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Der Weihnachtsabend.

»Ermanne dich, Seele, die krank und matt,
Vergiß die nagenden Schmerzen;
Ein Kind ward geboren in David's Stadt
Zum Trost für alle Herzen.«

 

Der Jüngling.

Ein prächt'ger Weihnachtsbaum erblüht
In meiner Brust, die für sie glüht,
Den ihr allein ich weihe.

Mit Geistes Sternenlicht erhellt.
Im grünen Hoffnungs-Laubgezelt
Ertönt ein Lied der Treue;

D'ran hängt für's Liebchen ganz allein,
Was ich auf Erden nenne mein,
Daß sie sich deß erfreue.

Was mir nun auch der heil'ge Christ
Bescheert, – wenn sie nur bei mir ist,
Dann bin ich schon beglücket.

Sieh', die Geschwister lauschen hier
An der verschloss'nen Stubenthür,
Wo sie den Christbaum schmücket.

 

Die Kinder in der Kammer.

Waldemar.

Hast Du den großen Christbaum schon geseh'n?
Ich kann ihn drinnen ausgepflanzt erblicken.
Guck durch das Schlüsselloch und sieh, wie schön
Sie ihn mit Lichtern und Geschenken schmücken.
Was mir wohl heut' der heil'ge Christ bescheert? –
Ach, wär' es doch ein schönes Steckenpferd! –

Jonna.

Wie macht's das Jesuskind doch sonderbar,
Daß es so stille kommen kann und gehen?
Es bringt die schönsten Sachen jedes Jahr,
Doch haben wir es selbst noch nie gesehen.
Ob's wohl vom neuen Bruder schon gehört,
Und ihm, dem kleinen Viggo, auch bescheert?

Louise.

Ei, glaubst Du, daß das Christkind ihn vergißt?
Es bringt auch ihm viel' schöne Weihnachtsgaben;
Wie Mutter sagt, kam er vom Himmel; – Christ
Muß ihn dort oben ja gesehen haben.

 

Das Haus gegenüber.

(Ein alter Junggeselle sitzt am Fenster und blickt zu ihnen hinüber.)

Die Lichter werden drüben angezündet. –
Wie sich die Kinderschaar den Kopf zerbricht,
Was auf dem Baume wohl ein Jeder findet!
Sieh, an der Thüre lauscht der kleine Wicht; –
Wie mag erwartungsvoll das Herz jetzt schlagen
In seiner und in seiner Eltern Brust! –
Mein Herz, o sag'! warum willst du verzagen?
Ich seh' ja durch die Scheiben ihre Lust. –
Die Blumen, die der Frost auf's Glas gemalet,
Sie schneiden mir in's Aug' – ich hauch' sie fort.
Wie lieblich doch der Weihnachtsbaum jetzt strahlet,
Wie selig ist der Kinder Freude dort!
O, wie ganz anders ist's in meiner Klause:
Ich trag' allein des Lebens Freud' und Schmerz!
Als Fremder steh' ich selbst im Freundeshause,
Theilnehmend schlägt an meiner Brust kein Herz. –
« Er ist ein Hagestolz,« so hör' ich sagen,
»Er kannte nie der Liebe Lust und Leid.« –
Im Traum erschien sie mir in fernen Tagen:
Was weiß die Welt von meinem Traum Bescheid?!
Zur schönsten Blume hob ich meine Blicke,
Und war doch selber weder schön, noch reich;
Mir träumte auch einmal, daß ich sie pflücke, –
Was thut man nicht im Traume Alles gleich!
Im Glüh'n der Rose wollt' ich Hoffnung lesen,
Im Anschau'n schwelgt' ich – steh, da kam zur Stell'
Ein Andrer und gewann das holde Wesen,
Und ich – bin jetzt ein alter Junggesell.

 

Arme Kinder auf der Strasse

(singen).

Als das Christkind ward zur Welt gebracht,
Das uns von der Hölle gerettet,
Da lag's in der Krippe bei finstrer Nacht
Auf Stroh und Heu gebettet;
Doch über der Hütte glänzte der Stern,
Und der Ochse küßte den Fuß des Herrn,
Halleluja, Kind Jesus!

Ermanne Dich, Seele, die krank und matt.
Vergiß die nagenden Schmerzen;
Ein Kind ward geboren in David's Stadt
Zum Trost für alle Herzen.
O, laßt uns wallen zum Kindlein hin,
Und Kinder werden in Geist und Sinn;
Halleluja, Kind Jesus!

 

Der Dichter.

Beschenkt wird Jeder jetzt; im Schlossessaale,
Wie unter'm Hüttendach' wohnt Lieb' und Lust.
Was darf denn ich, zum ersten, letzten Male,
Dir bringen, Königin in meiner Brust?
Zum welken Dorn der Freude Palm' verblüht',
Als sie sich stolz zum Himmel wollte heben!
Nimm meines Herzens Kind, mein einfach Lied,
In Lieb' entstand es, kann in Lieb' nur leben.
Drück's an Dein Herz; o, übe Mutterpflicht!
Es stammelt: Mutter! doch den Namen nicht.
Ein Pelikan, so trug ich meine Brut
An meiner Brust mit heißem Liebesbeben.
Gesäugt hab' ich mein Lied mit Herzensblut,
Mein harrt der Tod, wird es mich überleben?

 

Die Bescherung.

Der Herr vom Hause.

Greift nur zu! Daß Jedermann
Das rechte Geschenk erkiese!
Ueberall schrieb ich daran
Den Namen und eine Devise.

Der Jüngling.

Einen Händedruck nur gieb
Mir als Geschenk, Louise!
In Deiner Augen Strahl, mein Lieb!
Les' ich dazu die Devise.

Der Student.

Wissen erringen mit großer Müh',
Ei, das war' 'ne Sottise! –
Esse non, videri, – sieh',
Das ist meine Devise!

Ein junger Herr.

Jüngst verschenkt' ich gar mein Herz,
O Himmel, welche Betise! –
Kaltes Blut und hart wie Erz,
Sei künftig meine Devise.

Die Großmutter.

Kind, beherz'ge in dieser Stund'
Von allen Lehren nur diese:
»Schmeichlermund trägt Gift im Grund,«
Aber nicht als Devise.

Ein Seeoffizier.

Der dän'sche Seemann trotzet keck
Dem Feind, dem Meer, der Brise.
»Stets das Herz auf dem rechten Fleck«
So lautet seine Devise.

Eine junge Wittwe.

Ich nahm 'nen Mann, der reich und alt.
Unlängst als gute Prise.
Gott sei gelobt! er starb gar bald; –
Wie schön ist diese Devise!

Alle.

Biet' kühn die Stirne dem Geschick,
Und furchte nicht die Krise.
Im Frohsinn wohnet nur das Glück,
Das ist die beste Devise!

 

Mitternacht. – Ein Kirchhof.

Der Liebende

Mein junges Herz kennt Winterlust,
Doch weiß es Nichts von Winterkälte;
Vor Weihnachtsfreud' bebt mir die Brust,
Und Lichter glüh'n am Himmelszelte.

Sie liebt mich! Auf den Kirchhof her
Versprach sie mir um Zwölf zu kommen;
Nicht fürchtet Der die Todten mehr,
Deß Herz in heißer Lieb' entglommen.

Ich hör' sie, in der weißen Tracht
Leissingend aus dem Grab sich heben;
Sie kehren in der heut'gen Nacht,
Der Sage nach, zurück in's Leben.

Die Todten

(auf den Gräbern tanzend).

Hell erglänzt das Sternenheer,
Doch daß hier wir schweben,
Ist ein Traum, denn nimmermehr
Können Todte leben!

Unsre Wohnung ist nur klein,
Unter Schnees Hülle.
Auf uns lastet schwer der Stein;
Kalt ist's d'rin und stille,

Wo wir ruh'n im engen Raum,
Von dem Frost geschüttelt.
Mitternacht mit hellem Traum
Hat uns wach gerüttelt.

Nebelleicht und linnenweiß.
In dem Todtenhaine
Tanzen wir auf Schnee und Eis
Hier im Mondenscheine.

Hell erglänzt das Sternenheer,
Doch daß hier wir schweben,
Ist ein Traum, denn nimmermehr
Können Todte leben!

Der Liebende.

Nein, es ist kein Traum! ich seh'
Euch im Mondenschimmer.

Die Todten.

Phantasie zeigt's Dir, die Fee;
Todte leben nimmer!

Der Liebende.

Doch! ich seh' Euch geisterhaft
Auf den Gräbern schweben.

Die Todten.

Hu, das klingt ja grauenhaft;
Mich ergreift ein Beben!
O, die Wahrheit uns gesteh'!
Willst Du uns nicht necken?
Bin ich ein Gespenst? – O weh,
Mich durchschauert Schrecken.

(Sie verschwinden.)

Der Liebende.

Vor des Geistes hellem Blick
Schwindet Spuk und Schrecken;
Liebe scheucht in's Grab zurück
Geister, die uns necken.

Schon erblick' ich sie von fern,
Meines Lebens Sonne,
Und der Freude Weihnachtstern
Strahlet mir in Wonne!

Die Zeit.

St! St!
Entschwunden ist
Ein Jahr gar bald,
Wie das Lüftchen im Wald,
Wie ein Hauch, wie ein Kuß,
Wie die Well' im Fluß.

Mein Gespenst

(auf meinem Grabe).

Noch glüht das Lämpchen, d'rum genieß'
Das Dasein. – Leben ist doch süß!
Noch strahlt der Tag Dir hell und warm,
Noch reicht die Schöne Dir den Arm.
Und ist ihr Herz auch nicht dabei,
Du glaubst doch, daß es Liebe sei.
Für was mein warmes Herz Euch gab,
Ward mir ein kühles, stilles Grab,
Fern von der Sonne mildem Schein,
Von Vogelsang und Blumenrain.
Da ruh' ich tief, mein Sang verhallt,
Der Sänger ist vergessen bald!


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