Ottilie Wildermuth
Bilder und Geschichten aus Schwaben
Ottilie Wildermuth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

 
Abermals neue Hoffnung.

Wilhelms Lehrjahre waren zu Ende, er sollte nun in die welsche Schweiz, um sich vollends auszubilden, ehe er an weiteres Avancement denken konnte. Marie nähte Tag und Nacht, um ihn recht anständig für die Fremde auszurüsten, und zeichnete ganze Berge von Socken, die die Mama aus ihrer Vorrathskammer hervorholte. Herr Wezler wandte nun all seine Energie der Sorge für die Zukunft dieses seines Lieblingssohnes zu. Die Schwiegermama Krebs war bis jetzt jedem Versuch einer Annäherung unzugänglich geblieben; er hatte es mit dem Austausch von Kapitalbriefen, mit Weinkäufen, kurz auf alle Weise versucht, aber die Alte ward immer griesgrämiger und abstoßender, und wenn auch ihre Nase nicht so fein war, Herrn Wezlers wirkliche Absicht zu wittern, sintemal sie weder ihn noch seine Familie kannte, so war sie doch fein genug zu wissen, daß er der Mann nicht sei, mit dem sich große Geschäfte machen ließen. Zudem nahm ihr Geiz immer mehr die ursprüngliche rohe Form an, wie man sich schon im ABCbuch den Geizhals denkt; sie zog den Geschäftsbetrieb in's Kleine und begnügte sich damit, ihre Zinsen zusammenzuscharren. Von ihrem Töchterlein hörte man nur, daß sie ein verwildertes Geschöpf sei, und daß die Mutter sie in die wohlfeilste Schule und wo möglich in gar keine schicke. Herr Wezler konnte sie nicht einmal zu Gesicht bekommen.

Für den Fall, daß dieser Plan denn doch fehlschlage, hätte Herr Wezler seinen Wilhelm gern in einem Handelshaus untergebracht, wo sich eine einzige Tochter oder eine Erbin überhaupt befand; es hatte sich aber nicht schicken wollen. Er hatte endlich ein Haus entdeckt, wo nur zwei Söhne und eine Tochter waren; diese jedoch heirathete leider, ehe Wilhelms Lehrzeit zu Ende war. Wilhelm aber war in der That ein herrlicher Junge und sah gar nicht aus, als ob sein Papa nöthig hätte, eine Braut für ihn aus Drachenzähnen zu ziehen. Schlank und kräftig, blühend und hellaugig sah er seinem Beruf wie dem Leben so frisch und zuversichtlich entgegen, wie nur je ein gesundes junges Herz. An des Vaters weitaussehende Plane war er gewöhnt; so fühlte er sich von dem Krebsischen Projekt nicht beängstigt, nur war er in keiner Weise zu vermögen gewesen, eine active Rolle dabei zu übernehmen.

Einstweilen brachte er Lust und Leben in's stille Vaterhaus und machte tausend lustige Streiche; er baute von den ehrwürdigen alten Möbelstücken künstliche Thürme, an denen er gymnastische Uebungen anstellte, er pfiff der Marie beim Nähen neue Walzermelodien vor, damit auch Harmonie in seine Hemden komme, er rauchte seine Cigarre in der Staatshaube der Mama zum Fenster hinaus und schrieb für Adolf, der in der Missionärbildungsanstalt war, ein Complimentirbuch für Menschenfresser. Marie behauptete, sie könne keinen Stich mehr machen vor Lachen, der Papa erklärte täglich, der Unfug müsse aufhören und der Bursche aus dem Hause, fragte aber nach ihm, wenn er nur eine Viertelstunde fort war.

Gerade ehe Wilhelm abreisen sollte, kam noch der Schuldner, bei dem das einzige kleine Kapital stand, das für Marie gerettet worden war, um das bescheidene Zinslein zu bringen. Herr Wezler verweilte länger als sonst mit ihm in seiner Stube; als er zurück kam, sah man, daß er sich große Mühe gab, sein Gesicht in ernsthafte, fast traurige Falten zu legen, daß es aber nicht recht gehen wollte. »Der Mann da hat mir eine eigene Neuigkeit erzählt,« begann er. – »Was denn?« fragte die Mama. – »Denkt euch, die alte Krebsin hat den Hals gebrochen.« – »Meine Frau Schwieger?« rief Wilhelm, »das wäre!« Er hatte die größte Lust zu lachen, aber er stutzte vor dem alterirten Gesicht der Mama, die die Hände faltete und leise vor sich hin betete:

»Vor einem bösen schnellen Tod
Behüt' uns lieber Herr und Gott.«

»Ja, wie denn aber um Gotteswillen?« – »Je nun, es ist ihr unlängst in einem Gant ein kleines Gut zugefallen, auf dem sie einstweilen einen Verwalter gehabt. Den hatte sie im Verdacht, daß er ihr Stroh unterschlagen und in der Scheune versteckt habe. Weil sie seinen Versicherungen nicht glaubte, klettert das alte Weib selbst auf den obersten Scheunenboden, um nachzusehen; kraftlos ist sie schon lang, da sie sich nichts Gutes gönnt, und so, wie sie wieder herunter will – weiß nicht recht, wie's gegangen – kurz und gut, todt ist sie.« – »Gott erbarme sich ihrer!« seufzte die Mutter. – »Ja gewiß, das wird nöthig sein,« meinte der Papa im Geschäftston. »Nun aber, abgesehen von unsern Gefühlen – oder vielmehr – es ist jetzt heilige Pflicht, sich des verwahrlosten Waisleins anzunehmen.« – »Aber, Alter, ich bitte dich!« – »Aber höre doch, Alte! wenn das nicht ein Wink der Vorsehung ist, so giebt's keinen mehr! Erst gestern Nachmittag um zwei Uhr denk' ich daran, wie wir jetzt den Wilhelm in die Welt hinaus lassen sollen und noch gar keine Gewißheit über seine Zukunft haben, und gerade gestern Vormittag um halb eilf Uhr hat die Krebsin den Hals gebrochen. Siehst du, für ihr Kind ist es ja jedenfalls eine Wohlthat, wenn ein Christenmensch an sie denkt.«

Wilhelm zeichnete derweil der Marie auf ihre Nähschachtel sich selbst, wie er einen großen geputzten Krebs zierlich an der Scheere faßt, und schrieb darunter: »Zum Angedenken,« und dazu noch das Motto, das er auf der Mama gläserner Nadelbüchse gefunden:

Lieben und kein' Lust dabei,
Das ist mir grad wie Wasserbrei.

 
Die junge Erbin.

Nun, Wilhelm mußte trotz des Todesfalls der zukünftigen Schwiegermutter unwiderruflich abreisen, es schien ihn auch keine liebende Ungeduld in Betreff der jungen Erbin zurückzuhalten; der Papa aber reiste am Tag der Krebsischen Beerdigung nach dem Orte der Trauer, trotz alles Kopfschüttelns der Mama. Herr Wezler hatte bei Ausführung seiner verschiedenen Projekte Diplomatie gelernt. Er gab sich für einen Freund des längst seligen Krebsen aus, der sich für dessen unglückliche Wittwe und hinterlassene Tochter interessire, und gelangte so in das Trauerhaus und zu dem Anblick der jungen Waise. Vielversprechend war dieser nicht; ein scheu und ungesund aussehendes mageres vierzehnjähriges Mädchen mit struppigen schwarzen Haaren, die sich in dem neuen, sehr anständigen Traueranzug und unter den vielen Leuten höchst unwohl zu fühlen schien.

Herr Wezler versuchte sich ihr zu nähern. »Wie hat das arme Kind den Schlag aufgenommen?« fragte er eine Frau Nachbarin, welche die Honneurs machte. – »Sie hat just nicht viel gemacht; ihr erstes Wort war: »so krieg' ich doch jetzt genug zu essen.« Sie hat auch vom ersten Geld, das sie in die Hand bekommen, sechs Brezeln gekauft und alle aufgegessen.« Im selben Augenblick hatte sich die Waise wieder hinter die Reste eines Kalbsbratens im Nebenzimmer gesetzt. – »Armes Kind! die Natur will ihr Recht,« seufzte Herr Wezler; »das wird schon besser kommen.«

Da Frau Krebs kein Testament hinterlassen, war zum Vormund des Mädchens und zum Verwalter des für kleine Verhältnisse wirklich ungeheuren Vermögens ein entfernter Verwandter ihres Vaters, ein ehrenwerther Kaufmann in der Residenz ernannt worden. Herr Wezler stellte sich ihm mit einigem Stottern als alten Freund seines verstorbenen Vetters vor und ließ fallen, seine Frau habe sich immer für das Töchterlein interessirt und würde dasselbe gern unter ihre Obhut nehmen. Der Vetter schnitt das Anerbieten kurz ab mit der Bemerkung, daß bereits fünfundvierzig Freunde der verstorbenen Eltern sich zu diesem Liebesdienst erboten haben, daß aber nun beschlossen sei, das leider sehr verwahrloste Kind zunächst ein Jahr der Familie eines wackern Landschullehrers zu übergeben, um die gröbsten Mängel ihrer Erziehung gut zu machen, daß er sie sodann in sein eigenes Haus aufnehmen werde, wo sie im Kreise seiner fünf Töchter und bei den trefflichen Anstalten der Residenz alle Gelegenheit finde, ihre Erziehung zu vollenden.

Da war nichts zu machen; zu seinem Troste erfuhr Herr Wezler noch, daß die fünf Töchter wenigstens keinen Bruder hätten, und reiste ab, nachdem er noch einen Versuch gemacht, die Erbin auf ein paar Wochen Landaufenhalt in sein Haus einzuladen, worauf sie ihn verdutzt anstierte, ohne zu antworten. Unterwegs aber wuchsen seine Hoffnungen auf's neue, und er versicherte daheim die Mama, das Mädchen sei in Betracht der Umstände gar nicht so übel, und unterhielt sie schon von den zukünftigen Vorzügen ihrer dereinstigen Schwiegertochter und über den glücklichen Umstand, daß die Schulmeistersfamilie nur eine halbe Stunde von hier wohne, wobei Marie eine gar stille Zuhörerin war.

 
Eine neue Freundschaft.

Fünf Jahre waren ziemlich wechsellos über Papa Wezlers Haus hingezogen. Adolf war weit, weit über dem Meer und der Mutter Augen waren viel dunkler geworden seit dem Tag seines Abschieds. Aber sie wurden hell, so oft sie den Briefträger mit vertraulichem Kopfnicken auf's Haus zuschreiten sah; denn dann wußte sie, daß er Kunde aus der Ferne brachte. Der Papa war längst mit Adolfs Beruf versöhnt, er schrieb ihm lange Briefe mit allerlei Rathschlägen, wie er die Wilden civilisiren und aus dem Verkehr mit ihnen erlaubten Prosit für seine Zukunft ziehen könne; er sah ihn im Geiste schon als eine Art von christlichem Kaziken, herrschend über einen grundgutmüthigen goldreichen Volksstamm, und besann sich, wie das Fäßchen voll Gold am besten zu verwenden sei, das Adolf dann doch wahrscheinlich nach Hause schicken werde. Die Mutter dachte so weit nicht, sie erquickte sich an der Kraft und dem Frieden, der aus des Sohnes Briefen sprach, und hatte nur den Einen, leisen Wunsch, ihn noch zu sehen, ehe sie sterbe.

Fräulein Krebs hatte der Papa indeß nicht aus den Augen verloren. So lange sie bei der Schulmeistersfamilie war, hatte er einige Versuche gemacht, sich ihr zu nähern, sie aber fast so unzugänglich gefunden als vor Zeiten ihre Frau Mama. Zwar rühmten die Leute, sie sei im Ganzen ein gutes Kind, lerne ordentlich und finde namentlich viel Vergnügen am Besitz von Geld, das sie mit vollen Händen austheile, wenn sie genug gegessen habe, aber gegen Fremde sei sie scheu. Als er es einmal wieder versuchen wollte, sich ihr bekannt zu machen, und sich mit einer hübschen Porzellantasse bewaffnet hatte, um ihre Gunst zu gewinnen, hörte er, wie sie der Schulmeisterin, die sie herunter kommen hieß, von der Treppe herab zurief: »Ja, ich komme, wenn der alte Lümmel fort ist.« Das indignirte ihn dergestalt, daß er vor der Hand alle Versuche aufgab und sich mit dem Gedanken tröstete, wenn der prächtige Bursche, der Wilhelm, einmal selbst auftrete, werde sie schon aufschauen lernen.

Diese verunglückte Expedition erfuhr die Mama haarklein, obschon Herr Wezler den festen Entschluß gefaßt hatte, davon zu schweigen, und somit auch Marie. Was aber kam das stille Mädchen an, daß sie auch ihrerseits Projekte machte und diplomatische Zwecke verfolgte? Wie kommt's, daß sie, die man noch nie weiter als an der Mama Seite in den Garten oder auf den Acker gehen sehen, nun weite Gänge über Feld macht, von denen sie erst Abends zurückkommt? Wie hat sie's angegriffen, daß sie im Schulhaus zu Bernheim daheim ist wie das eigene Kind und mit ihrem Nähzeug am runden Schiefertisch neben der Frau Schulmeisterin sitzt, als hätte sie von Kindesbeinen an dagesessen? – Wie hat sie's so weit gebracht, daß Katharine Krebs, die kleine Wilde, so zutraulich mit ihr geworden wie mit niemand je zuvor?

Dieß weiß kein Mensch, aber so ist's. Da sitzen die zwei Mädchen auf dem breiten Sims in der alten Schulstube, von dem man weit hinunter sieht in's blühende Thal, und Katharine blickt mit ihren pechschwarzen stechenden Augen in die milden blauen Sterne der Marie und schüttet in rauhen heftigen Worten die heiße Klage über ihre verkümmerte, freudlose Kinderzeit an der Seite ihrer unheimlichen Mutter vor ihr aus, und Marie mit ihrer ruhigen, sanften Stimme erzählt ihr, wie sie ihre Mutter nie gesehen, wie ihr Vater in Noth und Jammer weit fortgezogen sei, weit über's Meer und niemand mehr von ihm gehört habe, und wie es ihr doch so gut ergangen sei und sie eine liebe Heimat gefunden habe. – »Und gib nur acht, so geht dir's auch noch recht gut und du wirst alles, alles vergessen, was so traurig gewesen ist.« – »Aber nicht wahr, du bist arm, Marie? Ich will dir Geld geben, wenn ich's bekomme, ich habe viel.« – »Mir nicht,« lächelte Marie sanft; »ich habe was ich brauche. aber komm, ich will dir zeigen, wem du geben sollst.«

So gehen sie mit einander in die ärmlichen Häuser des Dorfs, und Marie thut Wunder mit dem anständigen Taschengeld, das der Erbin von der Vormundschaftsbehörde verwilligt war. Für den jungen Unterlehrer, den Sohn des Schulmeisters, ist diese Gehilfin bei seinem oft schwierigen Lehramt fast gefährlich, er sieht mit unverhohlener Bewunderung die stille Macht dieser sanften, friedvollen Natur und lernt erst von ihr den rechten Weg, seiner schwer versäumten jungen Schülerin recht beizukommen.

Papa Wezler erfuhr nichts von diesen Gängen, die Mutter schwieg still dazu und ließ Marie gewähren; sie wollte auch nicht, daß diese Katharinens Widerwillen, sie einmal daheim zu besuchen, zu heftig bekämpfen solle. »Was sein soll, wird sich wohl schicken,« meinte sie ruhig und sah mit feuchten Augen der stillen Friedensbotin nach, wie sie ihren schönen Plan verfolgte.

Allzulange dauerte nun freilich dieser trauliche Verkehr nicht; nach einem Jahr holte der Vormund Katharine in die Residenz, damit sie nunmehr in's Feine geschliffen werde. Es war so viel Gerede von der Frau Krebs und ihrem Tod und ihrem Geld und ihrem Kind gewesen, aus dem das Gerücht eine Art weiblichen Kaspar Hauser machte, daß er geraume Zeit hatte hingehen lassen wollen, ehe er sie in den Kreis seiner fünf Töchter einführte.

Marie schlug Katharinen eine Korrespondenz vor, damit wollte es aber nicht so recht fort, sintemal dieser das Schreiben noch zu neu war; darum blieb dieser Verkehr ein ziemlich einseitiger.

 
Wiedersehen.

So standen die Dinge, als eines Tages festliche Vorbereitungen im Haus Wezler gemacht wurden; Rike, die Magd, die kein anderes Festvorgefühl kannte, als daß geputzt wurde, hatte bereits das ganze Haus sammt Flur und Treppen gründlich gescheuert, und fegte nun in Ermangelung eines andern Gegenstandes die Hühnerställe unter der Treppe; Marie schlang leichte Epheuguirlanden über die weißen Vorhänge, um den Schmuck des bekränzten Zimmers zu vollenden; der Papa polirte die kleine Münzsammlung, die er für Wilhelm angelegt hatte, schönstens heraus, und Mama ordnete die Kaffeetassen um den prächtigen Gugelhopf, Wilhelms Leibspeise, die sie nach Jahren wieder einmal eigenhändig verfertigt hatte.

Wilhelm war's, der nach fünfjähriger Abwesenheit im Elternhaus erwartet wurde. Er war indeß als Pensionär, als Volontär, als Commis im Auslande gewesen; nun, schrieb er, wollte er's auch daheim probiren und eine Stelle im Vaterland suchen. Der Papa aber wußte es besser, wie's nun kommen müsse.

Der Kaffee stand bereit, die Zimmer waren geschmückt, Papa und Mama standen am Fenster, Strickkorb und Flickkorb waren bei Seite gestellt, und jetzt rasselte ein leichtes Fuhrwerk. Der kann's aber nicht sein, der große schöne Mann! Freilich, der ist's und springt herauf und umarmt den Papa und küßt die Mama und küßt zur Abwechslung die Marie und umarmt die Rike, die in der einen Hand den Besen weit hinaus hält, und wirft sich endlich, als der Sturm des Entzückens sich ein wenig gelegt, mit lautem herzlichem Lachen auf das alte zusammengesessene Kanapee, daß die Fliegenklatsche des Papa, die darauf liegt, krachend in Stücke springt.

Ja, der ist's; wie gesund und frisch, wie groß und schön, wie hell und unverdorben sieht er aus! Sie können Alle die Augen nicht von ihm wenden. Jetzt aber mahnt Mama an den Kaffee, sie rücken näher zusammen, dem Gugelhopf widerfährt sein Recht, und Wilhelm sieht sie alle nach der Reihe dazwischen hinein glückselig an, und sagt aus ganzer Seele: »Daheim ist's doch am besten!«

Nun werden Adolfs Briefe geholt und gemeinschaftlich durchgegangen, und Wilhelm hilft den geographischen Lücken nach, die den Eltern noch geblieben sind, und erzählt – wie viel und schön weiß er zu erzählen! – von der herrlichen Alpenwelt und den Ufern des Genfer Sees und von seinem komischen Herrn Principal und seinen Genossen, von tausenderlei Dingen, so daß der Papa die Fräulein Krebs total vergessen hatte und sie ihm erst Nachts vor Schlafengehen wieder einfiel, wo er in seine Decke hinein lachte: »Nicht wahr, Jungfer Krebsin, das ist kein alter Lümmel? Dem zu lieb ließe sich ja des Rothschilds Tochter taufen!«

 
Abermals ein Strich durch die Rechnung.

Am andern Tag natürlich, da kam die Erbin auf's Tapet. Klar und bündig setzte der Papa Wilhelm auseinander, welch unbändiges Glück er gehabt, daß ihm die reiche Partie bis dato noch nicht weggeschnappt worden sei, und wie er kürzlich bei einer Ausschußversammlung der Hagelversicherungsgesellschaft die nähere Bekanntschaft des Vormunds gemacht. Der habe ihm geklagt, er habe mit dem Eigensinn des Mädchens, die alle Freier verschmähe, seine bittere Noth und habe sich vorgenommen, den Nächsten, der sich jetzt vorstelle, den müsse sie nehmen. Er, der Papa, habe sofort Wilhelms erwähnt und alles so eingeleitet, daß dieser sich jetzt nur präsentiren dürfe, um das Ding sofort siegreich zum Ziel zu führen. »Auch das Frauenzimmer selbst hab' ich gesehen; man kennt sie nicht wieder, sage ich euch! Ganz elegant, in einem seidenen Paletot, oder wie ihr's heißt; schön ist sie gerade nicht, aber was man so interessant heißt, pechschwarze Augen; und Wilhelm, ich sage dir, viermalhunderttausend Gulden hat sie wie einen Kreuzer, verlaß dich drauf!«

»Wenn's wirklich Ernst sein soll,« fieng Wilhelm an, »so will ich auch im Ernst reden: ich mag das Mädchen nicht, und wenn sie vier Millionen hätte. Ich bin jung und gesund, habe Kraft und Geschick, guten Muth und Gottvertrauen, mir den Weg in die Zukunft zu bahnen. Und ich soll mich mit Leib und Seele verkaufen an elendes Gold? an das Gold eines alten Scheusals, das Mariens Vater hinaus in's Elend getrieben, an ein verwahrlostes, rohes Geschöpf, wahrscheinlich so schlecht wie die Mutter!«

»Das ist nicht so!« unterbrach ihn Marie todesblaß, aber mit so fester Stimme, wie man sie nicht an ihr gewohnt war. »Wilhelm, sie ist ein gutes Geschöpf, für Liebe empfänglich, und bereit, der Mutter Sündengeld zu gutem Zweck zu verwenden.« – »Ei, was weißt denn du davon?« sprach der Papa, noch ungläubig an die unerwartete Bundesgenossin sich wendend. – »Ich hatte Mitleid mit dem armen Kind und dachte, ein freundliches Herz werde ihr wohlthun, und dachte . . . .« Sie stockte erröthend. »So kam ich zu Schulmeisters und wir sind von Herzen gute Freunde geworden, und Katharine hat sich alles von mir lehren und sagen lassen, und – ich glaube, Wilhelm, wenn du Liebe und Geduld hast, so kannst du glücklich mit ihr werden.«

»Was hab' ich gesagt!« rief der Papa triumphierend; »das Mädchen, die Marie, gibt einen Schatz für unser Haus, hab' ich gesagt, als du nicht daran wolltest, sie zu nehmen, Alte.« Die Mama nickte lächelnd unter Thränen.

»Du hast recht gehabt, Vater,« sagte Wilhelm, in tiefer Bewegung des Alten Hand ergreifend; »sie ist ein guter Engel für uns Alle. Vater, du wolltest mir die Marie geben, damit sie mein Haus behüte und versorge neben der Erbin; ich bitte, gib mir die Marie allein, dann hast du ein paar glückliche Kinder, reich an Frieden und Freude, das ist mehr wie Gold.« – »Unsinn! Unsinn!« rief Herr Wezler, dem's trotz aller Anstrengung nicht gelang, den Zorn wieder zu bekommen, der ihn bei Wilhelms erstem Wort der Weigerung überkommen. »Unsinn! du weißt, daß ein Kaufmann nicht nur so nach Gusto zulangen darf, und Marie selbst will dich nicht in's Elend bringen.«

Marie wollte sprechen, Wilhelm kam ihr rasch zuvor: »Ein Handelsfreund meines letzten Principals hat mir eine Buchhalterstelle mit tausend Gulden Gehalt angeboten, zunächst auf Probe; die Probe will ich schon bestehen, und glaubst du nicht, Vater, daß Marie damit haushalten kann? Und später erhöht sich der Gehalt, ich mache mich unentbehrlich. werde Associé!« fuhr er immer eifriger fort. An diesen Zukunftsplanen erkannte Herr Wezler ihn als seinen leiblichen Sohn und der Zorn schmolz mehr und mehr.

»In Gottes Namen! wenn meine Kinder alle meine Fürsorge von sich stoßen,« sagte er zuletzt resignirt; »aber in die Lebensversicherung setzst du mir auf der Stelle, daß der arme Tropf da nicht als hilflose Wittfrau zurückbleibt.« – Das war der Schluß der Heirathsverhandlungen; er war so im Sturm, so ohne eigentliche Absicht irgend eines Betheiligten herbeigeführt worden, daß es ihnen allen wie ein Traum vorkam.

Beim Papa war die Rührung bald verflogen, er zog sich mit seiner Morgenpfeife in seine eigene Stube zurück, ein Zeichen des Schmollens, und brütete über seinen umgestürzten Planen. Die Mama lächelte und weinte und streichelte Mariens bleiches Gesicht. Marie nahm es sehr übel, daß Wilhelm sie erstürmt, ohne nur sie selbst zu fragen, Wilhelm vertheidigte sich im Scherz, nahm's dann im Ernste auch übel, dann mußte ihn Marie wieder versöhnen, und zuletzt schickte Mama die Zwei in den Garten, »um gescheid zu werden.« Ob sie gescheid geworden, weiß ich nicht, aber getröstet kamen sie wieder und Mariens blaue Sterne leuchteten wie Sonnen.

Dennoch fühlte sich Marie gedrückt durch ihr unerwartetes Glück und die stets noch umwölkte Stimmung des Papas; sie fand den Muth nicht, sich ihm als Tochter zu nähern, und es lag noch eine Wolke über Allen.

 
Die Wogen glätten sich.

Ein Brief kam – zu was in aller Welt sind nicht Briefe gut! – von Herren Kurz, dem Vormund der Katharina Krebs. Da Herr Wezler als Freund seines seligen Vetters allzeit am Ergehen von dessen hinterlassener Tochter Antheil genommen, so beehre er sich ihm deren Verlobung anzuzeigen. Wenn er Herrn Wezler letztmals recht verstanden, so bedaure er, daß somit eine anderweitige, für seine Mündel sehr ehrenvolle Absicht nicht effektuirt werden könne, aber »Glanz der Familie, Uebereinstimmung der Herzen« u. s. w. Dabei lag eine zierlich gestochene Verlobungskarte: »Viktor Graf von Schreckenhorst, Hauptmann, und Kathinka Krebs.«

Der Papa war stumm vor Erstaunen; so waren seine beide glänzenden Plane in Einen zusammen und an ihm vorbeigeflossen. So hatte es also nicht sein sollen; denn so hoch er seinen Wilhelm hielt, an die Möglichkeit dachte er doch nicht, daß er als siegreicher Rival eines regierenden Grafen hätte auftreten können. Marie wußte nicht, ob sie weinen oder lachen sollte beim Gedanken, ihren unkultivirten Zögling als Gräfin von Schreckenhorst zu erblicken. Das hatte sie nicht für sie gewünscht; sie schrieb ihr aber aus überfließendem Herzen einen Brief voll der innigsten Segenswünsche.

Von da an gestaltete sich alles heiterer im Hause Wezler, die Mama sah man kaum mehr vor den Haufen von Leinwandballen, mit denen sie sich umgab; nun durfte sie doch ein Töchterlein ausstatten! Marie, die nicht emsiger werden konnte als sie zuvor gewesen, war nun häufiger neben dem Papa als neben der Mama zu sehen, und wenn sie ihm all die kleinen töchterlichen Dienste that, zu denen sie bisher oft nicht den Muth gehabt, und wenn sie so recht mit innerlichem Ernst in seine Plane einging, da sagte er nachher oft überrascht zur Mama: »Hätt's selbst nicht gedacht, daß so viel hinter dem Mädchen wäre; in Gottes Namen!« Wilhelm aber war längst wieder abgereist, um seine Stelle anzutreten, und schrieb Briefe voll Feuer und Leben, voll Lust und Lieb und Hoffnung, und Marie erblühte so rosig, daß sie selbst für den schönen Wilhelm eine passende Gefährtin schien.

 
Noch eine Ereigniß.

Die Aussteuer war fertig, das Hochzeitkleid bereit, nur die Mama wußte noch tausend unentbehrliche Dinge, an die man bis jetzt noch gar nicht gedacht hatte: Fruchtsäcke und Samensäckchen, Abwischlappen und Aderlaßbinden; es war wahrhaftig, als sei der fürsorgliche Geist des Papas in sie gefahren. Der Marie konnte nichts bescheiden und einfach genug sein; sie sagte niemals, wie bedrückt sie sich fühlte, so ganz die Nehmende zu sein, weil sie der Mama weh damit that, aber sie kämpfte lang im Stillen mit diesem beschämenden Gefühl, bis sie auch das versenkte in die Tiefe ihres demuthvollen Herzens.

Nun konnte Wilhelm jeden Tag kommen. Rike fegte und putzte mit so verzweifelter Entschlossenheit, daß es ein Wunder war, daß sie nicht die Balken durchrieb. Marie saß eines Abends, da Papa und Mama allein in den Garten gewandelt waren, in ihrem Stübchen, von all den bangen und frohen und wehmüthigen Gefühlen bewegt, die um solche Zeit in einem Mädchenherzen einkehren. Da rief ihr Rike in absonderlichem Ton: »Jungfer Marie, eine »g'späßige« Jungfer ist unten!« Marie eilte hinunter; da stand in der Dämmerung eine seltsame Gestalt, in ein langes prächtiges Seidenkleid gehüllt, das mit einer Schnur zum Gehen aufgeschürzt war, die langen Enden einer eleganten Atlasvisite wie ein Halstuch nach hinten geknüpft, bestäubt und erhitzt, mit allen Spuren eines weiten Marsches. Die schwarzen Augen, die zwischen dem verwirrten Rabenhaar hervor sahen, ließen sich nicht verkennen.

»Katharine! um Gottes willen, wo kommst du her? Nur schnell in mein Stübchen.« Dort setzte sich die Erschöpfte nieder und begann zu lachen wie toll, sobald sie zu Athem kam. –»Da bin ich! mit der Grafschaft ist's aus!« – »Aber wie, warum?« – »Das sollst du hören. Dazu bin ich zu gut, daß der seine Schulden zahlt mit dem, was die Mutter zusammengekratzt hat, und mich dann in die Ecke stellt wie einen Sack, wenn er geleert ist. Ich hab' ihn gleich nicht wollen, obschon ich ein dummes Ding bin, was ich mein Lebtag bleibe, aber ich ließ mich überreden. Da schickten sie ein Dutzend Weibsbilder hinter mich, um mich zu putzen, und setzten mich in eine Kutsche und stellten noch extra eine alte Mamsell an, die mich Mores lehren sollte; keine Stunde war mir wohl. Und dazu sah ich mehr und mehr, daß sich der Herr Graf an mir schämte und nicht erwarten konnte, bis er mein Geld habe und mich bei Seite schieben könne. Da habe ich ihnen nun einen schönen Streich gespielt und bin durchgegangen, und da bin ich!«

»Aber was willst du nun thun? ich bitte dich!« – »Zu Schulmeisters will ich und den Martin heirathen, des Schulmeisters Sohn. Das ist mein heiliger Ernst, der hat mir gefallen, sonst keiner mein Lebenlang. Und wenn er mich auch nicht lieb hat, weißt du, so recht, wie man dich lieb haben muß, ich weiß doch, daß er mich nimmt und daß er gut gegen mich sein wird, und ich und mein Geld sind am besten bei ihm aufgehoben.«

Daß sie damit recht hatte, fühlte Marie in tiefster Seele, und es waren nur noch Scheinwaffen, mit denen sie ihren Entschluß bekämpfte. Wäre auch umsonst gewesen; kaum ließ Katharine zu, daß Marie sie incognito mit einer Tasse Thee bewirthete, dann schlug sie ihr Seidenkleid über den Arm und wanderte im Eilschritt davon.

Das Erstaunen der Schulmeistersfamilie, des Vormunds und des Grafen, alle Stürme und Kämpfe, inmitten deren Katharine selbst, »die Ate dieses unheilvollen Kriegs« die allerunbekümmertste Person blieb, lassen sich leichter denken als beschreiben. Am Ende ließ sich nichts einwenden, der junge Lehrer war ein geschickter, tadelloser Mann, der Vormund war am Ende froh, den Kobold von Mündel los zu werden, und der Herr Graf ließ, wie man sich zuflüsterte, sein beleidigtes Ehrgefühl mit einer anständigen Summe versöhnen. Katharine kam als freudestrahlende junge Frau zu Wilhelm und Marie, die vor ihr in den Hafen eingelaufen waren, und Wilhelm versöhnte sich vollständig mit der lange gefürchteten Krebsin.

Martin, ein ernster, herzensguter und gewissenhafter Mann, nahm das unbedingte Vertrauen, mit dem Katharine sich und ihre Schätze in seine Arme warf, als eine heilige Pflicht auf und gelobte sich, mit unverbrüchlicher Treue über die Seele des wilden Kindes zu wachen und die Reichthümer zu verwalten, an denen so viel Thränen hiengen. – Auf einem bescheidenen Landgut lebte er mit Katharinen auf dem Fuße behaglichen Wohlstands; seine Schwester war die emsige Gehilfin der jungen Frau, die mit unbeschreiblichem Wohlgefühl sich zum erstenmal in ihrem Leben recht daheim fühlte. – Als Papa Wezler die Geschichte allmählich klar wurde. da setzte er sich nieder mit einer Miene, als ob die Welt stille stände; das gieng über seinen Horizont und er gab es auf, darüber zu meditiren.

 
Etwas Gutes zum Schluß.

Noch einen Blick in das Heimwesen Mariens und Wilhelms! Ihr würdet es kaum für möglich halten, daß man in einer engen Gasse der Residenz eine so niedliche, trauliche Heimath gründen könne wie die ihrige. Schöne Aussicht vermißte man gar nicht, die Einsicht war so freundlich. Mariens Blumen waren von den wohlfeilsten Sorten; um so mehr, meinte sie, mahnen sie einen an einen eigenen Garten. Wenn Wilhelm irgend welche Wünsche laut werden ließ, die zu ihren Verhältnissen nicht paßten, so beklagte Marie scherzend, daß er nicht auf den Krebsfang gegangen sei.

Es war gerade die Zeit, wo sie Wilhelm vom Komptoir erwartete, aber heute war die kleine Speisetafel durch ein angestoßenes Tischchen vergrößert; das allerfeinste Tischzeug, der Stolz der Mama, war aufgelegt und der Tisch mit allem Schönen, was Marie an Silbergeräth hatte, in's glänzendste Licht gesetzt. – Um zwölf Uhr kam nämlich auch der Eilwagen und mit diesem wurden heute zum erstenmal Papa und Mama erwartet.

Eben kämpfte Marie mit sich, ob sie den brodelnden Pudding seinem Schicksal überlassen und den Eltern entgegen gehen solle, da hörte sie den schweren Stock und Tritt des Papas schon auf der Treppe; schnell öffnete sie die Thür, um hell zu machen, und sah die zwei lieben alten Leute zusammen die Treppe heraufklimmen und hinter ihnen Wilhelm mit zwei Sätzen nachfliegen. Nun ging die Freude, das Begrüßen, das Verwundern an, wie alles so hübsch sei. Wilhelm holte das Hausbuch, das angelegt war, als ob Millionen darin zu verrechnen wären, und zeigte mit Stolz ihre Ersparnisse und Mariens pünktliche Rechnung. Marie aber trieb zum Essen, die Suppenkloße könnten fest werden.

»Warte noch, Marie,« sprach der Papa. »Da kam gestern ein Brief an dich aus Amerika unter deinem Mädchennamen, der nach langer Irrfahrt zu uns geschickt wurde; lies vorher.« Marie öffnete den Brief und setzte sich damit. Keine Linie ihrer sanften ruhigen Züge änderte sich, sie las ihn still bis zu Ende, dann legte sie die darin enthaltenen Papiere bei Seite und reichte ihn Wilhelm mit einem Gesicht, so strahlend von Glück, wie er es kaum an jenem Verlobungsabend gesehen. Wilhelm las laut:

»Mein armes liebes Kind! Ob du noch lebst oder wo du bist, weiß ich nicht! ich denke, in unserem alten Heimatort wird man von dir wissen. Ich will dir jetzt nicht sagen, wie es kam, daß mich die Verzweiflung von Haus und Heimat getrieben, einen verschuldeten, ehrlosen Mann. Ich war wie von Sinnen durch die beständigen Quälereien jenes Teufels von Weib, der Gott vergebe. Mein armes Kind – ich habe damals nicht viel an dich gedacht.

»Ich habe hier viel herbe und schwere Zeit gehabt; sie war mir nöthig, um zur Einkehr in mich selbst zu kommen; jetzt ist sie vorüber, Gott hat meinen Fleiß gesegnet, mehr als ich hoffen konnte, und ich habe mein Vaterherz wiedergefunden. Mein Kind, hier lege ich eine Summe bei, um dich zu mir zu bringen, wenn du noch lebst, wenn du allein und heimatlos im Vaterlande bist; sie wird hinreichen, um auch meine alte Schuld zu decken, die aber nicht so groß sein kann, als ich damals geglaubt. Lebt mein Kind nicht mehr, so sollen Alle, die ihm Liebe erwiesen, sich darein theilen.

»Bist du aber, was ich kaum glauben kann, verlobt oder verheirathet und glücklich, dann, liebes Kind, bleibe, wo du bist, dann will ich einmal zu dir kommen. Ein großes Heiratgut dir zu senden, wäre in diesem Falle bei der Art meines Geschäfts nicht möglich, aber ich kann dir mit Leichtigkeit die beigelegte Summe als jährlichen Beitrag geben. Wenn mir Gott so gnädig ist, daß du noch lebst, so schreibe mir bald und sage mir, ob du noch ein kindliches Herz hast für den Vater, der dich einst verlassen.«

Marie legte den Wechsel, der im Brief gelegen, in die Hand des erstaunten Papas. »Nun Gottlob, daß ihr schon beisammen seid!« sagte dieser herzlich. »Nicht wahr, Marie, du weißt, daß du vorher schon mein Kind gewesen.« Marie weinte vor Freuden wie ein Kind, daß sie nun einen Vater habe, und sagte lächelnd zu Wilhelm: »Ei, jetzt hast du doch noch ein Krebslein gefangen!« Die Mama aber faltete die Hände und sprach:

Weg' hast Du aller Wegen.
An Mitteln fehlt Dir's nicht;
Dein Thun ist lauter Segen,
Dein Gang ist lauter Licht.

Adolf ist nicht Kazike geworden. Es war ihm vergönnt, sein Leben einzusetzen für seinen Beruf; nach reichem, segensvollem Wirken kam er heim, um in der Mutter Schooß sein Haupt zur letzten Ruhe zu legen, aber ein reiches Erbe von Glauben und Frieden hat er den Seinen gelassen, das ihnen das Leid versüßte.

Ob Herr Wezler nun angefangen hat, für seine Enkel Plane zu machen, weiß ich nicht; ich glaube fast, er will's dießmal dem lieben Gott überlassen.


 << zurück weiter >>