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Still, daß es sie nicht stört,
Leise hier geh!
Wachsen die Blumen hört
Sie unterm Schnee.
All ihr Haar hell wie Gold
Des Moders Raub,
Sie, die so jung und hold
Sank in den Staub.
Weiß wie Schnee, lilienklar,
Wußte sie kaum.
Daß sie ein Mägdlein war,
Wuchs wie im Traum.
Sarg nun und schwerer Stein
Lasten auf ihr;
Ich quäl' mein Herz allein,
Sie schlummert hier.
Frieden! nicht Lautenschall
Hört sie noch Lieder;
Hier ruht mein Leben all.
Werft Erde nieder!
Am Fuße der Alpen schon, Italia, brannte
Bei deinem Namen meine Seele mir,
Und als ich aus den Bergen kam zu dir,
Das all mein Leben seine Sehnsucht nannte,
Lacht' ich, wie wer ein großes Glück erkannte:
In deines Ruhms Gedenken flohn die Stunden,
Bis daß es Tag ward und mit Flammenwunden
Der Türkishimmel ganz in Gold sich wandte.
Die Pinien wallten wie das Haar von Frauen
Und in den Gärten rings schlug jeder Baum
In Flocken aus von weißem Blütenschaum:
Doch als ich dacht', wie fern in Rom zur Frist
Ein zweiter Petrus arg gefangen ist,
Weint' ich, dies Land so wahrhaft schön zu schauen.
Turin.
Den Berghang, sieh, klomm ich empor
Zu diesem heil'gen Haus des Herrn;
Hier schritt der Engel-Maler gern,
Der offen sah das Himmelstor
Und thronend auf dem Halbmond licht
Die weiße Gnadenkönigin, –
Maria! raffe Tod mich hin,
Dürft' ich nur schaun dein Angesicht!
Gekrönt mit Dornenqual und Schmerz!
O Mutter Gottes! reine Magd!
Müd ist des Lebens und verzagt,
Des Singens übermüd mein Herz.
Gekrönt mit Liebesglut und Glanz!
Hör' mich! eh noch die Sonne naht
Und klar der Welt zeigt jeden Pfad
Und mich in Schmach und Sünde ganz!
War dies sein Kommen? Hofft' ich doch, ich seh'
Ein Bild von wunderbarer Herrlichkeit,
Wie jener große Gott in alter Zeit
Als goldner Regen kam auf Danae;
Oder ein Graungesicht, wie Semele,
Von Liebe krank und wunscherregtem Blut,
Die Gott leibhaftig schauen wollt' und Glut
Plötzlich umfing in ihrer Glieder Schnee.
Hierhin an diese heil'ge Statt geführt,
Seh' ich erstaunten Augs und Herzens hier
Der Liebe höchst Mysterium nun vor mir:
Ein kniend Mägdlein, blaß und unberührt,
Ein Engel mit der Lilie in der Hand,
Die Taube, die darob die Flügel spannt.
Italia! wie bist du doch gefallen!
Mag blinkend auch dein Heer in Waffen stehn
Am Strand der Adria wie des Tyrrhen
Und rings der Ruf »Heil Königin!« dir schallen;
Denn Gold nun sieht man in den Städten allen
Und auf den Schiffen deiner Saphirseen,
Die zahllos ziehn in stolzen Wimpelwehn,
Die eine rot-weiß-grüne Flagge wallen.
O schön und stark! O stark und schön zum
Hohn!
Blick südwärts hin, wo Rom, entweiht, verzagt,
Um seinen gottgesalbten König klagt!
Blick himmelwärts und hoffe: niederfährt
Flammend ein Raffael von Gottes Thron
Und trifft den Räuber mit dem Racheschwert.
Venedig.
Ich wandert' in Scogliettos grünem Hain:
Schwer von Orangen bog sich jeder Ast,
Lampen, vor deren Gold der Tag verblaßt;
Ein Vogel, aufgescheucht, ließ Blüten schnein;
Bleiche Narzissen hatten rings den Rain
Als wie mit Silbermonden eingefaßt;
Die Saphirbucht lachte im Sonnenglast,
Und alles Leben schien sehr süß zu sein.
Draußen sang hell ein junger Priesterknabe:
»Jesus, der Sohn Marias, lag im Grabe,
Kommt, füllt es nun mit Blumen an, kommt her!«
O Gott! in diesen griechisch holden Stunden
War all Gedenken an dein Leid entschwunden,
An Kreuz und Krone, Kriegsknechte und Speer.
I
Das graue Korn ist rot geworden,
Seitdem ich zu Italias Land
Geflohen kam vom Nebelstrand
Der düstren Städte fern im Norden.
Nicht weiter nun im Pilgerstrom!
Zur Heimat zieh ich wieder fort,
Ob die blutrote Sonne dort
Den Weg auch weist zum heil'gen Rom.
O Benedeite, die ich thronen
Auf jenen sieben Hügeln weiß!
O Mutter, aller Völker Preis,
Gekrönt mit dreien goldnen Kronen!
O Roma, Roma, nur dies Lied,
Laß, daß ich's dir zu Füßen leg'!
Denn oh! steil ist und lang der Weg,
Der zu der heil'gen Straße zieht!
II
Und doch, was gibt es schönres je,
Als südwärts nach dem Tiberstrand
Den wanderfrohen Fuß gewandt,
Wieder zu knien in Fiesole?
Und durch den knorr'gen Pinienhag
Am goldnen Arno hinzuziehn,
Wenn fern der hohe Apennin
Rotglühend steht im frühen Tag?
Und näher, näher zu auf Rom,
Bis nach Ölhainen, Gärten, Vignen
Aus der Campagna öden Linien
Die Hügel tauchen mit dem Dom!
III
Ein Pilger von der Nordsee fern –
O welche Sehnsucht weckt mir schon
Der Wundertempel und der Thron
Des, der die Schlüssel hält des Herrn!
Wenn purpurn und von Gold umflirrt
Priester erscheint und Kardinal
Und hoch ob all der Gläub'gen Zahl
Der ganzen Herde guter Hirt.
O selig, wer vorm Tod noch sieht
Den einz'gen gottgesalbten König,
Wie, von Fanfaren silbertönig
Umjubelt, er vorüberzieht!
Und wie er vor dem Altarschrein
Hochhält das heil'ge Opfergut,
Das eines Gottes Leib und Blut
Den Menschen zeigt in Brot und Wein.
IV
Denn sieh! was mag der Wandel bringen!
Der Jahre stets rückkehr'nder Lauf
Löst wohl des Herzens Bangen auf
Und lehrt ein Lied die Lippen singen.
Eh noch dies Feld von schwankem Gold
Daliegt in Garben grau von Staub,
Eh noch das rote Herbsteslaub
Wie Vögel sich im Winde tollt,
Vollbracht ich glorreich wohl die Fahrt
Und nahm, noch hell, die Fackel dann
Und rief den heil'gen Namen an
Des, der sein Antlitz nun verwahrt.
O Rom, was für Annalen wurden dir!
Erst unter dein volksherrlich Schwert gestellt
War durch Jahrhunderte die ganze Welt,
Dann warst du die gekrönte Fürstin ihr,
Bis dich zerstört der bärt'gen Goten Gier;
Nun, Stadt von Gott gekrönt, von Menschenhand
Des Reifs beraubt! weht dir vom Zinnenrand.
Des Hasses Ziel, ein rot-weiß-grün Panier.
Wann war dein Ruhm? Da deine Adler weit
Im Durst nach Macht als zu zwei Sonnen schwirrten,
Zitternd vor dir der Völker Zahl erschien?
Nicht doch, dein Ruhm verblieb erst dieser Zeit,
Da Pilger vor dem Heiligen Einen knien,
Der Kirche Gottes nun gefangnem Hirten.
Nein, Herr, nicht so! Lenzlilien weiß und rein
Dunkle Ölhaine, silberbrüst'ge Tauben
Lehren mich mehr an deine Liebe glauben
Als Donnerbraus und roter Flammenschein.
An dich gemahnt der purpurlaub'ge Wein,
Der Vogel, der heimfliegt im Abendrot,
An einen, dem sich keine Stätte bot,
Der Sperling singt von dir. Nicht also, nein!
Komm lieber eines Herbstesnachmittags,
Wann rot und braun das Laub erprangt des Hags
Und auf den Feldern schallt der Schnitter Sang!
Komm, wann der Mond in voller Herrlichkeit
Auf goldne Garben sieht, endlos gereiht,
Und ernte deine Saat: wir harrten lang.
Silberfanfaren schallten durch den Dom:
In Ehrfurcht lag das Volk rings auf den Knien
Und auf dem Throne, wie ein Gott, erschien,
Hoch hergetragen überm Menschenstrom,
In Rot und Weiß der heil'ge Herr von Rom,
In Priesterkleid und Königshermelin;
Und sieh, drei goldne Kronen krönten ihn:
In Glanz und Pracht so zog er durch den Dom.
Mein Herz nahm still zurück den weiten Weg
Zu Einem, der am öden Meeresstrand
Hinschritt und nirgend eine Stätte fand:
»Der Fuchs hat Gruben und sein Nest der Rabe,
Ich habe nicht, da ich mein Haupt hinleg',
Und tränenbittrer Wein ist meine Labe.«
Komm, Christus, hilf mir! reich mir deine Hand!
In wildern Fluten ring' ich im Gebet
Als Simon auf dem See Genezareth;
Der Wein des Lebens rinnt dahin im Sand,
Mein Herz ist wie ein hungerwüstes Land,
Wo alles Gute hinstarb, und gewiß:
Sollt' ich vor Gott aus dieser Finsternis,
Ich müßte liegen in der Hölle Brand.
»Er schläft vielleicht, ritt wohl zum Jagen, traun,
Wie Baal, wenn von Karmels Felsensäulen
Seine Propheten jenen Namen heulen.«
Nein, stille, vor der Nacht noch werd' ich schaun
Die erznen Füße, das brandweiße Kleid,
Die wunde Hand, das Antlitz voller Leid.
Ich stand am ewig unfruchtbaren Meer,
Bis es Gesicht und Haar mir ganz besprühte;
Des Tages letzter roter Brand verglühte
Im Westen fern; der Wind pfiff bang und schwer
Und lärmend flohn zum Land die Möwen her:
»Ach!« rief ich, »voller Leiden ist mein Pfad,
Und wer je erntet Frucht und goldne Saat
Von dieser Flur, die endlos andrängt, wer?!«
Zerrissen waren meine Netze ganz,
Noch einmal trotzdem in der Wogen Lauf
Taucht ich sie ein und wartete indessen.
Da sieh! ein Wunder! in dem Silberglanz
Von weißen Gliedern stieg es vor mir auf,
Und diese Lust ließ alle Not vergessen.
Ein Lilienmädchen, fremd im Erdenleben,
Mit braunem Haar, geflochten dicht am Ohr,
Sehnsücht'gen Augen, halb im Tränenflor
Wie blaustes Wasser unterm Regenweben:
Die Wangen nie gefärbt von Liebesbeben,
Die Unterlippe eingezogen bang
In Furcht vor Liebe, und den Hals entlang
Im Marmorweiß nur eine Ader eben.
Doch soll mein Mund auch ohne End' ihr singen,
Selbst ihr die Füße küßt' ich nimmermehr,
Weil überschattet von der Ehrfurcht Schwingen
Wie Dante, da mit Beatricen er
Unter des Greifen Brust, die Flammen schlug,
Am siebten Morgen sah den goldnen Zug.
Wo warst du, seit entbrannt um Trojas Mauern
Der große Kampf der Göttersöhne war?
Was seh ich wieder nun auf Erden dich?
Vergaßest du den glühnden Knaben, sprich,
Sein purpurn Schiff und seiner Tyrier Schar,
Der argen Aphrodite spöttisch Lauern?
Denn wohl warst du's, die, wie am Himmelszelt
Ein Stern im Silberschweigen blinkt der Nacht,
Ins rote, lärmende Gewog der Schlacht
Gelockt den Stolz, die Kraft der Alten Welt.
Beherrschtest du des Mondes feurig Boot?
Stand ob des Meeres Licht und Lachen hehr
Ein Tempel dir in Sidons üpp'ger Stadt,
Wo hinterm Gitter gold- und scharlachrot,
Ein braunes Kind dir wob an Stoffen schwer,
Bis plötzlich sie, der öden Stunden satt,
Aufsprang, die blassen Wangen hoch erglommen,
Zu küssen die seefeuchten Lippen des
Cyprischen Seemanns, heil zurückgekommen
Von Kalpe und dem Tor des Herkules?
Nein, du bist Helena, kannst sie nur sein!
Für dich starb einst Sarpedon noch so jung,
Sank Memnons Manneskraft so frühe schon:
Der goldbehelmte Hektor wählt' allein
Für dich die bittre Flucht vor Thetis' Sohn
Im zehnten Jahr deiner Belagerung;
Ja! jetzt noch strahlt die Glorie deines Ruhms
In den zerstampften Asphodillgefilden,
Wo jene herrlichsten des Altertums
Dich rufen zu dem Schwall von Geisterschilden.
Wo warst du? In Kalypsos Zauberland,
Den schläfernden, verlornen Tälern, da
Kein Schnitter fröhlich je den Tag begrüßte,
Nein, ungemäht des Grases Wirricht stand,
Der melanchol'sche Hirt das Korn stehn sah,
Bis all des Sommers Rot Grau ward der Wüste?
Und lagst du da an eines Lethe Flut,
Tief brütend über Zeiten längst vorbei,
Gebrochner Speere Krach, die Funkenglut
Geschlagnen Helms, der Griechen Schlachtgeschrei?
Nein, jener hohle Berg, er schloß dich ein
Und die entkrönte Königin mit dir,
Die Erycinische vordem mit Namen,
Nun ganz vergessen, daß du nimmer hier
Ihr Antlitz schaust, zu deren morschem Schrein
Nach Rom jetzt ganze Völker knien kamen;
Der Liebe keine frohe Wonne bot,
Nein, ihre überschweren Schmerzen nur
Und nur ein Schwert, das durch das Herz ihr fuhr,
Nur der Gebärensstunde bittre Not.
In deiner Hand hast du die Lotosblätter,
Die Todeswunden heilen; Gnade mir,
Weil mir noch währt der Sommertage Traum;
Denn, bebend, hat mein Mund den Atem kaum.
Daß ich ein Silberhorn zum Preis dir schmetter',
So sehr gebeugt, Mysterium, vor dir;
Gebrochen auf der Liebe grausem Rad,
Hab' ich nicht Hoffen mehr noch Herz, zu singen,
Doch frag' ich nicht, was auch die Zeit mag bringen,
Knie ich in deinem Tempel, dir genaht.
Du aber hassest diese öden Klippen,
Und jenem sonnentreuen Vogel gleich,
Der vor dem Dunkel flüchtet und dem Sturm,
Fliehst du aus diesem argen, trüben Reich
Zurück zu deiner alten Freude Turm
Und zu Euphorions jungen roten Lippen;
Wenn nun auch deines Angesichts beraubt,
Doch will ich hier in diesem gift'gen Garten,
Des Schmerzes Dornenkrone auf dem Haupt,
Des liebelosen Lebens Ziel erwarten.
Helena! Helena! entschwinde nicht!
Nur eine kurze Zeit noch weile hier,
Bis daß der Tag kommt und das Dunkel sank!
In deines Lächelns frohem Sonnenlicht
Weiß ich vom Himmel nichts noch Höllenzwang
Und kenne keinen Gott mehr außer dir:
Ja, keinen außer ihr, vor deren Füßen
In goldnen Netzen die Planeten ziehn,
Die geistige Liebe, die in deinem süßen,
Wonnigen Leibe mir im Fleisch erschien.
Nicht wie ein anders Weib geboren, weiß
Umgürtet mit des Schaumes Silberglanz,
Aufstiegst du aus der Saphirfluten Tiefen!
Und da erklomm in hellem Strahlenkreis
Ein ewiger Stern im Ost und, die noch schliefen,
Die Hirten weckt' er deines Insellands.
Du wirst nicht sterben! Deiner Ferse drohn
Ägyptische Nattern nicht, des Sumpfes Brut;
Dein Haar schmückt nicht der düsterblühende Mohn,
Ewigen Schlafes Herold rot wie Blut.
O Liebeslilie, makellos erblüht!
Elfenbeinturm und rote Feuerrose!
Du kamst, zu brechen unsres Dunkels Macht:
Denn wir, im Netz verschlungen unsrer Lose,
Harrend des Weltteils, von dem Harren müd,
Wanderten ziellos in dem Haus der Nacht,
Und suchten ziellos Schlummerpanazeen
Für Lebensüberdruß und Sehnsuchtswahn,
Bis deinen Altar wir wieder herrlich stehn
Und deiner Schönheit weiße Glorie sahn.