sich auch Leute in Lincoln, die die Situation nicht mit so philosophischer Ruhe betrachteten.
Sir Isaac Tramber war geradenwegs zu der Villa auf dem Hügel gefahren, die Oberst Black für zwei Tage gemietet hatte. Er kam in denkbar schlechter Stimmung an seinem Ziel an.
Black saß gerade beim Mittagessen, als der Baronet eintrat.
»Hallo, Ikey! Nehmen Sie gleich hier am Tisch Platz.«
Sir Isaac betrachtete die Speisen kritisch.
»Danke – ich habe schon im Zug gegessen. Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Na, dann erleichtern Sie Ihr Herz.« Black legte ein neues Kotelett auf seinen Teller. Er aß reichlich und fand viel Vergnügen darin, gut zu speisen.
»Sehen Sie, Black, die Lage ist wirklich verzweifelt. Wenn mein verdammtes Pferd heute nicht gewinnt, weiß ich wirklich nicht, wo ich noch Geld hernehmen soll.«
»Eins ist jedenfalls sicher«, entgegnete Black kühl, »von mir können Sie nichts bekommen. Ich bin in ebenso großer Verlegenheit wie Sie.«
Tramber schwieg, und Black beendete seine Mahlzeit. Dann schob er den Teller zurück und nahm ein Zigarettenetui aus der Tasche.
»Was können wir denn nun mit Ihrem ›Timbolino‹ gewinnen?«
»Etwa fünfundzwanzigtausend Pfund«, erwiderte Sir Isaac verstimmt. »Aber ich weiß wirklich nicht, ob das verfluchte Pferd das Rennen machen wird. Ich fürchte diesen Gaul von Gresham.«
»Das ist mir aber ganz neu – so etwas habe ich doch früher nie von Ihnen gehört.«
»Die Sache ist nicht zum Lachen! Mein Trainer Tubbs hat ›Nemesis‹ beobachtet. Sie läuft unglaublich schnell; die einzige Frage ist, ob sie auch durchhält.«
»Kann man denn nicht an sie herankommen?«
»Was für ein Unsinn!« rief Tramber unwillig. »In drei Stunden soll das Rennen beginnen. Haben Sie eine Ahnung vom Rennbetrieb! Sie können doch ein Pferd nicht innerhalb von drei Stunden durch irgendwelche Mittel außer Form bringen. Wenn man drei Tage Zeit hätte, wäre das vielleicht möglich, wenn man den Trainer für sich gewinnen könnte. Aber Trainer, die gegen ihren eigenen Stall arbeiten, finden Sie nur in Romanen.«
Black schnitt sorgfältig das Ende einer Zigarre ab.
»Wenn Ihr Pferd verliert, können wir also Konkurs anmelden«, meinte er nachdenklich. »Ich habe darauf gesetzt, um mein Leben zu retten«, fügte er mit grimmigem Ernst hinzu.
Er klingelte, und gleich darauf trat ein Mädchen ein.
»Der Wagen soll vorfahren.« Black sah nach der Uhr. »Ich mache mir zwar nicht besonders viel aus Rennen, aber heute werde ich den Tag doch lieber im Freien zubringen. Da kann man besser denken und hat mehr Einfälle.«