Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Dritter Band
Gustav Weil

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wunderbare Geschichte Omar Alnumans und seiner beiden Söhne Scharkan und Dhul Makan.

Einst war in Bagdad,Man liest allenthalben Bagdad in der Herzogl. Gothaischen Handschrift, aus welcher diese Erzählung übersetzt wurde. Im Bulaker Text liest man hier und an einigen anderen Stellen Damask, was freilich zur Regierung eines Königs, der vor dem Omejjaden Abd Almelik lebte, besser paßt, da Bagdad damals noch nicht existierte, viel weniger Residenz war, aber im Laufe der Erzählung heißt es dann auch Bagdad, wir haben es daher durchweg stehen lassen. Wollte man aber auch allenthalben Damask lesen, so könnte man doch den Erzähler nicht von Anachronismen freisprechen, da, um nur eines zu erwähnen, im Laufe der Erzählung Nushat Essaman behauptet, sie habe Avicenna und Ibn Beitar gelesen, die bekanntlich erst unter den späteren Abbasiden lebten. noch vor dem Kalifat Abdulmaliks, ein sehr mächtiger König, welcher Omar Alnuman hieß. Er war der tapferste Herrscher seiner Zeit, Funken sprühten aus seiner Nase, wenn er zürnte, und niemand wagte es, ihm zu widersprechen; die mächtigsten Fürsten mußten sich vor ihm beugen und die entferntesten Länder ihm Gehorsam leisten, Seine Befehle erstreckten sich bis zur Provinz Hedjas und dem glücklichen Arabien, und bis zu den indischen und chinesischen Inseln; sowohl Abessinien, als der entfernteste Norden war ihm untertan, und von allen Seiten kamen täglich Boten zu ihm, die ihm die Unterwürfigkeit, die Glückwünsche, Abgaben und Geschenke von den entlegensten Städten brachten. Omar Alnuman war von sehr edler Abkunft; er hatte vier Frauen, von denen ihm eine einen sehr tapferen und heldenmütigen Sohn gebar, den er unaussprechlich liebte. Außer den vier Frauen hatte er dreihundertundsechzig Sklavinnen bei sich, für jeden Tag im Jahr eine andere. Jede hatte eine eigene Wohnung innerhalb seines Palastes, der nach den Monaten des Jahres in zwölf Teile eingeteilt war, deren jeder dreißig Wohnungen in sich faßte. So pflegte er bei jeder eine Nacht im Jahr zuzubringen, dann sah er sie bis zum folgenden Jahr nicht wieder. Sein Sohn Scharkan hatte schon viele Länder erobert und war wegen seiner Tapferkeit und Einsicht längst zum Thronerben eingesetzt, als die Bestimmung wollte, daß eine der Sklavinnen Omars schwanger wurde. Omar freute sich sehr mit der Aussicht auf die Vermehrung seiner Nachkommen und behandelte die Schwangere mit viel Güte. Scharkan aber war sehr betrübt über diese Nachricht, denn er dachte: wie leicht könnte der Neugeborene mir einst mein Reich rauben. Er beschloß daher bei sich selbst, wenn die Sklavin einen Sohn gebären würde, ihn umzubringen.

Die schwangere Sklavin war eine Griechin, die einst der König von Cäsarea Omar mit vielen anderen Geschenken geschickt hatte. Safia, so hieß die Griechin, war sehr liebenswürdig, bescheiden, tugendhaft und geistreich. Omar gewann sie sehr lieb, und wenn er bei ihr war und sie ihn bediente, sagte sie immer: »Ich bete zu Gott, daß er mir einen Sohn beschere; ich will ihn zur Tugend und Gottesfurcht heranbilden.« Während ihrer Schwangerschaft fastete und betete sie immerfort zu Gott und war sehr fromm und wohltätig; Gott erhörte aber auch ihr Flehen und ließ sie ohne Schmerzen niederkommen. Omar sowohl, als sein Sohn Scharkan, hatten, als die Zeit der Niederkunft nahe war, jemanden zu ihr geschickt, der ihnen berichten sollte, was Safia geboren. Sobald also das Kind zur Welt kam und die Ammen erklärt hatten, es sei ein Mädchen, brachten die Boten diese Nachricht dem König und seinem Sohn, und Scharkan freute sich außerordentlich mit dieser Botschaft. Als aber die Boten weg waren, sagte Safia zu den Ammen: »Wartet nur noch ein wenig, ich fühle noch etwas in meinem Leib;« sie stieß dann einen Schrei aus und gebar mit Gottes Hilfe auch einen Sohn, so schön und frisch wie der leuchtende Mond, mit klarer Stirne und rosigen Wangen. Safia und alle Anwesenden waren außer sich vor Freude.

Die Nachricht verbreitete sich bald im ganzen Schloß, alle Sklavinnen beneideten Safia, der König aber war entzückt, ging zu ihr und küßte Mutter und Kinder, nannte den Sohn Dhul Makan (Lichts des Orts) und die Tochter Nushat Assaman (Ergötzung der Zeit), und sorgte für Ammen, Diener und Wärterinnen, sowie auch für allerlei Getränke und Öle. Die Bewohner Bagdads schmückten die Stadt vor Freude über diese Begebenheit, und die Veziere, die Fürsten und Großen des Reichs erschienen, um dem König Glück zu wünschen. Der König dankte ihnen und beschenkte sie reichlich. Vier Jahre verstrichen, in denen der König jeden Augenblick sich nach Safia und den Kindern erkundigte, sie mit allerlei Schmuck und anderen Kostbarkeiten beschenkte und für die Erziehung seiner Kinder sorgte. Scharkan aber glaubte noch immer, Safia habe nur eine Tochter geboren, denn er war stets nur mit seinen Kriegszügen beschäftigt. Eines Tages kamen Omars Adjutanten und kündigten Gesandte vom Kaiser von Konstantinopel an. Omar ließ sie hereinkommen, ging ihnen entgegen und fragte sie nach der Ursache ihrer Sendung. Die Gesandten verbeugten sich vor ihm und sagten: »O erhabener König, Herr der weitesten Länder! Der in Konstantinopel residierende Gebieter der Christen, der Kaiser Feridun, läßt dich wissen, daß er einen hartnäckigen Krieg gegen den Herrn von Cäsarea und Armenien führt. Folgendes war die Veranlassung dazu: Ein König der Araber fand auf seinen Eroberungszügen einen alten Schatz von den Zeiten Alexanders her; unter den unzählbaren Kostbarkeiten waren auch drei Perlen, so groß wie ein Straußenei; es waren Talismane, mit griechischen Charakteren darauf gegraben, die gar mannigfache Tugenden hatten; unter anderem konnte eine solche Perle, einem Kind angehängt, dasselbe vor jeder Krankheit schützen. Der König der Araber schickte nun diese Perlen mit anderen kostbaren Geschenken an den Kaiser Feridun; er ließ zwei Schiffe ausrüsten, das eine enthielt die Schätze und das andere Soldaten, um sie zu bewachen; er glaubte übrigens nicht, daß jemand es wagen würde, seine Schiffe anzugreifen, um so weniger, da sie mit Geschenken für den mächtigen Kaiser Feridun beladen waren und ein Meer durchschifften, dessen Küstenbewohner ihm untertan sind, und ließ sie daher nur von einer geringen Mannschaft bedecken. Als aber die Schiffe bei uns landeten, fielen armenische Straßenräuber, in Verbindung mit Truppen von Cäsarea, über sie her, plünderten das ganze Schiff und töteten die Mannschaft. Feridun schickte sogleich eine Armee gegen Armenien, sie wurde aber geschlagen; auch eine zweite noch stärkere vermochte nichts. Nun hat er geschworen, selbst gegen den Feind zu ziehen und nicht eher zurückzukehren, bis Cäsarea und die Hauptstadt Armeniens verwüstet sein würden. Er sendet uns daher mit Geschenken zu dir, o mächtiger König, damit du uns doch mit deinen Truppen beistehen möchtest.« Hierauf verbeugten sich die Gesandten wieder und ließen die Geschenke des Kaisers Feridun herbeiholen.

Omar freute sich sehr mit den überbrachten Geschenken. Sie bestanden aus fünfzig Sklavinnen, von den schönsten Mädchen Griechenlands, und fünfzig Mamelucken, in seidenen Kleidern mit goldenen Gürteln. Jeder Mameluck sowohl als jede Sklavin, hatte einen goldenen Ohrring mit einer Perle daran, die tausend Pfund Gold wert war, auch ihre Kleidung war von großem Wert. Der König ließ den Gesandten viele Ehre erweisen und rief seine Veziere zusammen, um sie um Rat zu fragen. Da erhob sich der älteste unter ihnen, sein Name war Dendan, verbeugte sich vor dem König und sagte: »O mächtiger Herr! ich kann dir nichts besseres raten, als eine tapfere Armee zusammenzuziehen und deinen Sohn Scharkan an ihre Spitze zu stellen; und wir folgen ihm als seine Sklaven. Es sprechen zwei Ursachen dafür: erstens hat der Kaiser der Griechen deinen Schutz angefleht und dir Geschenke verehrt, die du angenommen; zweitens, damit sein Feind nicht später auch unser Land bedränge; drum ist gut, du schickst ihm eine Armee entgegen, erwirbst dir den Ruhm einer gewonnenen Schlacht, dein Name wird dadurch allenthalben gepriesen werden, besonders auf den Inseln des Meeres und im Westen und von allen Ländern wird man dir Huldigungen und Geschenke darbringen.« Diese Worte fanden bei Omar solchen Beifall, daß er dem Vezier ein Ehrenkleid schenkte und ihm sagte: »Ein Mann wie du ist würdig, Ratgeber der Könige zu sein, auch ernenne ich dich zum Anführer der Hauptarmee; mein Sohn Scharkan aber führe die Reservetruppen an.« Omar ließ dann Scharkan rufen, teilte ihm die Angelegenheit der Gesandten und den Rat Dendans mit und befahl ihm, sich zur Reise vorzubereiten mit zehntausend wohlgerüsteten und ausdauernden Reitern, und in allen seinen Unternehmungen den Rat Dendans einzuholen. Scharkan besorgte die Befehle seines Vaters, teilte Geld unter den Truppen aus und kündigte auf den dritten Tag den Abmarsch an. Er begab sich dann in seinen Waffensaal und suchte die beste Rüstung heraus, wählte einen vorzüglichen Renner in seinem Stall, und nach drei Tagen lagerten die Soldaten vor den Toren Bagdads. Omar kam ins Lager mit vielen Schätzen, die er seinem Sohn gab, er nahm dann Abschied von ihm, umarmte auch Dendan und empfahl ersterem, den Vezier in allem um Rat zu fragen, und letzterem, für das Heer seines Sohnes besorgt zu sein und kehrte wieder in die Stadt zurück. Scharkan hielt dann Musterung über die zehntausend Mann starke Armee, und beim Schall der Pauken und Trompeten und dem Entfalten der Fahnen setzte sich die Armee in Bewegung, unter der Leitung Scharkans und Dendans, und machte nicht Halt, bis der Tag zu Ende war. Während der Nacht ruhten die Truppen aus, und sobald Gott wieder den Morgen leuchten ließ, zogen sie weiter auf dem Weg, den ihnen die Gesandten angegeben, welche vor Scharkan und Dendan herritten. Als sie nach zwanzig Tagen des Abends in ein großes, fruchtbares Tal kamen, beschloß Scharkan, hier drei läge zu rasten. Die Soldaten stiegen ab, schlugen ihre Zelte auf und zerstreuten sich rechts und links, um Lebensmittel zu holen. Dendan blieb mit den Gesandten mitten im Lager; Scharkan aber wollte, da dieses Tal schon auf feindlichem Boden lag, bevor er sich in sein Zelt begab, die Gegend ein wenig auskundschaften; er schickte sein Gefolge zum Vezier und ritt allein im Tal umher, bis ein Viertel der Nacht vorüber war; da wurde er so müde und schläfrig, daß er, nach Gottes Bestimmung, nicht mehr Kraft hatte, sein Pferd zu spornen, und er schlief nach seiner Gewohnheit auf dem Pferd ein, das mit ihm in einen dichten Wald sich vertiefte.

Erst als das Pferd mit dem Huf auf den Boden schlug, erwachte Scharkan; er erschrak, als ihm der helle Mondschein zeigte, daß er sich mitten im Wald befand, und sagte den Spruch, dessen sich niemand zu schämen hat: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer beim erhabenen Gott.« Nachdem er aber, vor wilden Tieren sich fürchtend, eine Weile im Wald umherirrte, sah er eine schöne Wiese, wie die Fluren des Paradieses, in der Ferne vor sich liegen, und vernahm laute, süße, bezaubernde Stimmen. Er stieg ab, band das Pferd an einen Baum, nahm sein Schwert in die Hand und ging in die Wiese, die an einem Fluß lag. Da hörte er, wie eine weibliche Stimme in arabischer Sprache sagte: »Bei dem Messias! das ist nicht schön von euch; wer von euch den Mund öffnet, die werfe ich zu Boden und feßle sie mit ihrem Gürtel.« Während sie so sprach, näherte sich Scharkan leise unter dem Murmeln der Bäche und dem Gott preisenden Zwitschern der Vögel. Er sah nun ein Mädchen wie der Mond, von zehn herrlich geschmückten weißen Jungfrauen umgeben, mit herabhängenden schwarzen Haaren und Augen, die wie Pfeile die felsigsten Herzen durchbohren. Aber das Mädchen in ihrer Mitte übertraf die übrigen an Schönheit und Anmut. Sie schien die Herrin zu sein, denn Scharkan hörte, wie sie zu den übrigen sagte: »Kommt, daß ich mit euch ringe, ehe der Mond ganz verschwindet.« Hierauf näherten sich die zehn Jungfrauen, wurden auf den Boden geworfen und mit ihrem Gürtel gebunden. Dann sagte eine alte Frau, die auch bei ihnen war, ganz zornig: »Du Dirne hast deine Freude daran, diese Mädchen zu fesseln; bei Gott! ich bin ein altes Weib und habe sie vierzigmal zu Boden geworfen, du hast also keinen Grund, über deinen Sieg dir viel einzubilden; ich möchte sehen, ob du mich zu Boden werfen kannst.« Das Mädchen lachte, ging auf das alte Weib zu und sagte: »Willst du dich wirklich mit mir messen?« Die Alte antwortete: »Jawohl.« – »So steh auf«, rief das Mädchen entrüstet, »und komme, wenn du Mut hast.« Die Alte glühte vor Zorn und glich mit ihren borstigen Haaren einem Stachelschwein. Als das Mädchen dann auf sie losspringen wollte, warf sie schnell ihr Oberkleid von sich und band nur ein seidenes Tuch um die Hüften, und nun sah sie ganz wie ein häßliches Gespenst aus; auch das Mädchen legte, von der Alten dazu aufgefordert, ihr Gewand ab, und Scharkan bemerkte an ihr so schöne Formen, daß er den Kopf gen Himmel richtete und zu Gott betete, das Mädchen möchte doch die Alte besiegen. Er hatte kaum sein Gebet vollendet, als das Mädchen die Alte mit der linken Hand umfaßte und mit der rechten am Hals packte und sie in die Höhe hob, sie entschlüpfte aber ihren Händen und fiel auf den Rücken. Dann nahm das Mädchen seine seidenen Tücher und zog sie der Alten an, entschuldigte sich bei ihr und dankte Gott, daß ihr der Sturz weiter nichts geschadet. Die Alte verschwand hierauf, ohne ein Wort zu sagen, und das Mädchen blieb allein vor den zehn Sklavinnen stehen. Da dachte Scharkan: jede Bestimmung hat ihren Zweck; gewiß hat auch mich nur der Schlaf überfallen und das Pferd mich hierhergebracht, damit ich dieses Mädchen als Beute davontrage; und was für eine Beute! Er nahm dann sein Schwert in die Hand, bestieg sein Pferd, das wie ein Pfeil daherschoß, und lenkte es den Sklavinnen zu.

Als das Mädchen sich von einem Reiter verfolgt sah, sprang es über den Fluß, der sechs Ellen breit war, und rief dann laut zu Scharkan hinüber: »Wer bist du, der du uns so in unserm Vergnügen störst? warum ziehst du dein Schwert, als zögest du gegen Soldaten aus? Sprich nur die Wahrheit, wo willst du hin? Lüge nicht, denn nur gemeine Menschen scheuen ein offenes Geständnis; gewiß hast du dich hierher verirrt, und kannst es als ein Glück betrachten, mit heiler Haut davonzukommen, denn wisse, du befindest dich hier an einem Ort, wo auf unseren Ruf im Augenblick viertausend Mönche zu unserer Hilfe erscheinen; sage nur schnell, was du begehrst; soll ich dir den Weg zeigen, oder willst du Proviant?« Scharkan erwiderte: »Ich bin ein fremder Muselmann, ich streifte allein diese Nacht umher, um Raub zu suchen, nun konnte ich nichts Schöneres finden, als diese zehn Mädchen, die ich jetzt mit zu meinen Freunden nehmen will.« – »Bei Gott!« rief das Mädchen, »diese Sklavinnen sind nicht für dich; wenn ich nicht deinen Tod fürchtete, so würde ich mit einem einzigen Schrei diese ganze Ebene mit Kriegern füllen; doch habe ich mit Fremden Mitleid. Hast du aber Lust nach Beute, so steige ab und ringe mit mir; schwöre aber bei deinem Glauben, daß du keine Waffen gegen mich gebrauchen willst; bist du der Stärkere, so sollst du mich und die zehn Sklavinnen haben, besiege ich dich aber, so bin ich deine Gebieterin; aber schwöre, ehe ich zu dir komme, denn ich fürchte Verrat von dir, und das Sprichwort sagt:

»Wo Treulosigkeit herrscht, ist Vertrauen Schwäche.«

Wenn du aber schwörst, so setze ich über den Fluß und komme zu dir.«

Der lüsterne Scharkan dachte bei sich: Diese Mädchen weiß nicht, daß ich ein wackerer Held bin; er sagte ihr daher: »Ich schwöre, wie du willst, daß ich dir nichts zuleide tue, bis du kampfbereit bist und mir selbst gebietest, den Kampf zu beginnen; werde ich besiegt, so bin ich reich genug, um mich loszukaufen; siege ich, so führe ich die schönste Beute davon.« – »So schwöre«, sagte das Mädchen, »bei dem, der die Körper beseelt und den Glauben geoffenbart, daß du nichts anderes im Sinne hast, als mit mir zu ringen.« Scharkan schwor dann, wie sie es verlangte, band sein Pferd wieder an einen Baum, pries Gott, der ein so vollkommenes Wesen geschaffen, und bat das Mädchen, über den Fluß zu kommen, da er doch keinen so weiten Sprung zu machen imstande wäre. Das Mädchen schürzte sich auf und sprang zu Scharkan hinüber, der jetzt erst recht ihre Schönheit bewunderte und sich selig fühlte, als ihm ihr Atem entgegenwehte. Als er, sie anstaunend und nachdenkend, stehenblieb, rief sie ihm zu: »Rüste dich zum Kampf, ehe die Sonne aufgeht!« Er fiel über sie her und zweifelte nicht am Sieg; als aber seine Hand ihre zarte Taille umfaßte, zitterte er wie ein Rohr bei einem Sturmwind, und es war ihr leicht, ihn zu Boden zu werfen.

Die Christin sagte dann zu Scharkan: »Bei euch Muselmännern ist es wohl erlaubt, einen besiegten Christen zu töten, wie wäre es, wenn ich nun auch dein Blut vergießen wollte? Doch der Prophet Muhamed (Gottes Friede sei mit ihm!) hat verboten, Frauen, Kinder, Greise und Mönche zu töten, und da du noch viel schwächer als ein Mädchen bist, muß ich auch dir das Leben schenken; übrigens ist eine fromme Tat nie bei Gott verloren.« Scharkan sprang vom Boden auf, schüttelte den Staub ab und blickte zur Erde. Die Christin fuhr dann fort: »Wie mag jemand nach Griechenland kommen, um einem König gegen einen anderen beizustehen, wenn er selbst sich nicht einmal gegen ein schwaches Mädchen zu verteidigen weiß?« Scharkan erwiderte: »Es fehlt mir keineswegs an Kraft; nicht deine Stärke, sondern deine Reize haben mich besiegt; willst du noch einen Kampf versuchen, so sollst du dich davon überzeugen.« Die Christin sagte lächelnd: »Es sei! doch will ich zuerst die Sklavinnen losbinden, deren Arme von den Fesseln gedrückt sind.« Sie tat dies und sagte ihnen in griechischer Sprache: »Geht an einen Ort, wo ihr vor der Lüsternheit dieses Muselmannes sicher seid.« Die Mädchen verschwanden und Scharkan sah ihnen mit feuersprühenden Augen nach. Ohne ein Wort zu sagen, umfaßte er dann die Christin wieder, aber sie hob ihn in die Höhe, schleuderte ihn wie ein Blitz auf den Boden und sagte: »Ich habe dir das erste Mal das Leben geschenkt, weil du schwach wie ein Weib bist; jetzt schenke ich es dir, weil du noch ein Kind im Ringen und weil du bei uns fremd bist. Nun geh aber, und weißt du jemand bei der Armee, die Omar dem König von Konstantinopel zu Hilfe schickt, der stärker ist als du, so schicke ihn her, ich bin bereit, auf jede Weise mich mit ihm zu messen.« Sie sprang dann wieder über den Fluß und rief lachend Scharkan zu: »Mein Herr! es tut mir leid, mich von dir trennen zu müssen, geh zu deinen Gefährten, ehe es später wird, sonst möchten die Mönche dich überraschen.« Scharkan rief ihr, als sie schon auf das Kloster zuging nach: »O meine Herrin! kannst du mich armen Fremden und Liebeskranken so allein hierlassen?« Die Christin wendete sich lächelnd nach ihm und sagte: »Was willst du denn von mir?« – »Laß mich dein Land betreten, an deinen süßen Worten mich ergötzen und an deiner Kost mich laben; ich will wie einer deiner Diener sein.« – »Nun, in Gottes Namen, das sei dir gewährt; denn nur gemeine Menschen weisen Gäste zurück. Komm, bei meinem Haupt und meinen Augen! besteige dein Pferd und reite am Ufer des Flusses mir gegenüber.« Scharkan holte freudig sein Pferd und ritt, nur vom Fluß getrennt, neben der Christin, bis er an eine gesperrte Kettenbrücke kam. Hier sah er die Mädchen wieder, die ihrer Herrin warteten. Als diese zu ihnen gelangte, sagte sie einer von ihnen in griechischer Sprache: »Laß diesen Reiter über die Brücke und führe ihn dann ins Kloster.« Scharkan war sehr verlegen und dachte: Wäre nur der Vezier Dendan bei mir, daß er auch diese Mädchen sähe.

Scharkan sagte dann zur Herrin: »Nun werde ich dir doppelten Schutz schuldig, als dein Begleiter und dein Gast; möchtest du nicht dann auch so gnädig sein und mit mir in das Land der Muselmänner kommen und dich daselbst umsehen, um die tapferen Helden und mich selbst kennenzulernen? du kannst auf meinen Schutz bauen.« – »Bei dem Messias! ich habe dich für einen verständigen Mann gehalten, nun läßt du aber deine Treulosigkeit durchschauen; wie magst du so verräterisch sprechen? Ich weiß recht gut, daß mich euer König Omar Alnuman verfolgen würde, obschon er zwölf Schlösser, jedes mit dreißig Wohnungen und ebensoviel Mädchen, besitzt; auch weiß ich, daß euer Gesetz euch erlaubt, gegen Gefangene oder Leibeigene oder Christinnen euch alles zu erlauben. Was aber eure Helden angeht, so schwöre ich beim Messias, ich habe eure ganze Armee gesehen, als sie unser Gebiet betrat, ich fand aber nichts Edles daran; sie schien nur ein zusammengeraffter Volkshaufen. Wisse auch, daß ich nicht aus Achtung und Liebe, sondern nur aus natürlicher Freigebigkeit gegen dich gütig bin. Du solltest also dergleichen Reden lassen und wärest du auch der berühmte Scharkan.« – »Hast du schon etwas von Scharkan gehört?« –»Wohl habe ich vernommen, daß er mit einer Armee von zehntausend Mann kommen würde, um dem König von Konstantinopel beizustehen.« – »Ich beschwöre dich bei deinem Glauben, erzähle mir den ganzen Hergang des Streites, daß ich die Wahrheit von Lüge unterscheide und wisse, wem es schlecht gehen wird.« – »Bei deinem Glauben! wenn ich nicht befürchtete, man würde erfahren, daß ich ein griechisches Mädchen bin, so hätte ich es allein mit den zehntausend Reitern aufgenommen und ihren Vezier Dendan getötet und Scharkan besiegt. Doch ich habe aus Büchern und Unterhaltungen mit Arabern so viel Bildung erlangt, daß ich es unschicklich finde, meine Tapferkeit selbst zu preisen, obgleich du von meiner Gewandtheit im Ringen dich selbst überzeugt hast. Ich wünschte nur, daß der Messias mir Scharkan hierher schickte, ich würde mich dann als Mann kleiden, ihn gefangennehmen und in Ketten werfen.« Bei diesen Worten erwachte Scharkans Heldenmut und Rittersinn, er wollte sich zu erkennen geben und sie zum Kampf auffordern, aber ihre Schönheit und Anmut hielten ihn gefesselt; wie ein Dichter sagte:

»Begeht eine Schöne einen Fehler, so legen ihre Reize tausend Fürbitten ein; in ihrem Gesicht ist ein mächtiger Fürsprecher, der ihre Untugenden aus dem Herzen tilgt, und wenn du sie zürnend ansiehst, so rufst du bewundernd aus: Sieh, der Vollmond ist aufgegangen. Der mächtige Geist der Belkis würde bei aller Kraft zu Boden stürzen, wenn er mit ihr ringen wollte.«

Scharkan ging daher, ohne zu antworten, mit ihr weiter, bis an ein großes Tor. Als die Christin es öffnete, sah Scharkan einen mit Marmor gepflasterten langen Säulengang vor sich, der von kristallenen Leuchtern erhellt war, welche wie die Sonne strahlten. Am Ende des Gangs standen Sklavinnen mit gestickten und juwelenbesetzten Kopfbinden; sie trugen wohlduftende Wachslichter in der Hand, und führten ihre Gebieterin mit Scharkan in einen Saal, wo mehrere Sofas einander gegenüber standen. Der Boden dieses Saales war ganz von Marmor, die Wände waren mit goldgestickten Vorhängen geziert, und mitten im Saal war ein Springbrunnen mit vierundzwanzig goldenen Röhren, aus denen das Wasser wie Silber schäumend sprudelte. Die Christin, welche die Herrin dieses Hauses war, hieß Scharkan auf ein an der Wand stehendes, mit Seide überzogenes Sofa sitzen, und verließ ihn.

Nach einer Weile erkundigte sich Scharkan nach der Christin bei einer Sklavin, und diese antwortete ihm: »Meine Herrin ist zu Bett gegangen und hat uns hiergelassen, um dich zu bedienen.« Sie brachten ihm dann verschiedene Speisen, und nach der Mahlzeit ein goldenes Waschbecken mit einer silbernen Kanne, um seine Hände zu waschen. Dann fing er aber an, um seine Truppen besorgt zu werden, die ihm sein Vater anvertraut hatte; er versank in tiefes Nachdenken, bereute seine Kühnheit, brachte eine sehr unruhige, schlaflose Nacht zu und rezitierte folgende Verse:

»Mir fehlt es nicht an männlichem Ernst, aber ich bin ganz verblüfft, was soll ich beginnen? Wollte mich jemand von der Liebe heilen, ich hätte alsbald meine frühere Kraft wieder gewonnen. Mein Herz ist in die Irrwege der Liebe verstrickt, ich kann nur von Gott meine Rettung erwarten.«

Am folgenden Morgen kam die Christin wieder mit zwanzig Sklavinnen, die ihre Schleppe trugen. Sie hatte ein seidenes, königliches Kleid an, mit einem juwelenbesetzten Gürtel, der ihre Taille bezeichnete und ihren vollen Busen und ihre starken Hüften noch mehr hervorhoben. Auf ihrem Haupt hatte sie ein Perlennetz mit allerlei Edelsteinen. Als Scharkan sie voller Anmut selbstgefällig daherschreiten sah, war er außer sich vor Entzücken. Die Christin sah ihn lange starr an, bis sie ihn endlich erkannte und ihm sagte: »Du hast uns durch deine Anwesenheit große Ehre erwiesen, Scharkan, wie hast du die Nacht zugebracht? Wie ist es dir gegangen, wackerer Held, seitdem ich dich verlassen? Suche nur nicht länger dich zu verbergen, ich kenne dich, du bist des Königs Omar Sohn, und es ziemt so großen Männern nicht, zu lügen; deine Verstellung würde nur meinen Zorn reizen. Das Geschick hat dich nun einmal hierher gebracht, ergib dich gutwillig!« Scharkan sah ein, daß ein längeres Verleugnen unmöglich wäre, er gestand daher, daß er Scharkan sei, sie möge ihm tun, was sie wolle, beugte den Kopf zur Erde und blieb ruhig vor ihr stehen. Da sagte ihm die Christin: »Sei nur frohen Muts, du bist mein Gast, wir haben Salz und Brot miteinander gegessen, du stehst unter meinem Schutz; bei dem Messias, solange ich lebe, soll kein Mensch dir etwas zuleide tun!« Sie setzte sich dann neben ihn und liebkoste ihn solange, bis er seine Furcht verlor und dachte: Hätte sie meinen Tod gewollt, so stand es ja bei ihr, mich schon diese Nacht umbringen zu lassen. Sie sagte dann einer Sklavin etwas in griechischer Sprache; diese blieb eine Weile aus und kam mit einem Speisetisch voll Schüsseln wieder. Scharkan wollte nichts essen, denn er fürchtete, es möchte Gift an den Speisen sein. Die Christin aber erriet seine Gedanken und sagte: »Bei dem Messias! du irrst; wenn ich dich töten wollte, so hätte ich es schon getan;« sie aß dann selbst einen Bissen von jeder Speise, und Scharkan aß ihr nach. Als sie gegessen und sich die Hände gewaschen hatten, ließ die Christin allerlei Wohlgerüche, sowie goldene, silberne und kristallene Trinkgefäße bringen, füllte einen Becher und trank davon, dann füllte sie einen zweiten und überreichte ihn Scharkan, indem sie ihm sagte: »Siehst du, Muselmann, in welch schönes Leben du hineingekommen.« Sie tranken dann miteinander solange, bis Scharkan vor Wein und Liebe den Verstand verlor. Sie rief dann einer Sklavin: »Murdjana, bring Musikinstrumente herbei!« Murdjana holte eine Harfe und eine Laute und überreichte sie ihrer Gebieterin. Diese stimmte die Laute und sang mit einer Stimme, zarter als der Zephyr, folgende Verse:

»Gott verzeihe deinen Augen, die so viel Blut vergießen und so manche Pfeile schleudern. Ich verehre einen Liebenden, der die Geliebte unterdrückt und Mitleid als Verbrechen ansieht.

Heil dem Aug, das deinetwillen stets wacht, und selig ist das Herz, das nach dir stets schmachtet. Du bist ein harter Richter, wenn du mich tötest, und doch gebe ich gern mein Leben für den gewalttätigen Richter.«

Jede Sklavin nahm dann ein anderes Instrument und sang ein griechisches Lied, Dann sang ihre Herrin wieder so schön, daß Scharkan vor Entzücken außer sich war. Da sagte sie ihm: »Muselmann, verstehst du dies? Er antwortete: »Nein, bei Gott! doch der Anblick deiner schönen Finger macht mich schon selig.« – »Und was wirst du tun, wenn ich dir etwas arabisches singe?« – »Ich werde nicht mehr Herr meines Verstandes sein.« Da sang sie folgende Verse:

»Bitter schmeckt die Trennung vom Geliebten; gibt es einen Trost für diesen Schmerz? Dreifache Qual bereitet mir das Abweisen, die Trennung und die Entfernung! Ach, wie liebe ich den Edlen, der mich bezaubert, und wie betrübend wird mir sein Scheiden sein!«

Scharkan verlor das Bewußtsein vor Entzücken, als er diese Verse vernahm, und blieb eine Weile leblos auf dem Boden hingestreckt. Als er wieder zu sich kam, wurden frische Getränke gebracht, und so verging der ganze Tag in angenehmster Unterhaltung bei Wein und Gesang. Sobald aber die Nacht ihre Flügel ausbreitete, zog sich die Christin in ihr Schlafgemach zurück, und Scharkan sagte: »Gott bewache sie!« Am folgenden Morgen kam eine Sklavin zu Scharkan und sagte ihm: »Meine Herrin läßt dich zu sich bitten.« Scharkan ging ihr nach und viele Mädchen begleiteten ihn mit Musik und Gesang, bis er an ein großes Tor von Elfenbein kam, das mit Perlen und Edelsteinen besetzt war. Als es sich öffnete, befand er sich in einem großen Saal mit verschiedenen seidenen Teppichen bedeckt; durch die offenen Fenster dieses Saales hatte er die Aussicht auf Bäume und Bäche; die Wände des Saals waren mit allerlei Bildern geschmückt, die man, wenn der Wind sie in Bewegung setzte, für lebendig hielt. Die Christin, die in diesem Saal saß, stand auf, sobald sie Scharkan erblickte, reichte ihm die Hand, ließ ihn neben sich sitzen und fragte ihn, wie er die Nacht zugebracht? Nachdem sie sich eine Weile miteinander unterhalten hatten, bat sie ihn, einige Verse, die auf Liebende sich beziehen, zu rezitieren; da trug er die Verse vor, die ein Dichter für Assa geschrieben:

»Niemals werde ich von Assas Liebe sprechen, denn ich habe es ihr feierlich geschworen. Die Mönche Madians, welche aus Furcht vor der Hölle weinten, würden, wenn sie, wie ich, Assa gehört hätten, sie angebetet haben und vor ihr niedergefallen sein.«

Sie sagte: »Assa wird für außerordentlich schön gehalten. Der Dichter dieser Verse (Kutheir) war sehr beredt und hat in folgenden beiden Versen seine Liebe zu Assa vortrefflich geschildert:

»Wollte Assa mit der Morgensonne um die Schönheit wetteifern, so würde sie den Preis erhalten; viele Frauen suchen Assa zu beschämen, deren Wangen Gott zu ihren Fußsohlen machen möchte!«

Sie fragte dann: »Was hat wohl der Dichter Djumeil gemeint, als er zu seiner Geliebten sagte:

»Du willst meinen Tod, nichts anderes; während ich nichts wünsche, als dich zu besitzen.«

Scharkan antwortete: »Er meinte wohl dasselbe, was ich auch dir sagen möchte.« Die Christin lachte und brachte den ganzen Tag singend und scherzend mit ihm zu. Abends zog sie sich wieder in ihr Schlafgemach zurück, und am folgenden Morgen ließ sie ihn wieder mit Musikbegleitung von ihren Sklavinnen in einen anderen Salon führen, der noch größer und mit noch viel schöneren Vögeln und wilden Tieren bemalt war. Hier erwartete sie ihn, reichte ihm die Hand und ließ ihn wieder neben sich sitzen.

Dann fragte ihn die Christin, ob er das Schachspiel verstehe? und als er ihre Frage bejahte, holte sie ein Schachspiel herbei und spielte mit ihm. So oft aber Scharkan ihr Gesicht sah, war er so verwirrt, daß er den Ritter an die Stelle des Turms und den Turm an die Stelle des Ritters setzte. Sie lachte über sein Spiel und sagte: »Wenn du nicht besser spielst, so verstehst du nichts.« Scharkan erwiderte: »Die erste Partie zählt nicht.« Sie spielten hierauf eine zweite, eine dritte, vierte und fünfte, die Scharkan wieder verlor. Da sagte sie: »Du wirst allenthalben geschlagen.« Scharkan versetzte lächelnd: »Wer kann dir widerstehen?« Sie ließ dann wieder Speisen und Wein bringen, dann spielte sie Harfe, worin sie Meisterin war und so wurde auch dieser Tag, schöner noch, als die früheren, zugebracht. Abends ging sie in ihr Bett und Scharkan schlief allein auf den Teppichen, bis er des Morgens wieder geholt wurde. Sie nahm die Harfe und sang:

»Führe keine Trennung herbei, sie schmeckt bitter, selbst die Sonne erblaßt beim Untergang vor Trennungsschmerz.«

Als er wieder vergnügt neben der Christin saß, hörte er auf einmal Lärm und ein Herbeidrängen von Männern, und siehe da, die Mönche traten mit gezogenem Schwert herein und sagten in griechischer Sprache: »So bist du, Scharkan, endlich in unsere Hand gefallen, zweifle nur nicht mehr an deinem Tod!« Als Scharkan dies hörte, dachte er: Die Christin hat mich durch List solange aufgehalten, bis die Männer heimgekehrt, und so habe ich mich selbst in den Abgrund gestürzt. Als er aber einen Blick auf sie warf und ihr Vorwürfe machen wollte, sah er, wie sie ganz blaß geworden, dann aufstand und die Männer fragte: »Wer seid ihr?« Der oberste Patriarch antwortete: »O edle Prinzessin, einzige Perle! weißt du nicht, wer hier bei dir ist?« Sie sagte: »Nun, wer ist's denn?« Er erwiderte: »Es ist der beste Ritter, der größte Länderverwüster; es ist Scharkan, der Sohn des Königs Omar; er ist's, der so viel Schlösser erobert und so viele Festungen erstürmt. Die alte Frau Dsat Dawahi hat unserm Herrn, deinem Vater, dem König Hardub, die Nachricht gebracht, und so hast du die griechische Armee von diesem reißenden Löwen befreit.« Als sie diese Worte vernahm, fragte sie ihn: »Wie heißt du?« – »Mein Name ist Masur, ich bin der Oberste der Patriarchen.« – »Wie wagtest du es, unangemeldet vor mir zu erscheinen?« – »Als ich an die Tür kam, hielt mich kein Pförtner und kein Kammerherr auf, sondern alle standen vor mir auf und begleiteten mich; auch ist es gar nicht Sitte, daß ein Bote deines Vaters an der Tür warte, bis du ihm den Eintritt gestattest; übrigens ist es jetzt keine Zeit, darüber viel zu reden, dein Vater erwartet uns mit diesem Prinzen, der feuersprühenden Kohle der muselmännischen Armeen; er will ihn töten, dann wird es ihm leicht, seine Armee heimzuschicken.« – »Was du hier sagst, ist gar nicht schön; die Alte hat gelogen oder nicht gewußt, was sie gesagt; bei dem Messias! Scharkan ist nicht bei mir. Dieser Mann hier hat meine Gastfreundschaft in Anspruch genommen, die ich ihm auch gewährt, ohne zu wissen, wer er sei; nun steht er als Gast unter meinem Schutz, selbst wenn er Scharkan wäre, und ihr werdet mich wohl durch ihn nicht zuschanden machen. Geh nur zum König zurück, verbeuge dich vor ihm und sage ihm, Die Frau Dsat Dawahi habe gelogen.« – »Ich kann nicht, o Prinzessin, ohne meinen Auftrag vollbracht zu haben, zurückkehren.« – »Wehe dir! bring meinem Vater nur meine Antwort und es trifft dich kein Tadel.«

Als der Oberste der Patriarchen aber noch immer darauf bestand, nicht ohne ihren Gast heimkehren zu können, fuhr die Prinzessin fort: »Ich sage dir, als der Fremde hereintrat, zeigte er so viel Selbstvertrauen, daß er es gewiß mit hundert bewaffneten Reitern aufzunehmen wagt; er wird es gar nicht leugnen, wenn er Scharkan ist, wird aber auch euch allen das Leben nehmen, denn er hat sein Schwert und seinen Bogen bei sich.« Der Patriarch sagte: »Ich kann mich dem Zorn deines Vaters nicht aussetzen; frage ihn nach seinem Namen, und ist er Scharkan, so gebe ich diesen Leuten ein Zeichen, sie fallen über ihn her und führen ihn gefangen zu deinem Vater.« – »So unedel darf nicht gehandelt werden, er ist nur allein, und ihr seid viele. Wenn ihr wollt, so fordert ihr ihn, einer nach dem andern, heraus, der König wird dann sehen, wer von euch der Wackerste ist.« Der Patriarch antwortete: »Bei dem Messias! du hast recht; es sei, wie du gesagt und ich will der erste sein, der mit ihm kämpfe.« – »Gut, ich will es ihm sagen; wenn er es jedoch ausschlägt, so dürft ihr ihm nichts zuleid tun, ich und alle meine Mädchen sterben lieber für ihn.« Sie erzählte dann Scharkan, was sich zugetragen; dieser sah wohl ein, daß er nicht von der Prinzessin verraten worden, sondern daß der König ohne ihr Hinzutun von ihm Kunde erhalten. Er bereute es, sich in dieses Land gewagt zu haben, als er aber hörte, daß hier von keiner Gewalt die Rede sei, sondern daß er mit einem nach dem anderen sich schlagen dürfe, trat er dem Patriarchen mit dem Schwert entgegen, sprang wie ein Löwe über ihn her und durchbohrte ihn. Als die Prinzessin dies sah, stieg Scharkan in ihrem Ansehen, und sie merkte wohl, daß wirklich ihre Reize, und nicht ihre Kraft, ihn überwunden. Sie sagte dann den übrigen Griechen: »O ihr Diener des Messias, rächt euern Obersten!« Der Bruder des Getöteten trat hervor, und obschon er ein mächtiger Ritter war, durchstach ihn doch Scharkan ohne Mühe. Die Prinzessin trieb nun die übrigen zur Rache an, und einer nach dem anderen focht mit Scharkan, der gleichsam spielend fünfzig Mann tötete. Nun wurden die übrigen so ängstlich, daß es keiner mehr wagte, Scharkan allein herauszufordern, sondern sie fielen in Masse über ihn her; er aber war unerschrocken und zermalmte sie wie ein Felsen. Die Prinzessin, welche, sobald sich Scharkan in Gefahr sah, sich schnell bepanzert und ein Schwerte ergriffen hatte, um ihm beizustehen, fand, als sie in den Saal zurückkam, schon achtzig Feinde erschlagen auf dem Boden umherliegen, und zwanzig hatten die Flucht ergriffen. Sie sah Scharkan mit Bewunderung an, wie er als Sieger das Blut von seinem Schwerte abwusch, und sagte ihm: »Auf dich dürfen alle Ritter stolz sein.« Er rezitierte dann folgende Verse:

»Wie manche Schar hat mich überfallen, deren Häupter ich den wilden Tieren als Speise zurückgelassen, fraget das Schlachtfeld nach mir, ihr findet die Löwen der Menschheit auf den Boden hingestreckt.«

Dann fragte sie, ob noch Männer im Schloß wären? und als man ihr antwortete: »Nur noch zwei Pförtner«, ließ sie sie vor sich führen und fragte sie: »Warum habt ihr ohne meine Erlaubnis die fremden Männer zu mir hereingelassen? Ihr habt meine Schande gewollt und den Tod meines Gastes.« Sie antworteten: »Es ist ja nicht üblich, daß Boten deines Vaters einer Erlaubnis bedürfen;« aber sie sagte: »Ihr verdient den Tod, ihr Hunde!« und bat Scharkan, ihnen den Kopf abzuhauen. Dann sagte sie zu Scharkan: »Nun ist es notwendig, daß ich dich mit mir bekannt mache; wisse, ich bin die Tochter des griechischen Könige Hardub, mein Name ist Ibris, und die Alte, die du gesehen und die mich verraten hat, ist meine Großmutter Dsat Dawahi. Wenn nun mein Vater hört, daß ich mich mit dir verbunden habe und an dem Tod der Patriarchen schuld bin, so kann ich nicht mehr in diesem Land bleiben, drum bitte ich dich, o Prinz, so gegen mich zu verfahren, wie ich gegen dich; bedenke, daß ich um deinetwillen mich mit meinem Vater entzweit habe, und behandle mich freundschaftlich.« Scharkan war vor Freude außer sich über diese Worte und schwor bei Gott, daß, solange er atme, niemand ihr nahekommen dürfe; doch fuhr er fort: »Bist du stark genug, deine Familie und dein Vaterland auf immer zu verlassen?« – »Ich kann alles für dich tun; nur fordere ich noch eins von dir!« – »Was denn?« – »Daß du mit deinen Truppen in deine Heimat zurückkehrst.« – »O meine Herrin! mein Vater hat mich gegen den deinigen geschickt, wie kann ich so zurückgehen?« – »Dein Vater hat dich nur der Schätze willen geschickt, die mein Vater genommen, worunter auch die drei großen segensreichen Perlen; sei nur zufrieden, ich will dir die ganze Begebenheit erzählen, sowie auch die Ursache unserer Feindschaft mit dem König von Konstantinopel: Wisse, wir feiern jedes Jahr ein Fest, das wir das Klosterfest nennen; da versammeln sich alle Königinnen und Prinzessinnen und andere vornehme Mädchen, und belustigen sich sieben Tage nacheinander; auch ich wohnte früher diesen Festlichkeiten bei; erst seit Ausbruch des Krieges läßt mich mein Vater nicht mehr dazu gehen. Bei einem dieser Fest war auch Safia, die Tochter des Königs von Konstantinopel, anwesend; diese wollte nach dem Feste nicht zu Land, sondern zu Wasser in ihre Heimat zurückkehren, man rüstete ihr ein Schiff aus, das sie mit ihrem Gefolge bestieg. Aber bald überfiel sie ein Sturmwind, der sie vom rechten Weg abführte und sie in die Nähe christlicher Seeräuber von der Insel Zypern trieb, wo fünfhundert bewaffnete Franken eine Festung besetzt hielten. Die Franken steuerten hastig auf das Schiff zu, in welchem Safia war, nahmen ihm die Segel ab und schleppten es dem ihrigen nach, das ihrer Insel zusegelte. Da drehte sich der Wind auf einmal wieder und blies so heftig von der Insel her, daß er ihre Segel zerriß und sie zu uns hertrieb; wir fingen die Schiffe auf, töteten die Franken und bemächtigten uns des Schiffs, worin Safia mit vierzig Sklavinnen und vielen Schätzen war. Die Mädchen wurden meinem Vater vorgestellt, der nicht wußte, daß Safia darunter war; er wählte zehn für sich, unter welchen auch Safia war, und verteilte die übrigen unter seine Umgebung. Er wollte aber nur fünf davon für sich behalten und schickte die übrigen, worunter auch Safia war, deinem Vater Omar mit allerlei Tuch- und Seidenstoffen. Dein Vater nahm die Geschenke an und behielt die Prinzessin Safia für sich.«

Es sagt der Erzähler, daß die Prinzessin also fortfuhr: »Am Anfang dieses Jahres schrieb nun Safias Vater, der König Feridun, dem meinigen einen Brief, in welchem er sich nach vielen Vorwürfen folgenderweise ausdrückt:

»Ihr habt schon vor zwei Jahren euch unseres Schiffs bemächtigt, das ihr fränkischen Seeräubern weggenommen und in welchem meine Tochter Safia war, ohne mir Nachricht davon zu geben; ich wagte es nicht, öffentliche Nachforschungen anzustellen, aus Furcht, meiner Tochter Ehre zu verletzen, darum schwieg ich bis jetzt; nun habe ich aber einige von den Franken ausgeforscht, die unter den Seeräubern waren; und sie sagten mir, sie haben sie in deinem Land gelassen, und erzählten mir die ganze Geschichte; wenn ihr daher nicht meine und meiner Tochter Schande wollt, so schickt sie mir bei Empfang des Briefes zurück, wo nicht, so werde ich euch zu bestrafen wissen.«

»Als mein Vater diesen Brief las, bedauerte er sehr, nicht gewußt zu haben, daß Safia eine Königstochter war; er wußte sich aber nicht zu helfen, denn nach so langer Zeit konnte er sie nicht von Omar zurückfordern lassen, um so weniger, da er vernommen hatte, daß sie ihm Kinder geboren; es blieb ihm also nichts übrig, als sich in das Mißgeschick zu fügen und bei Feridun zu entschuldigen und ihm zu schwören, daß er seine Tochter nicht erkannt und sie daher Omar zum Geschenk gemacht habe. Feridun war außer sich vor Zorn, als er meines Vaters Antwort erhielt, woraus er sah, daß seine Tochter wie eine Sklavin verschenkt und ohne gesetzliche Ehe einem König hingegeben worden; er schwur beim Messias, sich zu rächen und von sich hören zu lassen. Er sann dann die List aus, wodurch er deinen Vater bewog, ihm eine Armee zu Hilfe zu senden, und beabsichtigte dabei, dich mit deiner ganzen Armee zu vernichten. Was aber die drei Perlen angeht, von denen er deinem Vater geschrieben, daran ist gar nichts Wahres. Safia hatte die Perlen bei sich, mein Vater nahm sie ihr aber weg, schenkte sie mir, und ich besitze sie noch. Geh also zu deinen Truppen und führe sie, ehe sie sich zerstreuen, in ihre Heimat zurück, sonst möchten die Franken und Griechen über sie herfallen, und sie sind verloren; ich weiß, daß deine Armee noch an demselben Ort lagert, wo du sie verlassen, denn du gabst ihnen ja Befehl, drei Tage zu rasten, auch können sie nicht aufbrechen, weil sie dich vermissen.« Als Scharkan diese Erzählung hörte, blieb er eine Weile in Gedanken vertieft, dann küßte er Ibris die Hand und sagte: »Gelobt sei Gott, der dich zu meiner Rettung bestimmt hat; doch wie soll ich mich von dir trennen, ohne zu wissen, was in meiner Abwesenheit aus dir wird?« Ibris antwortete: »Geh nur zu deinen Truppen und führe sie in ihre Heimat zurück; nimm auch die Gesandten gefangen, da wirst du schon die Wahrheit hören; in drei Tagen bin ich bei euch, und wir werden zusammen nach Bagdad gelangen.« Sie bat ihn dann noch einmal, dem Bund, den sie geschlossen, treu zu bleiben und stand auf, um Abschied zu nehmen. Er umarmte sie und sprach weinend folgende Verse:

»Ich nehme Abschied von ihr und trockne mit der Rechten meine Thränen ab; während ich mit der. Linken sie umarme und an mich drücke, fragt sie mich: Befürchtest du kein Unglück? Darauf antworte ich: Der Trennungstag ist das größte Unglück der Liebenden!«

Scharkan verließ dann das Kloster, bestieg sein Pferd und ritt über die Brücke durch den Wald, bis er wieder in die Ebene kam.

Als Scharkan hier drei Reiter erblickte, nahte er sich ihnen mit Vorsicht; aber bald erkannte er den Vezier Dendan mit zwei Emiren; sie stiegen ab und begrüßten einander, und Scharkan erzählte dem Vezier alles, was ihm zugestoßen. Als er dann vom Vezier hörte, die Gesandten haben die Armee verlassen, ließ er unter seinen Truppen den Befehl zur Rückkehr bekannt machen; sie brachen auf und erreichten nach fünftägigem Marsch die Grenzen ihrer Heimat wieder. Da die Truppen hier in Sicherheit waren und ihre Landsleute ihnen mit Proviant für sie und ihre Tiere entgegenkamen, ruhten sie hier zwei Tage aus. Sodann ließ Scharkan den Vezier mit den Truppen vorausgehen, und er blieb nur mit hundert Reitern zurück. Nach zwei Tagen brach auch er auf, und als er zwei Meilen weit geritten und in einer engen Schlucht zwischen zwei Bergen war, da sah er einen dichten Staub vor sich, und als dieser sich legte, entdeckte er hundert Reiter, wie reißende Löwen, ganz in Eisen steckend. Als sie in der Nähe Scharkans und der seinigen waren, schrien sie: »Bei Johannes und Maria, nun haben wir unsern Zweck erreicht! wir sind Tag und Nacht geritten, um euch hier zuvorzukommen; nun steigt ab, legt eure Waffen nieder und ergebt euch, so wollen wir euch das Leben schenken.« Bei diesen Worten glühten Scharkans Augen vor Wut, und er sprach: »Ihr Hundschristen wagt es, uns hierher zu folgen in unser Land und eine solche Sprache mit uns zu führen? Glaubt ihr, so leicht mit uns fertig zu werden und dann wieder heimzukehren?« Er rief dann seinen Leuten zu: »Macht diesen Hunden ein Ende!« Er selbst zog sein Schwert und griff die Christen an, die sich ihrerseits mit felsenfesten Herzen schlugen; schrecklich war der Kampf, der bis zur Nacht dauerte, Scharkan zählte seine Leute, und es fehlte kein Mann; nur vier waren leicht verwundet, doch sagte er: »Bei Gott! ich habe in meinem Leben mit keinen so wackeren Rittern gekämpft.« Seine Leute sagten ihm: »Wisse, o König, ihr Anführer ist ein Franke, und ohne Gottes Gnade wären wir nicht davongekommen, denn wenn er gewollt hätte, er hätte uns alle, groß und klein, getötet.« Scharkan versetzte: »Morgen früh rücken wir wieder gegen sie aus, ich hoffe, Gott wird uns den Sieg verleihen.« Die Franken ihrerseits sagten zu ihrem Anführer: »Heute haben wir unseren Zweck nicht erreicht;« und er erwiderte ihnen: »Morgen soll die Schlacht von neuem beginnen, da fordern wir sie einzeln heraus.« So brachten beide Teile die Nacht zu, und sobald Gott wieder den Morgen leuchten ließ, bestiegen Scharkan und die Seinigen ihre Pferde und als sie auf den Kampfplatz kamen, waren die Franken schon schlagfertig. Da trat einer von den Franken aus den Reihen und rief: »Wer will meine Herausforderung annehmen!« Er hatte kaum diese Worte gesagt, da trat einer von Scharkans Leuten in die Schranken, der Franke war ganz in Gold gekleidet, mit starken Waffen in der Hand, und es dauerte nicht lange, bis er den Muselmann mit der Lanze vom Pferd stieß und ihn gefangen nahm. Er wurde jubelnd von den Seinigen empfangen, und sie erlaubten ihm nicht, sich wieder zu schlagen, sondern ein anderer trat in die Schranken, um mit dem Bruder des Gefangenen zu kämpfen, und auch dieser war bald mit der umgekehrten Lanze vom Pferd gestürzt und gefangen weggeführt; so wurden an demselben Tage zwanzig Muselmänner, einer nach dem anderen, gefangen. Scharkan war sehr betrübt und sagte abends zu seinen Leuten: »Was ist uns da geschehen! Morgen früh trete ich in die Schranken und fordere den Anführer heraus; ich will sehen, warum er in unser Land gekommen, und ihn warnen, daß er uns nicht länger bekämpfe, weigert er sich, so kämpfen wir gegen ihn, will er Frieden schließen, so nehmen wir ihn an.« Sobald der Morgen anbrach, stellten sich beide Truppen wieder auf; Scharkan wollte eben in die Schranken treten, als ein Reiter kam, den mehr als fünfzig Fußgänger bis zur Mitte des Kampfplatzes begleiteten. Dieser Ritter war der Anführer der Franken; er hatte ein blaues atlasnes Oberkleid an und sah wie der leuchtende Mond darin aus; unter diesem Kleid trug er einen starken Panzer, an seiner Seite hatte er ein indisches Schwert; er saß auf einem dunklen Renner, mit einem silbernen Flecken auf der Stirn, und hatte gar keinen Bart. Der Ritter winkte, als er mitten auf dem Kampfplatz war, den Muselmännern zu und rief in arabischer Sprache: »O Scharkan, Sohn Omars, du Länderverwüster und Schlösserbesitzer! komm hervor als Herr deiner Leute und kämpfe mit mir, denn ich bin der Anführer deiner Feinde; wer von uns den anderen besiegt, dem sollen auch alle seine Leute untertan werden.« Scharkan ritt ihm wie ein zorniger Löwe entgegen, und der Franke griff ihn mit Heldenmut an; sie kämpften den ganzen Tag wie zwei Berge, die aufeinander stoßen, oder zwei Meere, die einander entgegenwogen. Als es dunkel wurde, gingen sie auseinander. Scharkan sagte zu den Seinigen: »Ich habe in meinem Leben keinen so gewandten Ritter gesehen, der so geschickt die Lanze führt; solche Leute möchte ich unter meinen Truppen haben. Das einzige, was mir auffällt, ist, daß, so oft er Gelegenheit hatte, mir einen tödlichen Stoß zu versetzen, er die Lanze umkehrte und mit dem Schaft stieß.« Am folgenden Morgen, als Scharkan wieder auf den Kampfplatz ging, war der Franke schon da, der Kampf begann sogleich und blieb wieder den ganzen Tag unentschieden. Als sie sich des Abends trennten, sagte der Franke zu seinen Leuten: »Morgen wird es sich entscheiden.« Mit Sonnenaufgang griffen sie einander wieder an, und bis Mittag dauerte der Kampf; da wollte der Franke einen neuen Angriff tun, aber sein Pferd stolperte und warf ihn zu Boden, Scharkan fiel über ihn her und wollte mit dem Schwert nach ihm hauen, da rief ihm der Franke zu: »O Scharkan! so handelt kein Mann; so handelt nur einer, der sich von Weibern besiegen läßt.« Scharkan wurde von diesen Worten betroffen, und als er den Franken näher ins Auge faßte, erkannte er die Prinzessin Ibris, die er im Kloster kennengelernt; er warf das Schwert weg, verbeugte sich vor ihr und fragte sie, was sie bewogen, so gegen ihn zu verfahren? Sie antwortete: »Ich wollte dich auf dem Kampfplatz erproben und sehen, wie geschickt du im Krieg bist. Die Leute, die du bei mir siehst, sind meine Sklavinnen; schwache Jungfrauen haben deine Ritter besiegt, und wäre mein Pferd nicht gestolpert, so hättest du auch meine Kraft kennengelernt.« Scharkan sagte lächelnd: »Gelobt sei Gott, der uns erhalten und wieder vereinigt hat, o Königin der Zeit!« Ibris ließ dann die Mädchen absteigen und die zwanzig Gefangenen befreien. Als die Mädchen sich vor Scharkan verbeugten, sagte er zu ihnen: »Euresgleichen bedürfen Könige in der Not.« Er gab dann seinen Leuten ein Zeichen und sie verbeugten sich vor Ibris, denn schon wußten sie alles, was vorgefallen war.

Die zweihundert Reiter zogen dann sechs Tage lang miteinander, bis sie an eine Stadt kamen; da bat Scharkan Ibris, sie und ihre Frauen möchten die fränkische Kleidung ablegen und sich als Griechinnen kleiden. Am folgenden Morgen begegneten sie dem Vezier Dendan, den ihnen Omar, auf Scharkans Verlangen, mit tausend Reitern entgegengeschickt hatte; sie bewillkommten sich gegenseitig und ritten miteinander in die Residenz. Scharkan begab sich sogleich ins Schloß zu seinem Vater und berichtete ihm alles, was zwischen ihm und Ibris vorgefallen; auch ihre Absicht, für immer bei ihnen zu bleiben, und die List, die der König der Griechen angewandt hatte, in der Hoffnung, seine Tochter Safia wieder zu erhalten; er erzählte auch viel von Ibris' Tapferkeit und Gewandtheit im Krieg. Dem König Omar gab die Erzählung Scharkans eine so hohe Meinung von Ibris, daß er ihn bat, sie zu ihm zu bringen. Als Scharkan sie holte, entließ Omar alle Anwesenden und blieb allein auf dem Throne sitzen, nur von einigen Dienern umgeben. Ibris verbeugte sich vor ihm und hielt eine schöne Anrede, die ihm sehr wohl gefiel; er dankte ihr für das Gute, das sie seinem Sohn Scharkan erwiesen, hieß sie sitzen und sich entschleiern. Als sie den Schleier weghob, war Omar ganz außer sich; er ließ ihr eine Wohnung in seinem Schloß einräumen, gab ihr Mädchen zur Bedienung und bestimmte ihr ein reichliches Einkommen. Er fragte sie dann nach den Perlen, welche sie besaß; sie ging in ihr Zimmer, holte ihr Gepäck herbei, zog eine goldene Schachtel hervor, öffnete sie und nahm die drei Perlen heraus, küßte sie und überreichte sie dem König. Omar ließ seinen Sohn Scharkan rufen, schenkte ihm eine dieser Perlen und sagte dazu: »Die zweite ist für deinen Bruder und die dritte für deine Schwester.« Scharkan, der immer nur von einer Schwester wußte, sagte erstaunt: »Vater, hast du denn einen Sohn außer mir?« Omar antwortete: »Jawohl! er ist nun sechs Jahre alt und heißt Dhul Makan; er ist ein Zwillingsbruder der Nushat Assaman.« Scharkan war sehr betrübt über diese Nachricht; er warf im Zorn die Perle weg und zerriß seine Kleider. Omar fragte ihn: »Warum sehe ich dich auf einmal so verändert? Du bleibst doch mein Thronfolger, die Armee hat dir schon den Eid der Treue geschworen und steht unter deinen Befehlen, warum nimmst du nicht eine dieser drei Perlen?« Scharkan schlug den Kopf zur Erde nieder, schämte sich vor seinem Vater und wußte vor Zorn nicht, was er beginnen sollte. Er ging hierauf zu Ibris, setzte sich neben sie und erzählte ihr, was er von seinem Vater erfahren, und wie dieser zwei Perlen seinem Bruder und seiner Schwester geschenkt habe; dann setzte er noch hinzu: »Wisse, daß ich auch für dich besorgt bin; Omar hat ein Aug auf dich geworfen, ich fürchte, er wird dich heiraten wollen: was wirst du dazu sagen?« Ibris antwortete: »O Scharkan! der König hat keine Gewalt über mich, er kann ohne meinen Willen mich nicht heiraten, und eher nehme ich mir das Leben, als daß ich mich zwingen lasse. Was die Perlen betrifft, so glaubte ich nicht, daß er sie verschenken würde; ich dachte, er würde sie in seine Schatzkammer verschließen; ich bitte dich nun, mir die Perle zurückzugeben, die er dir geschenkt hat.« Als Scharkan sie ihr gab, sagte sie: »Wie sehr fürchte ich, wenn mein Vater hört, daß ich hier bin, er möchte mit Safias Vater sich vereinigen und hierher ziehen; das wird einen großen Krieg geben.«

Scharkan erwiderte der Prinzessin Ibris: »Kehre dich nicht daran, wenn du gerne hier bleibst; fürchte nichts, wenn auch alle Bewohner der Erde und der Meere sich gegen uns verbünden.« – »Gut!« rief Ibris, »solang ihr mir Gutes erweiset, bleibe ich bei euch, mißhandelt ihr mich aber, so ziehe ich weg.« Nach einer langen Unterhaltung aßen und tranken sie miteinander, dann verließ sie Scharkan mit betrübtem Herzen. Sein Vater Omar hatte inzwischen Safia besucht, und die zwei Perlen den ihm entgegenkommenden Kindern umgehängt. Die Kinder freuten sich sehr damit, liefen zu ihrer Mutter und küßten dem Vater die Hände. Er sagte dann zu Safia: »Warum hast du mir niemals gesagt, daß du die Tochter des Königs Feridun bist? ich hätte dir mehr Ehre erwiesen und dich viel höher gestellt.« Safia antwortete: »Was bleibt mir zu wünschen übrig bei der Fülle von Wohltaten, mit denen du mich überhäufst; und nun hat mir ja auch Gott noch einen Sohn und eine Tochter von dir beschert.« Omar war mit dieser Antwort sehr zufrieden, und sobald er sich von ihr trennte, ließ er ihr und ihren Kindern einen eigenen wundervollen Palast einräumen, bestimmte ihnen Diener, Gefolge, Lehrer, Ärzte, Astrologen und Pförtner, und war äußerst zärtlich und liebevoll gegen sie. Indessen zog bald die Prinzessin Ibris ihn so sehr an, daß er sich Tag und Nacht mit ihr beschäftigte; er besuchte sie jeden Abend und gab ihr in seiner Unterhaltung sein Verlangen nach ihrem Besitz zu erkennen. Aber Ibris schenkte ihm kein Gehör, und gab vor, sie habe gar keine Freude an Männern. Dies vermehrte noch des Königs Leidenschaft, die einen solchen Grad erreichte, daß er seinen Vezier Dendan rufen ließ und ihm seine Liebe zu Ibris und ihre Härte klagte. Dendan sagte zum König: »Wenn es Nacht wird, so nimm etwas Bendj mit, trinke Wein mit ihr, und wenn die Zeit kommt, wo ihr vom Wein aufzustehen pflegt und du ihr den letzten Becher reichst, so wirf das Bendj hinein; sie wird kaum an ihr Bett kommen, wird es schon wirken; du gehst dann zu ihr und hast keinen Widerstand zu befürchten; das ist mein Rat.« Omar befolgte diesen Rat, steckte Bendj in die Tasche und begab sich, sobald es Nacht war, zu Ibris, setzte sich zu ihr und sprach von den Freuden des Weins. Da ließ Ibris den Weintisch mit allerlei Früchten und Süßigkeiten bringen, trank und unterhielt sich mit Omar, bis ihr der Wein ein wenig in den Kopf stieg; sobald Omar dies sah, füllte er noch einen Becher und trank ihn aus, schenkte wieder ein und reicht ihn Ibris, nachdem er, ohne daß sie es merkte, Bendj hineingeworfen hatte. Omar wartete, bis das Bendj auf sie gewirkt hatte, ging dann zu ihr und war außer sich vor Freude, als er sie ganz bewußtlos auf ihrem Bett liegend, mit einem Wachslicht zu ihren Häupten und einem zu Füßen fand. Er fiel leidenschaftlich über sie her und umarmte sie, sagte dann beim Weggehen einer ihrer Sklavinnen, welche Murdjana hieß: »Geh hinein zu deiner Herrin!« Als Murdjana ihre Herrin bewußtlos auf ihrem Bett fand, wusch sie ihr Gesicht, Hände und Füße mit Rosenwasser. Dies machte Ibris nießen und das Bendj von sich werfen. Sie wusch sich dann den Mund und sagte zu Murdjana: »Erzähle mir, was mir geschehen!« Murdjana erzählte ihr alles, was sie wußte, und Ibris war sehr betrübt, als sie erfuhr, daß Omar sich durch List ihr genähert habe. Sie schloß sich ein und gab ihren Sklavinnen den Auftrag, allen, die nach ihr fragen, zu sagen, sie sei krank, So blieb sie mehrere Monate abgeschlossen; der König, der sie auch für krank hielt, schickte ihr süße Speisen und Getränke, drang aber nicht darauf, sie zu sehen, denn schon war das Feuer seiner Liebe erloschen. Ibris fühlte bald die unglücklichen Folgen der gelungenen List Omars, und als die Zeit der Entbindung herannahte, sagte sie zu Murdjana: »Wisse, daß ich gegen niemand mehr, als gegen mich selbst, klagen kann, weil ich Vater und Mutter und Vaterland verlassen; nun ist mir das Leben zuwider, alle meine Kraft und mein Unternehmungsgeist ist dahin. Ich kann kaum mehr ein Pferd besteigen, während ich früher ein jedes zu bändigen vermochte. Bleibe ich hier und komme hier nieder, werde ich vor allen Mädchen zuschanden, geh ich nach Hause zurück, mit welchem Gesicht soll ich meinem Vater entgegentreten? Doch will ich lieber zu den Meinigen zurückkehren, die mich in gefallenem Zustand aufnehmen werden, Gott mag mit mir verfahren, wie er will; ich bin entschlossen, heimlich von hier wegzureisen.« Murdjana sagte: »Befiehl, was du willst, Prinzessin! ich gehorche.« Ibris legte dann erst einstweilen, ohne etwas zu sagen, ihre Effekten zurecht und wartete, bis der König auf die Jagd ging und Scharkan sich in seinen Festungen aufhielt. Sie sagte dann zu Murdjana: »Ich möchte diese Nacht abreisen, doch, was soll ich tun, ich kann jeden Augenblick niederkommen und habe keine Kraft mehr, Waffen zu tragen; du mußt dich nach einem Mann umsehen, der uns begleite und auf der Reise beistehe.« Murdjana erwiderte: »Ich weiß keinen besseren als Ghadhban, den schwarzen Sklaven, den uns Omar zum Pförtner gegeben; er ist tapfer, und da wir ihm schon viel Gutes erwiesen haben, wird er uns folgen; ich will einmal mit ihm reden und ihm recht viel Geld und eine Frau, wie er sie wünscht, versprechen; er hat mir gesagt, er sei früher Straßenräuber gewesen, wenn er uns Gehör gibt, kann er uns am besten in unsere Heimat führen.« Da Ibris selbst mit Ghadhban sprechen wollte, begab sich Murdjana zu ihm und sagte ihm: »Gott hat für dein Glück gesorgt, wenn du tust, was deine Herrin von dir begehrt«, und führte ihn zu ihr. Ghadhban küßte Ibris die Hand; sein Anblick erregte Schaudern in ihr, doch gab sie der Not nach und fragte ihn, ob er gegen die Tücken des Geschicks ihr beistehen und ihr Geheimnis treu bewahren wolle? Ghadhban warf einen Blick auf sie und fühlte eine so starke Liebe zu ihr, daß er ohne Zaudern sagte: »Meine Herrin! ich werde allen deinen Befehlen gehorchen.« – »So sattle ohne Zaudern«, sagte Ibris, »zwei Pferde aus dem königlichen Stall und zwei Kamele, lege auf jedes einen Sack mit Geld und Proviant, folge uns in unsere Heimat und begleite uns, dann gebe ich dir auch das schönste meiner Mädchen zur Frau und so viel Geld du willst; es steht dir dann frei, bei uns zu bleiben oder wieder hierher zurückzukehren.« Dieser Vorschlag freute Ghadhban so sehr, daß er sagte: »Gewiß, meine Herrin! ich werde mit meinen Augen und meinem Herzen dir dienen, ich gehe sogleich und hole die Pferde.« Er ging freudig weg und dachte bei sich: sie darf mir auf der Reise nichts versagen – sonst töte ich sie und nehme ihr alles weg.

Nach einer kurzen Weile kam Ghadhban wieder mit zwei Kamelen und drei Pferden, eins für sich, eins führte er der Prinzessin vor und das dritte Murdjana. Sie reisten nun im Gebirge den ganzen Tag nebeneinander her; gegen Abend fühlte Ibris ihre Entbindung so nahe, daß sie Ghadhban bat, sie vom Pferd zu heben. Als sie aber abgestiegen war, zog der Teufel in Ghadbans Herz, und seiner Leidenschaft nicht mehr Herr, lief er mit gezogenem Schwert auf sie zu und drohte ihr mit dem Tode, wenn sie seine Umarmung nicht dulden wollte. Aber Ibris stieß ihn von sich und sagte: »Nun fehlt mir nichts mehr, als auch noch von einem schwarzen Sklaven geschändet zu werden, nachdem ich schon einen großen König verschmäht habe. Wehe dir! wie du wagst es, so mit mir zu sprechen? lieber würde ich den Todeskelch leeren, als mich dir hingeben.« Der Schwarze wurde so aufgebracht, daß er Ibris am Hals verwundete; in diesem Augenblick kam sie nieder und Murdjana eilte herbei, um sie zu unterstützen. Als sich hierauf in der Ferne ein mächtiger Staub erhob, versetzte ihr Ghadhban noch einen Hieb in den Hals, woran sie starb, und entfloh ins Gebirge mit ihrem Pferd und ihrer ganzen Habe. Murdjana nahm den Sohn, den Ibris vor ihrem Tode geboren, zu sich und stillte ihn an ihrer Brust, zerriß ihre Kleider, streute Erde auf ihr Haupt, schlug sich ins Gesicht, bis sie blutete, und schrie: »Wehe! meine Herrin ist von einem nichtswürdigen Sklaven erschlagen worden.« So jammerte und weinte sie fort, bis sich der Staub legte und sie eine mächtige Armee herbeikommen sah. Es war die Armee des Königs Hardub, der, sobald er gehört, daß seine Tochter mit ihren Mädchen entflohen sei, sich auf den Weg gemacht hatte, um Kundschaft von ihr einzuziehen. Als der König seine Tochter erkannte, warf er sich vom Pferd herunter und fiel ohnmächtig zu Boden. Alle seine Leute, die Veziere und Fürsten, die bei ihm waren, stiegen ab, ließen ein Zelt für den König aufschlagen und blieben außen vor dem Zelt stehen. Als der König wieder zu sich kam, ließ er sich von Murdjana den ganzen Hergang der Sache erzählen, und das Verfahren Omars und des Sklaven gegen seine Tochter erbitterte ihn so sehr, daß ihm die Welt ganz schwarz vor seinen Augen erschien; er weinte heftig und alle Anwesenden weinten mit ihm; er ließ dann seine Tochter in einen Sarg legen und nach Cäsarea bringen; er aber begab sich sogleich zu seiner Mutter Dsat Dawahi, und sagte ihr: »Sieh! wie die Muselmänner mit meiner Tochter umgegangen sind; zuerst hat der König Omar sie mit Gewalt entehrt, dann hat ein schwarzer Sklave sie erschlagen; bei dem Messias! wir müssen Rache nehmen und die Schmach tilgen oder ich mache meinem Leben ein Ende.« Dsat Dawahi erwiderte: »Niemand anders, als Murdjana, hat deine Tochter erschlagen, sie haßte sie schon lange innerlich. Was aber die Rache an Omar betrifft, so sei ganz unbesorgt; bei dem Messias! ich werde ihn und seine Kinder erschlagen und Taten vollbringen, die noch kein Held vollbracht und von denen die Erzähler in allen Ländern erzählen werden; tu nur, was ich fordere, du wirst deinen Zweck erreichen.« – »Und was befiehlst du mir?« sagte Hardub. Die Alte fuhr fort: »Bringe mir schöne Jungfrauen und schaffe mir die gelehrtesten Männer der Zeit herbei, daß sie die Mädchen in allen Wissenschaften ausbilden, besonders in der Poesie und Beredsamkeit und in der Art, mit Königen zu verkehren; die Gelehrten müssen aber Muselmänner sein, damit sie die Geschichte der Kalifen und die Sagen der alten Araber lehren. Habe nur Geduld, wenn es auch mehrere Jahre dauert, denn die Araber pflegen zu sagen: Nach vierzig Jahren Blutrache nehmen, ist auch noch bald.«

Es sagt der Erzähler, daß die alte Dsat Dawahi zu ihrem Sohn, dem König Hardub, also weiter gesprochen: »Ich weiß, daß Omar sehr die Vergnügungen der Welt liebt, er hat dreihundertundsechzig Mädchen, und nun noch hundert dazu von der Umgebung deiner seligen Tochter; wenn daher die Jungfrauen gehörig unterrichtet sein werden, so reise ich mit ihnen zu ihm.« Der König küßte seine Mutter vor Freude über ihren Rat und schickte sogleich Leute aus, um muselmännische Gelehrte zu werben. Als sie ankamen, überhäufte er sie mit Geschenken und versprach ihnen reichen Lohn, wenn sie die Jungfrauen unterrichten wollten, die er ihnen vorstellte, und die Gelehrten erboten sich, ganz nach seinem Wunsch zu handeln. –

Omar war sehr betrübt, als er von der Jagd zurückkam und Ibris nirgends zu finden war; er konnte nicht begreifen, wie sie aus dem Schloß entkommen konnte, ohne daß jemand sie bemerkt habe, und beschloß, daß, wenn er in Zukunft wieder auf die Jagd gebe, er die Türen durch vertraute Leute bewachen lassen werde, da sonst sein ganzes Reich zugrunde gehen könnte. Bald nachher kam auch Scharkan von seinen Kriegszügen zurück, und als sein Vater ihm erzählte, daß Ibris heimlich entflohen, war auch er sehr betrübt darüber. Scharkan grämte sich ohnehin schon, weil sein Vater seine Geschwister so zärtlich liebte und durch die gelehrtesten Männer erziehen ließ, er suchte zwar seinen Groll zu verbergen, aber sein entstelltes Aussehen verriet ihn. Eines Tages fragte ihn sein Vater, warum er so übel aussehe? Er antwortete: »So oft ich sehe, daß du meinen Geschwistern Liebe und Aufmerksamkeit erweisest, tut es meinem Herzen weh, ich fürchte, mein Neid möchte so stark werden, daß ich sie umbringe, und dann würdest du auch mich um ihretwillen töten; ich bitte dich daher, mir irgend eine Festung zu schenken, in der ich fern von hier lebe; denn ein Sprichwort sagt: Was das Aug' nicht sieht, betrübt das Herz nicht.« Als Omar aus diesen Worten den heftigen Neid seines Sohnes erkannte, sagte er ihm: »Mein Sohn! ich will deinen Wunsch erfüllen und dich zum Statthalter von Damaskus ernennen, der größten Stadt in meinem Reich.« Er sandte sogleich einen Eilboten dahin, um Scharkan anzukündigen, und ließ die gehörigen Bevollmächtigungsschreiben ausfertigen; Scharkan machte die nötigen Vorbereitungen zur Reise, ebenso Dendan, der ihn als Vezier begleiten sollte. Nachdem alles zur Reise bereit war, empfahl Omar seinem Sohn, mit Milde und Gerechtigkeit zu regieren, dann nahmen er und alle Vornehmen des Reichs Abschied von ihm, und Scharkan machte sich mit seinen Truppen auf den Weg nach Damaskus, wo bei seiner Ankunft Trompeten und Pauken vor ihm her erklangen und alle Straßen der Stadt festlich geschmückt waren.

Bald nach Scharkans Abreise kamen die gelehrten Erzieher Dhul Makans und Nushat Assamans zu ihrem Vater und sagten ihm: »Herr! deine Kinder sind in jeder Wissenschaft vollkommen ausgebildet.« Omar belohnte die Lehrer reichlich und entließ sie. – Dhul Makan hatte ein Alter von vierzehn Jahren, er war sehr fromm, beschäftigte sich viel mit dem Koran und anderen religiösen Büchern, liebte die Gelehrten und Armen, und war deshalb bei allen Bewohnern Bagdads, Männern und Frauen, sehr beliebt. Einst, als die Karawane der Pilgerfahrt abreiste, bat er seinen Vater, ihn auch wallfahren zu lassen, aber Omar erlaubte es nicht und sagte: »Warte bis zum nächsten Jahr, da pilgern wir miteinander.« Da aber Dhul Makan sehr ungeduldig war, ging er zu seiner Schwester, welche gerade betete, und sagte zu ihr, nachdem sie ihr Gebet vollendet hatte: »Ich sterbe vor Sehnsucht nach dem heiligen Haus Gottes und dem Grab des Propheten, und da mein Vater mir nicht erlauben will, zu pilgern, so werde ich etwas Geld zu mir nehmen und diese Nacht heimlich der Pilgerkarawane nachreisen.« Nushat Assaman erwiderte: »Ich beschwöre dich bei Gott! nimm mich mit dir, ich will auch das Grab des Propheten besuchen.« Dhul Makan willigte ein und sagte: »Verlasse dein Zimmer um Mitternacht, ohne jemandem etwas davon zu sagen.« Nushat Assaman nahm einiges Geld zu sich, kleidete sich als Mann und wartete vor der Tür des Schlosses, bis Dhul Makan geritten kam und sie zu sich nahm. Sie mischten sich dann in der Nacht unter die Karawane und Gott ließ sie glücklich nach Mekka gelangen. Sie hielten sich in Arafa auf und erfüllten dort die Pflichten des Pilgers, dann besuchten sie das Grab des Propheten. Als hernach die Karawane wieder in die Heimat zurückkehrte, sagte Dhul Makan zu seiner Schwester: »Bei Gott! ich habe im Sinn, das heilige Jerusalem und das Grab des geliebten Abraham auch zu besuchen.« Nushat Assaman erklärte sich bereit, ihm zu folgen, und so gesellten sie sich zur Karawane von Syrien. Aber in der Nacht erkältete sich Dhul Makan und wurde so krank, daß Nushat Assaman, obschon selbst leidend, einzig mit seiner Pflege beschäftigt war. Indessen setzten sie doch ihre Reise nach Jerusalem fort und mieteten eine Wohnung in einem Chan; aber Dhul Makans Krankheit nahm immer zu, obschon seine Schwester ihn sorgfältig pflegte und all ihr Geld für ihn ausgab. – Als Nushat Assaman kein Geld mehr hatte, gab sie dem Diener des Chans einige ihrer Effekten zu verkaufen, und fuhr so fort, bis ihr nur noch eine zerrissene Matte blieb; dann rief sie aus: »Nun stehe Gott uns bei!« In diesem Augenblick sagte Dhul Makan: »Ich fühle mich besser und habe Lust, gebratenes Fleisch zu essen.« Sie mußte ihm nun gestehen, daß sie nichts mehr habe und sich nicht entschließen könne, zu betteln; »aber weißt du«, fuhr sie fort, »ich will morgen bei irgend einem vornehmen Mann Dienst nehmen; es fällt mir zwar schwer, mich von dir zu trennen, doch muß ich das tun, um uns zu ernähren.« Dhul Makan erwiderte: »Sollst du nach einer solchen Herrlichkeit so tief sinken? Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Sie weinten lange miteinander, dann sagte Nushat Assaman: »Wir sind hier fremd und leben schon ein Jahr, ohne daß jemand an unsere Tür geklopft, wir müssen vor Hunger sterben, wenn ich nicht diene, bis du gesund wirst und wir in unsere Heimat zurückreisen können.« Sie stand dann auf, bedeckte ihr Haupt mit einem Lumpen, den der Kameltreiber bei ihnen vergessen hatte, küßte und umarmte ihren Bruder, und ging weg, ohne zu wissen, wohin. Es wurde Nacht, ihr Bruder erwartete sie, aber sie kam nicht, auch des Morgens ließ sie sich nicht sehen; nachdem nun Dhul Makan vergebens zwei Tage gewartet und den schrecklichsten Hunger gelitten hatte, rief er dem Jungen des Chans und bat, ihn, er möchte ihn auf die Straße tragen; der Junge trug ihn hinaus, und als die Bewohner Jerusalems ihn in einem so erbärmlichen Zustand sahen, versammelten sie sich um ihn und weinten.

Dhul Makan gab den Bewohnern Jerusalems durch Zeichen zu verstehen, sie möchten ihm etwas zu essen bringen; man sammelte Geld für ihn, kaufte einige Speisen und gab sie ihm zu essen. Dann legte man ihn vor einem Laden auf einen Teppich und stellte ihm einen Wasserkrug zu Häupten. Gegen Mitternacht grämte er sich aber so sehr über den Verlust seiner Schwester, daß er wieder ohnmächtig wurde; da sammelten die Leute, die ihn alle bedauerten, dreißig Silberdrachmen für ihn, mieteten ein Kamel und ließen ihn ins Spital nach Damaskus bringen. Aber der Kameltreiber, der nur wenig Lohn erhielt, dachte: wie soll ich mit diesem Menschen reisen, der dem Tod ganz nahe ist? Er verbarg sich daher bis Nacht, und warf ihn auf einen Misthaufen in der Nähe eines Badofens. Als morgens der Badheizer das Bad wärmte, sah er Dhul Makan auf dem Rücken liegen und dachte: Warum mußten sie diese Leiche gerade hierher werfen? Er trat ihn dann mit den Füßen weg. Da aber Dhul Makan Lebenszeichen von sich gab, sagte ihm der Badherr: »Ihr Leute esset so viel Haschisch, bis ihr nicht mehr wisset, wo ihr euch hinlegt;« als er ihm aber ins Gesicht sah und einen jungen, bartlosen, hübschen Mann fand, bemitleidete er ihn und dachte: Dieser Jüngling scheint hier fremd und krank zu sein; bei Gott! ich will mich nicht an ihm versündigen. Der Prophet hat uns befohlen, Fremde zu ehren: dieser verdient es noch mehr, da er krank ist. Er trug ihn hierauf in sein Haus, brachte ihn seiner Frau, befahl ihr, ihn zu bedienen und ein Bett für ihn zurechtzulegen. Die Frau räumte ihm ein Zimmer mit Teppich und Kissen ein, wärmte Wasser und wusch ihm Hände, Füße und Gesicht. Der Mann kaufte dann etwas Rosenwasser und bespritzte Dhul Makans Gesicht damit, auch reichte er ihm süße Getränke und ein reines Hemd. Als Dhul Makan zu sich kam und sich auf das Kissen lehnte, freute sich der Badheizer sehr, dankte Gott, und betete, daß es ihm gelingen möchte, diesen Jüngling durch seine Pflege wieder ganz herzustellen. – Drei Tage lang gab der Badheizer Dhul Makan Rosenwasser und andere kühlende Getränke zu trinken, bis er sich wieder besser befand; dann ging er auf den Markt, kaufte zehn Hühner, gab sie seiner Frau und sagte ihr: »Koche jeden Tag zwei davon, eins zum Mittag- und das andere zum Abendessen.« Die Frau tat dies und gab Dhul Makan die Suppe davon zu trinken und das Fleisch zu essen; dann reichte sie ihm Wasser zum Waschen, legte ihm wieder seine Kissen zurecht, deckte ihn mit einem Tuch zu und blieb bei ihm sitzen, bis er einschlief. Nachmittags kochte sie ihm das zweite Huhn und brachte es ihm. Während er aß, kam ihr Mann herein und freute sich, Dhul Makan wieder gestärkt zu finden. Der Badheizer, der täglich fünf Drachmen verdiente, gab nun einen ganzen Monat lang jeden Tag vier Drachmen für Hühner und Getränke aus. Nach einem Monat, als Dhul Makan ganz hergestellt war, fragte ihn der Badheizer, ob er mit ihm ins Bad wolle? »Recht gern«, antwortete Dhul Makan. Da holte der Badheizer einen Esel und ließ Dhul Makan darauf ins Bad reiten, und kaufte auch allerlei Seife. Sie entkleideten sich im ersten Zimmer, gingen dann ins zweite und der Badheizer rieb Dhul Makan die Füße und wusch ihn am ganzen Körper mit Seife. Dann kam der Baddiener, welchen der Herr des Bades geschickt hatte, um Dhul Makan zu waschen, und als er sah, daß der Badheizer ihm die Füße rieb, sagte er: das ist ein Eingriff in die Rechte des Herrn. Der Badheizer erwiderte: der Herr überhäuft uns mit Wohltaten. Der Diener aber rasierte Dhul Makan den Kopf. Der Badheizer gab ihm dann eins von seinen Hemden, ein Kleid, einen Gürtel und eine Kopfbinde, führte ihn nach Hause, wo ihm seine Frau wieder Hühner kochte, die er ihm zu essen gab, während er ihn die Brühe nebst anderen süßen Getränken trinken ließ.

Als Dhul Makan nun dem Badheizer für seine Pflege danken wollte, sagte ihm dieser: »Laß dies! erzähle mir lieber, woher du bist und wie du hierhergekommen, denn ich sehe wohl, daß du von guter Familie sein mußt.« Dhul Makan erwiderte: »Erzähle du mir erst, wo du mich gefunden, dann sollst du meine Geschichte hören.« Der Badheizer sagte: »Ich habe dich krank auf dem Mist liegen sehen, als ich eines Morgens das Bad heizen wollte, mehr weiß ich nicht.« Da rief Dhul Makan: »Gepriesen sei Gott, der tote Gebeine wieder belebt; du hast gewiß deine Wohltaten keinem Unwürdigen erwiesen, du sollst die Früchte davon ernten.« Er fragte dann, in welcher Stadt er sich befinde? und als der Badheizer ihm Jerusalem nannte, fiel ihm wieder seine Verlassenheit und seine verlorene Schwester ein. Er erzählte dem Badheizer hierauf seine ganze Geschichte, weinte und sprach folgende Verse:

»Ich habe über meine Kräfte zu tragen, darum kann man mich schon zu den Sterbenden zählen; habt Mitleid mit meinem Herzen, denn selbst Schadenfrohe bedauern mich seit eurer Trennung, geizt nicht mit einem freundlichen Blick auf mich, der meinen Zustand mildere. Ich habe mein Herz zur Geduld ermahnt, aber es hat mir erwidert: das ist gegen meine Gewohnheit.«

Dhul Makan fragte dann den Badheizer: »Wie weit ist es von hier nach Damaskus?« – »Sechs Tagreisen.« – »Willst du mich wohl dahin schicken?« – »Du bist noch zu jung, um diese Reise allein zu machen, ich werde dich dahin begleiten und meine Frau fragen, ob sie mitreisen will; tut sie dies, so bleiben wir dort beisammen, denn ich kann mich nicht mehr von dir trennen.« Der Badheizer begab sich sogleich zu seiner Frau und fragte sie, ob sie hierbleiben und ihn zurückerwarten, oder ob sie mit ihm nach Damaskus reisen wolle? und da sie letzteres vorzog, wurden die Anstalten zu einer gänzlichen Auswanderung getroffen. – Sie verkauften ihre Mobilien, kauften ein Kamel zu dem Esel, den sie schon hatten, versahen sich mit Proviant und machten sich auf den Weg nach Damaskus. Sie kamen am sechsten Tag vor Sonnenuntergang daselbst an und lebten fünf Tag in einem Chan; da wurde die Frau des Badheizers plötzlich krank und starb am folgenden Tage. Dies betrübte Dhul Makan ebenso sehr, als ihren Mann, weil sie ihn sehr sorgsam gepflegt hatte; doch tröstete er den Badheizer und sagte ihm: »Gräme dich nicht zu sehr, wir müssen ja alle durch dieses Tor wandern.« Nach einigen Tagen, als sie miteinander ausgingen, um sich ein wenig zu zerstreuen, sahen sie vor den Ställen des Statthalters Kamele mit Kisten voller Seidenstoffe beladen, denen viele gesattelte edle Pferde, Sklaven und Mamelucken folgten, und um die sich viele Leute neugierig drängten. Dhul Makan fragte einen Diener, wem dies alles gehöre? Der Diener antwortete: »Es sind Geschenke des Statthalters und der Tribut, den die Stadt Damaskus dem König Omar entrichtet.« Als Dhul Makan dies hörte, schwammen seine Augen in Tränen und er rezitierte folgende Verse:

»Sind sie auch aus meinen Augen gewichen, so bleiben sie doch in meinem Herzen fest; ich sehe ihre Reise nicht mehr, doch hat sich meine Sehnsucht nicht in mir geändert, vereint uns Gott wieder, so will ich eine lange Geschichte von meinem Liebesschmerz erzählen.«

Bei der Erinnerung an seine Heimat schrie und jammerte er dann so heftig, daß der Badheizer ihn bat, seine erst wieder gefundene Gesundheit zu schonen; aber er klagte immer über den Verlust seiner Schwester und seine Entfernung von der Heimat. – Nach langem Weinen rief er endlich: »Ich kann unmöglich hier bleiben, ich bin entschlossen, diesen Leuten in meine Heimat zu folgen.« Der Badheizer sagte: »Ich folge dir, denn ich kann mich nicht von dir trennen, ich habe nun einmal begonnen, dir zu dienen, ich will fortfahren, bis ans Ende.« Dhul Makan freute sich und dankte dem Badheizer, der sogleich sein Kamel verkaufte und einen Esel dafür eintauschte, und abends reisten sie miteinander ab. – Was aber Dhul Makans Schwester, Nushat Assaman, angeht, so begegnete sie, als sie weinend ihren Bruder verlassen hatte und, um einen Dienst zu suchen, auf die Straße gegangen war, einem Beduinen, dem sie so wohl gefiel, daß derselbe danach trachtete, sie sich anzueignen, sie möge aus Jerusalem oder eine Fremde sein. Er stellte sich ihr daher in einer engen Straße in den Weg und fragte sie, ob sie eine Freie oder eine Sklavin sei? Sie blickte ihn starr an und beschwor ihn, durch eine solche Frage ihren Gram nicht zu vermehren. Da sagte der Beduine: »Wisse, Gott hat mir sechs Töchter geschenkt, es sind aber fünf davon gestorben, nur die jüngste lebt noch; ich wollte dich darum fragen, ob du ein hiesiges Mädchen oder ein fremdes bist, und als meiner Tochter Gesellschafterin mit mir kommen willst? Wenn du keine Verwandten hast, so will ich dich wie eine Tochter betrachten.« Nushat Assaman, welche hier eine sichere Stelle zu erlangen hoffte, erwiderte: »Wisse, mein Herr, ich bin eine Araberin und habe hier einen kranken Bruder; gerne folge ich dir, aber unter der Bedingung, daß ich den Tag bei deiner Tochter zubringe, die Nacht aber bei meinem Bruder.« Als der Beduine diese Worte hörte, dachte er: bei Gott! ich komme bald ans Ziel, und sagte ihr: »Du wirst bei mir sehr gut gehalten werden, ich will dich nicht als Dienerin, sondern als Gesellschafterin meiner Tochter; du kannst jeden Abend zu deinem Bruder gehen oder, wenn du willst, ihn zu uns bringen lassen.« Er sagte ihr dann noch so viele süße Worte, bis sie sich entschloß, ihm zu folgen. Der Beduine schickte hierauf seine Leute voraus, um ihre Dromedare mit Lebensmitteln zu beladen und sich ganz reisefertig zu machen. Dieser Beduine war nämlich ein Satan, ein Teufelskind, ein Straßenräuber, der weder eine Tochter, noch sonst Familie hatte; er führte Nushat Assaman bis an das Tor der Stadt, wo seine Leute mit den Dromedaren ihn erwarteten; hier bestieg er ein Dromedar, nahm das Mädchen zu sich und ritt davon, ohne die ganze Nacht stillzuhalten. Nushat Assaman sah bald den Verrat ein, sie weinte die ganze Nacht, aber der Beduine ritt immer fort, bis er im Gebirge war, wo er nichts zu fürchten hatte. Da stieg er ab und sagte zu Nushat Assaman: »Was weinst du immerfort? Bei Gott! wenn du nicht aufhörst, so schlage ich dich, bis du liegen bleibst, du elender Wurm!« Nushat Assaman wünschte sich den Tod, als sie diese Worte hörte, und rief: »Du verruchter Alter, du Höllengreis! ich vertraute dir meine Person an und du verrätst mich? Ist das bei den Arabern Sitte?« Der Beduine wurde aufgebracht und schrie sie an: »Wie? du wagst es, mir zu antworten?« Er holte dann eine Peitsche herbei und schlug sie, bis sie still war.

Am folgenden Tag erinnerte sich Nushat Assaman wieder ihres Bruders und sagte dem Beduinen: »Du verdammter Alter! was willst du von mir, daß du mich durch List in dieses öde Gebirge geschleppt?« Der hartherzige Beduine schlug sie wieder, bis sie bewußtlos ihm zu Füßen stürzte und sie küßte; dann sagte er: »Bei Gott! wenn du noch einmal weinst, schneide ich dir die Zunge ab und stoße sie dir in den Rachen.« Nushat Assaman schwieg eine Weile, dachte über ihre traurige Lage nach und sprach folgende Verse:

»Das Schicksal ist veränderlich, es bringt bald Freude, bald Leid; alles vergeht, wenn es auch noch solange dauert, so wie dem Dasein des Menschen selbst auch ein Ziel gesetzt wurde. Aber wehe mir! wie lange muß ich noch solche Gewalt und solche Schrecken ertragen; einst wurde ich von Königen verzärtelt, und nun werde ich von den gemeinsten Menschen geschlagen.«

Als der Beduine diese Verse hörte, wurde er gerührt und sagte ihr: »Höre, ich habe nicht gerne, wenn man mir im Zorn antwortet, tu das nicht mehr, dann verkaufe ich dich einem gottesfürchtigen Mann, der dich gut behandeln wird.« Er wischte ihr dann die Tränen ab und gab ihr ein Laibchen Gerstenbrot, das sie in der Nacht verzehrte. Um Mitternacht erteilte der Beduine wieder den Befehl zum Aufbruch. – Nach einer dreitägigen Reise kamen sie nach Damaskus und stiegen in einem Chan ab. Nushat Assaman sah sehr übel aus und weinte immerwährend. Da sagte ihr der Beduine: »Wenn du nicht aufhörst zu weinen, so verkaufe ich dich einem Juden oder einem Christen, dann wirst du erst einsehen, wie wohl es dir bei mir erging.« Er nahm sie dann bei der Hand und ging mit ihr auf den Bazar der Abendländer. Er begab sich hierauf zu einigen Sklavenhändlern und erzählte, daß er eine Sklavin habe, deren kranker Bruder in Jerusalem zurückbleiben mußte, worüber sie sich sehr gräme, er wolle sie daher wohlfeil hergeben. Da fragte ihn ein Kaufmann: »Wie alt ist sie denn?« Der Beduine antwortete: »Sie ist noch Jungfrau, ist sehr schön, verständig und gebildet; nur sieht sie jetzt mager und übel aus, weil sie immer an ihren Bruder denkt.« Der Kaufmann folgte dem Beduinen, um die Sklavin zu sehen und mit ihr zum Statthalter Scharkan, dem Sohn Omars, zu gehen, von dem er einen Freibrief und ein Empfehlungsschreiben an seinen Vater wünschte; »gefällt ihm die Sklavin«, sagte er zum Beduinen, »und will er sie zum Geschenk annehmen und mir meine Bitte gewähren, so bezahle ich dir ihren Wert, wo nicht, so mußt du sie zurücknehmen.« Der Beduine sagte: »In Gottes Namen; ich nehme diese Bedingung an«, und führte den Kaufmann ins Zimmer, wo die Sklavin war. Er rief sie: »Radjia!« denn diesen Namen hatte er ihr gegeben – sie aber weinte und gab keine Antwort. Der Beduine sagte dann dem Kaufmann: »Dort sitzt sie, nähere dich ihr und sage ihr einige freundliche Worte.« Der Kaufmann ging mit freundlichem Gesicht auf sie zu und sagte: »Friede sei mit dir! wie geht es dir, meine Tochter?« Sie rief: »Es gibt keinen Gott, außer Gott! es war so über mich verhängt.« Als sie aber den Kaufmann anblickte und einen schönen, ehrwürdigen Mann vor sich sah, dachte sie: der will mich gewiß kaufen, weigere ich mich, so bleibe ich, Gott behüte! bei meinem Tyrannen, der mich noch totschlägt; ich will ihm daher freundlich antworten, um ihm zu gefallen.

Nushat Assaman sagte daher mit süßer Stimme, den Kopf zur Erde gebeugt: »Gottes Segen und Barmherzigkeit sei mit dir! es geht mir so, daß man einen solchen Zustand nur Feinden wünschen mag.« Der Kaufmann war vor Freude außer sich, als er diese Worte hörte, und sagte zum Beduinen: »Es ist ein recht vornehmes Mädchen; wie teuer ist sie?« Der Beduine wurde zornig und sagte: »Du verdirbst meine Sklavin, du nennst dieses Stück Lumpen ein vornehmes Mädchen? ich verkaufe sie dir gar nicht.« Der Kaufmann, der den Beduinen für wahnsinnig hielt, sagte: »Sei nur ruhig, ich will sie, trotz ihrer Fehler, kaufen.« Da fragte der Beduine: »Nun, was gibst du mir für sie?« – »Jeder Vater gibt seinem Kind einen Namen – fordere du, was du für deine Ware willst.« – »Biete du, was du geben willst.« Der Kaufmann dachte bei sich: Es scheint, der Beduine ist nicht recht bei Sinnen; bei Gott! sie ist für mich unschätzbar, sie spricht so gut und ist so hübsch, daß sie mein Herz gewonnen hat; wenn sie dazu noch lesen und schreiben kann, so ist sie vollkommen; der Beduine scheint ihren Wert nicht zu kennen. Er wandte sich dann zum Beduinen und bot ihm zweihundert Silberdrachmen. Der Beduine stellte sich aufgebracht und sagte: »Bei Gott! du kannst gehen, ich verkaufe dir nicht einmal das Stück Tuch, das sie bedeckt, für zweihundert Drachmen; lieber behalte ich sie und lasse sie mit Kamelen auf die Weide gehen und die Mühle herumdrehen; ich hielt dich für einen verständigen Mann, nun sehe ich, daß du dumm bist; drum geh, sonst mußt du noch manches Unangenehme hören.« Der Kaufmann dachte: der ist närrisch, ich will jetzt vom Preis schweigen; doch, wenn er wollte, ich gäbe ihm gern alles, was ich besitze. Er fragte dann: »Was hat sie für Kleidungsstücke bei dir?« – »Bei Gott! das Stück Tuch, in das sie eingehüllt ist, ist noch zu viel für sie.« – »Entschleiere einmal ihr Gesicht und zeige mir sie, wie es bei Sklavinnen üblich ist.« – »Du kannst sie untersuchen, solange du willst.« – »Bewahre Gott! ich will nur ihr Gesicht sehen, das genügt mir schon.« – Der Kaufmann setzte sich ganz schüchtern neben sie und fragte sie: »Wie heißt du?« – »Willst du meinen früheren oder meinen jetzigen Namen wissen?« – »Hast du denn zwei Namen?« – »Einst hieß ich Nushat Assaman (Zeitlust), jetzt aber Ghusat Assaman (Zeitleid).« Der Kaufmann, den diese Worte zu Tränen rührten, fragte sie dann, ob sie einen kranken Bruder habe? Sie antwortete: »Wohl, mein Herr! das Schicksal hat uns getrennt, er ist in Jerusalem.« Als hierauf die Erinnerung an ihren Bruder ihren Augen wieder viele Tränen entlockte, streckte der Kaufmann die Hand nach ihrem Gesicht aus, um dieselben abzutrocknen; sie aber bedeckte ihr Gesicht und sagte.»Hüte dich, mich zu berühren, mein Herr!« Der Beduine, der dies sah und glaubte, sie wolle sich nicht von ihm untersuchen lassen, fiel mit der Kamelpeitsche, die er in der Hand hatte, über sie her und schlug sie, bis sie zu Boden stürzte, aus Mund und Nase blutete und ohnmächtig wurde. Der Kaufmann, den dieser Auftritt tief ergriff, dachte bei sich: Bei Gott! ich will diese Sklavin kaufen, wenn ich sie auch mit Gold aufwiegen müßte, um ihr von diesem Tyrannen Ruhe zu schaffen.« Als sie wieder zu sich kam, wischte sie ihre Tränen und ihr Blut mit einem Lumpen ab, hob ihr Auge gen Himmel und sagte weinend und mit trauriger Stimme folgende Verse:

»O habt Mitleid mit der Edlen, die durch Gewalt so erniedrigt worden, die viele Tränen vergießt und denkt: wann wird diese Pein enden?«

Sie sagte dann leise zum Kaufmann: »Ich beschwöre dich bei Gott! laß mich nicht bei diesem gottlosen Übeltäter, lieber wollte ich mich umbringen, als nur noch eine Nacht bei ihm zubringen; kaufe mich für jeden Preis und befreie mich! Gott wird dich auch von der Pein der Hölle befreien.« Der Kaufmann sagte zum Beduinen: »Mißhandle diese Sklavin nicht so; sag mir, was du für sie willst!« – »Biete nur recht viel, dann kannst du sie haben; wo nicht, so geh deines Weges, ich behalte sie, daß sie Mist trage und die Kamele auf die Weide führe.« – »Nun, so höre ein einziges Wort: ich gebe dir fünfzigtausend Dinare.« – »Gott heißt dich noch mehr bieten.« – »Nun, siebzigtausend.« – »Bei Gott! du und deine ganze Familie, ihr habt in eurem ganzen Leben nicht für tausend Dinare Brot gegessen; doch, nun höre mein letztes Wort: ich gebe dir hunderttausend Dinare, bist du nicht zufrieden, so werde ich dem Statthalter von Damaskus einen Wink geben und er wird sie für nichts mit Gewalt nehmen.« Der Beduine willigte ein und sagte: »Nun werde ich dafür Salz kaufen.« Sobald der Kaufmann ihm aber das Geld brachte, machte er sich damit sogleich auf den Weg nach Jerusalem, denn er hoffte auch ihren Bruder zu täuschen und als Sklaven zu verkaufen. – Der Kaufmann bedeckte Nushat Assaman mit einem Tuch, führte sie in sein Haus und ließ ihr sehr kostbare Kleider zuschneiden. Nach einigen Tagen ging er mit ihr auf den Bazar und kaufte ihr einen schönen goldenen Schmuck, legte ihn in ein Kästchen mit Atlas überzogen, und sagte ihr: »Ich schenke dir, was du willst, nur bitte ich dich, wenn ich dich dem Statthalter von Damaskus vorstelle, sage ihm, wie teuer ich dich gekauft; es ist freilich wenig, denn der Abschnitt deines Nagels ist mehr wert, aber immerhin habe ich doch eine schöne Summe für dich gegeben; sage ihm auch, wie ich dich behandelt habe, und bitte ihn, daß er mir einen Empfehlungsbrief an seinen Vater Omar gebe, damit ich gar keinen Zoll von meinen Waren zu bezahlen habe.« – Als Nushat Assaman dies hörte, weinte sie. Da sagte der Kaufmann: »Ich merke, daß du weinst, so oft ich von Bagdad spreche: kennst du etwa jemanden daselbst? Sage mir es, bei Gott! denn ich kenne dort alle Kaufleute.« – »Mein Bekannter ist weder ein Kaufmann, noch sonst ein Privatmann; ich kenne den König Omar, den Herrn von Bagdad.« Der Kaufmann, der außer sich vor Freude war und schon seinen Zweck erreicht zu haben glaubte, fragte sie: »Hast du etwa bei ihm früher gedient?« – »Nein«, erwiderte Nushat Assaman, »sondern ich bin mit seiner Tochter erzogen worden, und ich war ihm sehr teuer; wenn du also von Omar einen Freibrief begehrst, so bringe mir nur Tinte und Papier, ich gebe dir auch ein Briefchen an ihn; sage ihm nur, Nushat Assaman sei vom Schicksal heimgesucht und als Sklavin verkauft worden, und befinde sich jetzt beim Statthalter von Damaskus.«

Der Kaufmann, über Nushat Assamans Beredsamkeit erstaunt, sagte: »Ich glaube nicht, daß du eine Sklavin bist; ich glaube, du bist nur aus Mutwillen verkauft worden; du kannst also lesen und schreiben?« – »Noch viel mehr als dies«, versetzte Nushat Assaman; »ich verstehe auch Chemie und Medizin; ich habe Galen, Avicenna und Ibn Beitar gelesen; ich habe Theologie, Geschichte, Grammatik, Logik, Rhetorik, Mathematik und Philosophie studiert, und selbst über Metaphysik geschrieben; ich habe immer unter Gelehrten gelebt und mit ihnen über die schwierigsten theologischen Streitfragen disputiert; doch bringe mir jetzt Tinte und Papier!« Als der Kaufmann dies hörte, rief er: »Heil dem, der dich in seinem Schloß besitzt!« Er holte dann, was sie wünschte, und überreichte es ihr mit einer tiefen Verbeugung; sie nahm Papier und Kalam und schrieb folgende Verse:

»Warum ist der Schlaf aus meinen Augen gewichen? hast du sie durch deine Trennung das Wachen gelehrt? Bei dem Gedanken an dich entzündet sich eine helle Sehnsuchtsflamme in meinem Herzen; denn nie wollte ich von dir scheiden, aber wer kann seinem Geschick entgehen? Wie schön waren die verflossenen Tage, doch sie sind dahin mit allen ihren Freuden; höre meine Klagen über unsere Trennung, sie sind so ergreifend, daß sie Steine erweichen.«

Sie schrieb dann darunter:

»Von der, die der Kummer niedergeschlagen, die das Wachen geschwächt, die in ihrer Dunkelheit kein Licht findet und den Tag nicht von der Nacht unterscheiden kann, die stets sehnsuchtsvoll nach den Sternen blickt. Von der traurigen und von ihrer Familie und Heimat entfernten Nushat Assaman.«

Nushat Assaman versiegelte dann das Briefchen und überreichte es dem Kaufmann. Der Kaufmann bewunderte sie, nahm das Briefchen mit Freude an und versprach sich viel Glück davon. Er behandelte sie nun mit noch größerer Achtung, so daß er selbst auf den Markt ging, um für sie einzukaufen, und des Abends schickte er sie ins Bad.

Als Nushat Assaman im Bad war, schickte ihr der Kaufmann ein Badmädchen, um sie zu waschen und anzukleiden, und sagte diesem Mädchen: »Wenn sie angezogen ist, so laß mich es wissen.« Während sie badete, ließ er die kostbarsten Speisen, Süßigkeiten und Früchte zubereiten und auf das Sofa des Vorsaals bringen, und als sie herauskam, aßen sie miteinander, bis sie satt waren, und schenkten das Übrige den Bedienten des Bades.

Am folgenden Morgen brachte ihr der Kaufmann die schönsten und teuersten Kleider und den kostbarsten Schmuck, goldene Ohrringe mit großen Perlen und Diamanten für tausend Drachmen, eine Halskette mit Smaragdsteinen, eine über die Brust herabhängende Kette von Ambra, mit Kugeln und Halbmonden von Hyacinthen und Diamanten, kurz, Kleidung und Juwelen waren von unendlich hohem Preis. Als sie angekleidet war, bat sie der Kaufmann, ihm zu folgen. Auf der Straße erstaunten alle Leute, die sie sahen, und sagten: »Wohl dem, der eine solche Sklavin besitzt.« Der Kaufmann führte sie in Scharkans Schloß und bat, vorgelassen zu werden. Als er die Erlaubnis erhielt, vor Scharkan zu erscheinen, verbeugte er sich und sprach: »O du glückseliger, einsichtsvoller Herr! ich bringe dir ein wunderbares Geschenk, desgleichen in dieser Zeit höchst selten ist: ein Mädchen voller Reize und Tugenden.« Als Scharkan sie zu sehen wünschte, ging der Kaufmann hinaus, holte Nushat Assaman und stellte sie ihm vor.

Scharkan kannte Nushat Assaman nicht, denn aus Haß zu ihr und ihrem Bruder hatte er sie ja verlassen, als sie noch klein waren; doch fühlte er sich, ohne zu wissen warum, so sehr zu ihr hingezogen, daß er dem Kaufmann sagte, er wolle ihm das Geld, das er für sie ausgegeben, wieder erstatten und sie bei sich behalten. Der Kaufmann sagte: »Ich überlasse sie dir, jedoch nur unter der Bedingung, daß du mir ein Empfehlungsschreiben an deinen Vater gibst, daß ich gar keine Abgaben in seinem Lande zu entrichten habe.« Scharkan erwiderte: »Recht gern; doch sage mir, was hast du für sie gegeben?« – »Ich habe sie für hunderttausend Dinare gekauft und ebenso viel für ihre Kleidung ausgegeben.« – »Ich bin so sehr mit dir zufrieden, daß mein Schatzmeister dir dreihunderttausend Dinare ausbezahlen soll.« Scharkan ließ dann die vier Kadhis der Stadt kommen und den Kaufmann in ihrer Gegenwart ausbezahlen; dann sagte er: »Ich erkläre hiermit, daß ich diesem Mädchen vor dem Angesicht Gottes die Freiheit schenke und sie zur Gattin nehme.« Die Kadhis schrieben sogleich den Freibrief und den Ehekontrakt, und Scharkan streute Gold und Silber unter die Umstehenden aus. Er ließ dann einen Firman ausfertigen, wodurch der Kaufmann für immer von allen Abgaben freigesprochen wurde, auch schenkte er ihm noch ein Ehrenkleid und andere Kostbarkeiten. Da er aber auch wissen wollte, ob die Sklavin wirklich so gelehrt sei, wie sie ihm der Kaufmann schilderte, ließ er die vier Kadhis hinter einem Vorhang ein gelehrtes Gespräch mit ihr anknüpfen, woraus sich bald ergab, daß der Kaufmann sie noch viel zu wenig gerühmt hatte. Die Kadhis gestanden, sie haben in ihrem Leben in den gelehrtesten Büchern nicht so viel Schönes gefunden, als sie zu sagen wußte. Bald sprach man in der ganzen Stadt so viel von ihr, daß die Frauen der Veziere, Fürsten und Großen des Reichs herbeikamen, ihr die Hand küßten und sich mit ihr unterhielten. Alle waren über ihren Geist, ihre Bildung, ihre Beredsamkeit und ihre Liebenswürdigkeit so erstaunt, daß sie sagten: »Die war nie Sklavin: das ist eine Königin oder eine Prinzessin.«

Scharkan sagte dann zu seinen Dienern: »Eilt nun und bereitet alles zur Hochzeit vor, und bringt die kostbarsten Speisen herbei!« auch bat er die Damen, noch solange bei Nushat Assaman zu bleiben, bis sie des Abends hochzeitlich geschmückt sein würde. Die Diener stellten besondere Tische für Männer und besondere für Frauen auf. Alle Sängerinnen und Musiker aus Damaskus wurden herbeigerufen, und die vornehmsten Bewohner der Stadt zur Hochzeit geladen. Des Nachts wurde die ganze Stadt, vom Tor bis ans Schloß, beleuchtet. Die Kammermädchen gingen dann mit Nushat Assaman in ein besonderes Zimmer, fanden sie aber so natürlich schön, daß sie wenig mit ihr zu tun hatten. Scharkan ging indessen ins Bad, und als er zurückkam, stellte man ihm die Braut siebenmal in verschiedener Kleidung vor, und ließ sie dann allein beisammen, Scharkan liebte Nushat Assaman täglich mehr, und seine Freude war grenzenlos, als sie ihm nach einiger Zeit ihre Schwangerschaft anzeigte. Er ließ es sogleich in der ganzen Stadt bekannt machen, und die Veziere und Staatsräte kamen freudig zu ihm, um ihm Glück zu wünschen. Sobald er wieder allein war, ließ er durch seinen Geheimsekretär seinem Vater schreiben: Er habe eine durch Bildung, Verstand und Kenntnisse ausgezeichnete Sklavin gekauft, sie befreit und geheiratet, und nun sei sie schon in gesegneten Umständen; er werde sie ihm einmal später schicken, damit sie seinen Bruder und seine Schwester auch kennenlerne; zum Schluß grüßte er seine Geschwister, den Vezier Dendan und die übrigen hohen Staatsbeamten. Nach einem Monat kehrte der Bote, der diesen Brief Omar überbrachte, nach Damaskus mit folgender Antwort zurück:

»Von dem traurigen und niedergeschlagenen wegen der Trennung derer, die ihm teuer sind, vom König Omar, der über das Scheiden seiner Kinder bestürzt ist, an seinen teuren Sohn Scharkan: Wisse, mein Sohn, daß es mir durch deine Abreise so unheimlich zumute wurde, daß ich auf die Jagd ritt; dies benutzte dein Bruder, dem ich, aus Furcht vor einem Unglück, nicht erlaubte, zu wallfahren, um mit seiner Schwester heimlich den Pilgern zu folgen. Ich erwartete mit Sehnsucht die Rückkehr der Pilger und weinte Tag und Nacht, aber niemand wußte etwas von ihnen; es ist, als wenn die Erde sie verschlungen hätte. Ich zog um ihretwillen Trauerkleider an, denn mein Herz ist sehr betrübt.«

Dann folgte in Versen:

»Ihr Bild entschwindet mir keinen Augenblick, ich habe ihnen den höchsten Platz In meinem Herzen eingeräumt; hätte ich keine Hoffnung mehr auf ihre Wiederkehr, ich würde keine Stunde mehr leben, und besuchte mich ihr Bild nicht im Traum, ich könnte nie schlafen.«

Der Brief schloß mit vielen Grüßen und der Bitte: Er möchte doch keinen Augenblick säumen, Nachforschungen anzustellen, um die Schande, die ihm eine solche Flucht zufügte, zu tilgen.

Als Scharkan diesen Brief gelesen hatte, schmerzte ihn die Trauer seines Vaters, hingegen freute er sich über das Verschwinden seiner Geschwister. Er ging dann wieder zu Nushat Assaman, die er ebensowenig als sie ihn kannte, und blieb Tag und Nacht bei ihr, bis sie von einer Tochter entbunden wurde. Da überreichte sie ihm seine Tochter und bat ihn, ihr einen Namen zu geben. Scharkan antwortete: »Es ist nicht Sitte bei uns, dem Kind vor dem siebenten Tag einen Namen zu geben.« Als er dann am folgenden Tag sein Töchterchen küßte, sah er an seinem Hals eine der drei Perlen, welche Ibris aus Griechenland mitgebracht hatte. Er war außer sich vor Zorn und sagte: »Wehe dir, Sklavin! woher hast du diese Perle?« Nushat Assaman antwortete: »Deine Mutter und alle Damen dieses Schlosses sind meine Dienerinnen; schämst du dich nicht, mich Sklavin zu nennen? Ich bin Herrin und dir zum Trotz Königin und Prinzessin. Wisse, ich bin Nushat Assaman, Tochter des Königs Omar, des Herrn von Bagdad und Chorasan.« Bei diesen Worten fing Scharkan an zu zittern, wurde blaß und verlor das Bewußtsein.

Als er wieder zu sich kam und über die Sache nachdachte, sagte er ihr, ohne sich zu erkennen zu geben: »Wenn du die Tochter des Königs Omar bist, wie bist du denn verkauft worden und wieso hast du deinen Vater verlassen?« Da erzählte sie ihm die ganze Geschichte ihrer Pilgerfahrt mit ihrem Bruder, die des Beduinen, der sie geraubt, und des Kaufmanns, der sie von ihm gekauft.

Scharkan hätte nun keinen Zweifel mehr, daß er wirklich seine Schwester von väterlicher Seite geheiratet, und beschloß, sie einem seiner ersten Offiziere zur Frau zu geben, damit, wenn einmal das Geheimnis entdeckt würde, er sagen könne, sie sei schon vor ihrer Schwangerschaft dessen Gattin gewesen. Er sagte ihr in einem sanften Ton: »O Nushat Assaman! du bist meine Schwester, ich bin Scharkan, der Sohn Omars; der Pfeil des Schicksals hat uns getroffen, und wir mußten vollbringen, was im Himmel beschlossen. Es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott, dem Erhabenen! wir sind Gottes und kehren zu ihm zurück: er möge mir mein großes Verbrechen verzeihen.« Als Nushat Assaman dies hörte, weinte sie heftig, schlug sich ins Gesicht und rief ganz außer sich: »Was soll ich meinem Vater antworten, wenn er mich fragt, woher ich diese Tochter habe?« Scharkan antwortete: »Meine Absicht ist, dich mit meinem ersten Schloßverwalter zu verheiraten und das Kind bei ihm erziehen zu lassen, und hier sagen wir niemand, daß wir Geschwister sind; so kann alles geheim bleiben.« Einige Monate, nachdem der Verwalter Nushat Assaman geheiratet und das Kind, welches man Kadha Fakana nannte, zu sich genommen hatte, erhielt Scharkan folgenden Brief von seinem Vater:

»Wisse, o teurer König! daß ich noch immer wegen der Trennung von meinen Kindern in großer Trauer bin und keine Nachtruhe finden kann; wenn du daher diesen Brief empfängst, so schicke mir die Sklavin, die du geheiratet und von der du mir geschrieben hast, sie sei so schön, so gelehrt und so verständig; ich wünsche sehr, sie zu sehen und kennenzulernen; schicke mir auch die Abgaben von Damaskus, denn es ist vor zwei Monaten ein altes, frommes, gottesfürchtiges Weib mit fünf Jungfrauen zu mir gekommen, deren Gelehrsamkeit gar nicht zu beschreiben ist. Sie gefielen mir so gut, daß ich sie sogleich in mein Schloß nahm und die Alte fragte, wie teuer diese Mädchen wären? Die Alte antwortete mir: sie würde sie nur für die diesjährigen Abgaben von Damaskus hergeben. Diese Forderung schien mir wahrlich nicht zu groß, denn eine allein ist so viel wert; darum gewährte ich auch ihren Wunsch. Die Jungfrauen sind nun in meinem Schloß, und die Alte wartet, bis die Abgaben von Damaskus ankommen; eile daher, sie mir zuzusenden, und schicke auch die Sklavin mit; ich will sehen, ob sie die meinigen an Kenntnissen übertrifft. Ich werde sie nicht lange hier behalten und sie dir mit den Abgaben Bagdads zurückschicken.«

Als Scharkan diesen Brief gelesen hatte, ging er damit zu seinem Schwager, ließ Nushat Assaman rufen, machte sie mit dem Inhalt desselben bekannt und fragte sie, was wohl hierauf zu erwidern sei? Da Nushat Assaman sich sehr nach ihrem Vater sehnte, sagte sie: »O mein Bruder, schicke mich mit meinem Gatten nach Bagdad, daß ich meinem Vater erzähle, wie es mir auf der Pilgerfahrt ergangen; ich will ihm sagen, du habest mich mit dem Verwalter verheiratet, sobald du mich gekauft und befreit hattest; auch meine Tochter Kadha will ich mit mir nehmen.« Scharkan ließ alles zur Reise vorbereiten, gab dem Verwalter das nötige Geld, sorgte für Kamele, Diener und Maulesel, nahm Abschied von seiner Schwester und ihrem Gatten, und ließ sie von einer Abteilung Truppen mit dem Tribut von Damaskus begleiten. Diese Karawane war es, welche Dhul Makan vorüberziehen sah und der er sich mit dem Badheizer anschloß.

Nach fünf Tagen erreichte die Karawane Hamah, wo sie drei Tage ausruhte; von hier zog sie nach Moßul, wo sie wieder einige Tage verweilte, so daß dem Badheizer bald der Proviant ausging. Dhul Makans Sehnsucht nach seiner Heimat und seiner Familie wurde immer heftiger, je näher er derselben kam; eines Nachts, als der Wind aus Irak ihn anwehte, rezitierte er folgende Verse:

»O Freunde, wie lange muß ich noch meine Liebe geduldig verbergen, ohne daß ein Bote mir Nachricht von euch bringt? O möchten doch die Tage der Vereinigung lang, und die der Trennung bald zu Ende sein!«

Da sagte ihm der Badheizer: »O mein Freund, laß doch dieses Weinen und Jammern, wir sind in der Nähe des Zeltes des Schloßverwalters.« Dhul Makan erwiderte: »Ich kann mich nicht fassen, ich muß durch Verse das Feuer meines Herzens zu löschen suchen.« Er wandte dann sein Gesicht gegen Bagdad, rezitierte noch einige Verse und weinte, bis er ohnmächtig wurde.

Nushat Assaman, welche diese Nacht viel an ihren Bruder dachte und vor Kummer nicht schlafen konnte, fühlte sich leichter, als sie ihn hörte, und befahl ihrem Diener, den Mann herbeizuholen, der in der Nähe ihres Zeltes Verse rezitierte. Der Diener antwortete: »Ich habe niemanden gesehen, noch gehört, die Leute schlafen alle.« Aber Nushat Assaman erwiderte: »Sieh dich um und bring mir den, der wacht, der ist's gewiß, der Verse rezitierte.«

Der Diener ging im Lager umher, bis er zu Dhul Makan und dem Badheizer kam; als dieser ihn sah, fiel er fast in Ohnmacht vor Furcht. Der Diener sagte ihm: »Wehe dir! du bist's, der eben Verse rezitiert hat; meine Herrin hat dich gehört.« Der Badheizer, welcher glaubte, die Verwalterin sei dadurch vom Schlaf geweckt worden, fürchtete sich, ja zu sagen, und schwor bei Gott, er habe keine Verse rezitiert. Da schrie ihn der Diener an: »So sage mir, wer es war; da du doch wachst, mußt du es wissen.« Da aber der Badheizer besorgte, der Diener möchte Dhul Makan etwas zuleide tun, schwur er bei Gott, er kenne ihn nicht. »Du lügst, Teufel, es ist ja außer dir und dem Jungen niemand hier!« – »Es war ein Reisender, der vorüberging und auch mich im Schlaf störte, aber ich kenne ihn nicht.« – »Wenn du ihn wieder siehst, so ergreife ihn: ich lasse ihn hängen.« – »Gut, geh nur, ich führe dir ihn zu, wenn er wiederkommt.« Der Diener kehrte nun zu seiner Herrin zurück und erzählte ihr, was er vom Badheizer gehört. Indessen kam Dhul Makan wieder zu sich, der Mond hatte eben die Mitte des Himmels erreicht, die Nachtigallen zwitscherten, da erhob auch er seine Stimme und wollte singen, aber der Badheizer sagte ihm: »Was beginnst du da? weißt du, daß ich dem Tode nicht entgangen wäre, wenn ich nicht den Diener des Verwalters gewonnen hätte, der, während du in Ohnmacht lagst, mit einem großen Haselnußstocke kam und den, der Verse rezitierte, suchte? Ich bitte dich also, laß die Gedichte für diese Nacht, die ja bald vorüber sein wird.« Als Dhul Makan dies hörte, weinte er heftig und sagte: »Wer will mit verbieten, Verse zu rezitieren? Es geschehe, was da wolle, ich bin nun meiner Heimat nahe und frage nach dem Verwalter und seinem Diener nichts.« Der Badheizer entgegnete: »Das ist eine Lust des Satans: was nützen diese Verse, die uns beide in den Abgrund stürzen können? Bei Gott, wenn du es nicht unterläßt, so werde ich nicht länger bei dir bleiben, obschon ich beschlossen hatte, mich nie von dir zu trennen. Wir sind ja so müde vom Gehen und Wachen und haben nichts zu essen mehr, was brauchst du Verse zu rezitieren?« Aber Dhul Makan ließ sich nicht abhalten, noch einige Verse zu singen, in denen er über die lange Trennung von seiner Heimat und von seiner Schwester klagte, bis er wieder bewußtlos hinfiel. Der Badheizer deckte ihn mit seinem Mantel zu und sagte: »Bei Gott! du widerstehst deinem Satan nicht.« Nushat Assaman, welche noch immer vor Sehnsucht nicht eingeschlafen war, hörte auch dieses Gedicht wieder, in welchem sie selbst und ihr Bruder erwähnt wurde; sie weinte lange, rief dann den Diener wieder und sagte ihm: »Wehe dir! ich höre denselben Mann, wie früher, wieder singen, ganz in unserer Nähe; du bist ein träger Mensch und hast dich nicht recht umgesehen; bei Gott! wenn du mir ihn nicht gleich herbringst, so wecke ich den Verwalter, daß er dich prügle und fortjage. Geh' und nimm hundert Dinare mit, suche ihn auf, gib ihm das Geld und bring ihn her, tu ihm aber ja nichts zuleid; wenn er nicht kommen will, so gib ihm den Beutel dort mit tausend Dinaren, erkundige dich, wer er ist, was er treibt, woher er ist und laß ihn in Frieden; komm aber ja nicht wieder und sage: ich habe ihn nicht gesehen, sonst, bei Gott! geht's dir nicht gut.«

Der Diener ging mißmutig weg und schlug und trat die Leute, die umherlagen und schliefen, bis er wieder zum Badheizer kam, der mit entblößtem Haupt dasaß. Er fragte ihn, ob er nicht eben wieder ein Lied gesungen habe? Da der Badheizer den Diener zornig sah, sagte er aus Furcht: »Bei Gott, mächtiger Führer, ich war es nicht!« – »Bei Gott, Unglückseliger!« rief der Diener, »ich lasse dich nicht, bis du mir zeigst, wer gesungen hat, denn ich habe sonst alles von meiner Herrin zu befürchten.« Der Badheizer weinte vor Furcht und hielt sich und seinen Freund für verloren. Er küßte dann dem Diener die Hand und sagte: »Bei Gott! ich war es nicht und kenne auch den Sänger nicht; versündige dich nicht an mir, ich bin ein unglücklicher Mann aus Jerusalem.« – »So folge mir zur Herrin und erzähle ihr deine Leiden, denn außer dir wacht doch niemand hier.« – »Du kennst mich ja und weißt, wo ich liege, weißt auch, daß die Wache niemanden von seinem Platz weichen läßt; geh also deines Weges, und wenn du noch jemanden singen oder Verse rezitieren hörst, so will ich es gewesen sein oder wenigstens ihn angeben.« Er küßte dann dem Diener solange die Hand, bis er sich bewegen ließ, wegzugehen; da er sich aber fürchtete, zur Herrin zurückzukehren, machte er einen Umweg und blieb dann hinter dem Badheizer stehen, um zu hören, wer wieder singen würde. Kaum glaubte der Badheizer, daß der Diener weggegangen, so weckte er Dhul Makan und erzählte ihm, was sich wieder mit dem Diener zugetragen. Dhul Makan sagte: »Laß mich, ich kümmere mich um niemanden, ich bin meiner Heimat nahe.«

Der Badheizer sagte zornig zu Dhul Makan: »Wie, du willst uns mit Gewalt ins Verderben stürzen? Kannst du nicht ruhig bleiben? Die Herrin ist krank und müde und kann nicht schlafen, und hat nun schon zweimal ihren Diener geschickt, um zu sehen, wer sie stört.« Aber Dhul Makan kehrte sich nicht daran und fing wieder an, Verse zu singen. Der Badheizer, außer sich vor Angst und Zorn, steckte ein Tuch zwischen die Zähne, ging von ihm weg und blieb in der Ferne stehen. Da sah er, wie der Diener sich Dhul Makan näherte und ihm sagte: »Friede sei mit dir und Gottes Segen und Barmherzigkeit! Ich suche dich nun schon zum drittenmal, meine Gebieterin wünscht dich zu sprechen.« Dhul Makan erwiderte: »Was will diese Hündin von mir? Gott verdamme sie und ihren Gatten, und ihren Vater und ihre Mutter!« Der Diener wagte es nicht, ihm Vorwürfe zu machen, weil seine Herrin ihm befohlen hatte, ihn mit der größten Schonung zu behandeln; er sagte ihm daher mit sanfter Stimme: »Mein Sohn, wir waren allerdings sehr kühn gegen dich, doch haben wir nichts Schlimmes mit dir vor; wir bitten dich nur, deine edlen Schritte zu uns zu lenken, du wirst zufrieden wieder entlassen werden, und eine frohe Botschaft wird deiner harren, so Gott will.« Dhul Makan erwiderte: »Gut, in Gottes Namen!« ergriff die Hand des Dieners und ging mit ihm bis zu Nushat Assamans Zelt. Der Badheizer sah ihnen nach und schrie: »Wehe, wehe! der Jüngling ist verloren; es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott, dem Erhabenen! Schade für diesen Jüngling; morgen werden sie ihn hängen.« Er beschloß dann bei sich, nur diese Nacht noch hier zu bleiben und am folgenden Morgen auf seinem Esel wieder heimwärts zu reiten; denn, dachte er, am Ende könnte der Jüngling sagen, ich habe ihn geheißen Verse zu rezitieren, und es wäre auch um mich geschehen.

Als Dhul Makan vor der Tür des Zelts war, ging der Diener hinein und sagte: »Meine Herrin! hier bringe ich dir den Sänger, den du verlangt hast; es ist ein wohlgestalteter Jüngling, dem man den Wohlstand ansieht.« Nushat Assaman, deren Blut in Wallung kam und deren Herz dem Verwandten entgegen pochte, sagte: »Laß ihn etwas rezitieren, daß ich ihn in der Nähe höre; dann frage ihn, wie er heißt, wo er her ist, und was für ein Geschäft er hat.« Der Diener ging hinaus und sagte ihm, die Herrin wolle einige Gedichte von ihm hören und dann auch wissen, wer er sei? Dhul Makan erwiderte: »Ich will recht gerne etwas deklamieren, doch wenn deine Herrin nach meinem Namen fragt, so sage ihr: mein Name ist erloschen, mein Wesen hat sich verändert; mein Körper ist verwelkt; meine Abenteuer sind groß, sie haben keinen Anfang und kein Ende, ich bin betäubter als ein Betrunkener.« Als Nushat Assaman diese Klagen vernahm, weinte sie lange und ließ ihn durch den Diener fragen, ob er von seinem Vater, seiner Mutter oder von einer Geliebten scheiden mußte? Dhul Makan antwortete: »Ich bin von allen geschieden, die mir teuer sind; doch am schmerzlichsten fühle ich die Trennung von meiner teuern Schwester, mit der mich die Launen des Schicksals heimgesucht, das im Verborgenen wirkt.« Nushat Assaman wünschte, daß Gott ihn wieder mit ihr vereinigen möchte, und bat ihn, einige Verse über seinen Zustand zu rezitieren.

Dhul Makan rezitierte einige Verse, in welchen er Nushat Assamans Namen nannte. Als sie die hörte, hob sie den Vorhang ihres Zeltes auf, um ihn zu sehen; sie erkannte ihn sogleich und schrie laut: »O mein Bruder, o Dhul Makan!« Dieser erkannte sie ebenfalls und rief: »O meine Schwester, o Nushat Assaman!« Sie fielen dann einander in die Arme und wurden beide ohnmächtig. Der erstaunte Diener bespritzte sie mit Rosenwasser, bis sie wieder zu sich kamen; da umarmten sie sich abermals und Nushat Assaman sprach folgende Verse:

»Als wir uns wiedersahen, klagten wir einander, was uns begegnet war, denn durch einen Boten lassen sich Klagen nicht gut mitteilen; eine gemietete Klagefrau ist nicht wie eine wirklich Betrübte.«

Als Dhul Makan diese Verse hörte, drückte er seine Schwester noch einmal an seine Brust und sprach folgende Verse:

»Ich betrauerte unsere Trennung so sehr, daß ein Strom von Tränen aus meinen Augen floß, und ich gelobte, daß, wenn das Schicksal uns wieder vereint, meine Zunge nie mehr das Wort Trennung aussprechen sollte. Nun hat mich aber die Freude so überrascht, daß auch sie mir Tränen hervorlockt. Mein Aug ist so sehr an Tränen gewöhnt, daß es nun vor Freude, wie einst vor Trauer, weint.«

Nachdem sie eine Weile kosend beisammen vor der Tür des Zeltes saßen, sagte Nushat Assaman zu ihrem Bruder: »Komm herein ins Zelt und erzähle mir, was dir seit unserer Trennung widerfahren; ich will dir dann auch meine Abenteuer mitteilen.« Dhul Makan bat sie, zuerst zu sprechen, und sie erzählte ihm alles, was ihr widerfahren, bis endlich ein Brief von ihrem Vater kam, der sie zu sehen wünschte; und pries Gott, der es so fügte, daß sie nun zusammen ihren Vater wieder sähen, wie sie ihn verlassen. Sie bat ihn dann, ihr zu erzählen, wie es ihm ergangen seit seiner Krankheit in Jerusalem, und er berichtete ihr, wie ihn Gott einen Badheizer finden ließ, der ihn sorgsam pflegte und sein ganzes Vermögen für ihn aufwandte, und ihn so behandelte, wie kein Vater seinen Sohn behandelt. »Dieser Mann«, sagte er, »hungerte, um mir zu essen zu geben; er litt Durst, um den meinigen zu stillen; ging zu Fuß, um mich reiten zu lassen, so daß ich wohl sagen kann: Gott hat nur durch ihn mein Leben erhalten.« Nushat Assaman sagte. »Gott belohne ihn dafür, aber auch ich will seine Wohltaten ihm vergelten, so viel ich es vermag.« Sie rief dann den Diener und schenkte ihm den Beutel Geld, dem sie ihm für den Sänger gegeben, weil sie durch ihn mit ihrem Bruder vereinigt worden, und befahl ihm, schnell den Verwalter zu rufen. Als dieser in das Zelt seiner Gattin kam und einen Jüngling bei ihr sah, fragte er: »Wer ist dieser Mann?« Nushat Assaman erwiderte: »Er ist mein Bruder«, und erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende; dann fuhr sie fort: »Wisse, mein Herr! du hast keine Sklavin, sondern eine Prinzessin geheiratet: ich bin Nushat Assaman, die Tochter des Königs Omar.« Als der Verwalter dies hörte, freute er sich, auf diese Weise Schwiegersohn des Königs von Bagdad geworden zu sein, und hoffte irgend eine Statthalterschaft zu erlangen. Er ließ dann sein Gefolge und seine Diener rufen und befahl ihnen, für Dhul Makan ein Zelt aufzuschlagen und ihm eines von seinen besten Pferden zu bringen, und er selbst wünschte ihm Glück zu seiner Vereinigung mit seiner Schwester. Nushat Assaman sagte dann ihrem Bruder: »Da wir bald in unsere Heimat kommen, so wollen wir jetzt noch allein beisammen bleiben; wir haben einander doch schon lange nicht gesehen.« Der Verwalter schickte ihnen hierauf Wachslichter, Lampen und Süßigkeiten; auch sandte er drei Paar kostbare Kleider für Dhul Makan.

Auf Dhul Makans Verlangen wurden auch Diener mit einem guten Pferd nach dem Badheizer geschickt, um ihn zu holen. Dieser war schon am Ende des Lagers, im Begriff, seinen Esel zu satteln; er weinte heftig über die Trennung von seinem Freund; dann rief er: »In Gottes Namen, ich habe ihn gewarnt, nicht zu singen, aber er ließ sich nicht abhalten und sagte: Ich bin meiner Heimat nahe und kümmere mich um niemanden. Ich möchte nur wissen, wie es ihm geht.«

Während der Badheizer so vor sich hinsprach, erblickte er auf einmal den ihm wohlbekannten Diener mit mehreren anderen Jungen; da sank er vor Furcht zusammen und wurde ganz blaß, denn er glaubte, Dhul Makan habe ihn verraten und seine Schuld auch ihm aufgebürdet, trotz aller Wohltaten, die er von ihm empfangen. Noch mehr erschrak er, als der Diener ihm zurief: »Du Lügner, du brauchst deinen Esel nicht zu satteln, du Satan! Du sagtest, du wüßtest nicht, wer Verse rezitiert, und es war doch dein Gefährte; nun lasse ich dich nicht, bis wir nach Bagdad kommen; du sollst dort sein Schicksal teilen.« Der Badheizer rief: »Es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott! Was ich befürchtete, ist zugetroffen.« Auf ein Zeichen des alten Dieners hoben ihn dann die Jungen auf das Pferd und folgten ihm. Der Diener sagte ihnen aber leise: »Wer ihm ein Haar verletzt, der muß es büßen; tut ihm nichts zuleide und behandelt ihn mit Anstand!« Als sich der Badheizer von so vielen Dienern umgeben sah, verzweifelte er am Leben und sagte dem Alten: »O Oberster! ich bin weder ein Bruder, noch sonst ein Verwandter dieses Jünglings, sondern ich habe ihn krank auf einem Misthaufen gefunden, aus Mitleid gepflegt und hierher begleitet.« Aber der Zug ging fort, der Badheizer mußte schweigen und der Diener sagte ihm bloß: »Du und der Jüngling, ihr habt meine Herrin mit euren Versen ermüdet.« Als sie dann hinter dem Zelt des Verwalters abstiegen, wurde ihnen eine Schüssel voll Speise und ein Krug mit Zuckerwasser gereicht; der Diener aß mit dem Badheizer aus einer Schüssel, aber dieser weinte noch immerfort wegen der Trennung von Dhul Makan. Die Karawane brach dann bald auf und reiste in einem fort, bis nur noch eine Strecke von drei Tagen nach Bagdad übrig blieb, da ruhte sie eine Nacht aus. Am folgenden Morgen wollte man wieder aufsitzen und aufpacken, als man auf einmal in der Ferne einen dichten Staub entdeckte, der die ganze Atmosphäre verdunkelte; er kam dann immer näher, bis man darunter viele Soldaten zu Pferd und zu Fuß mit Trommeln und Fahnen bemerkte; eine Abteilung von etwa fünfhundert Reitern trennte sich dann von den übrigen und umzingelte den Verwalter.

Der Verwalter fragte die Reiter, »Wer seid ihr, daß ihr mich wie einen Gefangenen behandelt?« Der Anführer dieser Truppen versetzte, »Wer bist du? wo kommst du her und wo willst du hin?« Der Verwalter antwortete: »Ich komme von Damaskus; Scharkan, der Statthalter von Damaskus, schickt mich zu seinem Vater Omar nach Bagdad mit Geschenken und Tribut.« Als sie dies hörten, bedeckten sie ihre Augen mit ihren Tüchern und sagten weinend: »Der König Omar ist vergiftet worden, komm mit uns, wir führen dich zu unserm Vezier Dendan.« Sie drängten sich nun mitten durch die Armee, bis sie zum Vezier gelangten. Dieser ließ schnell ein Zelt aufschlagen, setzte sich, ließ auch den Verwalter Platz nehmen und fragte ihn über seine Person aus, als er hörte, er bringe Geschenke für Omar, weinte er, denn er hatte ihn sehr lieb, und sagte auch: »Omar ist an Gift gestorben; die Geschichte seines Todes ist sehr lang, und es ist jetzt nicht Zeit, sie zu erzählen. Nach seinem Tode entspann sich ein großer Streit über dessen Nachfolger, bis endlich die vier Kadhis und alle Gelehrten sich versammelten und beschlossen, daß man nach Damaskus ziehen und Scharkan zum Sultan von Bagdad ernennen sollte. Manche wollten indessen Omars zweiten Sohn zum König haben, der so fromm war, daß er allein mit seiner Schwester nach dem Hedjas pilgerte; da man aber seither gar nichts mehr von ihm gehört hatte, so fiel die Wahl auf Scharkan, denn die Notwendigkeit hat auch ihre Gesetze.«

Der Verwalter erkannte aus dieser Rede, daß seine Gattin ihm die Wahrheit gesagt, und freute sich sehr mit der schönen Aussicht, Dhul Makan noch als Sultan zu sehen; er sagte zu Dendan: »Gepriesen sei der alles Vermittelnde, der jedem nach Wunsch beschert, ohne Rechenschaft zu geben. Bei Gott! dieses Ereignis ist höchst wunderbar und verdient aufgezeichnet zu werden, Wisse, o mächtiger Herr! Gott hat alles nach euerm Wunsch gefügt, indem er euch hier euern König Dhul Makan mit seiner Schwester Nushat Assaman zuschickt.« Der Vezier freute sich sehr mit dieser Nachricht und bat den Verwalter, ihm ihre ganze Geschichte zu erzählen, die wir zu wiederholen überflüssig finden. Als er damit zu Ende war, fiel der Vezier zu Boden und dankte Gott für seine Schickung; er teilte sie dann allen Fürsten und Vornehmen des Reichs mit. Das freudigste Erstaunen verbreitete sich allenthalben; die ganze Armee pries Gott, daß er sie nicht nötige, das Land Irak zu verlassen; die Häupter derselben begaben sich ehrfurchtsvoll zum Verwalter und verbeugten sich vor ihm. Sie hielten dann, während die Truppen langsam vorwärts rückten, einen großen Rat, den der Vezier Dendan und der Verwalter leitete, und Dhul Makan wurde einstimmig zum König von Bagdad gewählt. Der Verwalter beschloß dann, voraus nach Bagdad zu gehen, um alles für den Empfang des Sultans vorbereiten zu lassen, und um Dhul Makan, der mit Nushat Assaman vorausgeeilt war, davon zu benachrichtigen, daß er statt seines Bruders zum Sultan von Bagdad erwählt worden.

Alle Großen drängten sich um den Verwalter vor seiner Abreise und baten ihn, sie bei ihrem Herrn zu empfehlen, daß er sie in ihrem Amt lasse.

Die Sultanin Schehersad hielt hier inne; in der folgenden Nacht fuhr sie fort:

Der Verwalter machte sich dann mit seinen Dienern und Mamelucken höchst entzückt auf den Weg und reiste in einem fort, bis er ins Lager kam, wo Dhul Makan mit Nushat Assaman ihr Zelt aufgeschlagen hatten. Er ließ sich sogleich bei seiner Gattin melden und erzählte ihr und ihrem Bruder alles, was vorgefallen, tröstete sie über den Tod ihres Vaters und beglückwünschte Dhul Makan als Sultan. Dieser fragte: »Auf welche Weise ist denn mein Vater ums Leben gekommen?« Der Verwalter antwortete: »Der Vezier Dendan, der morgen bei euch eintreffen wird mit der ganzen Armee, die dich zum Sultan erwählt, weiß alles und wird es uns erzählen. Dir bleibt aber nichts übrig«, setzte der Verwalter hinzu, »als die Regierung zu übernehmen; denn weigerst du dich und wird ein anderer Sultan, so schwebt dein Leben in Gefahr.« Dhul Makan beugte eine Weile den Kopf zur Erde, dann sagte er: »Ich nehme den Thron an; doch, mein Bruder Scharkan?« – »Dieser«, antwortete der Verwalter, »wird Sultan von Damaskus bleiben, du aber Sultan von Bagdad und Chorasan.« Als Dhul Makan schwieg, überreichte ihm der Verwalter das königliche Gewand, das ihm der Vezier geschickt, und den Szepter; ließ dann abladen und an einem erhöhten Platz das königliche Zelt aufschlagen mit sieben Kuppeln, seidene Teppiche ausbreiten und einen Thron errichten; dann sorgte er für eine gute Küche und Wasserträger.

Kaum waren diese Anstalten getroffen, als sich in der Ferne ein großer Staub zeigte, der die ganze Atmosphäre verdunkelte, und hervor kam eine tobende Armee, wie das Meer; es waren die Truppen von Bagdad und Chorasan, an deren Spitze der Vezier Dendan stand. Dhul Makan zog schnell sein königliches Kleid an, umgürtete das Regentenschwert, bestieg ein Pferd, das ihm der Verwalter vorführte, ritt mit seinen Mamelucken nach dem großen Zelt und setzte sich auf den Thron, mit dem Szepter auf den Knieen. Der Verwalter stand als Untergebener vor ihm, und die Mamelucken bewachten mit gezogenem Schwert den Eingang des Zeltes. Bald hörte man nichts mehr vor Pferdegewieher; die Häupter der Soldaten stiegen ab, und der Verwalter stellte sie immer, je zehn zu zehn auf einmal, dem Sultan vor, dem sie Gehorsam und Treue schworen und der ihnen viele Geschenke machte und die schönsten Hoffnungen gab, so daß sie alle entzückt von ihm waren. Zuletzt trat der Vezier Dendan zum Sultan und weinte vor Freude, als er den Sohn seines Königs wieder erkannte. Dhul Makan bewillkommte ihn freundlich und sagte: »So hat der allwissende Gott es gewollt und niemand konnte es ändern;« dann gab er Befehl, die Tafeln für die Truppen zu ordnen, und nachdem sie gegessen hatten, erlaubte er ihnen, mehrere Tage auszuruhen, damit er ungestört beim Vezier bleiben und sich von ihm die Geschichte des Todes seines Vaters erzählen lassen könne. Als die Leute sich zerstreut hatten, fragte Dhul Makan seine Schwester, ob sie die Erzählung von ihres Vaters Tod mit anhören wolle? und da sie viel Lust dazu hatte, kam sie mit ihm in sein Zelt und setzte sich hinter einen Vorhang; Dhul Makan setzte sich außerhalb des Vorhangs, ließ den Vezier Dendan rufen und bat ihn, ihm zu erzählen, auf welche Weise sein Vater ermordet worden. Der Vezier begann:


 << zurück weiter >>