Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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Sechstes Capitel.

Don Sylvio wird in die Gärten der Fee Radiante entzückt. Seltsames qui pro quo so daraus entsteht. Unangenehme Folgen desselben.

Unsre kleine Gesellschaft, oder doch wenigstens die Damen, welche die Seele davon ausmachten, befanden den Spatziergang so angenehm, daß die Nacht sie überschlich, ohne daß sie es merken wollten.

In der That war es eine Nacht, welche dazu gemacht schien, die Liebe zu begünstigen, eine so angenehme und heitre Nacht, daß die keusche Diana keine schönere gewählt haben konnte, den schönen Endymion einzuschläfern, oder die Göttin der Liebe, ihren Adonis glücklich zu machen.

Die zärtliche Donna Mencia und ihr Aeneas blieben unvermerkt in einer dicht bewachsenen Laube zurück, ungeachtet es ziemlich dunkel darinn war, und die nicht weniger zärtliche Mergelina drückte ihrem Begleiter die Hand mit einem Nachdruck, der geschickter war die Stärke ihrer Leidenschaft als die Leichtigkeit ihrer Hand zu beweisen, in der Absicht ihn aus einer Träumerey zu erwecken, worinn er sich seit einer geraumen Weile verlohren hatte.

Nicht weniger als die übrigen von den Schönheiten der schlummernden Natur gerührt, die im dämmernden Mondschein, wie in einem Nachtgewand von durchsichtigem Flor, in nachläßiger Anmuth ausgestreckt zu liegen schien, hatte der entzückte Don Sylvio vergessen, wo er war, und wen er neben sich hatte. Er bildete sich ein in die bezauberten Gärten der Fee Radiante versetzt zu seyn, er glaubte unter gewölbten Gängen von etherischem Jasmin und niemals welkenden Rosen zu wandeln; die Sterne däuchten ihn lauter Salamander und Salamandrinnen, die sich auf dem Azur des Himmels mit Contre-Tänzen belustigten, und die Frösche, die sich in einem benachbarten Graben hören liessen, waren in seinen Ohren eben so viel entzückende Stimmen, die den Ruhm seiner unvergleichlichen Princeßin und das Glück seiner Liebe besangen. Kurz, er war so sehr ausser sich selbst, daß er in dem Augenblick, da ihn die schöne Mergelina die Schwehre ihrer Hand fühlen ließ, sich einbildete, seine geliebte Princeßin an seiner Seite zu sehen.

Wie? rief er ganz entzückt aus, darf ich meinen Augen glauben? Götter! ist es ein Traum, womit mein Sehnsucht-volles Herz mich täuscht, oder seh ich sie würklich, schönste Princeßin, und hat endlich die Stärke meiner Leidenschaft die Gewalt einer verhaßten Zauberey übermocht, und ihnen diese himmlische Gestalt wieder gegeben, deren blendender Glanz die abwesende Sonne ersetzt und einen neuen reitzendern Tag über die verschönerte Natur ausbreitet? – – – –

In diesem Ton der erhabensten Schwärmerey fuhr er eine gute Weile fort der erstaunten Mergelina Dinge vorzusagen, von denen sie nicht das mindeste verstund, ohne darum weniger davon gerührt zu werden. Sie merkte doch wenigstens aus dem Ton und der Lebhaftigkeit, womit er sie sagte, daß die Rede von sehr feurigen Empfindungen war, und da sie die Sprache der feinen Welt nur aus Ritterbüchern und schwülstigen Romanen kannte, und überdiß von der Erziehung des Don Sylvio bereits die günstigsten Vorurtheile bekommen hatte, so beredete sie sich leicht, daß dieses die schöne Art sey, wie Leute von Stand und feiner Lebensart ihre Liebe zu erklären pflegten. Denn der Gedanke, daß er ihrer vielleicht nur spotten wolle, so wahrscheinlich er auch einer dritten Person geschienen hätte, war natürlicher Weise der letzte von allen, die einem Frauenzimmer von ihrer Gattung einfallen konnten. Sie hörte ihm also ohne Unterbrechung mit desto mehr Vergnügen zu, da sie hofte, daß die schönen Sachen, die er ihr vorsagte, und die sie ihm in der That gerne geschenkt hätte, am Ende doch zu gewissen Erläuterungen führen würden, wovon sie aus dem geheimen Umgang mit einem jungen Krämer in ihrer Nachbarschaft, einem sehr antiplatonischen Gesellen, gewisse Begriffe erhalten hatte, und welche allerdings mit den Begierden, wovon sie gepreßt wurde, besser übereinstimmten als die erhabensten Liebes-Erklärungen. Um inzwischen doch nicht ganz unthätig zu seyn, und diese erwünschte Augenblicke so viel an ihr war zu beschleunigen, lehnte sie sich mit einer zärtlichen Art an ihn, drückte seine Hand an ihren Busen, der von zärtlicher Sehnsucht bis an den Hals empor stieg, und drähte ihre gläsernen Augäpfel so schnell im Kopf herum, daß sie electrisch wurden, und funkelten wie die Augen einer Katze im dunkeln.

Allein, es sey nun, daß die Einbildungs-Kraft unsers Helden durch die ungeheure Menge von Galimathias, womit er seine vermeynte Princeßin bewillkommt hatte, erschöpft war, oder daß keine Verblendung, Schwärmerey oder Bezauberung stark genug seyn konnte, gegen das nähere Anschauen der Donna Mergelina auszuhalten, so warf er kaum, indem sie aus dem Gebüsch hervor kamen, und eine lichte Stelle betraten, einen Blick auf seine Gefährtin, als er mit einem grossen Schrey und einem nicht geringem Entsetzen von ihr zurück bebte, als dasjenige war, womit die Princeßin Lädronnete an statt eines Gemahls, den sie sich schöner als den Liebesgott eingebildet hatte, den scheuslichen grünen Serpentin in ihre Arme verwickelt fand.

Himmel, was seh ich? rief er ganz bestürzt aus, was für eine entsetzliche Verwandlung? ha! verfluchte Fanferlüsch, haben die Verfolgungen, die ich schon von dir erleiden mußte, deinen ungerechten Haß noch nicht befriedigen können? Was hab ich dir gethan, daß du in dem Augenblick, da ich meine geliebte Princeßin zu umarmen glaubte, diese abscheuliche Zwergin an ihre Stelle schiebst, in deren eckelhaften Umhalsung ich ohne das wohlthätige Licht der keuschen Göttin, vielleicht selbst zum Ungeheuer geworden, oder wie vom Anblick der Medusa zum Stein erstarrt wäre? Aber glaube nicht, daß ich eine solche Beleidigung ungerochen lassen werde. Rede, du kleine unausgeschaffene Mißgeburt, wo ist meine Princeßin? dein Leben hängt an deiner Antwort. Ich kenne die lächerliche Ansprüche, die du an mein Herz machst; aber wisse, daß du, trotz allen Fanferlüschen und grünen Zwergen, unter meinen Füssen wie ein Wurm zermürset werden sollst, wofern du sie nicht in diesem Augenblick wieder in meine Arme lieferst – – – –

Wer bey diesen Reden aus den Wolken fiel, war die arme Mergelina. Der grimmige Ton, womit er sie ausstieß, und die drohenden Geberden, womit sie begleitet waren, erschreckten sie so heftig, daß sie ein fürchterliches Geschrey erhub, auf welches Donna Mencia und der edle Rodrigo nicht ermangelten so schleunig herbey zu eilen, als es die Unterredung erlaubte, worinn sie begriffen waren.

Man kan leicht erachten, wie sehr sie über dasjenige erstaunten, was sie sahen und hörten. Der Zustand, worinn sie den ergrimmten Don Sylvio antrafen, und die Erzählung, so ihnen die beleidigte Schöne nicht ohne grosse Thränen-Güsse von allem demjenigen machte, was vorgegangen war, brachten sie allerseits auf den Schluß, daß er verrückt seyn müsse; und die Reden, womit er in der Hitze seines Affects gegen sie alle fortfuhr, waren nichts weniger als geschickt, sie auf bessere Gedanken zu bringen.

Inzwischen lieffen auf den Lerm, den diese Scene machte, auch die Bedienten des Hauses herbey, und das Ende davon war, daß Don Sylvio, ungeachtet des tapfern Widerstands, den er that, an Händen und Füssen gebunden in sein Zimmer getragen wurde.

Man kleidete ihn aus, brachte ihn zu Bette, und bestellte den getreuen Pedrillo, auf ihn Acht zu haben, indessen daß Donna Mencia in ihrer kleinen Hauß-Apotheck beschäftiget war, ein niederschlagendes Pulver für ihn zurecht zu machen, und die schnellfüßige Maritorne abgeschickt wurde, den Barbier zu holen, der ihm eine Ader öfnen sollte.


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