Jakob Wassermann
Joseph Kerkhovens dritte Existenz
Jakob Wassermann

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Zweites Buch

Alexander und Bettina

Ganna oder die Wahnwelt

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Seine Leiche wurde eingeäschert. Die Urne nahm Agnes mit nach Vitznau am Vierwaldstättersee. Drei Wochen später, am neunten April, fuhr sie während eines Sturms in einem kleinen Boot nach Beckenried hinüber. Das Boot kenterte, und sie ertrank. An demselben neunten April starb in Zürich der große Gelehrte, Kerkhovens Halt und Aufblick, der Führer in bisher unerschlossene Gebiete des Wissens und der Erkenntnis. Am Abend vorher hatte er Kerkhoven, der sich für eine Woche freigemacht hatte, um unter der Leitung des Freundes in dessen hirnanatomischem Institut seine Studien zu betreiben (was er seit seiner Rückkehr aus Java in regelmäßigen Zeitabständen zu tun pflegte), noch seine letzte Arbeit vorgelesen: Recht und Verbrechen in biologischer Beleuchtung. Dann, um halb ein Uhr nachts, hatte der Vierundsiebzigjährige, am Schreibtisch sitzend, die Feder hingelegt und war für immer eingeschlafen. Vorbildlicher Tod, ohne Aufheben, ohne Lärm, ohne Krankheit, ohne Schmerz, mitten im unvollendetvollendeten Werk. Wenige trauerten um ihn, wenige wußten überhaupt von ihm, sein Ruhm lag in der Zukunft. Als Kerkhoven an seiner Leiche stand, liebte er den Tod. Es war ein großartiges Bild der Sammlung, der Ruhe und der Kraft.

Und am gleichen neunten April, am Abend, lernte er in einer kleinen Gesellschaft von Freunden und Kollegen, die sich versammelt hatten, um das Gedächtnis des Hingegangenen zu ehren, Bettina Herzog kennen.

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Einige erläuternde Angaben über den Umkreis und die Richtung seiner Forschungen dürften hier am Platze sein.

Vor allem beschäftigte ihn das große Gebiet der Störungserscheinungen im Gehirn. Die Rhythmusstörungen; die Säftestörungen im besonderen; die Störungen im Zottengewebe; die Veränderungen, die durch psychotische Wahnerkrankungen bewirkt werden oder deren Ursache sind; die dunklen Zusammenhänge zwischen Gefäß- und Nervenfunktion; die schwierige Frage der Wärmestauungen; die Feststellung der sogenannten Blutgehirnschranke, der Barrieren, hämoenzephalen oder ekdomesodermalen, da ja Haut und Hirn durchsetzt sind von Blut und Geweben und diese durch bestimmte Grenzwälle voneinander geschieden sind, besser ausgedrückt: durch Filter von den Stoffen im Blutkreis. Der Verstorbene hatte die These verfochten, diese Stoffe, Autacoide, seien gehirnschädigend; sie würden nicht von außen in den Menschen hineingetragen, sondern entstünden in seinem Innern, ja, sie seien als sein biologisches Schicksal seiner Physis, infolgedessen auch seiner Seele verhaftet.

Dies gab unerhörte Ausblicke. Einerseits schuf es neue Grundlagen für die Diagnose und erweiterte das Feld der Therapie ins vorläufig noch Unabsehbare; andererseits ging es auf gewisse antike Anschauungen zurück (wodurch eine sinnvolle Einheit aller Erkenntnis hergestellt wurde), jene uralte Humoralpathologie, die der geniale Tote bewußt in sein System einbezogen hatte. Da war denn der menschliche Leib, bewegt und regiert von einem allbeständigen, im wahrsten Sinne oberen Geist oder Organwesen, keine mehr oder minder vollkommene Maschine mehr, kein vitalistischer Automat, kein bloßes Produkt chemischer Bindungen und Reaktionen, sondern weit darüber hinaus, einstweilen über das Vorstellbare hinaus, ein in das große All-Leben gewobenes und der Ewigkeit angehörendes, ja von ihr unzertrennliches Kräftezentrum, das, so lautete die krönende, seltsam unwissenschaftlich und unzeitgemäß klingende Formel des Meisters, zusammengehalten wurde durch die Liebe. Der folgende programmatische Satz war eine seiner letzten Manifestationen: »Die Auseinandersetzung des innersten Ich mit dem All sowie mit den unser Tun und Lassen bestimmenden biologisch-physiologischen Kräften gehört zu den höchsten, das Lebensglück des Menschen schlechthin sichernden Verrichtungen des Zentralnervensystems.«

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Bettina Herzog befand sich gewissermaßen auf der Flucht. Ihr Aufenthalt in Zürich war eigentlich ein befristetes Exil. Dessen war sie sich bewußt, das wußten auch die zwei oder drei Freunde, die zu sehen und mit denen zusammen zu sein ein treibendes Motiv ihrer Reise gewesen war.

Einer dieser Freunde, ein junger Röntgenologe, hatte sie, um sie aufzuheitern und ihren traurigen Gedanken zu entreißen, ungeachtet ihres Widerstands in jenes Haus mitgenommen, wo sie die Bekanntschaft Joseph Kerkhovens machte.

In einem niedrigen, stark überheizten Bücherzimmer saßen eng gedrängt zehn bis zwölf Personen, darunter nur vier Frauen.

Mit dem Augenblick, da sie das Zimmer betrat, überkam Bettina eine gespannte, unbehagliche Empfindung, die ihr nicht neu war. Sie hatte jedesmal mit ihr zu kämpfen, wenn sie im selben Raum mit einem Menschen war, von dem eine bestimmte atmosphärische oder körperliche oder geistige Wirkung ausging, gleichviel, ob die Gesellschaft groß oder klein war. Und je länger sie sich dieser Wirkung aussetzte, je mehr steigerte sich das hinstrebende Unbehagen, dem das instinktive Bemühen zugrunde lag, den Ort der magnetischen Anziehung festzustellen.

Sie forschte unauffällig in den verschiedenen Gesichtern, bis ihr Blick auf eines traf, von dem sie dann sofort wußte, daß es der Urheber der geheimen Beunruhigung war. Obenhin betrachtet, sah der Mann aus wie ein wohlhabender Bauer oder Grundbesitzer, wie solche in der Schweiz auch in bürgerlichen Kreisen vielfach verkehren, aber da es eine Zusammenkunft von Ärzten und Wissenschaftlern war, schloß sich dies wohl aus. Er trug ein kurzes Kinnbärtchen, das im Zwielicht gelblich schien, sich aber nachher als angegraut erwies. Er saß auf einem für seine mächtige Figur viel zu kleinen Stuhl, der in den Schatten gerückt war, vermutlich nicht ohne Absicht. Er hatte die Beine nicht übereinandergelegt, was die unbequeme Gezwungenheit seines Dasitzens noch stärker betonte.

Bettina konnte nicht anders, sie mußte fortwährend seine Hände anschauen, die breit, knochig und vollständig unbeweglich auf den Knien lagen. Sie erinnnerten an zwei kauernde Zwillingstiere. Etwas Wachsames, Fremdartiges und Schützendes war um sie.

Er war ihr natürlich vorgestellt worden, doch sie hatte den Namen nicht verstanden. Leise erkundigte sie sich bei der Hausfrau, wer der Mann sei. Diese klärte sie auf. »Haben Sie nie von ihm gehört?« fragte sie verwundert. Bettina mußte ihre Unwissenheit bekennen. Da vernahm sie die Stimme des Mannes. Er machte eine ruhige Bemerkung zu seinem Nachbarn. Ach so, war Bettinas naiver und befriedigter Gedanke, wenn einer eine solche Stimme hat ... Es gelang ihr aber im Lauf des Abends nicht, mehr als ein paar gleichgültige Worte mit Kerkhoven zu wechseln. Er war von einer höflichen, anscheinend schwer besiegbaren Wortkargheit.

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Als sie am zweitfolgenden Tag im Waldhaus Dolder den Tee nahm und Kerkhoven ein paar Schritt von ihr entfernt an der Terrassenbrüstung sitzen sah, hatte sie zunächst das verwirrende Gefühl, als habe sie ihn hierher bestellt. Und genau wie am vorgestrigen Abend war sie wieder in derselben unerklärlich erregenden Weise alarmiert.

Sie hatte einen noch bezwingenderen Eindruck von seiner Person. Haltung und Miene bekundeten eine natürliche Abgeschlossenheit, eine ins Unbewußte gedrungene Loslösung von Neugier, ein strenges und schweres In-sich-selber-Ruhen. Sie hoffte, er werde sie bemerken, dabei ärgerte sie sich über diesen Wunsch. Zu verrückt, dachte sie, was will ich denn von ihm? Ein Arzt außerdem. Sie hatte nicht viel übrig für Ärzte. Doch als sein Blick in die Richtung ging, wo sie saß, und eine Viertelsekunde auf ihrem Gesicht haftete, nickte sie einen lächelnden Gruß hinüber. Unwillkürliche Bewegung, die nicht mehr als ein Zeichen des Wiedererkennens sein sollte. Er stutzte und grüßte artig zurück. Bei seinem vermeintlich bäurischen Wesen hatte sie eine so höfliche Geste kaum erwartet. Nach einer Weile erhob er sich nicht ohne Schwerfälligkeit und trat an ihren Tisch. »Frau Alexander Herzog, wenn ich mich recht erinnere?« fragte er mit der erstaunlichen Stimme, die Bettina schon allein Zutrauen einflößte. Leicht spottend korrigierte sie: »Ja, Bettina Herzog, Herr Professor.« Einen Moment lang sah er sie mit dem wie ein Instrument unter die Haut dringenden Blick an, den nur Ärzte haben. Dann bat er um die Erlaubnis, ihr ein wenig Gesellschaft leisten zu dürfen.

Das geschah zwanzig Minuten nach fünf. Und als er sich von ihr trennte, in der Halle des Hotels, wohin er sie begleitet hatte und wo sie schließlich als die einzigen Gäste in einem Winkel gesessen waren, war es fünf Minuten vor neun. Sie vergaß, daß sie nicht zu Abend gegessen hatte, ging in ihr Zimmer und warf sich erschöpft und aufgewühlt ins Bett.

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Begonnen hatte das Gespräch damit, daß sich Kerkhoven mit großer Lebhaftigkeit nach Alexander Herzog erkundigte und Bettina den Eindruck schilderte, den ihm damals in Freiburg die Herzogsche Vorlesung gemacht. Dann erwähnte er, daß ihm das unendlich zerquälte Aussehen des Mannes aufgefallen sei, und fragte Bettina, ob dafür eine bestimmte Ursache vorhanden gewesen. »Nicht nur gewesen«, antwortete sie, »die Ursache besteht noch immer.« Zögernd und mit halben Worten berichtete sie von einem organischen Leiden, das er sich infolge jahrelanger schwerer Aufregungen zugezogen. Und als Kerkhoven wie beiläufig hinwarf, auch sie biete nicht eben ein Bild strahlender Gesundheit, sie wirke mehr als angegriffen, wirke gleichgewichtslos, streifte ihn ein schneller Blick aus grüngrauen Augen; sie zuckte apathisch die Achseln und murmelte: »Wär's anders, es wäre ein Wunder.«

Sie war sichtlich gehemmt. Vor allem durch den Zweifel, ob sie sich eine Offenheit, die sich als unbedacht erweisen konnte, durchgehen lassen dürfe; dann durch die Erwägung, daß der Mann, der ihr so ungewohnten Anteil bezeigte, Mitwisser und Mitträger von allzuvielen Menschenleiden sein mußte. Sie sah es ihm an. Nach und nach faßte sie Mut, und endlich hatte sie überhaupt keine Bedenken mehr. Wie das zuging, war ihr rätselhaft; sie mußte sprechen. Sie mußte alles, alles sagen. Sie konnte sich nicht helfen, es war wie ein Sturzbach, aufgestaut seit unerträglich langer Zeit. Und während sie es in hastige, fliegende Worte kleidete, kam es ihr so unglaubwürdig, so unwahrscheinlich, so toll phantastisch vor, daß sie sich beklommen fragte, ob sie der Mann nicht für eine hysterische Lügnerin halten würde, obwohl sie sich nicht annähernd imstande fühlte, das Erlebte in seinem ganzen Umfang wiederzugeben, weder in der Reihenfolge noch in den Verursachungen. Sooft sie einen prüfenden Blick in sein Gesicht warf, wurde sie unsicher. Meist hielt er den Kopf gesenkt und die Augen halb geschlossen. Seine Finger sammelten unsichtbare Brotkrumen auf der Glasplatte des Tisches. Bisweilen nickte er ihr zu, mit einem Ausdruck, als wisse er alles schon seit hundert Jahren.

»Nun haben Sie einen ungefähren Begriff«, sagte sie nach zweistündigem atemlosem, halblautem Erzählen; »mein Leben heißt Ganna. Alexander Herzogs Schicksal heißt Ganna. Unser beider Unglück heißt Ganna.«

Er dachte nach. Dann fragte er sie, ob sie einen Brief von der Frau habe, etwas von ihrer Hand Geschriebenes. Sie besann sich; ja, sie hatte einen Brief. Sie öffnete ihre große Ledertasche, durchwühlte sie und brachte einen kuvertierten Brief zum Vorschein, den sie aus dem Umschlag zog und Kerkhoven reichte. Er hielt den aufgefalteten Bogen vor sich hin und betrachtete, ohne zu lesen, die großen spitzigen, eiligen Buchstaben, denen etwas unheimlich Fanatisches anhaftete. Er las, begann von vorn, las zur Hälfte, verdeckte einen Teil des Blattes mit seiner riesigen Hand und schaute dann wie träumend in die Luft, wobei seine Züge sich verfinsterten. Plötzlich fragte er unerwartet: »Haben Sie Nachricht von Ihrem Gatten?« – Bettina fuhr zusammen. »Nachricht? Nein. Warum?« – »Seit wann sind Sie von zu Hause fort?« – »Seit sechs Tagen. Warum?« – Da sagte er mit ebenso unerwarteter Bestimmtheit: »Ich weiß nicht, ob es richtig war, daß Sie ihn in diesem Moment allein gelassen haben.« – Sie wurde um eine Schattierung blasser. »Ich konnte nicht mehr weiter«, flüsterte sie.

Sie war darüber verstimmt, daß er den Schwerpunkt seines Interesses in die Richtung verlegte, wohin sie ihm, in einem Gefühl alt- und starrgewordenen Trotzes, nicht folgen mochte. Jetzt nicht. In dieser Stunde nicht. Lange genug war sie nicht vorhanden gewesen. Jetzt wollte sie einmal vorhanden sein. Er erriet, was in ihr vorging. Er schüttelte bedächtig den Kopf und sagte ernst: »Ich verstehe Sie ausgezeichnet.« – Sie atmete erleichtert auf. »Haben Sie denn Grund zu Befürchtungen?« forschte sie widerstrebend und ihrer eigenen Sorge gleichsam den Rücken kehrend. – »In bezug auf ihn? Allerdings, gnädige Frau.« – »Und was raten Sie mir zu tun?« – »Das läßt sich so rasch nicht sagen.« – »Finden Sie es falsch oder unüberlegt, daß ich mich Ihnen anvertraut habe?« – Er legte seine Hand, eigentlich nur die Fingerspitzen, auf ihren Arm. »Ich bitte Sie. Ich bitte Sie ...« Sie murmelte: »Man denkt nicht nach. Brandschatzt die Zeit eines andern Menschen. Es ist sonst nicht meine Art.« – »Ich bitte Sie«, wiederholte er etwas ungeduldig; »beruhigt es Sie, wenn ich Ihnen sage, daß ich keine eigene Zeit besitze?« – »Um so mehr muß man aufpassen«, antwortete Bettina. Sie schlang die Hände um die Knie und beugte sich vor. »Komisch«, flüsterte sie, »erst jetzt spür' ich, es war der allerkritischste Augenblick.« – »Das ist immer so, gnädige Frau.« – Sie sah ihn fragend an, von unten her. – »Es handelt sich um Sekrete, wenn Sie es im Doppelsinn nehmen«, erklärte er in leichtem Ton; »es gibt ein Organ in Ihnen, das die Katastrophe unterdrücken will.« – »Sie glauben also an eine Katastrophe?« – »Ich kann mich dem Eindruck nicht entziehen. Hauptsächlich, wie gesagt, im Hinblick auf Alexander Herzog.« – Es war Bettina, als rutsche ihr Herz ein Stück herunter. Offenbar war sie eines Versäumnisses schuldig. Sie hatte sich das Entscheidende nicht klargemacht. »Können Sie denn helfen?« stammelte sie und erschrak vor ihrer eigenen Kühnheit. – Er lächelte etwas zurückhaltend. – »Ich weiß, es ist eine alberne Frage«, fuhr sie schüchtern fort, »aber liegt das überhaupt im Bereich menschlicher Macht?« – »Menschliche Macht ist gering und nicht unbegrenzt«, erwiderte er. »Soviel ich bis jetzt sehe, ist es ein ziemlich einzigartiger Fall, so typisch er wieder in anderm Betracht ist. Nur ...« – »Nur?« – »Es ist besser, Sie dringen jetzt nicht in mich. Ich muß es mir sorgfältig überlegen. Ich weiß noch zuwenig. Alles, was ich weiß, ist, daß dieser Mann gerettet werden muß.« Da sich Bettinas Gesicht jäh verfärbte, fügte er hinzu: »Und er kann nur gerettet werden, wenn Sie ...« Er blickte sie fest an, mit einem Ernst, der ihr durch und durch ging. Ihr wurde kalt im Rücken. Sie hatte Lust, aufzustehen und wegzugehen. Er fragte so leise, daß sie die Worte nur mit den Nerven vernahm: »Ich vermute, Sie lieben ihn nicht mehr?« – Bleich, verstört starrte sie ihre Fußspitzen an. »Das ... wie kann man ... o nein ... das läßt sich doch nicht ...« Sie brach ab und senkte den Kopf noch tiefer.

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Kerkhoven war sich nicht im unklaren darüber, daß es das zwölfjährige Leben in der Einsamkeit war, das sie so bedürftig nach Welt, nach Mitteilung, nach Menschen gemacht hatte. Ja, fast zwölf Jahre, seit ihrem achtundzwanzigsten Jahr, hatte sie mit Alexander Herzog tief im steirischen Gebirge in einer Art Klausur gelebt und war unter dem ständig anwachsenden Druck eines beispiellosen Geschehens nahezu zerbrochen. Das Geständnis, das sie ihm gleich zu Anfang des Gesprächs machte, daß sie seit Monaten aufgehört habe, wie ein normaler Mensch zu schlafen, daß jeder Brief, jedes Telegramm, jedes Telefonsignal in ihrem Herzen eine wahre Klopforgie bewirke (so drückte sie es aus), ließ auf eine bedenkliche Gemütsverfassung schließen. Nur vergessen, das war ihre Sehnsucht Tag und Nacht; nur mit Leuten beisammen sein, die von neutralen oder abliegenden Dingen redeten, von freundlichen, heiteren, hübschen Dingen. Nichts mehr wissen von dem Schauerlichen, Grausigen, Hoffnungslosen, das dort in ihrem Heim die Sonne verhängte und die Luft vergiftete. Sie übertreibt, dachte Kerkhoven, sie hat einen beweglichen Geist, eine künstlerische Phantasie, es ist nicht anders möglich, sie übertreibt. Aber wenn er sie dann anschaute, fand er, daß diese Vermutung wahrscheinlich grundlos war. An ihrem klaren, nüchternen, alles Tatsächliche prägnant zusammenfassenden Bericht war ihm gerade das Fehlen jeder Übertreibung angenehm aufgefallen. Die Mischung von äußerer Kühle und innerer Glut erinnerte ihn ein wenig an Marie. Die Berührung beider Elemente gab der ganzen Person etwas wunderlich Bebendes. Auch bei Marie war es so. Nein, das stimmt schon alles, sagte er sich, mit der hat es schon seine Richtigkeit. Als sie ihm weiterhin bekannte, daß sie von Haus aus Musikerin sei, Geigerin, und in früheren Jahren ein paar gar nicht üble Lieder und Sonaten komponiert habe, ging ihm ein Licht über ihre hochgradige Reizbarkeit und Erschütterbarkeit auf. Aber sie versäumte nicht hinzuzufügen, daß sie seit langem von der Musik Abschied genommen habe, von aller Musik, der Geigenkasten mit der Guarneri liege zu Hause im Schrank wie auf einem Kirchhof. Sie hatte einfach für Gaben und Kräfte, deren sie sich lebhaft, ja ungestüm bewußt war, keine Verwendung mehr; der Verkümmerungsprozeß, von dem sie sich bedroht sah, hatte eine an Schwermut grenzende Hypochondrie in ihr erzeugt. Primitive, animalisch veranlagte Naturen können dagegen unter Umständen ihre Vorkehrungen treffen; ein so durchgebildetes, zu sinnvoller Eigenentfaltung bestimmtes Geschöpf wie sie war ohne einen rettenden Arm verloren. Kerkhoven starrte sie mit großen Augen ununterbrochen an, als sie ihm in knappen Umrissen ihr Leben während der letzten sechs Monate beschrieb. Es war abenteuerlich ...

»Spät«, sagte er, sich erhebend; »Sie haben Ruhe nötig. Wahrscheinlich werden Sie mich in den nächsten Tagen brauchen. Ich bleibe noch bis Ende der Woche in Zürich. Zwischen zehn und zwei Uhr bin ich telefonisch erreichbar.« Er schrieb ihr die Nummer auf. Sie dankte ihm bewegt. Sie ahnte nicht, wie bald und wie sehr sie ihn brauchen würde. Als es so weit war, am nächsten Tag schon, fragte sie sich mitten in ihrem Kummer und in ihrer Ratlosigkeit bestürzt: Ist er denn ein Prophet?

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Mit der Frühpost erhielt sie einen Brief von Alexander, der folgenden Wortlaut hatte: »Seit Du fort bist, liebe Bettina, liegt auf meinem Schreibtisch eine angefangene Arbeit, die die sonderbare Überschrift trägt: Bekenntnisse eines Gottlosen. Ich hatte sie mir als einen Versuch gedacht, hinunterzugraben bis an die Wurzel der geistigen Existenz, um den Urirrtum zu finden. Denn ohne solchen Irrtum, solche Grundverfehlung, das wirst Du zugeben, wäre eine Lage nicht möglich wie die, in der ich mich befinde. Aber als ich heute das Geschriebene überlas, erkannte ich die Bemühung als eitel. Jeder Schriftsteller hat im Lauf seines Lebens einen derartigen Massenverbrauch an Worten, daß die Worte allgemach ihr Gesicht und ihr Gewicht verlieren. Nie ist das Ausgesagte das Letztgültige, das Unumstößliche. So auch hier. Es ist der schlagende Mut nicht drin, die große Schonungslosigkeit nicht. Ich blätterte zurück und zurück, und jede Seite stierte mich an wie ein aufgeschmücktes Stück Verwesung.

Was hat es gefrommt, Bettina, das Formen und Schmieden? Zwanzig oder mehr Bücher in die empfindungslose Zeit hineingeworfen: Was hab' ich ausgerichtet damit? Was hat die herzverzehrende Plage gewirkt? Wo ist die Ernte von all dem Säen, jetzt, in meinem neunundfünfzigsten Jahr? Nicht einmal aus meinem engsten Umkreis hab' ich die Fratzen und Nachtmare bannen können; trauriges Vorbild für die, die ich zu einem trügerischen Glauben an mich verführt habe. Welchen Zweck soll es haben, weiterzubauen auf einem Fundament, das nicht trägt, an einem Bau, den niemand für bewohnbar, ja nur für vorhanden hält als ich selber? Auch die Bücher waren nur Gespenster, Schwaden aus der Wahnwelt. Vertan, vertan. Es gibt eine Krankheit des Schaffens, wie es eine Krankheit des Tuns gibt, jenes Tuns, das Flucht vor der Tat ist. Wohl gibt es auch ein Schaffen, das Tat ist, aber dieses ist verwandelnd und gottnah; seinen begnadeten Bezirk wagt der Teufel nicht zu betreten, der Atem geht ihm darin aus.

Es ist eine unmenschliche Traurigkeit in mir, Bettina. Sie schnürt mich ein wie eine Zwangsjacke. In meinem Denken ist kein System und keine Folge mehr. Ich begehre dumpf nach etwas, kann aber nicht ergründen, was es ist. Vielleicht ist es mein Selbst, nach dem ich begehre. Es kommt mir vor, als sei mir dieses, mein Selbst, vor unbestimmbarer Zeit auf rätselhafte Weise gestohlen worden. Ich habe es nachher gesucht und überall reklamiert, doch ich habe es nicht mehr zurückerhalten. Ich kämpfte mit der Lust, die Handschrift der erwähnten Bekenntnisse ins Feuer zu werfen. Ich kann mich nicht dazu entschließen. Wahrscheinlich, weil ich nicht fähig bin, die letzte Konsequenz zu ziehen. Mein ganzes Ich, der geistige, seelische und physische Teil, ist in einer heillosen Unordnung. Ich kann meine Empfindungen gleichsam nicht beaufsichtigen, mein Zeitgefühl ist gestört, bisweilen ist mir zumut, als ginge ich mit dem Kopf nach unten. Es war wohl ein Sieg über Pappfiguren, den man errungen hat im lichtlosen Weltgewühl, gekettet an Haus und Hof und Weib und Kind und Soll und Haben. Gestern sagte ich mir in einem Moment inneren Stupors: Es muß ein ungeheurer Sinn darin liegen, daß Männer, die ihrem Selbst oder ihrem Gott begegnen wollten, in die Wüste gegangen sind. Wäre nicht unser Söhnchen, unser Helmut, ich weiß nicht, was mit mir geschähe. In der Tiefe der Brust ist ein Befehl, man kann ihn nur nicht deutlich verstehen. Deine Briefe, was ist's denn damit? Ihr Ton hat so was Verloschenes, als seist Du in China oder Kalifornien. Manchmal geh' ich mitten in der Nacht durch die Zimmer und wundere mich über die verschlossenen Türen und Fenster ...«

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Als Bettina den Brief gelesen hatte, wurden ihre Wangen und ihre Hände zu Eis. Sie brauchte über zwei Stunden, um sich zum Ausgehen fertig zu machen. Gerade als sie das Hotel verlassen wollte, wurde sie aus Ebenweiler, ihrem Wohnort, dringend angerufen. Die Stimme des Hausmädchens, einer Vertrauensperson Bettinas, sagte gepreßt: »Gnädige Frau, wir wollten Sie nicht aufregen ...« – »Was ist los, Anna? Rasch, rasch!« – »Herr Herzog ist seit drei Tagen verschwunden ...« – »Was soll das heißen, um Gottes willen, wie? Verschwunden? Abgereist meinen Sie?« – »Nein, gnädige Frau. Er ist Donnerstag abend mit dem Rucksack weggegangen. Er hat niemandem was gesagt und auch keine Nachricht gegeben.« Der Hörer in Bettinas Hand wurde bleischwer. »Habt ihr Meldung gemacht? Bei der Gemeinde? Bei der Gendarmerie? Habt ihr Leute ausgeschickt?« – »Wir haben alles getan, gnädige Frau.« – »Weiß man nicht, welchen Weg er gegangen ist?« – »In Steinach soll er gesehen worden sein. Und Samstag nachmittag im Lossachtal ... ein Jäger ...« – »Im Lossachtal? Das ist ja fünf Bahnstunden von uns ...« – »Ja, gnädige Frau. Leider muß man fürchten, daß ihm etwas passiert ist ...« – »Ich fahre sofort nach Hause, Anna«, rief Bettina mit erstickter Stimme in die Muschel; »setzt euch mit dem Bürgermeister in Verbindung. Und mit der Expositur im Markt. Laßt an alle Ortschaften telefonieren. Verständigt das Radio. Ich komme mit der schnellsten Gelegenheit ...«

Sie warf den Hörer auf die Gabel. Ihre Zähne klapperten. Weiß bis in die Lippen erkundigte sie sich bei der Hotelleitung nach der Abfahrt des Wiener Flugzeugs. Freilich hätte sie von Wien aus noch sieben Stunden Eisenbahnfahrt gehabt. Dazu der Aufenthalt. Das Flugzeug, wurde ihr mitgeteilt, starte täglich um sechs Uhr morgens. Ein Auto mieten war ihr nächster Gedanke. Doch es war eine Dauerfahrt von fünfzehn Stunden, falls sich ein geeigneter Wagen fand und ein Chauffeur, der zu solcher Kraftleistung willens war. Das Herzogsche Auto war nicht verfügbar, Ganna hatte es beschlagnahmen lassen, sonst hätte Bettina es ermöglichen können, daß ihr der Wagen auf halbem Weg entgegenkam. Blieb nur der fahrplanmäßige Schnellzug, der um elf Uhr abends ging. Sie war dann am andern Mittag zu Hause. Indes sie alles überlegte und mit den gefälligen Angestellten erwog, meinte sie, das Herz müsse ihr vor Ungeduld bersten. Das Kursbuch in der Hand, lief sie zum Telefon und rief Kerkhoven an. Sie tat es, ohne sich zu besinnen, wie man die Polizei anruft, wenn Räuber in der Wohnung sind. Zwanzig Minuten darauf war er da. Sie empfing ihn in ihrem Zimmer.

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Während sie das Vorgefallene berichtete, rannte sie vom Fenster zur Tür, von der Tür zum Fenster, im Tempo einer Gehetzten. Dazwischen öffnete sie den Koffer, griff nach herumliegenden Gegenständen, nach einem Kleid, ein Paar Schuhen, einem Buch, ließ alles wieder stehen, erinnerte sich an Alexanders Brief, fand ihn nicht gleich, durchstöberte verzweifelt ihre Schreibmappe, ihre Ledertasche, und Kerkhoven sah ihr an, wie unglücklich sie der Gedanke machte, er könne sie für schlampig halten, obgleich er schon beim Betreten des Zimmers bei sich festgestellt hatte, daß Akkuratesse und Ordnungsliebe zu ihren wesentlichsten Eigenschaften gehören mußten. Dergleichen läßt sich in dem Raum, den eine Frau bewohnt, nicht verkennen. Endlich entsann sie sich, daß sie den Brief sorglich in ihrem Suitcase aufbewahrt hatte, und dort lag er auch. Sie reichte ihn Kerkhoven. Er las ihn mit großer Aufmerksamkeit durch. Er begann mehrmals von vorn, weil es ihm Mühe bereitete, die winzige Schrift zu entziffern. Bei der Stelle vom Gang in die Wüste stutzte er. Er ließ das Blatt sinken und schüttelte betroffen den Kopf. Bettina, die beim Aufundabgehen ununterbrochen die Hände gegeneinander knetete, blieb stehen. »Was ist es, was haben Sie, was fällt Ihnen auf?« fragte sie angstvoll. – »Sonderbar, das«, sagte er und machte mit dem Zeigefinger eine Bewegung, als wolle er an der betreffenden Zeile ein Loch in den Brief bohren, »sehr sonderbar. Auch ich ... Das Wort ist mir nicht fremd ... Wie gut versteh' ich ihn ...« – »Welches Wort?« – »Der Gang in die Wüste ... Wie gut versteh' ich ihn ... Merkwürdige Analogie ...«

Bettina, schmal und blaß, stand nachdenklich da. Kerkhoven sagte mit entschlossener Herzlichkeit: »Nun setzen Sie sich einmal ruhig hin, verehrte Frau, hören Sie auf, Ihre armen Hände wundzupressen, erzählen Sie mir noch einmal ganz genau, was man Ihnen am Telefon gesagt hat, und dann wollen wir die Sache friedlich besprechen.« Sie sah, ihn gespannt an, mit dem dankbaren Vertrauen, das seit gestern in ihr emporgewachsen war wie eine jener sagenhaften Pflanzen, die unter den Blicken eines Fakirs sichtbar sprießen sollen. Denn sie bedurfte des Vertrauens zu einem Menschen. Nach nichts in der Welt verlangte sie mit solcher Inbrunst. Sie gehorchte also, setzte sich ihm gegenüber und wiederholte Punkt für Punkt ihre Unterhaltung mit dem Mädchen zu Hause. Den Arm auf das Knie, den Kopf in die Hand gestützt, hörte Kerkhoven zu. »Haben Sie vor Ihrer Abreise Streit mit ihm gehabt oder nur eine Meinungsverschiedenheit?« fragte er, als sie geendet hatte. – »Nicht im mindesten.« – »Haben Sie eine Verstimmung an ihm beobachtet?« – »Verstimmung ... mein Gott ... er ist verstimmt seit Jahr und Tag ... ein schwacher Ausdruck: Verstimmung ...« – »Gut. Einen abnorm freudlosen Zustand nehme ich ohnehin an, dafür zeugt auch der Brief ... Ich meine nur, ob ein besonderer Anlaß zu irgendeiner ... einer Extravaganz vorlag?« – »Ich wüßte nicht ... nur das Gewöhnliche ... das tägliche Brot des Schreckens ...« Sie lächelte etwas fahl. – »Er ist wohl überhaupt kein Mensch, der zu Extravaganzen neigt ... zu plötzlichen Ausbrüchen? Oder?« – »Nein, ganz und gar nicht. Er ist der gelassenste, gleichmäßigste, ausbalancierteste aller Männer ...« – »Das würde ich auch denken.« – »Ja, schon ...«, sagte Bettina matt, »aber wenn man unter der Peitsche lebt, verfolgt von siebenunddreißig Advokaten, jeden Tag den Gerichtsboten im Haus, Prozesse, daß man nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht ... kein Aufatmen, keine Lebenssicherheit, keine Hoffnung, daß es je wieder besser wird ...« Plötzlich verkrampften sich ihre Züge, alle Beherrschtheit schwand, und vollkommen verzweifelt schrie sie auf: »Warum kann man sie denn nicht umbringen? Warum kann man sie denn nicht von der Erde vertilgen? Warum denn nicht?« Sie kehrte sich ab, schlug die Hände vor das Gesicht und preßte fassungslos ihre Stirn auf die Lehne des Sessels. Kerkhoven erhob sich und legte still die Hand auf ihren Scheitel. »Verzeihen Sie«, murmelte sie, heiß vor Scham, »verzeihen Sie mir. Es ist ja eine Sünde ... Und es ist dumm. Aber manchmal glaub' ich, ich kann nicht weiter ... Und jetzt noch das mit Alexander ... Mir ist so entsetzlich bang ...«

Kerkhoven sagte: »Hören Sie mich an, gnädige Frau, Sie werden in aller Ruhe nach Hause fahren. Lassen Sie sich nicht quälen, wenn Ihnen die Stunden zu lang werden. Bestellen Sie sich ein Bett für die Nacht. Ich bringe Ihnen ein Schlafmittel, das keinerlei üble Nachwirkungen hat, und Sie werden sieben Stunden schlafen wie ein Säugling.« Sie lächelte mit nassen Augen. »Und wenn Sie mir Glauben schenken wollen«, fuhr er freundlich fort, »ich habe nicht den Eindruck, daß Ihrem Mann etwas Ernstliches zugestoßen ist. Was ich vermute, ist, daß er seine Spuren verwischen wollte. Ich habe von einer Analogie gesprochen. Ich werde es Ihnen gelegentlich einmal erklären. Nun, meine Vermutung, die fast eine Gewißheit ist, beruht auf einem Analogieschluß. Er hält sich irgendwo verborgen. Er mußte aus der Kette heraus, verstehen Sie? Meiner Berechnung nach dürften Sie in zwei, längstens drei Tagen Nachricht von ihm haben.«

Bettina, voll Zutrauen und neuer Hoffnung, schaute zu ihm empor wie ein Kind zu seinem Lehrer. »Ja«, sagte sie, »ja ... ich danke Ihnen ja so sehr ... Ich wüßte gar nicht, was ich ohne Sie ...« – »Lassen Sie das«, unterbrach er sie lächelnd. »Was ich Ihnen hauptsächlich ans Herz legen möchte, ist dies: Es könnte sein, es ist sogar höchst wahrscheinlich, daß Alexander Herzog ... Ich meine, das alles wird nicht ohne Folgen bleiben ... Eine Gemütsverfinsterung wird sich einstellen ... Sie kann krankhafte Formen annehmen ... Offenbar sind seine Nerven in hohem Grad zerrüttet ... In diesem Fall benachrichtigen Sie mich. Telegrafieren Sie mir oder rufen Sie mich an; Steckborn, Haus Seeblick. Ich stehe zur Verfügung. Erscheint es Ihnen notwendig, auch nur wünschenswert, daß ich komme, so werde ich kommen.« Bettina schnellte auf und streckte ihm beide Hände hin. »Das ist das Tröstlichste, was Sie mir sagen konnten«, rief sie, »jetzt brauch' ich doch nicht ganz zu verzagen!«

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Am Nachmittag kam er noch einmal für eine Stunde. Um halb elf Uhr abends begleitete er sie zur Bahn. Er gab ihr bestimmte Verhaltungsmaßregeln, falls sich seine Voraussage über Alexander Herzog bestätigte. Er sprach auch ausführlich mit ihr über ihre eigenen Schwächezustände und nervösen Störungen und namentlich, mit einer ihr fast unbegreiflichen Kenntnis der faktischen und seelischen Hintergründe, über jene Frau, Ganna Herzog, und ihre vernichterischen, manischen Umtriebe gegen Alexander und Bettina. Er erzählte ihr die Geschichte von Karl Imst und Jeanne Mallery, um ihr zu zeigen, in welche äußerste, schwärzeste Finsterkeit ein Weib versinken könne, wenn Liebes- und Lebensenttäuschung alle menschlichen Regungen in ihr ersticken. Bettina schauderte. »Aber hier ist es doch anders«, wandte sie ein; »er hat neunzehn Jahre mit der Frau gelebt. Er hat sich um sie gemüht, er hat sie getragen, er hat kein Opfer gescheut. Sie hat drei Kinder von ihm. Er ist ein Mann, der etwas bedeutet in der Welt, auf den viele Menschen gläubig blicken ... Ist der Gedanke zu ertragen, daß eine Besessene die Macht haben soll, ihn einfach zu morden?« – Kerkhoven mochte ihr nicht gestehen, daß sie damit den Punkt seines tieferen psychologischen Interesses berührte. Er hatte die Witterung für das Außerordentliche. Bettinas Aussehen, ihre Art zu sprechen, zu schauen, sich zu geben, Alexander Herzogs Flucht, der Brief, den er an seine Frau gerichtet, das alles setzte ihn als Arzt in den Stand, die Umrisse der dämonischen Figur nachzuzeichnen, die das Leben dieser beiden Menschen mit solchem Unfrieden, solchem Leid, solchem Schrecken erfüllte. Er hatte bei derartigen Phänomenen von den seelischen Wirkungen aus häufig die Natur und den Aktionsradius des Urhebers feststellen können; er schloß vom Rande der Bewegung auf die Mitte der Bewegung. Die Probe hatte fast immer gestimmt. Und wenn er diesen Fall mit all seinen Ausstrahlungen und mittelbaren Erschütterungen erwog, mußte er sich sagen, daß da ein schwieriges Werk seiner harrte.

Bettina konnte nur immer wieder ihren Dank stammeln. Als sie sich von Kerkhoven verabschiedet hatte und sich in ihr Abteil begab, hatte sie das Gefühl der schmerzlichen Trennung von einem Freund. Er blieb auf dem Bahnsteig stehen und winkte, bis die Nacht den Eisenbahnzug verschluckt hatte.

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Es verhielt sich tatsächlich so, daß niemand im Hause Alexander Herzog hatte fortgehen sehen. Es war daher auch nicht zu ergründen, in welche Richtung er gegangen war. Als am Mittwoch die Zeitungen die Nachricht von seinem rätselhaften Verschwinden brachten, meldeten sich verschiedene Personen, die ihn da und dort bemerkt und erkannt haben wollten. Der Umstand, daß er nur den Rucksack mitgenommen hatte, ließ die Befürchtung entstehen, er sei in den Bergen verunglückt; aber alle Nachforschungen waren vergeblich.

Er selbst erinnerte sich später nicht mehr, ob ihm ein bestimmtes Ziel vorgeschwebt hatte. Zum Bahnhof ging er ganz mechanisch und setzte sich in den ersten einfahrenden Zug. Um zehn Uhr abends stieg er um und fuhr mit einem andern Zug weiter. Um Mitternacht rüttelte ihn der Schaffner wach, denn er war eingedämmert. Er stieg aus, fand sich in einem größeren Ort und übernachtete in einem Bauernwirtshaus. Am Morgen hatte er so heftige Kopfschmerzen, daß er im Bett blieb und erst am Nachmittag das Gasthaus verließ. Er ging auf die Station, um mit der Bahn weiterzufahren, änderte aber dann seinen Entschluß und marschierte vierzehn Kilometer auf der Landstraße bis zum nächsten Marktflecken. Dort suchte er wieder ein Wirtshaus auf. Die Angaben, die er nach seiner Auffindung über die ersten Tage seines planlosen Herumirrens machte, waren alle ziemlich unsicher; offenbar waren nur vorüberhuschende Bilder und Eindrücke in seinem Gedächtnis haftengeblieben.

So hatte er beim Marschieren manchmal das unangenehme Gefühl, als sei er doppelt. Er ging neben sich selber her und philosophierte mürrisch über sein unverständliches Tun. Eine wiederkehrende, obschon dumpfe und undeutliche Überlegung war die, daß es möglich sein müsse, lebendigen Leibes aus der Welt herauszukommen. Es wurde zur Zwangsidee, dieses »Heraus aus der Welt«. Jedenfalls war es ein beschwerlicher und undramatischer Weg; mit dem Wandern war es auch nicht mehr wie einst. Zuweilen fiel ihn die Müdigkeit an wie ein Schlag mit dem Hammer. Er beklagte den Verlust seiner Spannkraft. Ich habe zuviel geschleppt, sagte er sich, ich habe zuviel Leben verpulvert; man meint, es sei noch Vorrat im Speicher, schaut man aber nach, ist nichts mehr da.

Der Marsch durch ein einsames, endloses Tal bei Regen verursachte ihm besondere Mühe. Einmal warf er sich ins nasse Moos, Rücken und Füße schmerzten. Da fragte er sich, was er vorhabe, wo er hinwolle. Eine öde steinige Lichtung breitete sich um ihn, der Nebel hing bis zum Boden. Er fand sich dem König Lear auf der Heide nicht unähnlich. Fehlte nur der Narr, fehlte auch Cordelia. Die Cordelia hatte er verloren; der Narr folgte ihm als Schatten; aber es war ein tödlicher Narr, der bitterste aller Narren, der beständig hinter ihm her schrie mit einer hohlen, tobenden, fordernden Stimme. Der Gannastimme.

Auch dies Bild grub sich ein: Wie er einen abgeholzten Hang erklomm und der Sack auf seinem Rücken steinschwer wurde; geschälte Stämme glänzten in der Nässe wie Goldbarren; eine verfallene Sägemühle in einer Mulde; er zwängte sich in den Verschlag neben dem zermorschten Wasserrad, drückte sich in einen Winkel, schob den Rucksack unter den Kopf und fiel in einen zwölfstündigen Erschöpfungsschlaf.

Irgendwo, irgendwann fuhr er ein paar Stunden mit dem Autobus. Unterhielt sich mit Bauern, mit einem jungen Lehrer, mit einem Eisenbahnarbeiter. Der Lehrer hatte ihm gefallen; ein ernster, denkender Mensch. Als er wieder allein war, wurde ihm eine Szene gegenwärtig, die er vor Monaten in einer deutschen Stadt erlebt hatte. Nach einer Ansprache, die er gehalten, hatten sich achtzig bis hundert junge Leute um ihn versammelt und ihn mit unzähligen Fragen bestürmt, deren Beantwortung lebenswichtig für sie war. Er sah noch die dringlichen Augen, die erglühten Mienen, die hellen Gesichter ... Unfaßlich, daß sie ihn, gerade ihn erwählt hatten als Berater und Wegweiser, ihn, der nun ausgegangen war, sein Selbst zu suchen.

Den Tag über hatte er in der Hütte eines Holzfällers gerastet und sich am Abend plötzlich zum Aufbruch entschlossen. Die Helligkeit über den Bergen hatte ihn verlockt. Perlgrau schimmernde Monddämmerung lag über der Stille. Fast gierig stieg er in die Höhe, die Nebel blieben unten, er trat in die obere Nacht wie in einen blauen Dom. Ein Ziegenpfad wand sich über die Felsen. Er folgte ihm stundenlang, der Mond hing wie eine gelbflammende Frucht am Himmel, jeder Grashalm warf scharfen Schatten. Auf einmal war der Pfad verschwunden. Er suchte ihn, bis es Tag wurde. Mit dem Tag zog das Gewölk herein, man ging hundert Schritte und war wieder an der nämlichen Stelle, wo man vor hundert Schritten gewesen. Etwas Dunkles ragte auf: die Felswand? Der Nebelkern? Eine Gestalt? Sein Selbst? Wenn es sein Selbst war, konnte es ihm endlich erklären, warum er bis an die Schwelle des Alters außerhalb von sich gelebt hatte, ohne Bruder, ohne Freund, ohne Cordelia; ihm erklären, warum eine Ganna wider ihn aufstehn mußte, um dem heiligen Wahn, dem er gedient, denn schließlich war es ein heiliger Wahn, das Zerr- und Widerbild entgegenzuhalten in fesselloser Gottlosigkeit. Er bedurfte der Erklärung, der Erleuchtung, einer wenn auch noch so geringen Gnade bedurfte er, eines Strahls von oben, einer Deutung, eines Sinns ...

War es erlaubt, umzukehren, wenn man solches erwartete? Er keuchte tiefer ins Felsige hinein, schlüpfte in die wolligen Nebel, taumelte über die Schneehalden, verspürte Durst, stopfte eine Handvoll Schnee in den Mund, schaute auf die Uhr: Die Uhr war stehengeblieben. Unheilvolles Zeichen für einen Mann, der sozusagen mit der Uhr in der Hand gelebt hatte, dem jede vergangene Stunde als Gewissenszeugin dienen mußte. Er wandte sich rechts, wandte sich links, ein Rudel Gemsen hüpfte geisterhaft über einen Grat, sein Herz begann wild zu pochen, die Einsamkeit ertönte wie eine gewaltige Glocke: Nicht umkehren! Nicht umkehren!

Und er kehrte nicht um.

Gegen Abend fanden ihn zwei Jäger bewußtlos im Zwergholz und trugen ihn auf gekreuzten Ästen zu Tal. Da er sich weigerte, Auskunft über sich zu geben, auch keine Papiere bei sich hatte, brachte man ihn in das nächste Bezirkskrankenhaus.

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Am Donnerstag traf Bettina zu Hause ein, zärtlich begrüßt von dem kleinen Helmut, der sie mit der Ahnungslosigkeit seiner sieben Jahre eifrig nach dem Vater fragte. Sie setzte sich sogleich mit den Behörden in Verbindung, ließ Plakate drucken und eine genaue Personenbeschreibung in alle benachbarten Gegenden versenden, schickte ein Dutzend Telegramme ab und brachte das ganze Dorf in Bewegung. Zwei martervolle Tage verflossen, in denen sie nicht aß, nicht schlief, ja nicht einmal zu Bett zu gehen wagte. Am Freitag erhielt sie eine aufgeregte, halb sinnlose Depesche von Ganna Herzog; sie beantwortete sie nicht. Telefonische Anrufe folgten; sie ging nicht an den Apparat. Da sie aber um jeden Preis verhindern wollte, daß die Frau kam, deren Gegenwart, deren Nähe sie vollends um den Verstand gebracht hätte, ließ sie sagen, es sei alles in Ordnung, man habe bereits günstige Nachrichten. Am Samstagmittag, endlich, kam ein Telegramm von dem Vorsteher des Krankenhauses, in dem er lag. Der Arzt, der ihn dort behandelte, hatte die Aufrufe gelesen und ihn agnosziert. Eine halbe Stunde darauf war sie in einem Mietauto unterwegs. Um fünf Uhr nachmittags kam sie nach vierstündiger Fahrt in dem Spital an. Man versicherte der erleichtert Aufatmenden, daß der Kranke transportfähig sei. Man könne eine regelrechte Krankheit überhaupt nicht konstatieren, meinte der etwas schnauzige Provinzdoktor halb ratlos, halb mißbilligend; er liege nur so da und döse vor sich hin. Um sechs saß sie mit ihm im Wagen, um halb elf Uhr nachts, bei Regen und Sturm, hielt das Auto vor dem Haus in Ebenweiler. Mit Annas Hilfe brachte sie ihn zu Bett. Während der ganzen Fahrt hatte er nicht zehn Worte gesprochen. Eingehüllt in Decken, hatte er sich in den Winkel des Wagens gedrückt und hohläugig ins Leere gestarrt. Bettina aber war so namenlos erschöpft gewesen, daß sie trotz des Gerüttels auf den elenden Straßen in somnolenter Unempfindlichkeit dagesessen war und nur seine Hand in ihrer gehalten hatte.

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Sein Zustand änderte sich im wesentiichen nicht. Es konnte sein, daß er nach stundenlangem mattem Hinbrüten ein Buch zur Hand nahm, aber die Augen liefen teilnahmslos über die Zeilen, und alsbald ließ er es wieder fallen. Das Essen, das ihm serviert wurde, wies er mit Zeichen des Ekels zurück. Bisweilen haschte er nach Bettinas Hand und drückte seine Lippen darauf. Nur wenn Helmut, von seiner Mutter beschworen, recht leise zu sein, auf Zehenspitzen an das Bett trat und neugierig und besorgt den Hals reckte, lächelte er ein wenig. Der Arzt im Ort, ein alter Medizinalrat, kannte sich nicht aus. Er sagte dies und sagte das. Er wußte eher mit handfesten Krankheiten Bescheid. Hier war keine handfeste Krankheit, sondern etwas, worüber weder das Lehrbuch noch die bisherige Praxis Aufschluß gaben. Mit Rezepten war nicht viel zu machen, Fragen brachten einen nicht weiter. Das Gemüt, ja ... der Geist ... ein schwankes, unsicheres Feld, eigentlich gehörte da ein Psychiater her, er wollte es nur nicht anraten, es klang zu peinlich, weiß Gott, was die Frau dann glaubte.

Schon am Sonntag hatte Bettina das Haus Seeblick in Steckborn angerufen. Sie sprach zwölf Minuten mit Kerkhoven. Sie schilderte ihm, wie sie Alexander gefunden; sie beschrieb die sensorische Apathie, in der er hindämmerte, so präzis, daß er scherzend bemerkte, sie habe unleugbar ihren Beruf verfehlt, ihre Angaben gereichten jedem ärztlichen Routinier zur Ehre. Er bat sie, ihn am Dienstag wieder anzurufen, er werde ihr dann seinen Entschluß mitteilen. Am Dienstag dann, als sie ihm ihren ziemlich verzweifelt klingenden Bericht gegeben hatte, fragte er ohne Umschweife, ob es ihr eine Beruhigung wäre, wenn er käme. Ein paar Sekunden lang versagte ihr die Sprache. »Wenn Sie das tun wollten ...!« Mehr vermochte sie nicht zu antworten. Sie hatte dieselbe Empfindung, die sie in ihrem Hotelzimmer gehabt, als er ihr seine mächtige Hand auf den Scheitel legte. »Schön«, hörte sie die tiefe Stimme sagen, deren Resonanz durch die Entfernung von fünfhundert Kilometern nicht verringert wurde, »dann bin ich am Donnerstag bei Ihnen.«

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Alexander auf den Besuch vorzubereiten war unerläßlich, gleichviel welches Maß von Teilnahme er dafür aufbrachte. Am selben Abend setzte sie sich zu ihm ans Bett und fing an, ihm von ihrer Begegnung mit Joseph Kerkhoven zu erzählen. Sie vermied es zunächst, von ihm als dem berühmten Neurologen zu sprechen; sie beschränkte sich auf das rein Persönliche und Private; da Alexander ihre impulsive Art kannte, sich an Menschen anzuschließen, die ihr etwas bedeuteten und ihrem Leben neuen Inhalt gaben, konnte er nichts Verdächtiges darin finden, wenn sie den Nachdruck auf die Sympathie und das Interesse legte, die der Mann in ihr erweckt hatten; vorausgesetzt, daß er überhaupt zuhörte. Sie war dessen nicht ganz sicher, und um ihre wehe Betrübnis über sein stumpfes Daliegen nicht merken zu lassen, übertrieb sie und trug zu starke Farben auf. Das wiederholte sich am folgenden Tag, und da sprach sie schon von der Möglichkeit, daß Kerkhoven auf einer beruflichen Reise nach Wien in Ebenweiler Station machen würde; selbstverständlich würde er dann im Hause wohnen. Alexander kennenzulernen sei sein dringender Wunsch; »er hat deine Bücher gelesen«, fügte sie schmeichlerisch-werbend hinzu, »er schätzt sie, er liebt sie, er hat dich auch im vorigen Jahr in Freiburg gehört und hat mir viel von dem Abend erzählt und dem Eindruck, den er gehabt ...« Eine flüchtige Neugier zeigte sich in Alexander Herzogs Zügen, ein Strahl jener Befriedigung, deren sich kein Schriftsteller erwehren kann, auch auf seinem Totenbett nicht, wenn er vernimmt, daß man ihn bewundert; aber als Bettina hierauf die wissenschaftlichen und ärztlichen Leistungen ihres neuen Freundes rühmte und daß er, wie sie aus verläßlichen Quellen erfahren, die gesamte Nervenheilkunde durch seine Forschungen revolutioniert habe (auch darin ließ sie sich zu einigermaßen unsachlicher Übertreibung hinreißen), spürte sie, wie sich Mißtrauen und Argwohn in Alexander regten. Er sagte aber nichts. Er blieb beharrlich stumm. Er schaute die Finger seiner gespreizten Hand an. Und plötzlich begann Bettina zu weinen. Da erblaßte er um die Augen herum und machte eine Bewegung, als wolle er sie an sich ziehen.

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Sie holte Kerkhoven von der Bahn ab. »In früheren Jahren waren solche Reisen ein Kinderspiel für mich«, sagte er; »jeden Monat war ich mindestens zweimal tagelang unterwegs. Heute ... nicht als ob ich müde wäre, durchaus nicht, aber das Verhältnis zur Zeit hat sich verändert. Vielleicht, weil man immer ärmer daran wird. Vielleicht, weil man die Selbsttäuschung merkt, die im Abspinnen der Lebensgeschäfte liegt.« – »Müde kann man sich Sie nicht denken«, sagte Bettina. – Er lachte. »Nein, ich war immer betriebsam«, entgegnete er, »bei mir war der Fleiß fast ein Laster. Ausruhen, das hieß schon ein schlechtes Gewissen haben. Kein Programm, kein Ziel vor sich sehen, von keiner Spannung getragen werden, eine Stunde lang von Menschen nicht gebraucht werden, und schon war der Tag wertlos, schon stand die ganze Existenz vor einem wie ein abgebranntes Haus.« – »Genau mein Fall«, sagte Bettina. – »Schlimm, schlimm, Frau Bettina. Ich habe gelernt zu atmen. Wissen Sie, was das heißt: Mit seinem ganzen Selbst atmen? Sie müssen es auch lernen.« – »Wenn Sie mich unterrichten wollen, wie gern.«

Sie führte ihn in sein Zimmer. Als sie mit ihm durch die offene Tür auf den kleinen hölzernen Balkon trat und sich die zauberische Landschaft mit See und Wald und Felsgebirge und dem fernen krönenden Gletscher vor ihnen ausbreitete, konnte Kerkhoven einen entzückten Ausruf nicht unterdrücken. »Na, da haben Sie's aber herrlich«, sagte er, »da läßt sich's schon aushalten.« – »O ja«, erwiderte Bettina, »jetzt, im Frühling und an einem Tag wie heut. Aber bedenken Sie, fünf oder sechs Monate Winter, manchmal wochenlang kein Strahl Sonne, feuchte Kälte, feuchte Nebel, weit und breit kein Mensch, mit dem man ein vernünftiges Wort reden kann, immer mit sich und seinem Jammer allein, der Mann vergraben in seine Arbeit ... Aber was ist denn das«, unterbrach sie sich ungeduldig, »ich lamentier' Ihnen schon wieder was vor, das geht absolut nicht.« – »Nun, nun«, beschwichtigte er freundlich, »mir gegenüber brauchen Sie sich nicht zusammenzunehmen. Sollen es auch nicht. Sagen Sie nur alles, wozu es Sie treibt. Es wird Ihnen guttun. Denn sehen Sie, das ewige Sichzusammen-Nehmen führt unvermeidlich in die Gepreßtheit, in die Abschnürung, in die Lebensangst.« – »Das ist wahr«, sagte sie, »schrecklich wahr.«

Dann zeigte sie ihm ihr Arbeitszimmer, auf das sie stolz war, denn sie hatte es im Lauf der Jahre mit vielen schönen Dingen geschmückt, die sie gesammelt oder geschenkt bekommen hatte, alten Möbeln, chinesischen Farbdrucken und Vasen, Landschafts- und Blumenbildern, gutem Porzellan. Die Wände waren mit einer französischen Tapete aus dem Zweiten Empire bekleidet, mit Engel- und Blumenvignetten auf türkisblauem Grund, weshalb es das blaue Zimmer genannt wurde. Überall herrschte jene stäubchenlose Sauberkeit und Aufgeräumtheit, die so wohltuend in die Augen fiel und für Kerkhoven nun schon zum Bild Bettinas gehörte. Der geräumige Schreibtisch war bedeckt von Papieren, und als Bettina zum Telefon gerufen wurde, der Apparat befand sich, wie er unzufrieden feststellte, bezeichnenderweise in ihrem Schlafzimmer, warf er einen Blick auf die Stöße von Skripturen. Es waren Advokatenbriefe, Gerichtsbriefe, Vorladungen, Exekutionsformulare. Als Bettina wieder ins Zimmer trat, etwas blasser und sichtlich erregt, blieb er ruhig an seinem Platz stehen und sagte: »Ich bin indiskret, wie Sie sehen. Aber es ist mein Beruf. Und das alles, Frau Bettina, obliegt Ihnen?« – »Das alles obliegt mir. Alexander hat längst den Überblick verloren, abgesehen von ... Es gibt keine ruhige Stunde mehr. Ich kämpfe mit Nägeln und Zähnen. Um den Mann, um das Kind, um das Haus, um die Zukunft ... Es ist mir nicht an der Wiege gesungen worden, daß ich mein Leben in dem Kampf mit Anwälten, Behörden und einer ... ach, ich weiß kein Wort ... würde zusetzen müssen. Jetzt eben ...« Sie verstummte, denn die Tür ging auf, und Alexander Herzog erschien, rasiert, gebadet, angekleidet. »Alexander, du!« rief sie freudig erstaunt. – »Ich wollte doch unsern Gast begrüßen«, sagte er etwas schüchtern und ging mit ausgestreckter Hand auf Kerkhoven zu. – »Ich bin sehr froh, Sie zu sehen«, sagte Kerkhoven.

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Bettina ließ die beiden Männer allein. Auch nach dem Tee. Auch an den folgenden Tagen, so oft es zwanglos geschehen konnte. Sie schützte Geschäfte vor. Den eigentlichen Zweck seiner Gegenwart nicht einen Augenblick übersehend, verzichtete sie darauf, mit Kerkhoven länger als eine Stunde beisammen zu sein, sosehr ihr seine Gesellschaft Bedürfnis war, soviel sie sich auch von ihr versprochen hatte. Erschloß er ihr doch eine unbekannte Welt. Gab ihr das Gleichmaß zurück, die Zuversicht, das Selbstvertrauen, das Selbstgefühl, das Wertgefühl. Die Art, wie er mit ihr sprach, ein Thema, das ihr am Herzen lag, eingehend und wie mit einem geistesnahen Freund abwandelte, ohne den schlechtverhehlten besserwissenden Hochmut, dessen sich oft die taktvollsten Männer nicht erwehren können, wenn eine Frau die Anerkennung geistiger Ebenbürtigkeit verlangt oder nur in der Unterhaltung für voll genommen werden will, war für sie ein langentbehrtes Glück. Denn auf Alexander, gegen den sie in diesem Betracht keinen ernstlichen Vorwurf erheben konnte, war nicht zu rechnen. Er war der schweigsamste Gefährte. Er steckte unzugänglich in sich selber drin, wie die Nuß in der Schale. Man konnte seiner nur habhaft werden, wenn man die Schale zerbrach. Was keine erfreuliche Aufgabe für Bettina war. Sie liebte nicht das Nüsse-Aufklopfen, war aber allzuhäufig in die Notwendigkeit versetzt, es zu betreiben.

In seinen Gesprächen mit Alexander Herzog ging Kerkhoven mit der äußersten Behutsamkeit vor. Er erlaubte sich keine Anspielung auf seinen Zustand, kein verfrühtes Eindringen in den Ganna-Bereich. Schon deshalb nicht, weil er nunmehr ziemlich sicher war, daß Alexander durch eine tragische Verkettung von Schwächen und Versäumnissen eine schwere Sündenschuld gegen Bettina auf sich geladen hatte, eine Schuld, die ihn drückte und die zu begleichen es zu spät schien. Geboten war: Unauffällig seine Aufmerksamkeit wecken; sich auf seine Gedankenwege begeben; sich stellen, wie wenn es sich nur darum handle, als Mann der praktischen Seelenforschung Erfahrung auszutauschen mit dem visionären Psychologen und Gestalter. Es gelang nicht übel. Alexander Herzog machte den Eindruck eines verschüttet Gewesenen, der sich den Sand aus den Augen reibt und nicht aufzustehen wagt, weil er das Gefühl der Erdlast, unter der er gelegen, nicht loswerden kann. Seine Verwunderung über Kerkhoven hatte etwas Kindliches. Das abgesonderte, verkrochene, fast mönchische Leben, das er seit Jahren geführt, hatte ihn aus allen geselligen Bindungen gerissen und die Vorstellung der Verlassenheit in ihm erzeugt. Er hatte eine ausgebreitete Korrespondenz mit allen möglichen Leuten in Europa und Amerika, Menschen, die sich in schwierigen Lagen und geistigen Kämpfen um Rat an ihn wandten, aber seine persönlichen Beziehungen waren spärlich. Den Umgang mit Männern hatte er geradezu verlernt, die nahen Freunde, die er gehabt, waren gestorben. So hatte er sich seelisch immer mehr auf Bettina und seinen kleinen Sohn konzentriert, derart, daß es ihn die größte Überwindung kostete, aus diesem engsten Kreis herauszutreten, und den Ersatz für die äußere Welt bot ihm die Arbeit. Kerkhoven überzeugte sich, daß es bei ihm eine Wahrheit und tiefe Erkenntnis war, was er in dem Brief an Bettina geschrieben: Es gäbe eine Krankheit des Schaffens. In der Arbeit begrub er sich; hinter seinen Träumen und Visionen, den Bildern einer für ihn wirklicheren Welt als der ihn umgebenden, machte er sich unsichtbar, wenn der Ganna-Sturm ihn umheulte und die reale Existenz jeden Tag in Trümmer zu stürzen drohte. Doch kann man sich nicht gänzlich ausschalten aus Leben und Mitleben; auf die Dauer ist keine Flucht möglich vor der augenscheinlichen, handgreiflichen Wirklichkeit. Wenn der Boden erbebt und die Mauern des Hauses bersten, kommt auch den in sich gekehrtesten Eremiten das Entsetzen an; plötzlich schaut er empor und bemerkt, daß er in einer Ruine sitzt; und nicht nur um ihn herum ist alles zerstört, verkohlt, verwüstet, sondern auch in ihm drin. Er hat keine Illusionen mehr; die Geisterwelt, die er aufgebaut, ist ein Gespensterspuk; die Ideen, in denen er gelebt, werden zu Lügen; die Menschen, die er geliebt, hat er in seiner Versponnenheit gedankenlos preisgegeben: ein Kataklysmos.

Das war die Situation, als Kerkhoven in Erscheinung trat, und er übersah sie mit voller Klarheit, obwohl Alexander Herzog sich in keiner Weise zu Geständnissen geneigt zeigte. Mit Hilfe der ihm eigenen Naivität und Fähigkeit zur Selbsttäuschung räsonierte er sich über den Zweck und Anlaß von Kerkhovens Besuch hinweg und schien tatsächlich zu glauben, er sei nur aus freundschaftlichem Interesse für Bettina gekommen. Das hatte von Anfang an eine gewisse Eifersucht in ihm erregt, von der getrieben er seine innere Verstörtheit zuzeiten gleichsam vergaß und um Kerkhoven warb wie eine Frau, die eine Nebenbuhlerin ausstechen will. Mit steigender Verwunderung entdeckte er in ihm einen Gesprächspartner, der ihm nicht nur gewachsen, sondern in mancher Hinsicht auch überlegen war. An Fülle der Einsichten und praktischer Erfahrung konnte er sich keinesfalls mit ihm messen; die Sicherheit des Urteils, die Weite des Blicks, die genaue Kenntnis von Menschen aller Klassen und Schichten verblüfften ihn. Was für ein Leben mußte der Mann hinter sich haben! Und wie wenig Wesens er davon machte! Alles, was er sagte, war so angenehm beiläufig, so gänzlich uneitel. Und er verstand das Halbgesagte, das Angedeutete, ja, oft das nur Gedachte und hatte die Liebenswürdigkeit, es einem zu lassen, nicht es einem aus dem Mund zu nehmen und als Eigengut zu verkünden. Mit einem solchen Mann ließ sich reden. Endlich einmal ein Mann, mit dem sich reden ließ. Über ein Buch; über eine Figur; über bedrängende Fragen der geistigen Existenz; über das Erlebnis einer Landschaft; über die Rätsel der Selbstwahrnehmung; und über das Schwerste des Schweren, das seit langem auch Alexander Herzogs Kernproblem bildete: den menschlichen Wahn.

Alexander merkte gar nicht, wie er von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde mehr aus sich herausging. Kerkhoven merkte es wohl. Darauf war ja sein Plan aufgebaut.

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Kerkhoven und Bettina wanderten den schmalen Weg am See entlang. Er hatte den ganzen Vormittag mit Alexander verbracht und stand noch unter dem Eindruck des Beisammenseins. »Ein dunkler Mensch«, sagte er, »ein außerordentlich dunkler Mensch. In einem Grad seinen Instinkten ausgeliefert, wie ich es noch selten gesehen habe. Rechenschaftsablegung, Gewissenserforschung, davon ist er voll, dazu treibt es ihn ständig; das ist das eine; andrerseits haben alle seine Handlungen die unbewußte, die Urtendenz, Entscheidungen hinauszuziehen und Entschlüsse zu verhindern. Aus diesem Zirkel kommt er nicht heraus.« – »Damit haben Sie ihn richtig charakterisiert«, gab Bettina bedrückt zu, »natürlich darf man die Leistung nicht vergessen, die dahinter steht. Man vergißt sie leider oft. Man, das heißt ich. Einen solchen Menschen kann man vielleicht nur aus der Distanz richtig einschätzen.« – »Ganz bestimmt. Es verhält sich damit wie mit den Bergmassiven, die auch nur aus der Entfernung in ihrer Totalität erfaßt werden können, wie zum Beispiel bei den erdmagnetischen Messungen klar wird. Zweifellos ist er so ein Massiv. Wuchtig und weitläufig; und schwer zugänglich. Leute wie er sollten keinen Anhang haben. Nicht Weib noch Kind. Sie negieren durch ihr Dasein die sogenannte Heiligkeit der Familie. Doch muß ich Ihnen gestehen, er gefällt mir. Dummer Ausdruck: gefällt mir. Es ist viel mehr. Es hat gar nichts mit dem zu tun, was Sie die Leistung nennen. Selbstverständlich ... die auch ... Man ist ja kein Barbar ... Aber er leuchtet mir unmittelbar ein, der Mann. Ich möchte sogar sagen, Sie werden es nicht mißverstehen, er bewegt mich. Ich hätte nicht gedacht, daß ich ... in meinen Jahren ... Manchmal stimmt er einen direkt zärtlich ...« Er lachte. – »Es freut mich unendlich, was Sie da sagen«, antwortete Bettina, »und wenn ich ehrlich sein soll, ich habe es nicht anders erwartet. Das alles hab' ich schon gewußt und gefühlt, als ich mich Ihnen aufs Geratewohl an den Hals warf. Sie verzeihen, aber so war's doch.« – »Es ist noch nicht ausgemacht, wer dabei mehr gewonnen hat oder gewinnen wird«, bemerkte Kerkhoven listig und artig. – »Nach diesem Austausch chinesischer Höflichkeiten, lieber Professor, darf ich fragen, wie Sie den Fall Alexander Herzog beurteilen?« – Er zögerte mit der Antwort. »Es ist nicht einfach, Frau Bettina. Ich will reinen Wein einschenken. Der Zusammenbruch ist viel weiter fortgeschritten und geht viel tiefer, als es äußerlich den Anschein hat. Im Konnex mit dem alten organischen Leiden zeigt sich das Bild eines manisch-depressiven Zustands. Daneben laufen zyklische Stimmungsschwankungen, die mit aller schöpferischen Tätigkeit verbunden sind, ein krankhaftes Auf und Ab der Seele, periodische Schwingungen und Lähmungen. Sie brauchen nicht zu erschrecken, das allein ist nicht beängstigend. Was mir zu denken gibt, ist das andere ... diese Frau, die auf Sie wie auf ihn, aber auf ihn unvergleichlich viel stärker, wie das Fallbeil auf einen aufs Brett Geschnallten wirkt; ich habe so was überhaupt noch nicht erlebt. Sie haben mir ja den historischen Hergang in den Hauptzügen erzählt, trotzdem steh' ich vor einem Rätsel. Mit ihm hab' ich noch nicht darüber gesprochen, mal eine Anspielung, das war alles; er weicht aus; es ist, als fürchte er sich, den Gegenstand zu berühren. So tief liegt das. Ich habe den Eindruck ... na, wie wenn ein Geschwür sich in die inneren Gewebe gefressen hat. Diese Gewebe bestrahlt man dann ...« Er unterbrach sich. »Sagen Sie, liebe Freundin ... wäre es möglich, ihn zu veranlassen ... Aber es könnte wohl nicht von Ihnen aus geschehen ... ich müßte selbst ...« – Bettina fragte mit banger Hoffnung: »Was ist es? Was meinen Sie?« – »Ich denke an einen Befreiungsakt. An eine seelische Selbstbefreiung.« – »Ich verstehe nicht.« – »Wir greifen häufig zu dem Mittel der Selbstdarstellung. Nur auf ihn angewandt ... auf diese Fähigkeit und Leidenschaft, sich zu identifizieren und zugleich vom Objekt zu scheiden ... mit diesem Vermögen, Wahrheit über der Gemeinwahrheit zu geben, der Faktenwahrheit ... mit dem unentrinnbaren Detail, verstehen Sie ... wenn er das Erlebnis niederschriebe von Anbeginn an ... Zug für Zug, Jahr für Jahr ...« Eine alte Bauersfrau ging mit einem Korb auf dem Kopf vorbei; sie grüßte Bettina und schielte mißtrauisch auf ihren fremdartig aussehenden Begleiter. Bettina schaute versonnen auf den See. Nach einer Weile sagte sie: »Ich glaube, es wäre ein Weg. Vielleicht die Lösung.«

Und sie gingen, ohne ein weiteres Wort zu wechseln, bis zum Parkeingang zurück. Erst da riß sich Kerkhoven aus seinen Gedanken. Er blickte in das dichte Gewühl der aus leuchtendem Moos sich erhebenden hochstämmigen Fichten und Tannen und sagte: »Wirklich herrlich; ein herrlicher Besitz.« – »Der uns morgen oder übermorgen wegversteigert werden wird«, versetzte Bettina; »vielleicht nicht ganz so schnell, aber immerhin ... Besitz ist eine Übertreibung.« – »Die Frau? Ganna? Auch darauf legt sie ihre Hand?« – »Worauf nicht? Auf alles.« – »Dagegen kann man sich doch wehren?« – »Jaja, fragt sich nur, ob es was nützt.« – »Was tun Sie also?« – »Ach, man reicht immer wieder Oppositionsklagen ein. Unter anderm ...« – »Sie sprechen ja wie ein gewiegter Jurist.« – »Allerdings; dahin hab' ich's gebracht«, gab sie bitter zurück; »was wollen Sie ... corsaire ... corsaire et demi ...«

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Am Abend, nachdem Bettina gute Nacht gesagt hatte und in ihr Schlafzimmer gegangen war, begaben sich Kerkhoven und Alexander Herzog in die Bibliothek. Alexander drehte die elektrischen Kerzen des Mittelleuchters ab und ließ nur die beiden Stehlampen brennen. Er setzte sich auf die eine Seite des großen, mit Büchern bedeckten Lesetisches, Kerkhoven auf die andere. »Morgen ist meine Zeit um«, begann Kerkhoven das Gespräch, »ich muß wieder heim, bin ohnehin sträflich lange fortgeblieben.« – »Schade«, sagte Alexander Herzog, »drängt es denn so? Sie werden mir fehlen.« – »Das rechne ich mir an«, entgegnete Kerkhoven lächelnd, »ich kann ruhig das gleiche sagen. Und hinzufügen, daß wir uns bestimmt bald wiedersehen werden.« – »Die Erwartung teile ich nicht ganz. Ich bin ein Höhlenbär.« – »Das sind Sie. Das weiß ich. Dennoch werden Sie in fünf bis sechs Wochen zu mir kommen.« – Herzog blickte scheu empor. »Ist das eine Einladung oder ein Befehl?« – »Beides. Ich habe nämlich eine Aufgabe für Sie. Und da Sie Herr Ihrer Zeit sind und ich nicht, werden Sie sich wohl oder übel zu einem Gegenbesuch bequemen müssen.« – »Eine Aufgabe? Machen Sie sich über mich lustig?« – »Darf ich einen Augenblick so zu Ihnen sprechen, als wenn ich die Auszeichnung hätte, Ihr Freund zu sein?« – »Wozu die feierliche Frage? Sie beschämen mich.« – »Ist das wirklich Ihr Gefühl? Warum eröffnen Sie sich mir dann nicht freimütig? Warum können Sie sich nicht entschließen, mir zu sagen, was Ihnen auf der Seele lastet? Sie ringen ja immerfort mit dem Vorsatz. Warum verstecken Sie sich?« – Alexander Herzog schwieg finster. Er blätterte mechanisch in einem Buch. Nach einer Weile sagte er: »Ich bin ein alter Mann, Professor Kerkhoven. Ich will's nicht wahrhaben, aber ich bin's. Beichten, Mensch gegen Mensch, Aug in Aug, kann meine Sache nicht mehr sein. Dazu spür' ich zu deutlich, zu schmerzlich die Unveränderbarkeit alles Geschehens und daß man aus dem eigenen Charakter nicht heraus kann. Die Erleichterung, die man sich einredet, wenn man einem andern etwas von dem Unrat und dem Grauen zu schleppen gibt, das sich mit der Zeit in einem angehäuft hat ... ich bitte Sie. Das kann mir nicht helfen.« – Kerkhoven schüttelte den Kopf. »Erstens sind Sie nichts weniger als ein alter Mann. Sie sehen aus wie fünfundvierzig. Kein graues Haar. Zum Erstaunen. Es ist eine Pigmentzauberei. Und dann, was hat das Alter mit dem Vertrauen zu schaffen, das man unter so gebieterischen Umständen einem ... nochmals mit allem Respektsvorbehalt ... einem Freund schuldig ist?« – »Sie sind sehr gütig, Professor Kerkhoven. Aber sehen Sie, es ist so fürchterlich schwer. Wenn mein Zimmer voll Rauch und Qualm ist, kann ich die Fenster aufmachen und den Stank abziehen lassen. Wenn aber das ganze Leben davon bedeckt ist, Vergangenheit und Zukunft, das Herz, der Geist, die Phantasie, und wenn man sich außerdem noch sagen muß: Du hast nichts dagegen getan, hast keine Vorkehrungen getroffen, hast ruhig zugesehen, wie alles versaut ist, hast deine Seele, statt sie zu wahren, statt ihrer zu achten, dem Moloch Arbeit in den Rachen geworfen, solange in den Rachen geworfen, bis sie, wie das Zeug da auf dem Tisch, zu Makulatur geworden ist ... Was versprechen Sie sich da noch vom Fensteraufmachen?« – Wieder schüttelte Kerkhoven den Kopf. »Was Sie über Ihre Arbeit sagen, ist eine psychotische Verirrung. Widerspräche ich Ihnen nicht, Sie wären mit Recht ungehalten. Lieber, Verehrter, Sie sind doch heute ein Mann, der ... Aber wozu Worte verlieren? Darüber kann Sie Ihr Bewußtsein nicht täuschen. Was man wahrhaft wirkt, strömt zu einem selbst zurück. Das andere ... da sehe ich nicht so klar. Aber vielleicht ist auch darin Ihre Blickeinstellung anormal und liefert Ihnen Zerrbilder.« – »Nein, lieber Freund, nein. Nein. Es ist ja nicht das Auge allein. Es ist der ganze Sinnes- und Empfindungsapparat. Mag sein, daß ich sinnes- und empfindungskrank bin, mag sein. Aber wodurch es bewirkt worden ist, das ist eine schreckliche Realität.«

Kerkhoven ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann fragte er leise: »Sagen Sie mir, wie lange haben Sie mit jener Frau gelebt?« – »Fast neunzehn Jahre.« – »Und hatten drei Kinder mit ihr?« – »Ja. Einen Sohn und zwei Töchter.« – »Und die Kinder sind erwachsen?« – »Der älteste ist dreißig, die jüngste sechzehn.« – »Und das Verhältnis zu den Kindern ist gut?« – »Ja. Im ganzen gut. Die Jüngste ist mir besonders ans Herz gewachsen.« – »Und die älteren? Haben Sie eine moralische Stütze an ihnen?« – »Das nicht. Sie werden hin- und hergerissen zwischen Vater und Mutter. Seit ihrer frühen Kindheit. Die Mutter ist ein Vulkan an Energie und etwas Unnennbares an Haß, Glücklosigkeit, Maßlosigkeit. Gewissermaßen mußte ich die Kinder opfern. Es hieß damals: ich oder sie. In ihrem Innern haben sie es wohl nie verwunden.« – »Warum haben Sie die Frau geheiratet?« – »Mein Gott ... warum heiratet man ... Ich war achtundzwanzig. Hatte kein Heim, keine Zuflucht ...« – »War es Liebe?« – »Ich weiß nicht ... O ja, es war Liebe. Anfangs bestimmt ...« – »Hm. Man müßte es wissen«, sprach Kerkhoven vor sich hin; »hier kommen wir zum Wesentlichen ... Welche Art Liebe? Man müßte bis an die Wurzel gehen. Haben Sie sich je bemüht, es zu ergründen? Den Verlauf, den Stufengang, die sozialen Bedingungen, den Grad von Freiwilligkeit ... Es müßte nachgeprüft werden ... Es würde vieles mit einem Schlag aufhellen ...« Er hatte sich erhoben und ging, die Hände auf dem Rücken, mit dumpfen, regelmäßigen Schritten auf und ab. Alexander Herzogs Augen verfolgten ihn unruhig und erregt.

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Auf die andere Seite des Tisches abschwenkend, blieb Kerkhoven dicht vor Alexander stehen. »Jetzt begreifen Sie vielleicht«, sagte er; »die Aufgabe wäre eine umfassende Klar- und Darstellung. Nichts, was etwa einer Anamnese ähnlich wäre. Um Gottes willen nicht. Ein Werk, ein richtiges Werk, im Sinne Ihrer Beziehung zur Wirklichkeit. Im Rahmen Ihrer Weltanschauung, Ihrer instinktiven Erfahrung, Ihres sicheren Könnens. Es wäre ein Dokument. Es wäre, für Sie, die einzig mögliche Loslösung. Die Natur, Ihr geistiges Gesetz schreibt es Ihnen vor.« – Alexander Herzog sah mit seinen großen, schokoladebraunen Augen wie gebannt an Kerkhoven empor. »Sie glauben ...?« stotterte er. »Sie halten das für ... Entschuldigen Sie, ich bin im Moment zu verwirrt ... Der Gedanke ist ... Jaja, man könnte ...« – »Ich habe das Gefühl, als sei die Frucht längst reif, und Sie brauchen nur die Hand auszustrecken«, fuhr Kerkhoven fort; »ich zeige Ihnen nur, wo sie hängt und zu pflücken ist. Bedenkt man's recht, so hat Ihnen das Leben ein großes Geschenk gemacht, wie immer Sie schicksalsmäßig dazu stehen. Qual und Not und Jammer, darin darf jeder verkommen und ertrinken, wenn's ihm über dem Kopf zusammenschlägt, nur Sie nicht. Sie haben die Pflicht, es zu meistern. Und wenn's nur das eine wäre: Diese Frau, diese Ganna, nach allem, was ich bis jetzt von ihr weiß, scheint sie ja ein beispielloses Menschenwesen zu sein. Eine Figur, wie sie unser Herrgott nicht oft auf zwei Beine stellt. Aber wenn ich Sie jetzt ausfrage, neugierig wie ich bin, und Sie versuchen es, mir den Charakter verständlich zu machen, die und die Eigenschaften aufzuzählen, diese und jene Verrücktheiten und Ungeheuerlichkeiten ... ich werde die Person trotzdem nicht sehen, trotzdem nicht begreifen, das Gesicht nicht, die Art nicht. Sie werden schließlich daran verzweifeln und mir sagen: Das muß man eben erlebt haben. Richtig. Ich will es erleben. Lassen Sie mich's erleben! Muß ich Ihnen, gerade Ihnen, das Wunder und Geheimnis der Gestaltwerdung erklären? Es wäre eine schöne Überheblichkeit. Oder Ihnen sagen, daß es eine andere Erlösung vom Übel wahrscheinlich nicht gibt?«

Alexander Herzog sprang auf. »Wo haben Sie das her?« fragte er erstaunt. – Kerkhoven lächelte in sich hinein. »Man kommt auf mancherlei Ideen«, sagte er leichthin. – Jetzt war es an Alexander Herzog, aufgeregt längs und quer durch das Zimmer zu marschieren. Die Worte, die er vor sich hin murmelte, klangen zusammenhanglos. »Sonderbar ... als wenn ein Engel vom Himmel ... daß ich nie daran gedacht habe ... Alles ist ja fix und fertig da ... in zwei Monaten ... in vier Wochen ... Etwas Tolleres läßt sich nicht träumen ...« Er sprach wie in einem Rausch. – »Ich darf Ihnen nicht verschweigen«, sagte Kerkhoven in den Tumult hinein, den er in dem Mann aufgerührt hatte, »daß ich den Brief gelesen habe, den Sie an Ihre Frau nach Zürich schrieben. Es ist da von den Bekenntnissen eines Gottlosen die Rede. Bekenntnisse ... ja, nun ... ich habe nicht viel übrig dafür. Es ist meist zuviel Krampf darin, zuviel introvertierte Eitelkeit. Und gottlos? Da finge unser Hauptdisput erst an. Ein Mensch, der Menschen formen kann oder sagen wir Menschenbilder, ist nicht gottlos. Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen der Traurigkeit der Gottlosen und der Melancholie der Gottsüchtigen. Wenn wir uns wieder treffen, erzähl' ich Ihnen mal vom Tode Martin Mordanns. Er starb in meinem Haus. Ja, der ...! Sein ganzes Leben war das Bekenntnis eines Gottlosen, ungewollt. Und einen traurigeren Tod hab' ich nie gesehen. Aber Sie wollten etwas sagen ...« – Alexander Herzog hatte Kerkhoven geistesabwesend angestarrt. Offenbar hatte er gar nicht zugehört. »Zu fürchten ist nur«, sprach er grüblerisch, »daß bei einem solchen Unternehmen, es führt ja in alle Abgründe und Höllen des Daseins hinunter, daß da zuviel Verrat geschehen muß ... Sie wissen, was ich meine ... schonungslose Aufdeckung, erbarmungslose Entblößung. Es gehört ein Mut dazu, der vor nichts zurückschreckt ...« – »Gewiß, vor keiner Wahrheit.« – »Wahrheit ist ein Relativum.« – »Was Sie Verrat heißen, ist in jedem Fall abgegolten durch das Leiden. Das heißt, in dem Augenblick, da Sie über das Leidensmaß hinausgehen, gehen Sie über die Wahrheit hinaus. Den Kompaß, den tragen Sie in Ihrer Brust. Sie werden Ihre Instinktbasis nicht verlassen. Sie können es gar nicht, selbst wenn Sie wollten.« – »Das ist ein Trost.« – »Ich denke.« – »Man muß eine Welt aufbauen, Stein für Stein.« – »Ton in des Schöpfers Hand, verehrter Freund.« – »Und wenn ich erlahme?« – »Halte ich für ausgeschlossen. Der erste Schritt wird Sie beflügeln.« – »Es kommen Momente, da einem vor den eigenen Gebilden angst wird. Und wenn ich mein Tun und Sein, meine Irrtümer und Sünden vor mich hinstellen soll, mich, meine hier befindliche Person, als wäre sie eine Phantasiefigur ... Ich habe es bisher noch nie gewagt ... die menschliche Scheu und Scham haben mich gehemmt ... Kann ich mir selbst das wahre Gesicht geben? Werde ich mir glauben, daß ich es bin, ich selber? Darf ich's sein? Darf man sich das leisten?« – »Auch das hängt mit dem Erlittenen zusammen. Es ist eine Frage der Versenkung, scheint mir. Natürlich, ich spreche als Laie. Ihr Auge darf nicht nach außen abirren. Sie stehen sozusagen zwischen Himmel und Erde in einem leeren Raum. Allein mit sich und Ihrem Gott, wie Moses auf dem Sinai.« – »Das klingt sehr großartig. Aber vielleicht überschätzen Sie meine Kraft. Vorläufig verhält es sich noch so, daß ich meiner Mittel nicht sicher bin, daß ich nicht weiß, wie ich die Zeit vom Morgen bis zum Abend durchleben soll. Möglich, daß ich mitten auf dem Weg nicht mehr weiter kann. Auf dem Weg zum Sinai.« – »Wenn dieser Fall eintritt, und wahrscheinlich wird er eintreten, schon weil Ihre Situation hier ziemlich gefährdet ist, dann packen Sie Ihre Koffer und kommen ins Haus Seeblick. Es dürfte sich auch in anderer Hinsicht empfehlen. Wir haben mancherlei miteinander auszukochen, glauben Sie mir. Ich habe Ihnen ja gesagt, in fünf bis sechs Wochen werden wir uns wiedersehen. Ich verschaffe Ihnen unbedingte Ruhe. Sie werden unauffindbar sein, als ob Sie sich auf eine polynesische Insel zurückgezogen hätten.« – »Fünf bis sechs Wochen ... wenn ich wirklich in Fluß komme ... wenn der Bann gebrochen ist ...« – »Bei Ihrem Tempo«, sagte Kerkhoven lächelnd, »ich könnte mir denken, daß Sie in dieser Zeit eine ganze irdische Komödie zu Papier bringen.« – »Jedenfalls fühle ich, daß Sie mir einen unermeßlichen Dienst geleistet haben, einen ganz unschätzbaren Dienst«, erwiderte Alexander Herzog mit gesenktem Kopf. – »Das ist fein«, sagte Kerkhoven, »nichts hör' ich lieber. Daraufhin werden wir einen guten Schlaf tun. Wir haben ihn beide nötig. Gute Nacht, Herr Herzog.«

Er ging auf ihn zu, um ihm die Hand zu reichen, sah ihn aber so in sich versunken, daß er umkehrte und zur Tür schritt. Er hatte diese noch nicht erreicht, als ihm Alexander nacheilte, seine Rechte ergriff und sie länger als eine halbe Minute stumm in seiner eigenen hielt. Dann schieden sie.

86

Bettina begleitete Kerkhoven bis Salzburg. Sie hatte noch vieles mit ihm zu besprechen. Nebstbei war es eine willkommene Gelegenheit, der Vernichtungsschlacht, die gegen sie und ihr Haus tobte, für einen halben Tag zu entrinnen. Ganna Herzog ging nunmehr daran, mit Hilfe dienstfertiger Advokaten den bürgerlichen Ruf Alexanders und damit auch den Bettinas zu untergraben. Sie drohte mit einer Bigamieklage, wobei sie sich auf einen Formfehler stützte, der bei der Trennung der Ehe geschehen war. Sie bezichtigte ihn ferner der Vermögensverschiebung, da er nicht mehr imstande war, ihren unaufhörlichen Geldforderungen zu genügen, und sie wider alle Vernunft und trotz der nachweisbaren Tatsache, daß er sich für seine erste Familie bis zum Weißbluten geopfert, fest überzeugt war, er habe beizeiten ein beträchtliches Kapital in Sicherheit gebracht. »Und wir besitzen nichts«, rief Bettina aus, »nicht so viel Erspartes, um einen Monat davon leben zu können!« – »Aber das alles ist ja der helle Wahnsinn«, sagte Kerkhoven. – »Gewiß, der helle Wahnsinn, vor dem einen die finsteren Gesetze nicht schützen«, entgegnete Bettina mit funkelnden Augen.

Eine Weile schwieg sie, von peinigenden Gedanken erfüllt. Denn sie überlegte, wie sie es anstellen sollte, mit Kerkhoven über die Verrechnung seiner Auslagen zu reden, und schließlich hatte er auch, wie jeder andere Arzt, Anspruch auf Entgelt für seine Hilfeleistung. Nach einigem Schlucken und Atemholen begann sie: »Es ist mir äußerst fatal, daß mir das mit unsern finanziellen Schwierigkeiten gerade jetzt herausgerutscht ist. Es sieht aus wie ein avis au lecteur. Ich wollte Sie nämlich bitten ... nicht wahr, Sie werden mir nicht böse sein ... ?« – »Ach, Sie meinen, ich soll Ihnen sagen, wieviel Sie mir schulden?« fragte Kerkhoven trocken. – »Ja.« – »Das kann ich tun. Hunderttausend Franken.« – Als er ihr bestürztes Gesicht sah, schmunzelte er. »Hunderttausend Franken, Frau Bettina, oder nichts. Weniger kann ich nicht annehmen. Und da wir um das bißchen weniger doch nicht feilschen wollen, bleibt's beim Nichts. Die Kosten für die Fahrt teil' ich Ihnen gelegentlich mit. Den Rest schreiben Sie mir im Buch Freundschaft gut. Einverstanden?«

Sie brachte keine Silbe hervor.

87

Alexander Herzog war zu ungewöhnlich früher Stunde aufgestanden. Einen Teil des Vormittags verbrachte er grübelnd und umhergehend in der Bibliothek, versuchte ein paar Briefe zu schreiben, warf die angefangenen Bogen wieder beiseite, legte Manuskriptblätter vor sich hin, kramte alte Tagebücher aus einer Lade, ging ins Kinderzimmer, um ein wenig mit Helmut zu plaudern; hielt es auch dort nicht lange aus, wanderte bis zum Mittagessen im Dorf herum, nahm nach Tisch zwei Bromtabletten, um seine Nerven zu beruhigen, las die angekommene Post, wühlte zerstreut und lustlos in dem Bücherhaufen auf dem Lesetisch, stand dann eine Weile unbeweglich am Fenster, in den Anblick seines Lieblingsbaumes versunken, einer majestätischen Weißbuche, deren Äste sich ausbreiteten wie ein Wald. Und während er in das Laubgewirr blickte, kam ihm der Gedanke: die Wahnwelt. Die Wahnwelt: Das Wort schoß ihm wie eine Feuergarbe ins Gehirn. Plötzlich setzte er sich an den Schreibtisch, ergriff den zierlichen Federhalter, dessen er sich bei seinen Arbeiten bediente, und begann zu schreiben, ungefähr wie einer, der vor einem Berg steht, sich mit dumpfer Entschlossenheit anschickt, das erste Loch für den Tunnel zu bohren.

Er schrieb bis in die tiefe Nacht. Er kam nicht mehr los. Tag um Tag verging, er kam nicht mehr los. Vorgang kettete sich an Vorgang, Bild an Bild, Gesicht an Gesicht, das Gewesene wurde Gegenwart, vergessene Zeit rückte in glühende Nähe, das gelebte Leben war ein dunkles, süßes, schauerliches Spiel, Spiel von Wolken, Spiel von Schatten, Wirrsal, Schuld und Schmerz. Er aber, ein träumender Lenker von Geschicken, die sich außerhalb seines Traumes satellitenhaft weiterbewegten, blieb besonnen und kühl, ohne Liebe wie ohne Haß.

Was er schrieb, melden die folgenden Seiten. Auf dem ersten Blatt stand:


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