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Diva Julia, bekannter unter dem Namen Livia Augusta, und Diva Faustina die Jüngere, hernach D. Augustus und D. Markus Aurelius.
Livia. Woher, schöne Faustina, wenn man fragen darf?
Faustina. Von Rom, Julia. Die Lust kam mich an, einem hochzeitlichen Opfer beizuwohnen, das die Tochter eines Konsulars, dem Dekret des Senats zufolge, auf meinem Altare darbrachte.
Livia. Und das sagst du mir ohne rot zu werden, Faustina?
Faustina errötend. Ich? worüber sollte ich rot werden?
Livia. Die Frage ist sonderbar genug! Hat man dich etwa vorher aus dem Lethe trinken lassen, ehe du in den Olymp auf genommen wurdest, wo die Hochachtung der Römer für deinen Vater und für deinen Gemahl dir einen Platz verschaffte? – Warum wurdest du denn jetzt rot?
Faustina. Das ist meine Art so, Julia: ich erröte immer, wenn man will, daß ich erröten soll.
Livia. Das gute sanftmütige Weibchen! Wolltest du mir wohl, weil du doch so gefällig bist, im Vertrauen sagen, ob du jemals in deinem Leben jemand etwas abgeschlagen hast?
Faustina. Wenigstens erinnere ich mich nicht, daß es durch meine Schuld geschehen wäre.
Livia. Das ist sehr aufrichtig gesprochen!
Faustina. Wie so, Julia?
Livia. Du bist auch gar zu naiv für die Gemahlin eines so großen Philosophen, wie dein guter Markus war!
Faustina. Ich begreife nicht, was ich so naives gesagt haben sollte.
Livia lachend. Du hast also wirklich in deinem Leben niemand etwas abgeschlagen?
Faustina. Meine Macht war sehr eingeschränkt; und wiewohl mein Gemahl viel Liebe für mich hatte, so wagte ich es doch nur selten, ihn für jemand um eine Gnade zu bitten, weil ich wußte, wie unangenehm es ihm war, wenn er mir nicht gefällig sein konnte. »Markus Aurelius«, pflegte er zu sagen, »kann so viel Gutes tun als sein Privatvermögen erlaubt; aber der Kaiser ist der Gerechtigkeit so viel schuldig, daß ihm keine Gnaden zu erweisen übrig bleiben.« Indessen war ich für mich selbst reich genug, um selten in den Fall zu kommen, daß ich eine Bitte aus Mangel an Vermögen abweisen mußte. Und wenn es auch geschah, so benahm ich mich wenigstens so dabei, daß die Leute beinahe eben so vergnügt von mir weggingen, als ob sie ihres Wunsches gewährt worden wären.
Livia. Wir verstehen uns nicht, holde Faustina: die Rede war gar nicht von dieser Art von Gefälligkeit –
Faustina. Und von was für einer andern könnte zwischen dir und mir die Rede sein? Du warst die erste, die den Namen Augusta trug, und mußt also doch wohl aus eigner Erfahrung wissen, daß eine Frau mit diesem Namen ziemlich sicher davor ist, um andere Gefälligkeiten angesprochen zu werden.
Livia. Eben deswegen soll es, wie man sagt, so mildherzige Göttinnen geben, die mit zuvorkommender Güte den ersten Schritt selber tun, und auch den blödesten Sterblichen zu überzeugen wissen, daß man nichts wage, wenn man bei ihnen alles wagt.
Faustina. So? – Ich für meine Person habe immer gern das beste von meinem Geschlechte gedacht.
Livia. Man hat oft ganz eigene Ursachen so nachsichtsvoll zu sein.
Faustina empfindlich. Ich weiß nicht, was dich berechtigen könnte, eine solche Sprache gegen mich zu führen. Doch wohl nicht der Stolz darauf, die Ehre der Apotheose, die dein eigner Sohn dir zu erteilen Bedenken trug, endlich von einem Claudius erhalten zu haben? Ich war die Tochter, die Gemahlin und die Mutter eines Augustus, und begreife nichts von der Freiheit, die du dir gegen mich herausnimmst.
Livia. Wie, Faustina? Vorhin hofftest du, mir mit der Miene der naiven Unschuld einer jungen Vestalin auszuweichen? und jetzt glaubst du, mich durch diesen vornehmen Ton stumm zu machen? Wie kannst du, ohne vor Scham in die Erde zu sinken, dich nur erinnern, geschweige noch stolz darauf sein, daß du die Mutter eines Commodus warst?
Faustina. Hast du auch etwa von dem schönen Märchen gehört, das die Fischweiber zu Rom einander erzählten, um sich das mächtige Wunder zu erklären, warum mein Sohn ein so großer Liebhaber von Gladiatorspielen war?
Livia. Ich habe etwas gehört, Faustina, das mir noch mehr erklärt; das mir erklärt, wie natürlich es zuging, daß dein Sohn – selbst ein Gladiator war. Wenigstens wirst du nicht leugnen wollen, daß er auch nicht eine Ader von dem tugendhaften Manne hatte, der schwach genug war, sich für seinen Vater zu halten?
Faustina. War Antoninus Commodus etwa der erste Sohn eines vortrefflichen Vaters, der aus der Art schlug? Wenn du so billig sein wolltest zu bedenken, in welchem Grade die Römer dieser Zeiten verderbt waren; wie wenig der weise Mark-Aurel selbst diese Hefen des Romulus zu reinigen vermochte; von was für Menschen der Erbe des Throns der Cäsarn, trotz aller Sorge die sein Vater für seine Erziehung trug, schon in seinen frühesten Jahren umlagert war; – wenn du bedächtest, daß die edelste Jugend von Rom, daß sogar Männer, die seiner Erziehung vorgesetzt waren, zu einer Zeit da es Pflicht war ihm nichts als Wahrheit hören, nichts als gute Beispiele sehen zu lassen, in die Wette eiferten, seinen Verstand durch die niedrigsten Schmeicheleien, seine Sinne durch die schändlichsten Gefälligkeiten zu verführen, und jeden Keim von Gerechtigkeit und Menschlichkeit in seinem Herzen zu ersticken, indem sie ihm in den Kopf setzten, daß dem Herrn der Welt alles erlaubt sei, daß er selbst über alle Gesetze und sein bloßer Wille das Gesetz aller übrigen sei: wenn du das alles, wie es doch billig wäre, mit in Rechnung bringen wolltest, würdest du vielleicht finden, daß es in dem ordentlichen Laufe der Natur kaum möglich war, daß etwas besseres als ein Ungeheuer aus ihm werden konnte. Aber auch ohne dies sehe ich nicht, warum die Mutter eines Tiberius, die Großmutter eines Claudius, und die Ältermutter eines Caligula – mir das Unglück, den Römern, die nichts besseres wert waren, einen Commodus gegeben zu haben, zum Vorwurf machen dürfe?
Livia. Ich gestehe, daß Caligula und Claudius der Julischen Familie nicht mehr Ehre gemacht haben, als Commodus den Antoninen. Alles was du zur Entschuldigung des letztern gesagt hast, kommt auch den erstern zustatten. Die tugendhafteste aller Mütter kann in unserm ehemaligen Stande den Unstern haben, einen Sohn in die Welt zu setzen, der für das Glück der Menschen nie hätte geboren werden sollen. Aber, um ohne Vorwurf deswegen zu sein, muß diejenige, die ein solches Unglück trifft, sich nicht mutwillig in den Fall gesetzt haben, Gladiatoren oder Bootsknechte in eine edle Familie einzuschwärzen.
Faustina. Und welche Frau, die nur das mindeste Gefühl für Ehre hat, könnte fähig sein, sich so wegzuwerfen?
Livia. Wie? du kennest keine solche Frau? – Ich komme auf meine vorige Vermutung zurück; du mußt einen starken Zug aus dem Lethe getan haben, ehe du in den Olymp versetzt wurdest! Wie wäre es sonst möglich, daß du die Bootsknechte zu Bajä vergessen haben könntest?
Faustina. Die Bootsknechte zu Bajä? – Entweder ich träume, oder du sprichst im Fieber?
Livia. Keines von beiden, Faustina! du hörest nichts als was du dir selbst bewußt bist, was ganz Bajä von dir sagt, und was die ganze Welt glaubt, und, trotz deiner Apotheose, glauben wird, so lange die Geschichte den Namen Faustina nennt.
Faustina. Du erschreckst mich, Livia! – Gute Götter! Die Welt ist, wie ich höre, boshafter als ich mir einbildete. Nie hätte ich mir vorgestellt, daß die giftigste Lästerzunge in etwas, das im Grunde die unschuldigste Sache von der Welt war, Stoff zu einer so wenig verdienten Verleumdung finden könnte! – Höre, Diva Julia! ich bin nun eine Göttin wie du, und ich verschmähe es, mich für besser geben zu wollen als ich war. Ich leugne nicht, daß ich in meinem Erdenleben ein schwindliges kurzsichtiges Geschöpf gewesen bin. Leichtsinn und gutes Herz machten die Grundzüge meines Charakters aus; und das Glück oder Unglück, als einzige Tochter des Herrn der Römischen Welt geboren zu sein, war nicht sehr geschickt, mich vor den Fehlern zu verwahren, wozu diese Sinnesart die Anlage ist. Ich war fähig in der Fröhlichkeit meines Herzens unbesonnene Dinge zu tun, weil ich sie bei einer Person von meinem Rang für unbedeutend hielt, und mir nicht einfallen ließ, daß jemand arges bei einer Sache denken könne, bei der ich selbst nichts arges dachte. Ich zweifle sehr, ob mir in meinem ganzen Leben jemals der Gedanke aufstieß, die Welt könnte irgend einer meiner Handlungen eine meinem Ruhm nachteilige Deutung geben. Aber nun, da du mir auf einmal die Augen öffnest, besinne ich mich einer kleinen närrischen Begebenheit, die, indem sie nach und nach durch tausend ungewaschne Mäuler lief, endlich die Gestalt der schändlichen Lüge bekommen konnte, welche, wie es scheint, auf Unkosten meiner Ehre herum geflüstert wurde, und endlich auch zu deinen Ohren gekommen ist. Höre mich an, wenn du geneigt bist, das Wahre von der Sache zu hören!
Livia. Sehr gerne. Setzen wir uns dazu unter diese Rosenlaube!
Faustina. Ich hielt mich öfters einige Wochen zu Bajä auf einer Villa auf, die ich von meiner Mutter geerbt hatte. Eine Galerie der Villa stieß unmittelbar an den Kai des Lucriner Sees. Ich befand mich eines Abends mit verschiedenen Römischen Damen, mit welchen ich sehr vertraut umging, in dieser Galerie. Eine lebhafte und von allem Hofzwang entbundene Fröhlichkeit, die nicht selten über die Grenzen des strengern Wohlstandes hinaus schweifte, war der herrschende Geist dieser ländlichen Partien, wodurch ich mich für die lange Weile entschädigte, die mir (warum sollt ich es leugnen?) die gutartige, aber etwas traurige Ernsthaftigkeit meines Philosophen machte; der, mit aller Hochachtung, die er mir einflößte, für eine junge Frau von meiner Sinnesart einen zu langen Bart und zu strenge Grundsätze hatte, um ihr nicht zuweilen, durch seine Zärtlichkeit selbst, ein wenig lästig zu sein. Denke dir also eine noch junge Kaiserin, wie ich damals war, mitten in einem Zirkel der lebhaftesten und, wenn du willst, leichtfertigsten Römischen Frauen aus der ersten Klasse, unter dem schönsten Himmel der Welt, und in dieser Zauberluft von Bajä, dem Orte, der unter allen in der Welt (das einzige Daphne in Syrien vielleicht ausgenommen) am wenigsten zum Aufenthalt der Weisheit gemacht ist, und wo sogar Antonin (wenn er sich etliche Tage von den Geschäften los reißen konnte, mich mit einem Besuche zu überraschen) seine ernste Stirn entfaltete, und, von der allgemeinen guten Laune angesteckt, an den Spielen und Kindereien meines kleinen Hofes sich zu ergetzen pflegte – denke dir, mit Einem Worte, Faustinen in ihrer Bajanischen Villa, und stimme, wenn du kannst, zum voraus den Ton deiner Seele von der Majestät der Gemahlin des feierlichen Cäsar Augustus so weit herab, um das, was ich dir zu bekennen habe, mit einiger Nachsicht anzuhören!