Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Dritter Band
Gustav Weil

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Geschichte des Chogia Hasan Alhabbal.

Beherrscher der Gläubigen! – begann er – um dir besser begreiflich zu machen, auf welchen Wegen ich zu dem Glücke gelangt bin, dessen ich gegenwärtig genieße, muß ich dir vor allen Dingen von meinen zwei Busenfreunden erzählen, die ebenfalls Bürger der Stadt Bagdad und noch am Leben sind, so daß sie von der Wahrheit meiner Aussage Zeugnis ablegen können. Nächst Gott, dem ersten Urheber alles Guten und alles Glücks, verdanke ich ihnen am meisten.

Diese beiden Freunde heißen der eine Saadi, der andere Saad. Saadi, der gewaltig reich ist, hatte von jeher den Grundsatz, alles Glück in der Welt beruhe auf dem Besitz großer Reichtümer, wodurch man in den Stand gesetzt werde, von jedermann unabhängig zu leben.

Anderer Ansicht ist Saad. Er gibt zwar zu, daß man freilich Reichtümer besitzen müsse, insofern sie zum Leben notwendig sind, behauptet aber, der Mensch müsse sein Glück auf die Tugend gründen und dürfe sich um die Güter der Welt nur insofern bekümmern, als sie ihm zur Befriedigung seiner Bedürfnisse dienlich seien und ihn in den Stand setzen, Wohltaten an andere zu spenden. Saad lebt auch diesem Grundsatz getreu und ist sehr glücklich und zufrieden mit seinen Verhältnissen. Obgleich Saadi unendlich reicher ist als er, so ist ihre Freundschaft doch dessenungeachtet sehr aufrichtig, und der reichere bildete sich nicht ein, er verdiene einen Vorzug vor dem ärmeren. Sie haben nie einen Streit unter sich gehabt, außer über diesen einzigen Punkt; in allen übrigen Stücken waren sie von jeher ein Herz und eine Seele.

Eines Tages, als sie sich, wie ich von ihnen selbst erfuhr, über einen ähnlichen Gegenstand besprachen, behauptete Saadi, die Armen seien bloß deswegen arm, weil sie in der Armut geboren worden, oder im entgegengesetzten Falle ihre ererbten Reichtümer entweder durch Ausschweifungen oder durch einen jener unvorhergesehenen unglücklichen Zufälle, die nicht gar so selten sind, verloren haben. »Meine Meinung«, fuhr er fort, »geht dahin, daß diese Armen nur deswegen arm sind, weil sie nie eine Geldsumme zusammenbringen können, die groß genug wäre, bei verständiger Anlegung in einem Geschäfte sie aus ihrem Elend zu ziehen; auch glaube ich, wenn sie es je so weit brächten und einen angemessenen Gebrauch von dieser Summe machten, so könnten sie mit der Zeit nicht nur wohlhabend, sondern sogar sehr reich werden.«

Saad war mit diesem Satze Saadis nicht einverstanden. »Das Mittel, das du vorschlägst«, sagte er, »einen Armen reich zu machen, scheint mir durchaus nicht so zuverlässig, wie du glaubst. Im Gegenteil ist es höchst zweifelhaft, und ich könnte meine Ansicht, gegenüber von der deinen, mit mehreren guten Gründen unterstützen, die uns aber zu weit führen würden. Jedenfalls ist es ebenso wahrscheinlich, daß ein Armer durch jedes andere Mittel reich werden kann, als gerade durch eine Summe Geldes. Man macht oft durch Zufall ein weit größeres und überraschenderes Glück, als mit einer solchen Geldsumme, die du zur Bedingung machst, wenn man auch noch so sparsam und haushälterisch damit umgeht, um sie in einem gut geführten Geschäft zu vervielfältigen.«

»Saad«, antwortete Saadi, »ich sehe wohl, daß ich nichts ausrichte, wenn ich auch noch so beharrlich meine Meinung gegen die deinige verteidige. Um dich aber zu überführen, will ich selbst einen Versuch machen, und zum Beispiel eine Summe, die ich für hinlänglich halte, einem jener Handwerker schenken, die, von Haus aus arm, von ihrem täglichen Verdienste leben und in derselben Dürftigkeit sterben, wie sie geboren wurden. Wenn es mir damit nicht gelingt, so wollen wir sehen, ob vielleicht du mit deiner Art glücklicher bist.«

Einige Tage nach diesem Wortwechsel traf es sich, daß die beiden Freunde auf einem Spaziergange in das Stadtviertel kamen, wo ich in meinem Handwerk als Seiler arbeitete, das ich von meinem Vater erlernt hatte, und dieser wiederum von dem seinigen und so weiter hinauf. Meine Kleidung und mein ganzer Anzug ließ sie leicht schließen, daß ich sehr arm sein mußte.

Saad, der sich an Saadis Versprechen erinnerte, sagte zu ihm: »Wenn du nicht etwa vergessen hast, wozu du dich gegen mich anheischig machtest, so hast du hier einen Mann, den ich schon lange Zeit sein Seilerhandwerk treiben sehe und immer in derselben Dürftigkeit. Er ist ein würdiger Gegenstand deiner Freigebigkeit und zu einem Versuche der Art, wie du neulich sagtest, vollkommen geeignet.«

»Ich habe es so wenig vergessen,« antwortete Saadi, »daß ich seitdem immer so viel Geld bei mir trage, als zu einem solchen Versuche nötig ist; ich wartete nur auf Gelegenheit, wo du zugegen wärest und Augenzeuge sein könntest. Wir wollen ihn anreden und zu erfahren suchen, ob er wirklich bedürftig ist.«

Die beiden Freunde kamen auf mich zu, und da ich sah, daß sie mit mir sprechen wollten, so hielt ich mit meiner Arbeit inne. Sie begrüßten mich beide mit dem gewöhnlichen Gruße: »Friede sei mit dir!« und Saadi ergriff hierauf das Wort, um mich zu fragen, wie ich heiße.

Ich erwiderte ihren Gruß und antwortete auf Saadis Frage: »Herr, mein Name ist Hasan, und wegen meines Handwerks bin ich allgemein unter dem Namen Hasan Alhabbal bekannt.«

»Hasan«, sagte hierauf Saadi, »da es kein Handwerk gibt, das seinen Mann nicht ernährte, so zweifle ich nicht, daß dir das deinige so viel einträgt, um bequem davon leben zu können; ja ich muß mich wundern, daß du es schon so lange treibst, ohne etwas erspart und einen bedeutenden Vorrat von Hanf angekauft zu haben; du könntest dann noch weit mehr Arbeit fertigen, sowohl durch eigenen Fleiß, als auch durch angenommene Gesellen, und dir so nach und nach dein Leben etwas bequemer machen.«

»Herr«, antwortete ich ihm, »du würdest dich nicht mehr wundem, daß ich nichts erspart und den von dir bezeichneten Weg nicht eingeschlagen habe, um reich zu werden, wenn du wüßtest, daß ich mit all meiner Arbeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend kaum so viel verdienen kann, um für mich und meine Familie Brot und einiges Gemüse zu kaufen. Ich habe eine Frau und fünf Kinder, von denen noch keins alt genug ist, um mich unterstützen zu können. Ich muß sie nähren und kleiden, und wenn eine Haushaltung auch noch so klein ist, so gibt es doch immer tausenderlei Bedürfnisse, die man nicht wohl entbehren kann. Der Hanf ist zwar nicht teuer, aber man muß Geld haben, um einzukaufen, und das ist immer das erste, was ich von dem Erlös meiner Arbeit beiseite lege; sonst wäre es mir nicht möglich, die Kosten meiner Haushaltung zu bestreiten. Du kannst nun leicht urteilen, Herr«, fuhr ich fort, »daß es mir unmöglich wäre, etwas zu ersparen, und mich und meine Familie auf einen größeren und bequemeren Fuß einzurichten. Es ist für uns genug, daß wir mit dem wenigen, was Gott uns gibt, zufrieden sind und das andere, was uns fehlt, weder kennen noch entbehren. Ja, wir finden nicht einmal, daß uns etwas fehlt, wenn wir nur unser tägliches Auskommen haben und niemand darum ansprechen müssen.«

Als ich auf diese Art Saadi meine Verhältnisse auseinandergesetzt hatte, sprach er zu mir: »Hasan, ich wundere mich jetzt nicht mehr und begreife recht wohl, warum du dich mit deiner gegenwärtigen Lage begnügen mußt. Wenn ich dir aber einen Beutel mit zweihundert Goldstücken schenkte, würdest du nicht einen guten Gebrauch davon machen, und glaubst du nicht, daß du mit dieser Summe bald wenigstens ebenso reich werden könntest, als die angesehensten Männer deines Handwerks?«

»Herr«, antwortete ich, »du scheinst mir ein so rechtschaffener Mann zu sein, daß ich überzeugt bin, du willst keinen Scherz mit mir treiben und bietest mir dies Geschenk in allem Ernst an. Ich wage daher, ohne daß ich mir zu viel einbilde, zu behaupten, daß schon eine weit kleinere Summe hinreichen würde, um mich nicht nur ebenso reich zu machen, wie die vornehmsten meiner Handwerksgenossen, sondern ich wollte sogar in kurzer Zeit für mich allein reicher werden, als alle miteinander, die in dieser großen und wohlbevölkerten Stadt Bagdad wohnen.«

Der großmütige Saadi bewies mir sogleich, daß er in vollem Ernst gesprochen hatte. Er zog den Beutel aus seiner Tasche und überreichte ihn mir mit den Worten: »Da, nimm diesen Beutel, du wirst zweihundert Goldstücke darin finden. Ich bitte zu Gott, daß er seinen Segen dazu geben und dir die Gnade verleihen möge, sie so gut anzuwenden, wie ich es wünsche. Auch darfst du überzeugt sein, daß mein Freund Saad hier und ich uns sehr freuen werden, wenn wir einmal hören, daß sie dazu beigetragen haben, dich glücklicher zu machen, als du jetzt bist.«

Als ich nun, o Beherrscher aller Gläubigen, den Beutel empfangen und in meinen Busen gesteckt hatte, so war ich so entzückt und von Dank durchdrungen, daß die Sprache mir versagte und ich meine Erkenntlichkeit gegen meinen Wohltäter durch kein anderes Zeichen ausdrücken konnte, als daß ich die Hand nach dem Saume seines Kleides ausstreckte, um es zu küssen. Allein er entfernte sich schnell und ging mit seinem Freunde weiter. Als ich mich nun wieder zu meiner Arbeit zurückbegab, war mein erster Gedanke der, wo ich wohl den Beutel mit Sicherheit aufbewahren könne. Ich hatte in meinem armseligen kleinen Häuschen weder einen Kasten noch einen Schrank, der verschlossen werden konnte, auch wußte ich sonst keinen Ort, wo ich sicher war, daß mein Schatz nicht entdeckt würde, wenn ich ihn dahin versteckte.

In dieser Verlegenheit wollte ich es machen, wie die anderen armen Leute meines Standes, die das bißchen Geld, das sie haben, in die Falten ihres Turbans stecken, verließ daher meine Arbeit und ging nach Hause unter dem Vorwand, etwas an meinem Turban zurecht zu machen. Ich traf meine Maßregeln so gut, daß ich, ohne daß meine Frau und Kinder es merkten, zehn Goldstücke aus dem Beutel zog, die ich für die dringendsten Ausgaben beiseite legte; das übrige aber hüllte ich in die Falten der Leinwand, womit ich meine Kopfbedeckung umwickelte.

Die erste Ausgabe, die ich noch an demselben Tag machte, war für einen bedeutenden Vorrat Hanf; dann aber ging ich, da schon seit langer Zeit kein Fleisch mehr auf meinem Tisch gesehen worden war, zu einem Fleischer und kaufte mir einiges zum Abendessen.

Als ich so mit dem Fleisch in der Hand nach Hause gehen wollte, schoß auf einmal ein ausgehungerter Hühnergeier, ohne daß ich mich seiner erwehren konnte, auf mich herab und hätte es mir sicher aus der Hand gerissen, wenn ich es nicht sehr fest gehalten hätte. Aber, ach! Es wäre besser gewesen, ich hätte es ihn nehmen lassen, so hätte ich doch meinen Geldbeutel nicht eingebüßt. Je mehr er nämlich Widerstand fand, um so hartnäckiger bemühte er sich, mir das Fleisch zu entreißen. Er zog mich herüber und hinüber, während er selbst in der Luft schwebte, ohne seine Beute fahren zu lassen. Unglücklicherweise aber fiel mir während der Anstrengungen des Kampfes mein Turban zu Boden.

Sogleich ließ der Hühnergeier seine Beute fahren, stürzte auf meinen Turban los und flog mit ihm davon, noch ehe ich Zeit hatte, ihn von der Erde aufzuraffen. Ich stieß ein so gellendes Geschrei aus, daß die ganze Nachbarschaft darüber erschrak, und Männer, Weiber und Kinder herbeikamen und ebenfalls schrieen, um den Hühnergeier dadurch zu bewegen, seinen Raub fallen zu lassen.

Es gelingt bisweilen durch ein recht lärmendes Geschrei, dieser Art von Raubvögeln ihre Beute wieder abzusagen. Mein Hühnergeier aber ließ sich nicht irre machen, sondern flog mit meinem Turban so weit davon, daß wir ihn aus dem Gesichte verloren, ehe er ihn fallen ließ. Es wäre auch ganz vergeblich gewesen, wenn ich mir die Mühe hätte nehmen wollen, ihm nachzulaufen.

So kehrte ich denn sehr betrübt über den Verlust meines Turbans und meines Geldes nach Hause zurück. Ich mußte mir nun einen anderen kaufen, wodurch die Summe von zehn Goldstücken, die ich aus dem Beutel genommen, abermals geschmälert wurde. Den Einkauf des Hanfes hatte ich bereits davon bestritten, und was mir noch übrig blieb, reichte nicht hin, um die schönen Hoffnungen, die ich gefaßt, zu verwirklichen.

Was mich am meisten peinigte, war der Gedanke, mein Wohltäter werde vielleicht, wenn er mein Unglück erfahre, es ganz unglaublich finden und für eine leere Entschuldigung ansehen, und dann werde er sich darüber ärgern, daß sein Geschenk in so schlechte Hände geraten sei.

So lange die wenigen Goldstücke, die mir übrig geblieben, noch nicht ganz ausgegeben waren, ließ ich es mir mit meiner kleinen Familie davon wohl sein. Bald aber geriet ich wieder in dieselbe Lage, und es war mir ebenso unmöglich, mich aus meinem Elend hervorzuarbeiten wie vorher; gleichwohl murrte ich nicht darüber. »Gott«, sprach ich bei mir selbst, »hat mich prüfen wollen, indem er mir zu einer Zeit, wo ich es am wenigsten erwartete, Geld zufließen ließ; er hat es mir ebenso schnell wieder entzogen weil es ihm so gefallen hat und er schalten kann, wie er will; sein Name sei gepriesen, wie ich ihn stets für alles Gute gepriesen habe. das er mir in seiner Gnade verliehen hat. Ich unterwerfe mich seinem göttlichen Willen.«

Dies war meine Stimmung; meine Frau dagegen, der ich nicht umhin gekonnt hatte, meinen Verlust und die Veranlassung desselben zu erzählen, war ganz untröstlich darüber. In meiner Bestürzung war mir auch gegen meine Nachbarn die Äußerung entschlüpft, daß ich mit meinem Turban zugleich einen Beutel mit hundertundneunzig Goldstücken verloren habe. Da ihnen indes meine Armut bekannt war und sie nicht begreifen konnten, wie ich mir durch meine Arbeit eine so große Summe Geldes hätte verdienen können, so lachten sie bloß darüber und die Kinder spotteten meiner.

Es waren etwa sechs Monate seit meinem Unglück mit dem Hühnergeier vergangen, als die beiden Freunde nicht weit von dem Stadtviertel, wo ich wohnte, vorübergingen. Die Nähe machte, daß Saad sich meiner erinnerte. Er sagte zu Saadi: »Wir sind hier nicht weit von der Straße, wo Hasan Alhabbal wohnt; laß uns einmal hingehen und sehen, ob die zweihundert Goldstücke, die du ihm geschenkt, ihm vielleicht den Weg zu einer besseren Lage gebahnt haben, als die war, in der er sich damals befand.« – »Recht gern«, antwortete Saadi; »ich habe schon vor einigen Tagen an ihn gedacht, und freute mich zum voraus über das Vergnügen, das ich haben würde, wenn ich dich zum Zeugen des Erfolgs meines Versuchs und der Wahrheit meines Satzes machen könnte. Du wirst sehen, daß eine große Veränderung mit ihm vorgegangen ist; ja ich glaube, wir werden ihn kaum wiedererkennen.« Während Saadi so sprach, hatten die beiden Freunde bereits in meine Straße eingelenkt. Saad, der mich schon von fern und zuerst bemerkte, sagte zu seinem Freunde: »Es scheint mir, du hast etwas zu voreilig triumphiert. Ich sehe Hasan Alhabbal, kann aber an seiner Person nicht die mindeste Veränderung entdecken; er ist noch so schlecht gekleidet, wie damals, als wir mit ihm sprachen, und der ganze Unterschied besteht darin, daß sein Turban etwas sauberer aussieht. Überzeuge dich selbst, ob es wahr ist oder nicht.«

Saadi, der mich ebenfalls bemerkt hatte, sah, als er näher kam, recht gut, daß Saad recht hatte, und wußte nicht, was er von der geringen Veränderung denken sollte, die er an mir wahrnahm. Er war darüber so erstaunt, daß er kein Wort zu mir sprach; Saad aber begrüßte mich mit dem gewöhnlichen Gruße und sagte dann: »Nun, Hasan, wir dürfen wohl nicht erst fragen, wie es seit unserem letzten Zusammentreffen mit deinen Angelegenheiten steht; ohne Zweifel haben sie einen besseren Gang genommen und die zweihundert Goldstücke haben deine Lage verbessert?«

»Edle Herren«, antwortete ich, »ich muß euch zu meinem großen Leidwesen gestehen, daß eure Wünsche und Hoffnungen, wie auch die meinigen, nicht den Erfolg hatten, den ihr davon erwarten durftet, und den ich selbst mir versprach. Ihr werdet das seltsame Abenteuer, das mir zugestoßen ist, kaum glauben wollen; gleichwohl versichere ich euch, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, daß ich euch die blanke Wahrheit berichten will.«

Ich erzählte ihnen nun mein Abenteuer mit all den Umständen, die ich soeben meinem Herrn und König mitzuteilen die Ehre hatte.

Saadi verwarf meine Erzählung ganz und gar. »Hasan«, sagte er, »du willst dich über mich lustig machen und mich zum besten haben; was du da sagst, ist ja ganz unglaublich: Die Hühnergeier machen nicht auf Turbane Jagd, sie begehren nur das, was ihren Heißhunger befriedigen kann. Du hast indessen getan, wie alle Leute deines Gelichters zu tun pflegen. Sobald sie einen außerordentlichen Gewinn machen, oder ihnen ein unerwartetes Glück zuteil wird, so vernachlässigen sie ihr Geschäft, gehen den ganzen Tag ihrem Vergnügen nach, schmausen und leben herrlich und in Freuden, solange das Geld währt, und wenn dann alles verzehrt ist, so befinden sie sich wieder in derselben Not und Dürftigkeit, wie zuvor. Du bleibst darum in deinem Elende stecken, weil du es verdienst, und dich der Wohltat, die man dir erweist, unwürdig machst.«

»Herr«, antwortete ich, »ich muß mir diese und noch viel bitterere Vorwürfe von dir gefallen lassen; ich ertrage sie mit um so größerer Geduld, als ich überzeugt bin, daß ich sie nicht verdient habe. Die Sache ist übrigens in dem ganzen Stadtviertel so ruchbar, daß jedermann sie dir bezeugen wird. Erkundige dich selbst, so wirst du finden, daß ich dich nicht belüge. Ich muß gestehen, auch ich habe noch nie sagen gehört, daß Hühnergeier Turbane entführen, allein mir ist es begegnet, und so geschehen tagtäglich tausend Sachen, die früher nie vorgekommen sind.«

Saad ergriff meine Partei und erzählte seinem Freunde Saadi so viel andere gleich merkwürdige Geschichten von Hühnergeiern, daß dieser zuletzt seinen Beutel aus dem Busen zog und mir zweihundert neue Goldstücke in die Hand zählte, die ich in Ermangelung eines Beutels ebenfalls in meinen Busen steckte.

Als Saadi mir diese Summe hingezählt hatte, sagte er: »Hasan, ich will dir noch diese zweihundert Goldstücke schenken, aber verwahre sie ja an einem sicheren Orte, damit du nicht wieder so unglücklich bist, sie zu verlieren, und denke darauf, dir durch sie diejenigen Vorteile zu verschaffen, die du eigentlich schon aus den ersten hättest ziehen sollen.« Ich versicherte ihm, daß ich ihm für diese zweite Gnade um so innigeren Dank wissen werde, als ich sie nach dem oben gedachten Vorfall nicht verdiene, und daß ich alles aufbieten werde, um seinen guten Rat mir zunutzen zu machen. Ich wollte noch mehr sprechen, allein er ließ mir keine Zeit dazu, sondern ging schnell mit seinem Freunde weiter.

Als sie weg waren, ließ ich meine Arbeit liegen und kehrte nach Hause zurück, wo ich aber weder Frau noch Kinder antraf. Ich legte nur zehn Goldstücke von den zweihundert beiseite und hüllte die übrigen in ein Stück Leinwand, das ich zuknüpfte. Die Hauptsache war jetzt, dasselbe an einem sichern Ort zu verbergen. Nach reiflicher Überlegung fiel mir endlich ein, es in ein irdenes mit Kleien angefülltes Gefäß, das in einem Winkel stand, zu legen, da ich nicht glauben konnte, daß meine Frau oder Kinder es hier suchen würden. Meine Frau kam bald darauf nach Hause, und da ich nur noch sehr wenig Hanf mehr vorrätig hatte, so sagte ich zu ihr, ich wolle ausgehen und welchen kaufen, erwähnte aber der beiden Freunde mit keinem Worte.

Ich ging also fort; aber während ich diesen Einkauf machte, kam ein Mann, welcher Waschton, wie ihn die Frauen beim Baden brauchen, zu verkaufen hatte, durch die Straße gegangen und rief seine Ware aus.

Meine Frau, die von diesem Tone nichts mehr hatte, rief dem Mann, und da sie nicht bei Gelde war, fragte sie ihn, ob er ihr wohl etwas von seinem Ton gegen Kleie ablassen wolle. Der Verkäufer verlangte die Kleie zu sehen; meine Frau zeigte ihm das Gefäß und sie wurden handelseinig. Sie empfing den Waschton, und der Mann ging mit dem Kleiengefäß fort.

Bald darauf kam ich mit so viel Hanf, als ich nur tragen konnte, zurück, und mit mir fünf Lastträger, ebenfalls mit dieser Ware beladen, womit ich nun meinen hölzernen Verschlag anfüllte, den ich in meinem Hause angebracht hatte. Ich bezahlte die Lastträger für ihre Mühe, und als sie fort waren, wollte ich mir einige Augenblicke Ruhe gönnen, um mich von meiner Müdigkeit zu erholen. Sodann warf ich meine Blicke nach der Stelle hin, wo ich das Kleiengefäß gelassen hatte, und sah es jetzt nicht mehr.

Beherrscher der Gläubigen! Ich kann dir den Schrecken nicht schildern, der sich in diesem Augenblick meiner Sinne bemächtigte. Hastig fragte ich meine Frau, wo es denn hingekommen sei? Und sie erzählte mir den Handel, den sie gemacht, und wobei sie viel gewonnen zu haben glaubte.

»Unglückliche!« rief ich, »ach, du weißt nicht, in weiches Unglück du mich, dich selbst und deine Kinder durch diesen Handel gestürzt hast, der uns rettungslos zugrunde richtet. Du glaubtest bloß Kleie zu verkaufen, und hast mit dieser Kleie deinen Waschtonhändler um hundertundneunzig Goldstücke reicher gemacht, womit Saadi, der heute in Begleitung seines Freundes wieder zu mir kam, mich zum zweitenmal beschenkt hatte.«

Es fehlte wenig, so wäre meine Frau in Verzweiflung geraten, als sie erfuhr, welch großen Fehler sie in der Unwissenheit begangen hatte. Sie brach in lautes Wehklagen aus, zerschlug sich die Brust, zerraufte sich die Haare, zerriß ihr Kleid und rief: »Ach, wie unglücklich bin ich! Verdiene ich nach diesem schrecklichen Mißgriff noch zu leben? Wo soll ich diesen Waschtonhändler aufsuchen? Ich kenne ihn ja nicht, er ist bloß dies einzige Mal durch unsere Straße gekommen und vielleicht werde ich ihn nie wieder sehen. Ach, lieber Mann«, fuhr sie fort, »du hast sehr unrecht gehandelt; warum mußt du auch bei einer Sache von solcher Wichtigkeit so zurückhaltend gegen mich sein! Dies wäre alles nicht geschehen, wenn du mir dein Geheimnis mitgeteilt hättest.« Ich würde nicht zu Ende kommen, wenn ich dir alles wieder sagen wollte, was der Schmerz ihr damals in den Mund legte; du weißt ja selbst, wie redselig die Frauen in ihren Trübsalen sind.

»Liebe Frau«, sagte ich zu ihr, mäßige dich; bedenkst du denn nicht, daß du durch dein Weinen und Schreien die ganze Nachbarschaft herbeilocken wirst, und diese brauchen nicht um unser Mißgeschick zu wissen. Statt Anteil daran zu nehmen oder uns zu trösten, würden sie sich nur über unsere Einfalt lustig machen.

»Das beste also ist, wir sagen keinem Menschen von diesem Verlust und schicken uns geduldig drein, so daß niemand etwas davon merkt; denn wir müssen uns dem Willen Gottes unterwerfen. Ja, laß uns ihn preisen, daß er von den zweihundert Goldstücken, die er uns gegeben, nur hundertundneunzig zurückgenommen und uns in seiner Güte noch zehn gelassen hat, die uns immerhin einige Unterstützung gewähren werden.«

So triftig auch meine Gründe waren, so wurde es mir doch sehr schwer, ihnen bei meiner Frau Eingang zu verschaffen. Doch die Zeit, welche die größten und scheinbar unerträglichsten Leiden mildert, tröstete endlich auch sie.

»Wir leben freilich arm«, sagte ich zu ihr, »jedoch was haben denn die Reichen, das wir nicht auch hätten? Atmen wir nicht dieselbe Luft? Genießen wir nicht desselben Sonnenlichts und derselben Sonnenwärme? Einige Bequemlichkeiten, die sie vor uns voraus haben, könnten uns ihr Glück beneidenswert erscheinen lassen, allein sie müssen ja auch sterben wie wir. Genau genommen ist der Vorzug, den sie vor uns haben, so unbedeutend, daß wir ihn gar nicht in Betracht ziehen sollten, wenn wir nur immer die Furcht Gottes vor Augen und im Herzen haben. «

Ich will dich nicht länger mit den Betrachtungen langweilen, womit ich meiner Frau und mir selbst Trost einzusprechen suchte. Endlich wurden wir wieder ruhig, und ich ging wieder so munter an mein Geschäft, daß niemand sich hätte einfallen lassen, welch bedeutendes Unglück ich in so kurzer Zeit zweimal hintereinander gehabt habe.

Das einzige, was ich nicht verschmerzen konnte, und was mich oft und viel beschäftigte, war, wenn ich mich fragte, wie ich wohl vor Saadi bestehen würde, wenn er käme, um über seine zweihundert Goldstücke und die Verbesserung meiner Lage infolge seiner Freigebigkeit Rechenschaft zu fordern, und ich dann vor Beschämung zu Boden sinken müßte, obgleich ich das zweite Mal mein Unglück so wenig verschuldet hatte, als das erste.

Es dauerte diesmal länger, bis die beiden Freunde wieder kamen, um sich über meine Lage zu erkundigen. Saad hatte oft mit Saadi darüber gesprochen, aber dieser hatte es immer hinausgezogen. »Je länger wir warten«, sagte er, »um so reicher werden wir Hasan treffen und um so größer wird mein Vergnügen sein.«

Saad hatte nicht dieselbe Ansicht von der Wirkung, die das Geschenk seines Freundes gemacht haben würde. »Glaubst du denn wirklich,« sagte er, »Hasan werde dein Geschenk besser angewendet haben als das erste Mal? Ich rate dir, schmeichle dir nicht mit solchen Hoffnungen, denn dein Verdruß müßte dann nur noch um so empfindlicher sein, wenn du das Gegenteil findest.« »Doch«, erwiderte Saadi, »es kommt ja nicht alle Tage vor, daß ein Hühnergeier einen Turban mit in die Luft nimmt. Hasan ist von diesem Unglück plötzlich überfallen worden, er wird sich jetzt wohl vorgesehen haben, daß es ihm nicht wieder so ergangen ist.«

»Ich zweifle nicht daran«, entgegnete Saad, »allein ebenso gut kann jeder andere Zufall eingetreten sein, an welchen wir beide nicht denken konnten. Ich wiederhole es dir, mäßige deine Freude und mache dich ebenso gut auf Hasans Unglück gefaßt, als auf sein Glück. Um dir aufrichtig meine Meinung zu sagen, die ich von jeher gehabt habe, die dir aber nie gefallen will, eine Ahnung sagt mir, daß es dir nicht gelungen ist, und daß ich glücklicher sein werde mit meinem Beweise, daß ein Armer auf jedem anderen Wege eher reich werden kann, als durch Geld.«

Als Saad eines Tages wiederum bei Saadi war und sie sich lange miteinander gestritten hatten, sagte letzterer: »Genug, ich will mir heute noch Aufschluß darüber verschaffen, wie es mit der Sache steht. Es ist jetzt gerade Zeit zum Spazierengehen; laß uns sie nicht versäumen, sondern uns erkundigen, wer von beiden die Wette gewonnen hat.«

Die Freunde gingen aus und ich sah sie schon von weitem kommen. Ich war so bestürzt darüber, daß ich in Versuchung geriet, meine Arbeit liegen zu lassen und mich vor ihnen zu verbergen. Indes blieb ich dennoch bei meinem Geschäft und stellte mich, als ob ich sie nicht sehe; ich schlug meine Augen nicht eher zu ihnen auf, als bis sie mir so nahe waren, daß sie mich grüßten, und ich anständigerweise den Gruß nicht unerwidert lassen konnte. Dann aber schlug ich meine Augen wieder nieder, und indem ich ihnen meinen letzten Unfall ausführlich erzählte, machte ich ihnen begreiflich, warum sie mich immer noch in derselben Armut finden, wie das erste Mal. da sie mich gesehen haben.

Als ich mit meiner Erzählung zu Ende war, fügte ich hinzu: »Ihr werdet mir vielleicht einwenden, ich hätte die hundertundneunzig Goldstücke anderswo verwahren sollen, als in einem Kleiengefäß, das noch an demselben Tage aus meinem Hause geschafft wurde. Allein dieses Gefäß war schon seit einer Reihe von Jahren immer auf derselben Stelle gestanden, es hatte seinen bestimmten Zweck, und so oft auch meine Frau, wenn es voll war, die Kleie verkauft hatte, so war doch das Gefäß immer stehen geblieben. Wie hätte ich mir einfallen lassen können, daß gerade an diesem Tage während meiner Abwesenheit ein Waschtonhändler am Hause vorbeigehen, meine Frau ohne Geld sein und diesen Tauschhandel mit ihm abschließen mußte? Ihr könntet mir vielleicht entgegnen, ich hätte meiner Frau etwas davon sagen sollen; doch glaube ich nicht, daß so verständige Männer, wofür ich euch halte, mir diesen Rat gegeben hätten. Was aber den Punkt betrifft, daß ich sie nicht anderswo versteckt habe, so bürgt mir niemand dafür, daß sie dann sicherer gewesen wären.

»Herr«, fuhr ich dann gegen Saadi allein fort, »es hat Gott nicht gefallen, daß ich durch deine Freigebigkeit reich werden sollte; es ist dies eines seiner undurchdringlichen Geheimnisse, die wir nicht erforschen können. Er will mich nun einmal arm und nicht reich. Deshalb werde ich aber doch nie aufhören, dieselbe Dankbarkeit gegen dich zu empfinden, wie wenn deine Freigebigkeit den gewünschten Zweck vollkommen erreicht hätte.«

Ich schwieg, und Saadi nahm hierauf das Wort und sprach: »Hasan, wenn ich auch glauben wollte, daß alles das, was du da sagst, so wahr ist, als du uns gern überreden möchtest, und daß du es nicht bloß als Deckmantel brauchst, um deine Liederlichkeit oder schlechte Wirtschaft zu beschönigen, was auch wohl sein könnte, so würde ich mich dennoch hüten, irgend einen Schritt weiter zu tun und hartnäckig in Versuchen fortzufahren, die mich am Ende zugrunde richten müßten. Es ist mir nicht leid um die vierhundert Goldstücke, deren ich mich beraubt habe, weil ich einen Versuch machen wollte, dich aus deiner Armut zu ziehen. Ich habe dies Gott zuliebe getan, ohne von dir einen anderen Dank zu erwarten, als bloß das Vergnügen, dir etwas Gutes erwiesen zu haben.« Hierauf wandte er sich an seinen Freund und fuhr fort: »Saad, du kannst aus dem, was ich soeben gesprochen habe, abnehmen, daß ich das Spiel noch nicht ganz verloren gebe. Gleichwohl steht es dir frei, mit deiner Behauptung, die du schon so oft gegen mich ausgesprochen hast, auch einen Versuch zu machen. Zeige mir, daß es außer dem Gelde noch andere Mittel und Wege gibt, um das Glück eines armen Mannes zu machen in dem Sinne, wie wir beide es meinen, und suche dir keinen anderen dazu aus, als Hasan. Was du ihm auch immer geben magst, ich kann mich nicht überzeugen, daß er dadurch reicher werden könnte, als er durch die vierhundert Goldstücke hätte werden können.«

Saad hielt ein Stück Blei in der Hand und zeigte es Saadi. »Du hast gesehen,« sagte er jetzt zu diesem, »wie ich dies Stück Blei zu meinen Füßen aufraffte; ich will es Hasan schenken, und du wirst sehen, was es ihm mitbringen wird.«

Saadi lachte laut auf und verspottete Saad. »Ein Stück Blei!« rief er aus, »nun, was kann dies Hasan mehr eintragen, als einen Heller, und was kann er mit einem Heller anfangen?« Saad überreichte mir indes das Stück Blei und sagte: »Nimm es immerhin und laß Saadi lachen; du wirst uns dereinst von dem Glück, das es dir ins Haus gebracht, viel zu erzählen haben.«

Ich glaubte, Saad könne dies nicht im Ernste meinen und wolle nur seinen Scherz mit mir treiben. Gleichwohl nahm ich das Stück Blei mit Dank an, und um ihm seinen Willen zu tun, steckte ich es ziemlich nachlässig in meine Weste. Darauf verließen mich die beiden Freunde, um ihren Spaziergang fortzusetzen, und ich ging wieder an meine Arbeit.

Abends, als ich mich auskleidete, um schlafen zu gehen, und eben meinen Gürtel ablegte, fiel das Stück Blei, das Saad mir gegeben, und an das ich seither nicht mehr gedacht hatte, auf den Boden; ich hob es auf und legte es an den nächsten besten Ort.

In derselben Nacht geschah es, daß einer meiner Nachbarn, ein Fischer, bei Zurechtmachung seiner Netze bemerkte, daß es ihm an einem Stück Blei fehle. Er hatte keines mehr im Hause, auch waren die Läden alle verschlossen und er konnte es also nicht kaufen. Gleichwohl mußte er, wenn er und die Seinigen am folgenden Tag etwas essen wollten, zwei Stunden vor Tagesanbruch auf den Fischfang ausgehen. Er klagte seiner Frau diese Not und schickte sie aus, um in der Nachbarschaft etwas Blei aufzutreiben.

Die Frau gehorchte ihrem Manne, ging von Türe zu Türe auf beiden Seiten der Straße, fand aber nirgends, was sie suchte. Mit dieser Antwort kam sie zu ihrem Manne zurück, der ihr mehrere von den Nachbarn mit Namen aufführte und fragte, ob sie auch bei diesen allen angeklopft habe. Sie antwortete: »Ja.« – »Auch bei Hasan Alhabbal?« fragte er weiter; »ich wette, bei diesem bist du nicht gewesen.«

»Es ist wahr«, erwiderte die Frau, »es war mir zu weit an sein Haus, und wenn ich mich auch die Mühe nicht hätte verdrießen lassen, glaubst du denn, daß ich bei ihm etwas gefunden hätte? Zu ihm muß man nur gehen, wenn man selbst alles im Vollauf hat und nichts begehrt; ich weiß das aus Erfahrung.«

»Gleichviel«, sagte der Fischer, »du bist bloß zu faul dazu, und ich verlange, daß du jetzt hingehst. Du bist schon hundertmal bei ihm gewesen, ohne zu finden, was du suchtest; vielleicht findest du gerade heute das Blei, dessen ich bedarf: Noch einmal, ich verlange, daß du hingehst.«

Die Frau des Fischers ging murrend und brummend fort und klopfte an meine Türe. Ich schlief bereits, wachte aber sogleich auf und fragte, was es gebe. »Hasan Alhabbal«, sagte die Frau mit lauter Stimme, »mein Mann sollte ein Stück Blei haben, um seine Netze zurecht zu machen. Wenn du vielleicht welches hast, so läßt er dich darum bitten.«

Das Stück Blei, das Saad mir gegeben hatte, war mir noch so frisch im Gedächtnis, zumal da es mir beim Auskleiden auf den Boden gefallen war, daß ich es nicht vergessen haben konnte. Ich antwortete also meiner Nachbarin, ich habe welches, sie solle nur einen Augenblick warten, meine Frau werde es ihr bringen.

Meine Frau, die bei dem Lärmen ebenfalls aufgewacht war, stand auf und tappte im Finstern an den Ort, den ich ihr bezeichnete; als sie nun dort das Blei gefunden hatte, öffnete sie die Tür ein wenig und gab es der Nachbarin hinaus.

Die Frau des Fischers war ganz entzückt, daß sie nicht vergebens hatte kommen müssen und sagte zu meiner Frau: »Liebe Nachbarin, du tust meinem Mann und mir einen so großen Gefallen, daß ich dir alle Fische verspreche, die mein Mann bei dem ersten Wurf fängt, und ich bin überzeugt, daß er dies gern tun wird.«

Der Fischer war voll Freude, wider sein Erwarten das nötige Blei noch gefunden zu haben, und billigte mit Vergnügen das Versprechen seiner Frau. »Ich danke dir«, sagte er zu ihr, »daß du hierin meinen Willen so gut getroffen hast.« Sodann setzte er seine Netze vollends instand und ging wie gewöhnlich zwei Stunden vor Tag auf den Fischfang aus. Beim ersten Wurf zog er bloß einen einzigen Fisch heraus, der aber mehr als eine Elle lang und unverhältnismäßig dick war. Auch seine anderen Würfe fielen sämtlich glücklich aus, doch kam unter allen Fischen, die er fing, kein einziger dem ersten auch nur von ferne gleich.

Als er nun genug gefischt hatte und wieder nach Hause kam, so war sein Erstes, daß er an mich dachte, und ich machte große Augen, als ich bei meiner Arbeit ihn mit dem Fische vor mich treten sah. »Nachbar«, sagte er zu mir, »meine Frau hat dir heute Nacht zum Dank für deine Gefälligkeit die Fische versprochen, die ich beim ersten Wurfe fangen würde, und ich habe ihr Versprechen gutgeheißen. Gott hat mir bloß diesen einzigen für dich beschert, und ich bitte dich, ihn freundlich anzunehmen; hätte er mein Netz ganz mit Fischen angefüllt, so wären sie ebenfalls alle dein gewesen. Nimm daher mit diesem hier und meinem guten Willen vorlieb.«

»Nachbar«, antwortete ich, »das Stück Blei, das ich dir geschickt habe, ist so wenig wert, daß du durchaus keinen so hohen Preis darauf setzen solltest. Nachbarsleute müssen einander in ihren kleinen Bedürfnissen aushelfen, und ich habe für dich bloß getan, was ich in einem ähnlichen Falle von dir hätte erwarten können. Ich würde deswegen dein Geschenk ausschlagen, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß du mir es von Herzen gern bietest, und daß du es für eine Beleidigung hieltest, wenn ich es nicht annähme. Ich nehme es also an, da du es so haben willst, und sage dir dafür meinen besten Dank.«

Damit hatten unsere gegenseitigen Höflichkeiten ein Ende, und ich trug den Fisch zu meiner Frau. »Da hast du einen Fisch«, sagte ich zu ihr; »unser Nachbar, der Fischer, hat ihn mir soeben gebracht zum Dank für das Stück Blei, um das er uns in der letzten Nacht bitten ließ. Ich denke, dies ist alles, was wir von dem Geschenke hoffen dürfen, welches mir Saad gestern gemacht hat, und von dem er behauptete, es werde mir Glück bringen.« Zugleich erzählte ich ihr, daß die beiden Freunde wieder gekommen seien und was zwischen uns vorgefallen war. Meine Frau war in Verlegenheit, als sie diesen großen und dicken Fisch sah. »Was sollen wir damit anfangen?« sagte sie; »unser Bratrost ist nur für kleine Fische eingerichtet, und wenn wir ihn mit einer kurzen Brühe sieden wollen, so haben wir keinen Topf, der groß genug wäre.« – »Das sind deine Sachen«, sagte ich; »du kannst ihn sieden oder braten, ich bin mit allem zufrieden.« Mit diesen Worten ging ich zu meiner Arbeit zurück.

Als meine Frau den Fisch geschlachtet hatte, fand sie in seinen Eingeweiden einen großen Diamant, den sie rein abspülte und für bloßes Glas hielt. Sie hatte zwar schon von Diamanten sprechen gehört und vielleicht schon welche gesehen oder in der Hand gehabt, war aber zu wenig Kennerin, um sie gehörig unterscheiden zu können. Sie gab ihn also unserm jüngsten Kind, auf daß es mit seinen Schwesterchen und Brüderchen damit spielen sollte, und die Kinder nahmen ihn alle nacheinander in die Hand und freuten sich über seine Schönheit, seinen Glanz und sein Gefunkel.

Abends, als die Lampe angezündet war, bemerkten unsere Kinder, die noch immer mit dem Diamant spielten und ihn einander in die Hände gaben, daß er einen Schein von sich gab, wenn meine Frau, die mit Zubereitung des Abendessens beschäftigt war, zufällig an der Lampe vorbeikam und Schatten machte, und dies bewog dann die Kinder, ihn einander aus den Händen zu reißen, um Versuche damit zu machen. Dabei weinten die Kleinen, wenn die Größeren ihnen den Stein nicht lange genug lassen wollten, und diese mußten ihn dann zurückgeben, nur um sie zu beschwichtigen. Da Kinder wegen jeder Kleinigkeit lustig werden oder Streit anfangen, und dies alle Tage vorkommt, so fragte weder meine Frau noch ich um die Ursache des Höllenlärms und Geschreies, das sie miteinander verführten. Endlich wurden sie ruhig, als die Größeren sich an den Tisch gesetzt hatten, um mit uns zu Nacht zu speisen, und meine Frau den Kleineren jedem seinen Teil gegeben hatte. Nach dem Abendessen spielten die Kinder wieder miteinander, und bald war der Lärm noch größer als vorher. Jetzt wollte ich wissen, warum sie miteinander streiten, rief also den Ältesten und fragte, was der Lärm zu bedeuten habe. »Lieber Vater«, antwortete das Kind, »wir haben hier ein Stück Glas, das einen Schein von sich gibt, wenn wir der Lampe den Rücken kehren und es so ansehen.« Ich ließ es mir bringen und machte selbst den Versuch. Die Sache schien mir seltsam und ich fragte meine Frau, was denn das für ein Stück Glas sei? »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »ich habe es im Bauche des Fisches gefunden, als ich ihn zubereitete.« Ich dachte ebenso wenig daran, daß es etwas anderes als Glas sein könnte, doch wollte ich noch mehr Versuche damit machen und sagte daher zu meiner Frau, sie sollte die Lampe einmal in den Kamin stellen. Sie tat es, und nun sah ich, daß die vermeintliche Glasscherbe einen so hellen Schein verbreitete, daß wir die Lampe nicht mehr vonnöten hatten, um zu Bett zu gehen. Ich ließ sie daher auslöschen, und legte das Glas auf den Rand des Kamins, damit es uns leuchtete. »Dies ist«, sagte ich, »schon der zweite Vorteil, den wir von dem Stück Blei haben, das Saadis Freund mir gab; wir brauchen jetzt kein Öl mehr zu kaufen.« Als meine Kinder sahen, daß ich die Lampe hatte auslöschen lassen, und das Glas ihre Stelle vertrat, so erhoben sie aus Freude und Bewunderung ein solches Geschrei, daß man es weit umher in der Nachbarschaft hörte. Wir beide, meine Frau und ich, vermehrten den Lärm noch, indem wir ihnen zuschrieen, sie sollen schweigen; allein wir konnten ihrer nicht Meister werden, bis sie im Bett lagen und einschliefen, nachdem sie sich zuvor noch lange Zeit nach ihrer Weise über den wunderbaren Schein des Glases unterhalten hatten.

Meine Frau und ich gingen nun zu Bett, und am anderen Morgen in der Frühe begab ich mich wieder, ohne weiter an das Stück Glas zu denken, an meine Arbeit. Niemand wird sich darüber verwundern, daß dies einem Mann wie mir begegnet ist, der in seinem Leben bloß Glas, aber niemals Diamanten gesehen, oder wenn er dergleichen sah, sich nie um ihren Wert bekümmert hatte. Hier muß ich dir bemerken, Beherrscher der Gläubigen, daß zwischen meinem Haus und dem meines nächsten Nachbarn sich bloß eine sehr dünne Bretterwand befand. Dieses Haus aber gehörte einem sehr reichen Juden, der seines Zeichens ein Juwelier war, und das Zimmer, wo er und seine Frau schliefen, stieß an die Scheidewand. Sie waren schon zu Bett gewesen und eingeschlafen, als meine Kinder so abscheulich zu lärmen anfingen; der Lärm hatte sie aufgeweckt und sie hatten lange nicht mehr einschlafen können.

Am Morgen kam dann die Frau des Juden, um sich sowohl in ihrem eigenen als in ihres Mannes Namen bei meiner Frau zu beschweren, daß sie in ihrem ersten Schlafe gestört worden seien. »Meine liebe Rahel«, – so hieß nämlich die Jüdin – gab meine Frau zur Antwort, »es tut mir sehr leid, daß dies vorgefallen ist, und ich bitte dich um Entschuldigung. Du weißt selbst, wie die Kinder sind, sie können über eine Kleinigkeit lachen und weinen. Komm herein, so will ich dir das Ding zeigen, das deine Klage veranlaßt hat.« Die Jüdin trat hinein, und meine Frau nahm den Diamant – denn es war wirklich einer und zwar ein sehr ausgezeichneter – vom Kamine herab, zeigte ihr denselben und sagte: »Da sieh, dieses Stück Glas ist an dem ganzen Lärm schuld, den du gestern Abend gehört hast.« Indes nun die Jüdin, die sich auf alle Arten von Edelsteinen wohl verstand, den Diamant mit Bewunderung besichtigte, erzählte ihr meine Frau, wie sie ihn im Bauche des Fisches gefunden und wie alles zugegangen sei. Als meine Frau ausgesprochen hatte, gab ihr die Jüdin den Diamant zurück und sagte zu ihr: »Aischa«, – sie wußte nämlich ihren Namen – »ich halte es ebenfalls für Glas; da es aber weit schöner ist als gewöhnliches Glas, und ich schon ein ganz ähnliches Stück Glas zu Hause habe, womit ich mich bisweilen schmücke und wozu es schön passen würde, so möchte ich es dir gern abkaufen.« Als meine Kinder vom Verkauf ihres Spielwerks reden hörten, so unterbrachen sie das Gespräch mit lautem Geschrei, und baten ihre Mutter, es ihnen zu lassen, so daß sie es ihnen versprechen mußte, nur um sie wieder zu beruhigen.

Die Jüdin mußte nach Hause zurückgehen und bat meine Frau, die sie bis an die Haustüre geleitete, beim Abschiede noch ganz leise, wenn sie das Stück Glas verkaufen wolle, so möchte sie es ja niemand zeigen, bevor sie ihr davon Nachricht gegeben hätte.

Der Jude war schon in aller Frühe nach dem Juwelierplatz in seinen Laden gegangen. Seine Frau eilte ihm nach und meldete ihm die Entdeckung, die sie gemacht hatte; sie beschrieb ausführlich die Größe, das ungefähre Gewicht, die Schönheit und den Glanz des Diamanten, besonders aber seine ausgezeichnete Eigenschaft, bei Nacht zu leuchten, wie ihr meine Frau in ihrer arglosen und treuherzigen Geschwätzigkeit erzählt hatte.

Der Jude schickte seine Frau sogleich zurück mit dem Auftrage, mit der meinigen zu unterhandeln und ihr anfangs wenig zu bieten, aber je nachdem sie Schwierigkeiten finde, immer höher zu gehen und endlich den Handel um jeden Preis abzuschließen.

Die Jüdin kam also, nahm meine Frau beiseite, ohne abzuwarten, bis sie sich selbst zum Verkauf des Diamanten entschlossen hätte, und fragte sie, ob sie nicht zwanzig Goldstücke für dieses Glas nehmen wolle, denn es sei doch nichts anderes. Meine Frau fand diese Summe bedeutend, wollte aber weder Ja noch Nein antworten, sondern sagte der Jüdin bloß, sie könne sich nicht darauf einlassen, bevor sie mit mir gesprochen hätte.

Mittlerweile wurde es Zeit zum Mittagessen, und ich wollte eben in meine Wohnung eintreten, als sie noch an der Türe miteinander sprachen. Meine Frau rief mich und fragte, ob ich es erlaube, wenn sie das im Bauche des Fisches gefundene Stück Glas für zwanzig Goldstücke verkaufen wollte, die unsere Nachbarin, die Jüdin, darauf geboten habe.

Ich gab nicht sogleich eine entscheidende Antwort, denn ich erinnerte mich jetzt der zuversichtlichen Art, wie Saad, als er mir das Stück Blei gab, behauptet hatte, es müsse mein Glück machen. Die Jüdin aber glaubte, ich antworte deswegen nicht, weil ich ihr Gebot verschmähe, und sagte daher schnell: »Nachbar, ich gebe dir fünfzig. Bist du damit zufrieden?«

Als ich sah, daß die Jüdin so geschwind von zwanzig Goldstücken auf fünfzig stieg, so wurde ich immer zäher und sagte, das sei noch lange nicht der Preis, zu dem ich es zu verkaufen gedenke. »Nachbar«, erwiderte sie, »ich gebe hundert Goldstücke; dies ist gewiß sehr viel und ich weiß nicht einmal, ob mein Mann es gutheißen wird.« Auf diese neue Steigerung sagte ich, ich verlange hunderttausend Goldstücke, obwohl ich recht gut wisse, daß der Diamant weit mehr wert sei. Indes wolle ich mich als guter Nachbar, ihr und ihrem Manne zu Gefallen, mit dieser Summe begnügen, weiter herab aber werde ich nicht gehen, und wenn sie mit diesem Preis nicht zufrieden, so werden andere Juweliere gewiß noch mehr dafür geben.

Die Jüdin bot mir zu wiederholten Malen fünfzigtausend Goldstücke, die ich aber nicht annahm, denn die gierige Art, womit sie den Handel abschließen wollte, bestärkte mich in meinem Entschluß, bei hunderttausend zu beharren. »Mehr«, sagte sie, »kann ich ohne Einwilligung meines Mannes nicht bieten; er wird aber auf den Abend nach Hause kommen und ich bitte dich nur um die Gefälligkeit, daß du solange Geduld hast, bis er mit dir sprechen und den Diamanten sehen kann.« Ich versprach ihr dies.

Als der Jude am Abend nach Hause kam, sagte ihm seine Frau, sie habe weder mit mir noch meiner Frau etwas ausgerichtet, obgleich sie mir fünfzigtausend Goldstücke geboten, und dann habe sie nur noch um die Gefälligkeit bitten können, auf ihn zu warten.

Der Jude nahm die Zeit wahr, wo ich von meiner Arbeit nach Hause zurückkam. »Nachbar Hasan«, rief er mir zu, »sei doch so gut und zeige mir den Diamanten, den deine Frau der meinigen gezeigt hat.« Ich hieß ihn ins Haus treten und zeigte ihm denselben.

Da es bereits dunkel war und die Lampe noch nicht brannte, so erkannte er sogleich aus dem Schein, den der Diamant von sich strahlte, und aus seinem herrlichen Glanz auf meiner Hand, die wie im Feuer zu liegen schien, daß seine Frau ihm einen getreuen Bericht abgestattet hatte. Er nahm ihn in die Hand, besichtigte ihn lange Zeit und konnte keine Worte für seine Bewunderung finden. »Lieber Nachbar«, sagte er endlich, »meine Frau hat dir, wie sie gesagt, fünfzigtausend Goldstücke dafür geboten; damit du nun ganz zufrieden bist, so biete ich noch zwanzigtausend dazu.« – »Nachbar«, antwortete ich, »deine Frau hätte dir auch sagen sollen, daß ich hunderttausend dafür verlangt habe; entweder gibst du mir so viel, oder der Diamant bleibt mein; ich gehe um keinen Heller herab.« Er feilschte noch lange, in der Hoffnung, ich würde ihm etwas nachlassen, allein es gelang ihm nicht, und aus Furcht, ich möchte den Diamanten auch anderen Juwelieren zeigen, wie ich jedenfalls getan hätte, schloß er den Handel endlich um den verlangten Preis ab. Er sagte, er habe zwar die hunderttausend Goldstücke nicht bar daliegen, werde mir aber morgen um dieselbe Stunde und noch früher die ganze Summe übermachen, und damit der Kauf ganz fest stände, brachte er mir am nämlichen Abend zwei Beutel von je tausend Goldstücken.

Ich weiß nicht, ob der Jude das Geld von seinen Freunden entlehnte, oder mit anderen Juwelieren zusammenstand, kurz und gut, am anderen Tage zählte er mir auf die bestimmte Stunde hunderttausend Goldstücke blank auf den Tisch, und ich übergab ihm den Diamant.

Als ich nun durch diesen Handel über alle Erwartung reich geworden war, dankte ich Gott für seine Güte und Milde, und gern hätte ich mich zu Saads Füßen geworfen, um ihm meine Erkenntlichkeit zu beweisen, wenn ich nur seine Wohnung gewußt hätte. Ebenso erging es mir mit Saadi, den ich als die erste Ursache meines Glückes verehren mußte, obschon sein guter Plan ihm nicht gelungen war.

Ich dachte nun darauf, wozu ich wohl diese bedeutende Summe am besten verwenden könne. Meine Frau, welcher von der gewöhnlichen Eitelkeit ihres Geschlechts bereits der Kopf schwindelte, machte mir sogleich den Vorschlag, kostbare Kleider für sie und ihre Kinder, dann auch ein Haus zu kaufen und es reich auszuschmücken. Überlaß die Sache mir: Was du da verlangst, wird nicht ausbleiben. Obgleich das Geld nur dazu da ist, um ausgegeben zu werden, so müssen wir es doch so einrichten, daß wir ein Kapital anlegen, wovon wir bloß die Zinsen verbrauchen wollen, ohne den Grundstock anzugreifen. Dies ist mein Plan und gleich morgen will ich das Kapital anlegen.«

Den folgenden Tag wandte ich ganz dazu an, zu einer Menge meiner Handwerksgenossen zu gehen, die in ebenso schlechten Umständen waren, wie ich bisher; ich schoß ihnen Geld vor und verpflichtete sie, jeden nach seiner Geschicklichkeit und Fähigkeit, allerlei Arten von Seilerarbeit für mich zu besorgen. Zugleich versprach ich ihnen, sie nicht lange warten zu lassen, sondern pünktlich und gut zu bezahlen, sowie sie mir ihre Arbeiten brächten. Den nächstfolgenden Tag verpflichtete ich auch noch die übrigen Seiler, die in diesen Umständen waren, für mich zu arbeiten, und seitdem stehen alle Leute von diesem Handwerk in ganz Bagdad für mich in Arbeit, sind aber auch sehr wohl zufrieden mit der Pünktlichkeit, womit ich mein Versprechen gegen sie erfülle.

Da diese Masse von Handwerksleuten eine verhältnismäßige Menge von Arbeiten fertig machen mußte, so mietete ich mir an verschiedenen Orten Lagerhäuser und stellte in jedem einen Geschäftsführer auf, der die angefertigte Arbeit in Empfang nehmen und den Verkauf im ganzen wie im einzelnen besorgen mußte: Eine Einrichtung, die mir bald bedeutenden Gewinn und eine ansehnliche Einnahme verschaffte.

In der Folge kaufte ich, um meine vielen zerstreuten Warenlager auf einem einzigen Punkte zu vereinigen, ein großes Haus, das zwar sehr vielen Raum hatte, aber baufällig war, ließ es niederreißen und an seiner Stelle dasjenige erbauen, das du, Herr König, gestern gesehen hast. So stattlich es auch erscheint, so besteht es doch nur aus den notwendigen Warenböden und aus den Wohnzimmern, so viel ich für mich und meine Familie brauche.

Es war schon einige Zeit, daß ich mein altes Häuschen verlassen und mein neues, großes Haus bezogen hatte, als Saadi und Saad, die bisher nicht mehr an mich gedacht, sich auch einmal meiner erinnerten. Sie verabredeten einen Spaziergang, und als sie durch die Straße kamen, wo sie mich sonst immer gesehen hatten, verwunderten sie sich höchlich, da sie mich nicht mehr wie gewöhnlich an meinem kleinen SeilergestelI arbeitend antrafen. Sie fragten, was aus mir geworden und ob ich tot oder noch am Leben sei? Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie vernahmen, daß der, nach welchem sie fragten, ein vornehmer Kaufmann geworden sei und nicht mehr schlechthin Hasan, sondern Chogia Hasan Alhabbal, das heißt: Kaufmann Hasan der Seiler, heiße, und sich in der und der Straße ein Haus habe erbauen lassen, das aussehe wie ein Palast.

Die beiden Freunde suchten mich in der ihnen bezeichneten Straße auf, und da Saadi sich nicht denken konnte, daß das Stück Blei, das Saad mir gegeben, die Ursache so großen Glücks für mich geworden sein sollte, so sagte er unterwegs zu Saad: »Ich freue mich außerordentlich, daß ich Hasan Alhabbals Glück gegründet habe; nur gefällt es mir nicht, daß er mich zweimal belogen hat, um mir vierhundert statt zweihundert Goldstücke abzulocken: Denn dem Stück Blei, das du ihm schenktest, kann ich doch sein Glück nicht zuschreiben, auch wird sich niemand dies sonst einfallen lassen.«

»Das mag deine Meinung sein«, antwortete Saad; »die meinige ist es nicht; auch sehe ich keinen Grund, warum du gegen Chogia Hasan so ungerecht sein willst, ihn für einen Lügner zu halten. Erlaube mir, zu glauben, daß er uns die Wahrheit berichtet und nichts verheimlicht hat, und daß das Stück Blei, das ich ihm gab, die einzige Ursache seines Glückes ist. Doch Chogia Hasan wird uns bald selbst Aufschluß darüber erteilen.«

Unter solchen Gesprächen kamen die Freunde in die Straße, wo mein Haus liegt. Sie fragten nach demselben, und man zeigte es ihnen. Als sie die Vorderseite betrachteten, konnten sich kaum glauben, daß es mir gehören sollte. Gleichwohl klopften sie an die Tür und mein Pförtner öffnete ihnen.

Saadi, der eine Unhöflichkeit zu begehen fürchtete, wenn er das Haus, das er suchte, mit dem irgend eines bedeutenden Mannes verwechselte, sagte zu dem Pförtner: »Man hat uns gesagt, dieses gehöre dem Chogia Hasan Alhabbal; sprich, ob wir uns irren oder nicht.« – »Nein, Herr, du irrst dich nicht«, antwortete der Türsteher, indem er die Pforte noch weiter öffnete, »du bist im rechten Hause: Tritt nur herein, er befindet sich eben im Saal, und einer von seinen Sklaven wird dich anmelden.«

Die beiden Freunde ließen sich bei mir anmelden, und ich erkannte sie auf den ersten Blick. Ich stand sogleich auf, lief ihnen entgegen und wollte den Saum ihres Kleides fassen, um ihn zu küssen. Sie ließen es nicht zu, und ich mußte mir wider meinen Willen gefallen lassen, daß sie mich umarmten. Ich lud sie ein, auf eine mit Teppichen belegte Erhöhung zu treten, und bot ihnen da ein Sofa an, das die Aussicht nach dem Garten hatte. Hier bat ich sie, sich zu setzen; allein sie verlangten, ich solle den Ehrenplatz einnehmen. »Edle Herren«, sagte ich zu ihnen, »ich habe nicht vergessen, daß ich der arme Hasan Alhabbal bin, und wenn ich auch ein ganz anderer wäre, als ich bin, und nicht die Verpflichtung gegen euch hätte, die ich wirklich habe, so weiß ich doch, was euch gebührt. Ich bitte euch also, beschämt mich nicht länger.« Sie nahmen jetzt den ihnen gebührenden Platz ein, und ich setzte mich ihnen gegenüber.

Nun ergriff Saadi das Wort und sagte, gegen mich gewendet: »Chogia Hasan, ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dich in der Lage zu sehen, die ich dir damals wünschte, als ich dir zweimal hintereinander und ohne Vorwürfe zweihundert Goldstücke schenkte, und ich bin überzeugt, daß diese vierhundert Goldstücke die wunderbare Veränderung deiner Lage bewirkt haben, die ich mit so vielem Vergnügen wahrnahm. Nur eins kann ich nicht begreifen, nämlich aus welchem Grund du mir zweimal die Wahrheit verhehltest und Verluste vorspiegeltest, deren Veranlassung mir heute noch so unglaublich erscheint, wie damals. Nicht wahr, das letzte Mal, als wir dich sahen, hattest du mit den vierhundert Goldstücken deine Angelegenheiten noch so wenig verbessert, daß du dich schämtest, es uns zu gestehen? Ich will dies wenigstens zum voraus annehmen, und erwarte, daß du meine Meinung bestätigen wirst.«

Saad hörte diese Rede Saadis mit großer Ungeduld, ich will nicht sagen mit Unwillen, an, was er auch durch seine gesenkten Blicke und durch sein Kopfschütteln zu erkennen gab. Gleichwohl ließ er ihn aussprechen, ohne den Mund zu öffnen. Als er aber zu Ende war, sagte er: »Verzeihe, Saadi, wenn ich vor Chogia Hasan das Wort ergreife, um dir zu sagen, daß ich mich über dein Vorurteil gegen seine Aufrichtigkeit, sowie darüber sehr wundern muß, wie du auf deinem Unglauben an seine früheren Versicherungen beharren magst. Ich habe es dir schon einmal gesagt und wiederhole es jetzt, daß ich gleich im Anfang seiner schmucklosen Erzählung von dem doppelten Mißgeschick, das er hatte, Glauben schenkte, und du magst sagen, was du willst, ich bin dennoch überzeugt, daß die Sache sich wirklich so verhält. Lassen wir indes ihn selbst sprechen, er wird uns am besten darüber Auskunft geben können, wer von uns beiden ihn richtig beurteilt hat, und wer nicht.«

Nachdem die beiden Freunde so gesprochen, ergriff ich das Wort und sagte, zu beiden gewendet: »Edle Herren, ich würde mich in betreff des von euch verlangten Aufschlusses zu ewigem Stillschweigen verdammen, wenn ich nicht zum voraus überzeugt wäre, daß euer Streit wegen meiner nicht imstande ist, das Freundschaftsband, das eure Herzen verknüpft, zu zersprengen. Ich werde mich also, da ihr es verlangt, erklären, zuvor aber beteure ich, daß es mit derselben Aufrichtigkeit geschehen wird, womit ich euch früher erzählte, was mir begegnet war.« Ich erzählte ihnen hierauf die ganze Geschichte Punkt für Punkt, wie ich sie meinem Herrn König erzählt habe, und vergaß keinen einzigen Umstand.

Meine Beteuerungen machten indessen nicht so viel Eindruck auf Saadi, daß er von seinem Vorurteil zurückgekommen wäre. Als ich zu Ende war, sagte er zu mir: »Chogia Hasan, das Abenteuer mit dem Fisch und dem in seinem Bauche gefundenen Diamanten scheint mir ebenso unglaublich, als die Entführung deines Turbans durch einen Hühnergeier, und der Umtausch des Kleiengefäßes gegen Waschton; dem mag übrigens sein wie ihm wolle, ich habe mich jetzt jedenfalls überzeugt, daß du nicht mehr arm bist, sondern reich, was ich gleich anfangs zu bewerkstelligen beabsichtigte, und ich freue mich von ganzem Herzen darüber.«

Da es schon spät war, so stand er auf und wollte sich verabschieden; Saad mit ihm. Ich stand ebenfalls auf, hielt ihn zurück und sagte zu ihnen: »Edle Herren, erlaubt, daß ich euch um eine Gnade bitte, die ihr mir nicht abschlagen dürfet. Erzeiget mir die Ehre, eine einfache Abendmahlzeit und ein Nachtlager bei mir anzunehmen, damit ich euch morgen früh zu Wasser nach einem kleinen Landhause führen kann, das ich mir gekauft habe, um daselbst von Zeit zu Zeit frische Luft zu genießen; ich werde euch noch am selben Tage mit meinen Pferden zu Lande wieder zurückführen.«

»Wenn Saad keine Geschäfte hat, die ihn anderswohin rufen«, sagte Saadi, »so nehme ich es von Herzen gern an.« – »Ich habe nie Geschäfte«, antwortete Saad, »sobald es sich davon handelt, deine Gesellschaft zu genießen; wir müssen aber«, setzte er hinzu, »beide nach Hause schicken und sagen lassen, daß man uns nicht erwarten soll.« Ich ließ ihnen einen Sklaven kommen, und während sie ihm ihren Auftrag erteilten, benutzte ich die Zeit, um Befehle zur Zubereitung des Mahles zu geben.

Inzwischen zeigte ich meinen Wohltätern mein Haus, und sie fanden es für mein Geschäft sehr zweckmäßig angelegt. Ich nenne sie beide ohne Unterschied meine Wohltäter, weil ohne Saadi Saad mir das Stück Blei nicht gegeben und ohne Saad Saadi sich schwerlich an mich gewendet haben würde, um mir die vierhundert Goldstücke zu schenken, von denen ich den Anfang meines Glückes herschreibe. Sodann führte ich sie in den Saal zurück, wo sie über die Einzelheiten meines Geschäfts allerlei Fragen an mich richteten, die ich zu ihrer Zufriedenheit beantwortete.

Endlich meldete man mir, das Abendessen sei aufgetragen. Da die Tafel in einem anderen Saale gedeckt war, so lud ich sie ein, sich dahin zu bemühen. Sie wunderten sich höchlich über die glänzende Beleuchtung und die Niedlichkeit des Saales, und auch die Getränke, sowie die Speisen fanden sie ganz nach ihrem Geschmack. Während der Mahlzeit unterhielt ich sie mit einem Konzert, und als abgetragen war, ließ ich einen Trupp Tänzer und Tänzerinnen ihre Künste zeigen und sorgte für alle möglichen Ergötzlichkeiten, nur um ihnen zu zeigen, wie sehr ich von Dank gegen sie durchdrungen sei.

Am anderen Morgen hatte ich mit Saadi und Saad verabredet, sehr früh aufzubrechen, um die Morgenfrische zu genießen, und wir begaben uns daher noch vor Sonnenaufgang an das Ufer des Flusses; dort trafen wir ein bequemes und mit Teppichen belegtes Fahrzeug, stiegen hinein und kamen mit Hilfe sechs tüchtiger Ruderer und der günstigen Strömung des Flusses nach etwa anderthalbstündiger Fahrt bei meinem Landhaus an.

Als wir ausstiegen, blieben beide Freunde stehen, nicht sowohl um das schöne Äußere des Hauses zu betrachten, als um seine vortreffliche Lage und die herrlichen Aussichten zu bewundern, die weder zu beschränkt noch zu ausgedehnt, und nach allen Seiten hin sehr lieblich waren. Ich führte sie in die Zimmer, machte sie auf den Ausschmuck derselben, auf das An- und Zugehör und alles, was sonst zur Bequemlichkeit diente, aufmerksam, und sie fanden alles freundlich und anmutig.

Sofort gingen wir in den Garten, wo ihnen nichts besser gefiel, als ein Wald von Zitronen- und Pomeranzenbäumen aller Arten, deren Blüten und Früchte die Luft durchdufteten; sie waren in regelmäßige Baumgänge gepflanzt und durch ein immer fließendes Bächlein von lebendigem Wasser aus dem Strome bewässert. Der Schatten, die Kühle während der größten Sonnenglut, das sanfte Gemurmel des Wassers, der melodische Waldgesang unzähliger Vögel und mehrere andere Annehmlichkeiten machten einen solchen Eindruck auf sie, daß sie fast bei jedem Schritte stehen blieben, bald um mir ihren Dank dafür auszudrücken, daß ich sie an einen so anmutigen Ort geführt, bald um mir zu einem solchen Besitztume Glück zu wünschen und andere Artigkeiten zu sagen.

Ich führte sie bis ans Ende dieses Waldes, der sehr lang und sehr breit ist, und machte sie daselbst auf ein Gehölz von großen Bäumen aufmerksam, womit mein Garten aufhört. Hier führte ich sie in ein nach allen Seiten hin offenes, von einer Gruppe von Palmbäumen, die aber nach keiner Seite hin die Aussicht benahmen, überschattetes Zimmer, und lud sie ein, hineinzutreten und auf einem mit Teppichen und Polstern versehenen Sofa auszuruhen.

Zwei meiner Söhne, die ich der guten Luft wegen vor einiger Zeit mit ihrem Lehrer hierher geschickt hatte, waren tiefer in das Gehölz eingedrungen, um Vogelnester zu suchen. Endlich bemerkten sie eins zwischen den Zweigen eines großes Baumes. Sie versuchten anfangs hinaufzuklettern, da es ihnen aber sowohl an Kraft als an Geschicklichkeit gebrach, so zeigten sie es einem Sklaven, den ich ihnen mitgegeben, und der sie nicht verlassen durfte, und befahlen ihm, die Vögel auszunehmen.

Der Sklave stieg auf den Baum, gelangte bis an das Nest und sah zu seiner großen Verwunderung, daß dasselbe in einem Turban angebracht war. Er nahm nun das Nest, wie es war, stieg vom Baume herab und zeigte den Turban meinen Kindern. Da er indes nicht zweifelte, daß ich dies vielleicht selbst gern sehen würde, so machte er sie darauf aufmerksam und gab es dem ältesten, um es mir zu bringen.

Ich sah ihn schon von weitem mit großer Freude herbeikommen, wie Kinder, wenn sie ein Nest gefunden, sie gewöhnlich haben. Er überreichte es mir und sagte: »Sieh, lieber Vater, da ist ein Nest in einem Turban.«

Saadi und Saad waren über diese neue Erscheinung nicht minder überrascht, als ich; noch größer aber war mein Erstaunen, als ich den Turban für denjenigen wiedererkannte, den der Hühnergeier mir entführt hatte. Nachdem ich ihn voll Verwunderung genau besichtigt und nach allen Seiten gedreht hatte, fragte ich die beiden Freunde: »Edle Herren, habt ihr wohl ein so gutes Gedächtnis, um euch zu erinneren, daß dies der Turban ist, den ich an dem Tage trug, da ihr mir zum erstenmal die Ehre erwieset, mich anzureden?« – »Ich glaube nicht«, antwortete Saad, »daß Saadi besser darauf geachtet haben wird, als ich; aber weder er noch ich können daran zweifeln, wenn sich die hundertundneunzig Goldstücke darin finden.« – »Herr«, versetzte ich, »zweifle nicht, es ist derselbe Turban; ich erkenne ihn ganz gut und bemerke auch an seiner Schwere, daß es kein anderer sein kann; du wirst es selbst einsehen, wenn du dir die Mühe nimmst, ihn in die Hand zu nehmen.« Mit diesen Worten überreichte ich ihm den Turban, zuvor aber nahm ich die Vögel heraus und gab sie meinen Kindern. Er nahm ihn in die Hände und überreichte ihn dann Saadi, damit dieser sich ebenfalls von seiner Schwere überzeugen sollte. »Ich will gern glauben, daß es dein Turban ist«, sagte Saadi zu mir, »doch wäre meine Überzeugung noch stärker, wenn ich die hundertundneunzig Goldstücke darin sehen würde.« Als ich nun den Turban wieder in die Hand genommen hatte, sagte ich zu ihm: »Ich bitte dich, Herr, bevor ich ihn anrühre, überzeuge dich vorerst, daß der Zustand, worin du ihn siehst, sowie dieses hübsche und bequeme Nest, woran keine Menschenhand gearbeitet hat, deutliche Beweise sind, daß er sich seit jenem Tage, wo der Hühnergeier mir ihn entführte, hier befindet; ohne Zweifel hat ihn der Vogel auf diesen Baum gelegt oder fallen lassen, dessen Äste ihn nicht auf den Boden kommen ließen. Ihr werdet mir diese Bemerkung zugute halten, denn es liegt mir gar zu viel daran, euch jeden Verdacht gegen meine Ehrlichkeit zu benehmen.« Saad unterstützte mich hierin. »Saadi«, sagte er, »dies geht dich an, nicht mich, denn ich war von jeher überzeugt, daß Chogia Hasan uns nicht täuschen will.«

Während Saad so sprach, nahm ich das Tuch weg; das mehrfach um die innere Mütze des Turbans gewickelt war, und zog den Beutel heraus. Saadi erkannte ihn sogleich für denselben, den er mir gegeben hatte. Ich schüttelte ihn vor ihren Augen auf den Teppich aus und sagte zu ihnen: »Seht, ihr Herren, das sind die Goldstücke; zählt sie selbst und überzeugt euch, ob die Zahl richtig ist.« Saadi zählte sie zehn für zehn, brachte wirklich hundertundneunzig heraus und da er nun eine so offenkundige Wahrheit nicht mehr leugnen konnte, nahm er das Wort und sprach zu mir: »Chogia Hasan, ich gebe zu, daß du von diesen hundertundneunzig Goldstücken nicht hast reich werden können; allein die anderen hundertundneunzig, die du in ein Kleiengefaß versteckt haben willst, haben dir sicherlich aufgeholfen.« – »Herr«, antwortete ich, »ich habe dir in Beziehung auf die letzte Summe so gut die Wahrheit gesagt, wie bei der ersten. Du wirst doch nicht glauben, daß ich schmählich genug handeln könnte, dich zu belügen.«

»Chogia Hasan«, sagte Saad zu mir, »laß Saadi bei seinem Glauben. Ich will ihm herzlich gern die Überzeugung lassen, daß du ihm vermöge der letzten Summe die Hälfte deiner Wohlhabenheit verdankest; allein er muß dann auch zugeben, daß ich vermöge des Stückes Blei, das ich dir gab, wegen der anderen Hälfte ein Verdienst ansprechen kann, und er darf die Auffindung des kostbaren Diamanten im Bauche des Fisches nicht mehr in Zweifel ziehen.«

»Saad«, antwortete Saadi, »ich bin mit allem zufrieden, wenn du mir nur meinen Glauben unangefochten lässest, daß man Schätze Geldes nur durch Geld aufhäufen kann.« – »Nein«, antwortete Saad; »wenn der Zufall wollte, daß ich einen Diamant im Wert von fünfzigtausend Goldstücken fände, und auch wirklich die Summe dafür erhielte, hätte ich dann diese Summe durch Geld erworben?«

Dabei hatte der Streit sein Bewenden. Wir standen auf und gingen in das Haus zurück, wo das Mittagsmahl aufgetragen war, und setzten uns zu Tische. Nach dem Essen ließ ich meine Gäste allein, damit sie während der größten Hitze nach Belieben Ruhe und Kühlung suchen konnten; ich selbst aber ging zu meinem Schloßverwalter und meinem Gärtner, um ihnen die nötigen Befehle zu geben. Dann kam ich wieder zu ihnen und wir unterhielten uns von allen möglichen gleichgültigen Sachen, bis die größte Hitze vorüber war. Hierauf kehrten wir in den Garten zurück und blieben beinahe bis zum Sonnenuntergang in der Kühlung. Endlich stiegen die beiden Freunde und ich in Begleitung eines Sklaven zu Pferd und langten ungefähr um die zweite Stunde der Nacht bei schönem Mondschein in Bagdad an.

Ich weiß nicht, durch welche Nachlässigkeit meiner Leute es geschehen war, daß es in meinem Hause an Gerste für die Pferd fehlte. Die Getreidespeicher aber waren verschlossen und auch zu weit entfernt, als daß man so spät von dorther hätte etwas bekommen können.

Einer meiner Sklaven suchte in der Nachbarschaft umher und fand in einem Laden ein Gefäß mit Kleie. Er kaufte die Kleie und brachte sie samt dem Gefäß, hatte aber versprechen müssen, am anderen Tage das Gefäß zurückzubringen. Der Sklave schüttete die Kleie in die Krippe aus, und als er sie auseinander breitete, um jedem der Pferde seinen Anteil zukommen zu lassen, fühlte er unter den Händen ein zusammengebundenes Tuch, das schwer war. Er brachte es mir uneröffnet, ganz wie er es gefunden hatte, und setzte hinzu, dies sei vielleicht das Tuch, wovon er mich so oft habe sprechen hören, wenn ich meinen Freunden meine Geschichte erzählte.

Voll Freude sagte ich zu meinen Wohltätern: »Edle Herren, Gott will nicht, daß ihr von mir scheidet, ohne von der Wahrheit der Geschichte, die ich euch immer erzählt habe, vollkommen überzeugt zu sein. Hier«, fuhr ich gegen Saadi fort, »hier sind die hundert und neunzig anderen Goldstücke, die ich von dir empfangen habe, ich erkenne sie an dem Tuche.« Ich band sofort das Leintuch auf und zählte die Summe vor ihren Augen. Auch ließ ich mir das Gefäß bringen; ich erkannte es und schickte es meiner Frau mit der Frage, ob sie es kenne? Verbot aber, von dem ganzen Vorfall ihr etwas zu sagen. Sie erkannte es sogleich und ließ mir sagen, es sei dasselbe Gefäß, das sie mit Kleie angefüllt gegen Waschton ausgetauscht habe.

Nun gab sich der ungläubige Saadi endlich überwunden und sagte zu Saad: »Du hast gesiegt, ich erkenne jetzt mit dir an, daß das Geld nicht immer ein sicheres Mittel ist, um noch mehr Geld aufzuhäufen und reich zu werden.«

Als Saadi ausgesprochen hatte, sagte ich zu ihm: »Herr, ich kann es nicht wagen, dir die dreihundert und achtzig Goldstücke wieder anzubieten, die der Himmel in seiner Gnade heute wieder zum Vorschein gebracht hat, um deine schlechte Meinung von der Wahrheitsliebe zu berichtigen. Ich bin überzeugt, daß du sie mir nicht in der Absicht geschenkt hast, sie dereinst zurückzubekommen. Ich für meinen Teil bin zufrieden mit dem, was der Himmel mir von anderer Seite her beschert hat, und mache ebenfalls keinen Anspruch auf das Geld. Ich hoffe aber, daß du es genehmigen wirst, wenn ich es morgen unter die Armen verteile, damit Gott es dereinst dir und mir vergelten möge.«

Die beiden Freunde brachten diese Nacht noch in meinem Hause zu; am anderen Morgen aber umarmten sie mich und kehrten jeder in seine Wohnung zurück; sie waren sehr vergnügt über die Art, wie ich sie empfangen und wie sie mich in dem Glück, das ich nächst Gott ihnen verdankte, handeln sahen. Ich habe nicht ermangelt, beide in ihren Wohnungen aufzusuchen, um ihnen noch besonders zu danken. Seitdem schätze ich es mir zur großen Ehre, daß sie mir die Erlaubnis gegeben haben, Freundschaft mit ihnen zu halten und sie häufig zu sehen und zu sprechen.«

Der Kalif Harun Arraschid hörte die Geschichte Chogia Hasans mit großer Aufmerksamkeit an, und erst als der Erzähler schwieg, merkte er, daß sie zu Ende war. »Chogia Hasan«, sprach er darauf zu ihm; »ich habe seit langer Zeit nichts gehört, was mir so viel Vergnügen gemacht hätte, als die wunderbaren Wege, auf denen es dem Himmel gefallen hat, dich auf dieser Welt glücklich zu machen. Du mußt ihm durch Gebrauch seiner Wohltaten fortwährend deine Dankbarkeit bezeigen. Es freut mich, dir sagen zu können, daß der Diamant, der dein Glück gemacht hat, sich in meiner Schatzkammer befindet, und es ist mir lieb, zu wissen, wie er dahin gekommen ist. Da indessen in Saadis Herzen vielleicht noch ein Zweifel über die ausgezeichnete Vorzüglichkeit dieses Diamanten obwalten könnte, den ich für das Kostbarste und Bewundernswürdigste aller meiner Besitztümer halte, so wünsche ich, daß du ihn nebst Saad herbringst; mein Schatzmeister soll ihm dann den Diamant zeigen, damit er sich, wenn er von seinem Unglauben noch nicht ganz geheilt ist, hier überzeuge, daß das Geld nicht immer ein sicheres Mittel ist, wodurch sich ein armer Mann in kurzer Zeit und ohne Mühe Reichtümer erwerben könne. Ich wünsche auch, daß du die Geschichte meinem Schatzmeister erzählest, auf daß er sie zu Papier bringen lasse und neben dem Diamanten in meinem Schatze aufbewahre.

Nach diesen Worten gab der Kalif durch Kopfnicken Chogia Hasan, Sidi Numan und Baba Abdallah zu verstehen, daß er mit ihnen zufrieden sei; sie verabschiedeten sich daher, indem sie sich vor seinem Throne niederwarfen, und gingen dann nach Hause.

Die Sultanin Schehersad wollte noch eine andere Geschichte beginnen, allein der Sultan verschob die Anhörung auf die nächste Nacht.


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