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Mit dem Newdigate-Preis gekröntes Gedicht, das Oscar Wilde selbst am 16. Juni 1878 im Oxforder Theater vortrug.
Vor einem Jahr sog ich Italiens Hauch,
Doch, nordischer Frühling, du bist lieblich auch.
Das Feld von jungen Blumen goldig blinkt,
Im zarten Lärchenbaum die Drossel singt;
Saatkrähen, wilde Tauben flattern hin,
Am Himmel kleine Wolken eilig ziehn,
Das Veilchen senkt des Hauptes zarte Last,
Die Primel ist vor Liebesgram erblaßt,
Die Rosen sprießen auf dem Kletterstamme,
Ein Mond, erfüllt von einer Feuerflamme –
Das Krokusbeet – das purpurrote Blüten
Im Kreise wie ein Ehering behüten,
Und alle Blumen, die der Frühling kennt
Bei uns in England und sie zärtlich nennt:
Schneeglöckchen, die so rein zu atmen wissen,
Und ihr besternte, glänzende Narzissen.
Die Mühle murrt, ins Blau die Lerche schwebt
Und reißt die Fäden, die der Frühtau webt,
Der Wasserkönig schießt den Fluß entlang,
Ein blauer Flammenpfeil, der kühn entsprang
Der Bogensehne, aus dem buschigen Wald
Des braunen Hänflings frohes Lied erschallt.
Vor einem Jahr sah ich, wie flog die Zeit,
Zuletzt des Südens stolze Herrlichkeit,
Wo Frucht und Blüte strahlend auferstehn
Zu unerhörtem Glanz, wo ich gesehn
Die märchenhaften Früchte leuchtend glühn
Wie goldne Lampen durch das dunkle Grün.
Vollfrühling war's, reich blühten schon die Reben,
Mit lässigen Schritten zog mein Rößlein eben
Die weiße Straße hin, die Hufe klangen,
Süß war die Luft und rein, ich war umfangen
Von Pinien, die die Straße stolz umsäumten,
Und von Oliven, welche düster träumten.
Und ob Ravennas alter Größe sinnend,
Sah ich den Tag zur Dämmerung verrinnend,
Und dieser Himmel, blau wie ein Türkis,
Mir plötzlich seine Flammenwunden wies,
Bis er zu rotem Golde war verbrannt.
O Knabenleidenschaft, die ich empfand,
Als ferne noch, weiter über Sumpf und Rohr,
Die heilige Stadt sich langsam hob empor,
Mit ihrer Mauerkrone grau betürmt.
Auf meinem Rosse bin ich hingestürmt
Im Wettlauf mit der Sonne, die da sank,
Und eh die Nacht das Purpurlicht verschlang,
Das sich wie Rosen an den Zinnen fing,
Betrat ich noch Ravennas Mauerring.
Wie seltsam still, kein Freudelaut des Lebens
Durchdringt die Lüfte, und ich lausch' vergebens,
Daß zur Schalmei ein Hirtenknabe greift
Und eine heitre Weise lachend pfeift.
Und niemals froher Kinderlärm durchschnitt
Den stillen Tag, der lautlos weiterglitt.
O Traurigkeit, o Süßigkeit, o Schweigen!
Hier wird dem Herzen tiefste Ruh zu eigen,
Hier lebt ein Herz, von Not und Furcht befreit,
Hingleiten sieht es stillen Blicks die Zeit.
Verliebter Lenz wird zu des Winters Schnee
Und kein Gedanke weckt entschlafnes Weh;
Hier fließt der Lethe, hier erblüht das Kraut,
Dem das Geschick geheime Macht vertraut,
Und wer es je genossen, der vergaß,
Daß einstmals eine Heimat er besaß.
Proserpina, das Haupt von Mohn umwunden,
In Lotoswiesen hab' ich dich gefunden,
Ravenna, hütend mit verblaßten Zügen
Der Toten heil'ge Asche in den Krügen.
Ward unfruchtbar an kriegerischer Brut
Auch längst dein Schoß, so hüte trotzdem gut
Die edlen Toten, die dir anvertraut.
Sie rühmen deine Ehre treu und laut.
Du kinderlose Stadt, halt gute Wacht,
Die Toten haben eine Zaubermacht,
Es wecken Träume voll Erhabenheit
Die stillen Gräber einer großen Zeit.
Ich seh' die Säule aus der Ebne ragen,
Wo Frankreichs kühnster Ritter ward erschlagen.
Gaston de Foix, du aller Ritterschaft
Erhabner Fürst, welch Stern hat dich entrafft,
Du Gott des Kriegs, welch unheilvolles Ziel,
An dem ein wilder Löwe kämpfend fiel.
Aus deines Lebens Lenz und Liebesfeier
Herausgerissen jäh, liegst du, vom Schleier
Des blauen Himmels freundlich überdacht,
Zu Häupten dir des Schilfrohrs Lanzenwacht,
Die traurig schwankt, und Oleanderblüten
Von tieferem Rot, als jene Ströme glühten,
Die purpurn einst aus deinen Wunden schossen,
Bis dir der Tod das junge Aug' geschlossen.
Jetzt weiter nordwärts nach dem Grabmal schau,
Dem halb zerstörten. Im gewaltigen Bau,
Errichtet von der Tochter Hand; dort liegt
Im ewigen Dunkel, einsam hingeschmiegt
Nach all den Kämpfen, schwer und schauerlich,
Der große Gotenfürst Theoderich.
In Trümmer fällt sein trotzig Grab, gefeit
Hat nichts sein Bollwerk gegen Sturm und Zeit.
Es bleibt der Tod der stärkste Herr von allen,
In Asche müssen Narr und König fallen.
Groß ist zwar euer Ruhm und doch für mich,
Gaston de Foix und du, Theoderich,
Selbst du, o große Königin – wie klein
Erscheint ihr alle mir vor diesem Schrein,
Wo
Dante nach des Lebens Lust und Leid
Hinüberschlummert in die Ewigkeit.
Im goldnen Schrein, der allen Lüften offen,
Ruht er, von Künstlerhand getreu getroffen.
Die feierliche Stirne frei von Sorgen
Und kühl und ruhig wie der frühe Morgen.
Die Augen, einst in Leidenschaft gewitternd,
In heißem Haß und heißrer Liebe zitternd,
Und diese Lippen, festgefügte Spangen,
Die uns die Hölle und den Himmel sangen.
Und dieses Antlitz, wie es Giotto malte,
Das mandelschmale, leidenüberstrahlte.
An dieser Stätte ward dir Ruh geschenkt,
Fern jener Stadt, wo sich der Arno drängt
Mit zauberischem Rauschen gelber Wogen
Durch breiter Brücken stolzgewölbte Bogen,
Wo Giottos Campanile sich erhebt
Und liliengleich zum Saphirhimmel strebt.
Du, der des Lebens Not und Sorge kannte,
Und der Verbannung schwere Kette, Dante,
Die allzusteilen Stufen fremder Stiegen,
Das kleine Elend, dem sie unterliegen
Die besseren Naturen und empfinden
Als bittres Unrecht dies: »Im Staub sich winden.«
Die düstre Welt, sie huldigt dir und dankt
Dir für dein Lied, und sie sogar, umrankt
Vom Rebenlaub, die herbe Königsmaid,
Toskana, die dir einst ein Dorngeschmeid'
Auf deine Stirne grausam hat gesetzt,
Mit Lorbeer schmückt dein leeres Grab sie jetzt,
Erfleht umsonst in allzu spätem Lieben
Des Sohnes Asche, den sie einst vertrieben.
O Mächtigster von allen, die der Bann
Jemals getroffen, längst dein Leid verrann,
Zu Beatricen ward dein Geist beschieden,
Ravenna wahrt die Asche – schlaf in Frieden!
Verödet der Palast, grau und verfallen,
Kein Sänger weckt ein Echo in den Hallen,
Die Ketten an der Tür vom Rost zerfielen,
Und giftiges Unkraut sprengt die Marmordielen.
Verwittert blinkt im hellen Sonnenschein
Der Löwenhäupter altersgrauer Stein,
Lazerten huschen durch die offnen Rachen
Geschmeidigen Laufs, und Schlangen lauernd wachen.
Ein andrer Mark Anton, hat hier versäumt
Zwei Jahre Byron. Liebend und verträumt
Gab er der Welt ein neues Aktium hin.
Doch nicht verwelken konnt sein Königssinn,
Er konnte seine Leier nicht zerschlagen,
Nicht weniger kühn die Kriegerlanze tragen;
Vergebne Müh, wenn auch ein Königsweib
Die Netze spann und liebend flehte: Bleib.
Aus Griechenland rief ihn ein Hilfeschrei,
Der Freiheit Kämpfer, eilt auch er herbei –
Und läßt Ravenna. Zu dem wilden Streiten
Sah keinen Edleren man jemals reiten.
Kein Sparter lag jemals auf seinem Schilde,
Der tapfrer war wie er im Blutgefilde.
O Hellas, denk in allen großen Stunden
Des Mannes, der den Tod für dich gefunden,
Der, sprengend deiner Glieder Sklavenring,
Zur ewigen Ruhe allzuzeitig ging.
O Salamis, o Ebne von Platää,
Voll Einsamkeit, und o Thermopylae,
Ihr windbestrichnen Höhen, still und leer,
Du wildes, tosendes eubö'sches Meer,
Nicht nur mit Worten hat euch der geliebt,
Der Schwert und Leier willig für euch gibt.
Wie Äschylos bei Marathon zum Eisen
Hast du gelangt. O mög dich England preisen,
Du kriegerischer Sänger, bester Sohn.
Nicht länger treffe dich der Bosheit Hohn,
Als Sänger und als Kämpfer ohnegleichen.
Nicht länger soll wie eine Schlange schleichen
Verleumdung sich um dein erhabnes Bild,
Begeifernd deines Ruhmes stolzes Schild.
Was der Olivenzweig beim Wettlauf war,
Mit dem der Sieger leuchtend schmückt sein Haar,
Das rote Kreuz, des Kriegers letzter Hort,
Ein Leuchtturmfeuer führend in den Port
Aus sturmbewegter See, der Weg zum Strand –
War dir die Freiheit, war dir Griechenland.
O Byron, deines Ruhmes Kronen bleiben
Für immer frisch und grün und Rosen treiben
Auf Sapphos Mitylene, rote Rosen
Mit weichen Blättern, dir das Haupt zu kosen.
Und wo Castalias Quelle einsam fließt,
Auf grünen Lichtungen die Myrte sprießt,
Der Lorbeer wartet dein – zusammenfinden
Will alles sich, dir einen Kranz zu winden.
Die Pinien sich im Abendwinde bogen
Mit dumpfem Murren wie empörte Wogen.
Die schlanken Stämme waren eingehüllt
In Ambralicht. Die Seele ganz erfüllt
Von bebendem Entzücken, wild und weit,
Zog ich dahin durch Waldeseinsamkeit.
Ein aufgescheuchter Vogel flatternd flog
Mit scheuem Flügelschlag, und wie er zog
Streift er die weißen Blüten, und ein Regen
Sinkt weich herab. Zu meinen Füßen legen
Sich der Narzissen blasse Silberkronen,
Auf jedem Aste kleine Sänger wohnen.
O Wald, mit deinem Weben, rausch nur fort,
Du bist der Freiheit letzter Zufluchtsort,
Wo für Minuten wenigstens der Mensch vergißt,
Wie müde er der Welt des Kampfes ist.
Aufs neu erwacht gesunkner Lebensmut
Und heißer rollt und fröhlicher das Blut.
Die wir erschlagen wähnten lange schon,
Die Götter, sind jetzt in den Wald geflohn.
Ich lauschte lang, ob er sich wagt hervor,
Der ziegenfüßige Pan, der oft im Rohr
Sein frohes Liebeslied pfiff zur Schalmei.
Stürzt keine Nymphe angsterfüllt herbei,
Mit wildem Kreischen aus dem dichten Wald,
Weil sie erblickt die bräunliche Gestalt,
Die weich behaarte und den Waldesgott,
Mit seinem Schalksgesicht voll heitrem Spott?
Diana jagt, ein königliches Weib,
Stolz ist und fürchterlich ihr Blick, der Leib
So mädchenhaft und süß. Vor ihr die Meute
Der Eberhunde, lechzend nach der Beute.
Und in dem Fluß, der reich vorüber quillt,
Sieht Hylas seiner Schönheit Spiegelbild.
O müßig Herz, o holder Griechentraum,
Der mich erfüllt. Schon lange durch den Raum
Die Abendglocken melancholisch schwellen
Und Klostermahnungen ins Ohr mir gellen.
Von liebestrunknen Blüten ganz umgeben,
Durft ich so süßer Stunden Glück erleben,
Hinströmend übers Herz mir wie ein Meer,
Weglöschend alles, was da schwarz und schwer.
Wie nie vernommen waren fortgeweht
Die Namen Golgatha und Nazareth.
Vereinsamtes Ravenna! Großes sagen
Von dir die Bücher aus den alten Tagen.
Zweitausend Jahre sind hinabgeglitten,
Seitdem zum königlichen Sieg geritten
Der große Cäsar einst aus deinem Tor.
Wie stolz und mächtig glänztest du empor,
Als von Britanniens Inseln zu den Wogen
Des fernen blauen Euphratstromes zogen
Die hagern Römeradler. Dir gewähren,
Der stolzen Stadt, die Völker – Königsehren,
Bis eines Tags die plündernden Barbaren,
Die Goten, Hunnen dein Verderben waren.
Des Diadems beraubt, vom Meer verlassen,
Birgst du das Elend jetzt in stillen Gassen.
Schon lang nicht mehr auf leicht geschwellter Flut
Ein Fichtenwald von Gallionen ruht,
Denn wo der Schiffe ehrne Schnäbel klirrten
Auf schwanker Flut, dort ziehen jetzt die Hirten
Mit müdem Schritt und pfeifen ihre leisen,
Unendlich trauervollen Liederweisen.
Und weiße Schafe grasen dort und da,
Wo einst die blaue Flut der Adria.
Trostlose, traurig schöne Königin,
In lieblicher Zerstörung stirbst du hin.
Von allen Schwestern du allein. Gezogen
Ist schließlich doch durch Romas stolze Bogen
Der königliche Krieger, siegreich hat
Er seine Krone in die ewige Stadt,
In ihre hohen Tempel hingetragen,
Am Palatin von neuem aufgeschlagen
Den alten Königsthron, an dessen Stufen
Die sieben Hügel seinen Namen rufen.
Neapel spottet des Tyrannen, lebt
Nach langem Schmerzenstraum, Venedig hebt
Mit neuer Kraft sich und das hohe Lied
Von Freiheit, Liebe, Licht und Wahrheit zieht
In Genua, der stolzen, siegreich ein.
Und wo die Marmortürme Mailands ragen,
Die Lüfte schneidend, wird es hingetragen.
Vom Alpenwall bis zu Siziliens Borden
Ist Dantes Traum zur Wirklichkeit geworden.
Doch du, Ravenna, heiß geliebt von allen?
In Trümmer seh' ich die Paläste fallen,
Und deine Schönheit ist ein Leichenlinnen
Und deine Größe liegt entseelt darinnen.
Wie einer trüben Kerze Flackerschein
Schleppt sich dein Name in den Tag hinein,
Der strahlend für Italien erstand.
Die Nacht der dunklen Unterdrückung schwand,
In Glanz und Leidenschaft hat es getagt.
Die österreichischen Hunde sind verjagt
Und ruhen grollend hinter ihren Wällen.
Die eisbekrönten Alpenzitadellen
Von West nach Ost, vom Meer zum Meere frei,
Bewachen jetzt die grüne Lombardei.
Ich weiß es wohl, den Tod bei Lissa fand
Manch' deiner Söhne, auch im Alpenland
Bei Aspromonte, in Novaras Schlacht.
Du hast die Opfer nicht umsonst gebracht.
Und doch, scheint mir, du schlürftest ihn nicht ein,
Der Freiheit frisch gepreßten Götterwein.
Dich hat er nicht, der ewige Stern, beraten,
Der Völker fortreißt zu des Krieges Taten.
Des Lebens müde, lockt dich Schlaf allein,
Du gräbst dich in den Schatten tiefer ein,
Verachtend der beschwingten Stunden Eilen,
Willst bei verblichenem Glanz du träumend weilen.
Der Freiheit Sonne blickt dir ins Gesicht,
Es ist umsonst, dein Arm ergreift sie nicht,
Die Fackel, die beim Wettlauf dir geboten,
Du liebst den Schatten und die großen Toten.
O wach nicht auf, laß deinen Schlummer hüten
Von bernsteingelben Asphodelusblüten,
Von deinen Wiesen, Lilien überspannt.
Bleib wie du bist, vereinsamt und gebannt.
Du lächelst über alle Erdengröße.
Armseliger Lebenssorgen dürftige Blöße,
Wer würde wagen, sie dir vorzuweisen
Vor deinen Trümmern oder gar zu preisen
Den Kampf, den königlicher Ehrgeiz führt
Von unfruchtbarem Völkerstolz geschürt.
Der Herr der Adria, der sturmbewegten,
Er hat dich »Braut« genannt, zu Füßen legten
Zwei Riesenreiche dir die Königskronen
Und preisgegeben waren dir Nationen,
Als Raub und deiner stolzen Laune Beute.
Du hast geherrscht als Königin – und heute –?
Die Tore stehen offen Tag und Nacht,
Nur grünes Gras auf grauen Türmen wacht.
Des Feigenbaums gespensterhaftes Walten
Hat Wälle und Bastionen längst gespalten.
Wo deiner ehrnen Söldner Rastplatz war,
Dort haust der Eulen mitternächt'ge Schar.
Gestürzt, gestürzt von deinem hohen Stand,
Im Netz verstrickt, vom Schicksal dir gespannt,
Ravenna, nichts hast du davongetragen,
Aus deines Glanzes längst verwehten Tagen,
Als einen Schild, verbeult, erblindet, matt –
Und deines Ruhmes welkes Lorbeerblatt.
Doch wer bestimmt es, was die Zukunft bringt?
Wer? ob im Morgengraun der Vogel singt?
O Nacht voll Angst und Krieg, wer kann genießen
Vom ruhigen Turm der Zeiten Nahn und Fließen?
Selbst du erwachst vielleicht und ringst dich los,
Sowie zum Purpurglanz aus Grabesschoß,
Aus Nacht und Schnee die Rose aufersteht,
Wie reifes Korn, das rot und golden weht
Vom braunen Grund, der heut noch steif gefroren,
Und nach dem Sturm wird oft ein Stern geboren.
O heißgeliebte Stadt, weit komm' ich her!
Um meine Heimatinsel spült das Meer;
Ich sah aus der Campagna ödem Schweigen
Geheimnisvoll und düster langsam steigen
Des Domes Kuppel übern Himmelsrand,
Umkleidet von des Morgens Purpurbrand.
Und in der Veilchenstadt hab' ich gesehn
Die Sonne von Corinthus untergehn,
Und von den Hügeln, den sternenhellen,
Des blühenden Arkadiens, hört' ich schwellen
Ans Ohr mir das »unendliche Gelächter«
Und den Gesang der frohen Meerestöchter.
Doch wie die Taube zu des Nestes Ruh,
Fliegt meines Herzens Liebe stets dir zu.
O Stadt des Dichters, einer, der gesehn
Kaum zwanzigmal den grünen Sommer gehn,
Des Herbstes farbenfrohes Kleid zu tragen,
Wie könnte der die tolle Kühnheit wagen,
Die Leier wecken für ein lautes Lied,
In dem dein alter Ruhm vorüberzieht.
Es klingt so arm und schwach die Hirtenflöte,
Wenn wilder Tubaschrei das Rechte böte,
Erschütternd müßt' es sich zum Himmel heben
Und wie ein Flammenhauch vorüberschweben.
Ein Wahnsinn wär', ich weiß es, mein Beginnen,
Und doch und doch, ich fühlt' es niemals rinnen
So edel und so feurig mir durchs Blut,
Niemals hab' ich gefühlt so süße Glut,
Wie damals, als des Rosses Hufe schlugen,
Dumpfdröhnend durch das Schweigen, und mich trugen
In die geliebte Stadt zum erstenmal,
Nach langen Tagen müder Arbeitsqual.
Ravenna, lebewohl! Ein Jahr entschwand,
Seitdem ich einsam an den Sümpfen stand,
Wo die Kapelle düster ragt, seit ich gesehn
In Purpurglut die Sonne niedergehn.
Der Himmel war ein Schild mit Blut befleckt,
Auf dem im Todeskampfe hingestreckt
Die Sonne lag. Des Westens Wolkenscharen,
Sie fügten sich zu einem wunderbaren,
Schwerfaltigen Königskleid voll düst'rer Pracht,
Bestimmt für eines großen Gottes Macht,
Indes der Herr des Lichts die Goldgaleere
Versinken ließ im Purpuräthermeere.
Und in der süßen Ruhe dieser Nacht
Ist die Erinnerung an dich erwacht,
Und schwellend steigt es wie ein Meer empor
Und all die heiße Liebe bricht hervor.
Der Liebe und des Frühlings zartes Grün
Wird abgelöst vom stolzen Sommerblühn
Auf Wiesen und auf Bäumen; bald, gar bald
Erblüht's im Grase bunt und mannigfalt,
Und Lilien steigen aus dem dunklen Boden,
Bis sie der Knaben Hände spielend roden.
Und dann besiegt für eine lange Zeit
Der reiche Herbst des Sommers Üppigkeit.
Und was er schlau dem Jahre konnt' entziehn,
An alle Bäume gibt er's wuchernd hin,
Sein aufgehäuftes Gold und sieht erregt,
Wie der Verschwender Wind es ihm verfegt;
Kalt naht und rauh der düstre Winter dann,
Bis endlich in sich selbst das Jahr verrann.
So schreiten wir aus unsrer Frühlingszeit
Hinüber in des Sommers Mannbarkeit,
Und schließlich fallen wir in Sorg und Not
Und manches böse Schneeloch uns bedroht.
Nur Liebe kennt kein Wintern und kein Sterben
Und fürchtet nicht, im Sturme zu verderben.
Ravenna, niemals, niemals wird entschwinden
Für dich der Seele liebendes Empfinden,
Wenn auch die Lippe ungelenk und leise
Nur schwache Laute stammelt dir zum Preise.
Lebwohl, lebwohl, schweigsamer Abendstern,
Der Nacht Gesandter, leuchtest hin so fern,
Heimlenkst du Hirt und Herde von den Weiden.
Vielleicht, noch ehe sie die Garben schneiden,
Der goldnen Ähren windbewegten Wald,
Eh noch das erste Blatt vom Baume fallt,
Erblick' ich dich, und mit der Demut Neigen
Bring' ich die Lorbeerkrone, die mein Eigen.
Lebwohl, lebwohl! Der Mond, der Mitternacht
Mit seinem Silberlicht zum Tage macht,
Gewiß auch um die heil'gen Stätten schwebt,
Wo Dante schläft und Byron hat gelebt.