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Die Unterjochung und Staatsumwälzung der benachbarten bundesverwandten Schweiz durch Frankreichs Heere; die Umschaffung der alten Eidgenossenschaft zu einer helvetischen Republik, als deren Bestandtheil, in der von Paris erschienenen Staatsverfassung. auch schon Graubünden genannt war, verbreitete gerechte Befürchtungen durch alle Thäler des rhätischen Gebirges. Die aristokratischen Geschlechter, schon tief genug gebeugt, erblickten in der Vereinigung Bündens mit einem helvetischen Freistaat, den Untergang ihrer letzten Hoffnung, jemals wieder den alten Einfluß, Rang und von Fürstenhänden genährten Reichthum zurück zu erhalten. Eine so trostlose Aussicht erfüllte sie mit dem blinden Muthe der Verzweiflung, Alles für Alles, selbst, wenn es sein müsse, die Freiheit ihres Volkes, das Bestehen ihres eigenen Vaterlandes, im gefährlichsten Spiel zu wagen. Sie versuchten, mit dem Wiener Hofe geheime Unterhandlungen anzuknüpfen, darüber, daß er, mit ihrer Hülfe, sich den Besitz Graubündens zusichere, bevor sich Frankreich desselben bemächtigen könne. Man legte dem, im Vorarlberg stehenden kaiserlichen General Auffenberg ausführliche Kriegspläne vor, in das Hochland einzurücken, von wo aus, wie aus einer starken Veste, die Franzosen sowohl in Italien, als in der Schweiz, mit entschiedenem Vortheil anzugreifen, und die Eingänge Tyrols am sichersten zu decken wärenDer »Militär-Plan« des Barons von Salis-Marschlins und der Briefwechsel mit General Auffenberg und Baron von Cronthal wurde nachher bei der Gefangennahme Auffenberg's, im März 1799, unter dessen Schriften durch einen französischen Lieutenant beim 7. Husarenregiment, Namens Bacher, entdeckt und der provisorischen Regierung Bündens übergeben, dann im Archiv der helvetischen Regierung zu Bern niedergelegt, wo sich diese Papiere, bezeichnet A. bis R. und No. 1. bis 21. befinden. Der Kriegsplan ist in denselben unter No. 11. enthalten.. Man suchte mit allen Künsten der Ueberredung den Minister-Residenten Oesterreichs, Baron von Cronthal in Chur, zu gewinnen. Doch der Eine, wie der Andere, gab, weil Oesterreichs Rüstungen noch nicht beendet waren, zwar freundliche Hoffnung, doch ausweichende Antwort: man müsse den gelegenen Zeitpunkt erwarten; es fehle zu einem solchen Schritte bisher an einem guten Vorwande oder rechtfertigenden Grunde. Vorwand? Grund? Nichts leichter, als diesen zu finden, erwiederte man ihnen. Wir erregen einen großen Volksaufstand, und verbreiten damit den Aufruhr gegen Frankreich durch die ganze Schweiz.Laut Certifikat des helvetischen Archivars Vinet, fügt ein Schreiben unter Litt. A. an Auffenberg vom 28. Mai 1798 hinzu: »C'est ce que votre cour demande, pour avoir un prétexte plausible pour s'emparer des Grisons.« Gesagt, gethan. Sogleich brachen in den katholischen Gemeinden der wilden Oberlandsthäler Unruhen aus. Doch Cronthal selbst widersetzte sich dem voreiligen Ausbruche einer stürmischen BauernerhebungWozu er sich außerdem noch durch ernste Vorstellungen bewogen finden mochte, welche ihm im Namen des Landtags-Ausschusses, der Hauptmann Joh. Baptista Bavier machen mußte..
Unter solchen Bewegungen und Umtrieben verfloß die erste Hälfte des verhängnißvollen Jahres 1798; offener und gewaltsamer traten sie aber in der andern Hälfte desselben hervor. Von Seiten der helvetischen Regierung, und unterstützt von der französischen, erschien die wiederholte Einladung zum Anschluß Bündens an die Schweiz. Eine Lebensfrage, wie diese, konnte nur durch die Gesammtheit des selbstherrlichen Volkes beantwortet werden. Jedem verständigen Manne war es aber zweifellos, daß der kleine Staat nicht länger vereinzelt für sich dastehen könne; daß er früher oder später, entweder zur Schweiz und in den französischen Machtkreis, oder in den österreichischen werde hineingezogen werden.
Die demokratische Partei, noch am Ruder des Staates befindlich, und in der Hoffnung, wenn auch nicht die Selbstständigkeit des Staates, doch die Freiheit des Volkes zu retten, mahnte zum treuen Verbleiben bei der alten bundes- und schicksalverwandten Schweiz, doch unter der Bedingung, daß die wirkliche Vereinigung nicht früher, als nach dem allgemeinen Frieden Europa's vollzogen werden; oder wäre dies nicht thunlich, daß wenigstens keine fremden Befehlshaber und Kriegsvölker den Bündnerboden betreten und das Gut des Landes antasten sollten.
Ohne Zweifel ein wohlgemeinter Rath; den Begriffen, Sitten und Gewohnheiten des größten Theiles der Bergbewohner klang indessen die Stimme der aristokratischen Rathgeber zusagender. Keine Vereinigung, hieß es da, mit der verwüsteten, unglücklichen Schweiz. Bleiben wir für uns; wir können es. Das erbvereinte Erzhaus Oesterreich ist zum Beistande bereit. Laßt Euch durch nichts verblenden. Wer ist ein Landesverräther? Wer französische Räuberbrigaden in unsere friedlichen Thäler ruft, daß sie die Religion unserer Väter vernichten; unsere alten Freiheiten zertreten; unsere Hütten plündern; das Vieh der Alpen entführen; Weiber und Töchter schänden und die Söhne auf fremde Schlachtfelder schleppen. Wer will solchen Hochverrath? Niemand unter uns, als die französische Partei im Lande.
Die große Mehrheit des Volkes verwarf also die Vereinigung mit der helvetischen RepublikEs wurde am 8. August 1798 erklärt., und überließ sich der ungezügelten Wuth gegen Alle, welche für das Gegentheil gesprochen, oder gestimmt hatten. Die demokratische Partei war verloren. Der landtägliche Regierungsausschuß wurde gezwungen, sich aufzulösen, und die öffentliche Verwaltung seinen aristokratischen Widersachern abermals zu überlassen. Feindschaft, Verfolgung und Aechtung Aller, welche die Vereinigung mit der Schweiz empfohlen hatten, war die natürliche Folge hiervon. Privathaß und die Rache der Sieger feierten ihr Fest über die Besiegten. Nicht Eigenthum noch Leben derselben blieben länger gesichert. Hundert um hundert der sogenannten Patrioten retteten sich durch die Flucht vor dem Grimme des aufgewiegelten Volkes, über die Alpen und den Rheinstrom, in's Ausland.