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Jupiter, Juno, Minerva.
Juno zu Minerven . Ich glaube gar, er ist über meiner schönen Rede eingeschlafen. – Jupiter!
Jupiter. Fahre immer fort, Juno, da du einmal in Atem bist! Ich höre dich gerne deklamieren, und es wäre nicht das erste Mal, wenn ich beim sonoren Klang deiner Stimme eingeschlummert wäre.
Juno. Sehr verbindlich, Herr Gemahl! Aber sage mir nur wie dir es möglich ist, bei Dingen von solcher Wichtigkeit so gefühllos zu bleiben?
Jupiter. Nil admirari, liebe Frau! – Wie kannst du erwarten, daß einer, der dem Lauf der Welt schon so manches Jahrtausend aus einem so hohen Standpunkte zusieht, sich durch etwas, das bei diesen Liliputern da unten vorgehen kann, aus der Fassung bringen lasse?
Juno. Aber du wirst doch selbst gestehen, daß in allen diesen Jahrtausenden nichts geschehen ist, was mit dem ungeheuern Unsinn, wovon ich sprach, zu vergleichen wäre?
Jupiter. Du mußt wissen, Dame Juno, daß ich, seitdem mich das berühmte Dekret des großen Theodosius zur Ruhe gesetzt hat, vor lauter langer Weile – ein Philosoph geworden bin.
Juno lachend. Wirklich? So darf michs freilich nicht wundern, daß du den Sankülotten so günstig bist.
Jupiter. Und daher käm es also, daß Du gegen die Philosophen so erbittert bist? – Mit einem kleinen Unterschied mag wohl etwas an der Sache sein, meine Königin; aber freilich auf die kleinen Unterschiede pflegt ihr nicht viel Rücksicht zu nehmen; und ich wollte wetten (wiewohl du so positiv bist), daß deine Begriffe von der Philosophie der Sankülotten und von der Sankülotterie der Philosophen nicht die hellesten sind. – Minerva, mein Kind, gib doch deiner Mutter ein wenig Licht über die Sache. Du mußt am besten davon unterrichtet sein, da doch einst die sankülottische Philosophie in deinem geliebten Athen ausgebrütet wurde. – Eine Schale Nektar, Ganymed!
Minerva. Der Papa spricht von den Cynikern, wie ich höre. Ihre äußerliche Ähnlichkeit mit den heutigen Sankülotten ist allerdings nicht zu leugnen: aber schon der einzige Umstand, daß der Gallofränkischen Sankülotten (Weiber und Kinder ungerechnet) in diesem Augenblicke eben so viele Millionen sind, als es in meinem Athen binnen fünfhundert Jahren einzelne Cyniker gab, die ihrem Vater Diogenes Ehre machten, dies schon allein setzt einen beträchtlichen Unterschied zwischen den alten und neuen Sankülotten voraus. Ich denke, um über die Sache ins klare zu kommen, müssen wir nicht vergessen, daß es vor uralten Zeiten noch eine andre primitive Art von Sankülotten gegeben hat, welche Juno selbst, wie verhaßt ihr auch die Philosophen sein mögen, doch vermutlich nicht in diese letzte Rubrik setzen wird.
Juno. Und wer wären diese?
Minerva. Die Naturmenschen, die vor den goldnen Zeiten Saturns in den großen Eichenwäldern, wovon die Erde damals starrte, nackend oder mit rohen Tierfellen um die Schultern, auf allen Vieren herum krochen, sich von Eicheln und Bucheckern nährten, und keine andre Wohnung hatten als Felsenlöcher und hohle Bäume; so frei, daß sie nicht einmal die Bande der Ehe und der häuslichen Gesellschaft kannten; so gleich, daß sie von den Rechten des Eigentums noch gar keinen Begriff hatten, und also bloß die Stärke des Arms oder des Knüttels entscheiden ließen, wenn sie über einen Baum voll wilder Äpfel, oder wegen irgend eines schmutzigen Weibchens einander in die Haare gerieten. Wofern die neuesten Prediger der Freiheit und Gleichheit sich selbst verstehen, oder die Welt nicht auf eine gar zu leichtfertige Art zum besten haben wollen, so sind diese Naturmenschen die wahren Urbilder der Sankülotterie, die Sankülotten in der reinsten und erhabensten Bedeutung dieses ehrenvollen Namens; so wie ein dem ihrigen sehr ähnlicher Zustand das letzte Resultat der Gallofränkischen Freiheit und Gleichheit sein würde, wenn es Ernst damit wäre, und diese schönen, aber übel gemißbrauchten Worte nicht bloß einer Bande schlauer Betrüger zu Talismanen dienten, um sich ungestraft jeder Autorität und Ordnung, die ihrer Herrschsucht oder Habsucht Schranken setzen will, entgegen zu bäumen, und einen Pöbel, den Nacktheit, Hunger und Brutalität zu allem fähig macht, zum blinden Werkzeug ihrer Leidenschaften und Plane zu machen.
Juno. Du sprichst ja lauter Gold, Tritonia?
Jupiter. Für eine Philosophin treibst du die Sachen ein wenig zu weit, mein Töchterchen. Die Gallofranken sind Leute von lebhafter Einbildung und raschem Blut; überdies geborne Redner, oder Sykophanten, wenn du lieber willst. Man muß es, wenn sie auf einem Tische stehen und zu einem maulaufsperrenden Haufen Schuhknechte, Kesselflicker, Sackträger, Fischweiber und Kaminfegerjungen reden, mit ihren Redefiguren und Wortspielen so genau nicht nehmen.
Juno. Auch nicht, wenn sie von ihrer Kanzel herab zu den Deputierten der ganzen Nation reden?
Jupiter. Das ist einem Sykophanten am Ende gleich viel. Genug, Dame Juno, daß das Unsinnigste, was seit vier Jahren von jener berüchtigten Kanzel herab geschwärmt, radotiert, hyperbolisiert und sykophantisiert worden ist, kaum so unsinnig ist, als es die Einbildung wäre, daß eine Nation, die noch vor wenig Jahren, im Ganzen genommen, alle übrigen an Kultur und Verfeinerung übertraf, in so kurzer Zeit alle Vernunft, allen Menschensinn, alles Gefühl ihres eignen Besten so gänzlich verloren haben sollte, um unter der Freiheit und Gleichheit, auf welche sie ihre Glückseligkeit gründen will, die Freiheit der Waldtiere und die Gleichheit einer Zigeunerhorde zu verstehen.
Juno. Nun! antworte Du für uns beide, Pallas!
Minerva. Ich denke nicht, daß es Junons Meinung ist, eine so unsinnige Absicht der ganzen Nation oder auch nur einem kleinen Teile der Nation aufbürden zu wollen: wiewohl nicht geleugnet werden kann, daß die Maximen, die man seit geraumer Zeit in den Versammlungen ihrer Freiheitsschwärmer und Anarchisten hört, wenn man systematische Konsequenz darin suchen wollte, geraden Weges in den primitiven Zustand zurück führen, den ihr großer Apostel Hans Jakob, wie wir alle wissen, für den wahren Naturstand des Menschen erklärt hat; für den einzigen, worin diese sonderbare Art von Tieren so gut und so glücklich sein könne, als die Natur sie machen wolle. Aber ist etwa weniger Wahnwitz in dem phantastischen Projekt, wovon sich, wie es scheint, so viele wohlgesinnte Leute in diesen Tagen betören lassen: in dem Projekte, das Eigentümliche des Saturnischen Zeitalters, wo völlige Freiheit und Gleichheit mit Einfalt und Unschuld der Sitten, mit Wohlwollen und Liebe und allen geselligen Tugenden Hand in Hand gegangen sein sollen – eine Zeit, die nur Dichter zu Geschichtschreibern hat –, mit den Vorzügen der äußersten Kultur in einer großen Monarchie, mit dem höchsten Flor aller Künste und Wissenschaften, kurz, mit den Vorteilen der größten Ungleichheit im gesellschaftlichen Stande, verbinden zu wollen? Und doch sehe ich nicht, wie man die Gallofränkischen Sankülotten von dem einen oder von dem andern dieser aberwitzigen Projekte frei sprechen könnte, wenn die großen Machtwörter Freiheit und Gleichheit, womit sie ein so widerliches Gepolter machen –
Juno. – und ein so schändliches Spiel treiben –
Minerva. – irgend eine Bedeutung in ihrem vielzüngigen Munde haben sollen.
Jupiter. Habt ihr denn nicht gehört, Kinder, daß ihre Gesetzgeber –
Juno mit Hitze. Die Marat, die Robespierre, die Bazire, die Chabot, die Danton? – Feine Gesetzgeber!
Jupiter kalt. – Nein, mein Schatz! – die Condorcet, die Vergniaux, die Rabaud, die Garat, die Guadet, die Buzot, und ihres gleichen, eben darum, weil sie einsehen, daß eine solche Vereinigung nicht ohne eine ganz besondere Umbildung der ganzen Nation möglich wäre, die goldnen Zeiten, welche sie den ehrlichen Gallofranken von der Identifizierung ihrer hochgepriesenen Freiheit und Gleichheit versprechen, klüglich auf die dritte Generation hinaus gesetzt haben; indem sie auf eine ganz neue Art von National-Erziehung dringen, die, allem Ansehen nach, unter den jetzt lebenden nicht zu Stande kommen, aber wovon doch, wenn sie endlich Wurzeln geschlagen habe, die dritte oder vierte Generation unfehlbar die Früchte sehen werde. Wer nur warten kann! Das sag ich immer; aber niemand hört darauf.
Minerva. Die Gallofranken sind auch die rechten Leute, lange auf etwas zu warten, was sie entweder auf der Stelle oder lieber gar nicht haben wollen! Aber ich fürchte, wofern sie auch so viel Geduld aufbringen könnten, so wird doch selbst ihre späteste Nachkommenschaft den Genuß dieser Früchte nie erleben. Was die Natur unmöglich gemacht hat, kann durch keine Kunst möglich werden; und Prometheus müßte nur einen ganz neuen Lehm finden und daraus eine ganz neue Menschenart bilden, um eine Republik mit ihnen zu besetzen, in welcher die Freiheit und Gleichheit des Eigentums mit der bürgerlichen Ordnung, mit den Künsten, die den Reichtum erzeugen und nur durch ihn gedeihen, mit dem Reichtum, dessen notwendige Folge die Ungleichheit ist, und mit der Unschuld und Eintracht des goldnen Alters der Dichter, die mit Ungleichheit, Reichtum und Verfeinerung unvereinbar sind, dergestalt vereiniget wäre, daß aus dem Streit so unverträglicher Elemente diese schöne Harmonie des Ganzen entstände, die das Wesen eines blühenden Staats ausmacht, und die Fortdauer seines Wohlstandes ganz allein bewirken kann. Freilich wäre, wie Garat neulich sagte, eine Republik, die diese unverträglichen Eigenschaften in sich verbände, das Meisterstück des menschlichen Verstandes – wenn sie möglich wäre: aber die Vernunft unternimmt nichts, was nur unter unmöglichen Bedingungen als möglich gedacht werden kann. Zwar ist diese Schimäre von jeher der Lieblingstraum gutherziger poetischer Seelen gewesen; die Platonischen Republiken, die Atlantiden und Utopien und Severambenländer sind nichts andres: aber nur in einen Gallofränkischen Kopf konnte der wilde Einfall kommen, eine große Monarchie zu Staub zu zermalmen, um aus einer recht einfachen Masse ein neues Utopien zu bilden, das, wofern es auch endlich die Gestalt dessen, was es sein soll, gewonnen hätte, doch nicht länger bestehen könnte, als jene täuschenden Duftgebilde, die man in Gestalt von Feenschlössern und Zaubergärten an frühen Sommermorgen am Horizont aufsteigen, und eben so schnell, als sie entstehen, in sich selbst zerfließen sieht.
Juno. Und wir sollen ruhig zusehen, wie eine Rotte von Toren, Sophisten, Marktschreiern, Heuchlern und Bösewichtern, unter dem Vorwand eine solche Schimäre zu bewerkstelligen, das schönste Reich der Welt umkehrt – die edelsten und besten seiner Einwohner der Wut und Mordlust des schändlichsten Pöbels aufopfert – andere bei Tausenden, ihres Vermögens und Vaterlandes beraubt, im Elend herum zu irren zwingt – den schuldlosesten aller seiner Könige, dessen einziges Verbrechen war, daß er die aufrührerischen Bemühungen einer durch die Konstitution verurteilten republikanischen Faktion vereiteln, und die Macht, die er unmittelbar aus den Händen der Nation empfangen hatte, zu Wiederherstellung der Ruhe und Vollziehung der Gesetze anwenden wollte, als den abscheulichsten Tyrannen, Verräter und Meuchelmörder behandelt – und, nicht zufrieden ihr eigenes Vaterland zerrüttet, verwüstet, mit Bürgerblut überschwemmt, mit den ungeheuersten Verbrechen geschändet, und allen Greueln einer endlosen Anarchie preisgegeben zu haben, noch das Mögliche und Unmögliche versucht, um auch die übrigen Völker rings umher mit in ihren Ruin zu ziehen, und allgemeine Zerrüttung über den Erdboden auszubreiten? Eine Hand voll Narren und Unmenschen – –
Jupiter. Wie du dich ereiferst, meine Königin! Du schimpfst ja als ob du – unrecht hättest!
Juno. Wenn ich Wörter hätte, die meinen Grimm über so hassenswürdige Ungeheuer noch stärker ausdrückten, ich würde sie gewiß nicht sparen. Ich wiederhol es also: eine kleine Rotte von Wahnsinnigen und Bösewichtern soll vor unsern Augen allen diesen Frevel verüben; soll den Namen eines durch die schnödesten Künste verblendeten und betrogenen Volkes zu Bewirkung eigennütziger Plane mißbrauchen; soll ein schändliches Spiel treiben mit dem was den Menschen das heiligste und teuerste ist; soll Freiheit und Gleichheit der Rechte und allgemeine Wohlfahrt zu Netzen und Fallgruben für sie machen; soll ihre Tugenden selbst gegen sie bewaffnen, sie durch ihre Vaterlandsliebe, ihren Mut, ihren Ruhmdurst, ihre Verachtung des Todes, auf Wege führen, wo sie ein gewisser Untergang erwartet; – und von allem diesem nie erhörten Unfug sollen wir, denen die Regierung der Welt obliegt, kaltblütige Zuschauer abgeben? sollen nicht alle unsre Macht vereinigen, um diese öffentlich erklärten Feinde der Götter und der Menschen zur Strafe zu ziehen und auszurotten?
Jupiter ganz gelassen. Wer hindert dich denn daran, wenn du es kannst?
Juno. Eben das macht mir die Geduld ausgehen, dich so reden zu hören, als ob das alles nichts auf sich hätte, und dich nichts anginge.