Xenophon
Anabasis
Xenophon

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3.

Wir haben bisher gesehen, wie Chirisophus das Obercommando verlor und das Heer der Griechen sich theilte. Die Unternehmungen jedes Corps waren folgende: die Arkadier rückten nach ihrer Landung in dem Hafen von Kalpe gegen die ersten Ortschaften vor, die etwa fünfzig Stadien vom Meere lagen. Nach Anbruch des Tages führte jeder Heerführer seine Abtheilung gegen ein Dorf; war es aber von beträchtlicher Größe, so vereinigten sich gegen dasselbe zwei Colonnen. Ein Hügel war der verabredete Punkt, wo sich sämmtliche Truppen wieder vereinigen sollten, und da sie unvermuthet eingefallen waren, so brachten sie auch wirklich eine Menge Sklaven und Schafe zusammen. Die Thrazier aber, die sich durch die Flucht 194 gerettet hatten, – deren war aber eine große Anzahl, die als leichtbewaffnete Truppen den Hopliten unter den Händen entwischten, – sammelten sich wieder und griffen nun zuerst die Colonne des Smikres, eines der arkadischen Heerführer, an, als er eben, stark mit Beute belastet, sich nach dem Bestimmungsorte zurückzog. Anfänglich vertheidigten sich die Griechen unter fortgesetztem Marsche, allein bei einem Hohlwege, durch den sie sich durchziehen mußten, schlug sie der Feind, und Smikres mit allen seinen Leuten blieb auf dem Platze. Von einer andern Colonne, die Hegesander, einer der zehn Anführer commandirte, kamen nur Hegesander selbst nebst acht Mann mit dem Leben davon. Die andern Anführer vereinigten sich wieder, manche mit, manche ohne Beute. Nach diesem glücklichen Erfolge riefen die Thrazier einander auf und zogen sich in der Nacht stark zusammen. Mit Anbruch des Tages umringten sie mit einem zahlreichen Corps von Reiterei und Peltasten den Hügel, wo sich die Griechen gelagert hatten. Ihre Menge wuchs immer mehr an, und sie machten Anfälle auf die Hopliten, ohne daß diese ihnen beikommen konnten. Denn die Griechen hatten weder Bogenschützen noch Truppen, die den Wurfspieß führten, noch Reiterei. Die Feinde hingegen bedienten sich bei ihren Anfällen zu Fuß und zu Pferde der Wurfwaffen, und wenn die Griechen auf sie losgingen, zogen sie sich leicht und schnell wieder zurück. Sie griffen von mehreren Seiten zugleich an und verwundeten viele Griechen, ohne daß Einer von ihnen selbst getroffen wurde. Die Griechen waren also nicht im Stande, den Platz zu verlassen, und die Thrazier schnitten ihnen endlich auch das Wasser ab. In dieser äußerst mißlichen Lage wurde ein Vertrag vorgeschlagen, die übrigen Vergleichspunkte machten keine Schwierigkeit, nur wollten die Thrazier den Griechen, die darauf drangen, keine Geißeln bewilligen, und dies hielt die Sache auf. So standen also die Angelegenheiten der Arkadier.

195 Chirisophus zog in aller Sicherheit an der Küste hin und kam im Hafen von Kalpe an. Xenophon aber nahm seinen Marsch mitten durchs Land. Die Reiterei desselben, welche vorauszog, stieß auf einige alte Leute, die irgend wohin reisten; diese wurden zum Xenophon geführt, der sie befragte, ob sie irgend ein andres griechisches Corps wahrgenommen hätten. Sie erzählten jene Vorfälle ausführlich und benachrichtigten ihn, daß jetzt die Griechen auf dem Hügel ringsum eingeschlossen von der ganzen Macht der Thrazier belagert würden. Xenophon ließ diese Menschen in sichere Verwahrung nehmen, um sich ihrer nöthigenfalls als Wegweiser zu bedienen, stellte hierauf zehn Vorposten aus, ließ das Heer zusammenkommen und sagte:

»Soldaten, ein Theil der Arkadier ist auf dem Platze geblieben, und der Rest wird auf einem Hügel belagert. Kommen diese noch um, so ist es, wie ich wenigstens glaube, auch um uns geschehen, da der Feind so zahlreich und so unternehmend ist. Wir können daher, meines Erachtens, nichts Besseres thun, als jenem Corps so schnell als möglich zu Hilfe kommen, und wenn es sich noch hält, mit ihm vereinigt fechten, um nicht, wenn wir nur allein noch übrig wären, auch die Gefahren allein bestehen zu müssen. Lagern können wir uns also erst, wenn wir uns das Abendbrod durch einen tüchtigen Tagemarsch verdient haben. Unterwegs mag Timasion mit der Reiterei vorausziehen, auf uns Acht geben und die vorliegende Gegend beobachten, damit uns nichts entgeht.« Zugleich schickte er einige leichte Truppen auf die Flügel und auf die Anhöhen, um sogleich von ihnen ein Zeichen zu erhalten, wenn sie von irgend einer Seite etwas gewahr würden und befahl ihnen, alles Brennbare, was sie antreffen würden, in Brand zu stecken. »Denn,« sagte er, »hier zu entfliehen, ist nicht wohl möglich, da es zu weit ist, nach Heraklea zurückzugehen, oder Crysopolis zu erreichen, und der Feind so nahe steht. Nach Kalpe, wo Chirisophus, wenn ihm nichts zugestoßen ist, 196 wol angelangt sein wird, ist freilich der kürzeste Weg: allein fürs Erste finden wir dort keine Schiffe, um abzusegeln und hätten wir auch keine Lebensmittel, um nur einen Tag da bleiben zu können. Ueberdies wäre es, wenn die eingeschlossenen Griechen aufgerieben würden, nachtheiliger für uns, blos mit Chirisophus' Truppen verstärkt die Gefahren des Krieges bestehen zu müssen, als wenn wir, nachdem jenes Corps gerettet wäre, uns Alle zusammenzögen und gemeinschaftlich für unsere Wohlfahrt sorgten. Wir müssen also vorwärts, fest entschlossen jetzt, entweder rühmlich zu sterben oder die schönste That, die Rettung so vieler Griechen zu vollbringen, und vielleicht sind diese Umstände eine Schickung der Gottheit, um jene Griechen, die sich für klüger hielten als uns, für ihren Hochmuth zu demüthigen, uns aber, die wir unsere Unternehmungen mit den Göttern beginnen, vor ihnen auszuzeichnen. Wohlan nun, folgt mir nach und seid aufmerksam, um die gegebenen Befehle vollziehen zu können.« Mit diesen Worten begann er den Marsch. Die Reiterei zerstreute sich, so weit es sicher war, und steckte auf ihrem Zuge Alles in Brand; auch die Peltasten, welche die Anhöhen erstiegen, zündeten alles Brennbare an, was sie erblickten, und wenn etwas stehen geblieben war, worauf das Hauptcorps stieß, so wurde es von diesem in Flammen gesetzt, so daß die ganze Gegend zu brennen und ein großes Heer anzurücken schien. Als es Zeit war, besetzten sie einen Hügel und schlugen das Lager auf. Hier erblickten sie die feindlichen Feuer, – denn sie waren nur etwa vierzig Stadien davon entfernt, – und zündeten nun auch ihrerseits so viele Feuer an, als sie nur konnten. Nach der Abendmahlzeit wurde Allen Befehl gegeben, die Feuer so schnell als möglich auszulöschen, dann wurden die Posten für diese Nacht ausgestellt, und man begab sich zur Ruhe. Mit Anbruch des Tages beteten sie zu den Göttern, stellten sich in Schlachtordnung und rückten nun mit der möglichsten Schnelligkeit 197 vorwärts. Timasion und seine Reiterei, die mit den Wegweisern voranzogen, kamen auf dem Hügel, wo die Griechen waren belagert worden, an, ehe sie es bemerkten. Hier trafen sie nun weder ihre Waffenbrüder noch den Feind an, – wovon sie Xenophon und das Heer benachrichtigten, – sondern alte Weiber und Männer, wenige Schafe und zurückgelassene Ochsen. Anfänglich staunten sie und wußten sich die Sache nicht zu erklären, endlich aber erfuhren sie von den zurückgebliebenen Leuten, daß die Thrazier sogleich Abends, die Griechen aber am Morgen ihren Abmarsch genommen hätten, ohne daß sie wüßten, wohin. Auf diese Nachricht brach Xenophon mit seinen Leuten nach beendigter Frühmahlzeit auf und eilte, um sich mit den Andern bei Kalpe zu vereinigen. Auf dem Marsche sahen sie die Fußtapfen der Arkadier und Achäer gegen Kalpe zu gerichtet, und als sie dort zusammenkamen, waren sie froh, einander wieder zu sehen und umarmten sich wie Brüder. Die Arkadier erkundigten sich bei Xenophon's Leuten, warum sie die Feuer ausgelöscht hätten? »Anfänglich,« fuhren sie fort, »da wir keine Feuer mehr sahen, erwarteten wir, ihr würdet den Feind in der Nacht angreifen, und dieser mochte wol, wie es uns schien, dasselbe befürchten, denn er nahm ungefähr um diese Zeit seinen Abzug. Als ihr aber nicht kamt und die Zeit verlaufen war, so vermutheten wir, ihr hättet euch auf die Nachricht von unserm Schicksale aus Furcht gegen das Meer zu geflüchtet, da beschlossen wir, uns nicht von euch zu trennen, und so nahmen wir unsern Marsch hierher.«

 


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