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Als Mary von Rudolf diese Nachricht erfuhr – es war in der Hofburg, gegen acht Uhr eines Abends, an dem ihre Mutter und ihre Schwester in der Oper waren und sie selbst es wie durch ein Wunder zuwege gebracht hatte zu entschlüpfen –, konnte sie ihre Tränen nicht zurückhalten. Rudolf verreiste für vierzehn Tage! Niemals war er so lange fortgewesen! Und die Kronprinzessin begleitete ihn an jenen damals noch einsamen Ort, wo es keine andere Gesellschaft für ihn gab als diese Frau; eine zweite Hochzeitsreise! Mary zweifelte nicht daran, daß der Kaiser dies mit Absicht so bestimmt hatte, um eine Versöhnung zwischen dem kronprinzlichen Paar herbeizuführen.
Vergeblich suchte Rudolf sie darüber zu beruhigen; nur die Sorge um seine Gesundheit hätte seinen alten Freund Wiederhofer zu diesem Vorschlag bestimmt; er brauchte unbedingt Ruhe, fern von Wien und aller Beschäftigung, in einem südlichen Klima. Sie sollte doch froh sein, daß man ihn nicht an die Riviera oder nach Madeira schickte! Und seine Frau? Es ging einfach nicht an, daß sie allein in Wien blieb. Aber sie würden nicht viel beisammen sein. Sie reiste mit ihrer Hofdame, dem Kind und der Erzieherin, er mit seinen Adjutanten. Die Tage wollte er am Meer verbringen, segeln … Sie vertrug das Wasser nicht. Und ganz in der Nähe lag Pola, der Kriegshafen, der ihm auch Beschäftigung bot …
Nichts konnte Mary trösten. Der Kronprinz nahm sie in seine Arme, sprach zu ihr und wiegte sie wie ein kleines Kind, küßte sie, gab sich Mühe, sie zum Lachen zu bringen. Endlich beruhigte sich Mary. So rührend war Rudolf noch nie zu ihr gewesen. Sonst war gewöhnlich sie es, der die Aufgabe zufiel, ihn zu erheitern, seine Sorgen zu zerstreuen, die dunkeln Gedanken, die ihn allzu häufig befielen, zu verscheuchen. Heute schienen die Rollen ganz vertauscht.
Diese traurige, zärtliche Stunde übte auf Rudolf einen großen Einfluß. Sie ließ ein Gefühl in ihm aufkeimen, das so tief in ihm verborgen gewesen war, daß er sein Vorhandensein nicht einmal geahnt hatte. Der Anblick dieses unverdorbenen jungen Mädchens, das in seinen Armen weinte, das keusche Anschmiegen ihres jungen Körpers an den seinen, diese Tränen, die er zum Versiegen brachte, und schließlich das Lachen, das er auf ihre schönen Lippen lockte, erfüllten ihn mit einer Rührung, die er nie zuvor gekannt hatte.
Er selbst gab sich über seine Gefühle nicht gleich Rechenschaft, auch Mary gegenüber drückte er an jenem Abend nichts von seinen Empfindungen aus. Er mußte sie bald verlassen, um sich noch in der Oper zu zeigen. Aber während des ganzen späteren Abends hörte er nicht auf, an dieses seltsame neue Gefühl zu denken.
Seit langem hatte er es sich schon abgewöhnt, über sich zu grübeln, denn er wußte aus Erfahrung, daß nur Bitterkeit und Abscheu aus solchen Stunden der Selbsterforschung zurückblieben. Jetzt aber zeigte es sich, daß jener Rudolf, den Mary in ihm geweckt hatte, ein Mensch war, in dessen Gesellschaft er sich wohl fühlte. Er sehnte sich immer stärker nach der Nähe der Zauberin, die diesen neuen Menschen aus ihm gemacht hatte, um in ihrer Gegenwart den früheren Rudolf ganz vergessen zu können.
Auch er begann jetzt, dem Zusammensein mit Mary entgegenzufiebern, und die Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellten, brachten ihn zur Verzweiflung. In ihrer Gegenwart verwandelte er sich in den Rudolf zurück, für den das Leben noch seine Reize hatte, von dem die zynischen Gedanken abfielen; wie beglückte ihn die Entdeckung, daß jener Rudolf noch nicht ganz tot war. Jener Rudolf war es, der Mary in der Hofburg empfing oder sie zu flüchtiger Begegnung im Prater traf; er fand ihr gegenüber wieder die Keuschheit und das Zartgefühl eines sechzehnjährigen Verliebten, das Vertrauen eines harmlosen Herzens, das noch keine Enttäuschung kennt, die Träume und Hoffnungen der Jugend, die Beschwingtheit der Gefühle einer ersten Liebe. Diesen glücklichen Rudolf gab es wie durch ein Wunder neben dem Kronprinzen, der sein verzweifeltes Dasein bei Hof und in den Séparés bei Sacher lebte, neben dem Rudolf des politischen Ränkespiels und der Nächte mit den Zigeunerinnen.
Seine Gedanken führten ihn dahin, einzusehen, daß er ohne Mary nicht mehr leben konnte. Diese Einsicht, der er sich überließ, erfüllte ihn immer mehr. Sie wuchs mit der Abwesenheit der Geliebten, sie verstärkte sich in ihrer Gegenwart. Der Ekel, der sich im Laufe seines stets gleichen Tagewerks in ihm ansammelte, ließ ihm die seltenen Stunden, die Mary ihm schenken konnte, noch köstlicher erscheinen.
Eines Tages, in der zweiten Hälfte Dezember, waren sie fast während des ganzen Nachmittages in dem blumengeschmückten kleinen Salon der Hofburg beisammen. Er liebte es, wenn sie plauderte und lachte, und blieb meist schweigsam. Mary war glücklich, die böse Falte zwischen seinen Brauen langsam schwinden zu sehen und sein Schweigen störte sie wenig. An jenem Tage aber schien er noch wortkarger als sonst, und sie wurde unruhig, ohne daß sie wagte, es zu zeigen. Sie erzählte ihm von ihrem Heim in der Salesianergasse, von den schneebedeckten Bäumen des Modenaparkes, die sie von ihrem Fenster aus sehen konnte, von ihrem gemütlichen Wintergarten und der Pracht des großen Tanzsaales, wenn bei Festen seine hohen Spiegel den Schein der vielen silbernen Kerzenleuchter und der Öllampen auf den roten Samt der Fauteuils und Diwans zurückwarfen. Sie berichtete ihm auch von der alten Marie und ihrer jungen Zofe Agnes, die als Tochter des Portiers die Möglichkeit hätte, sie abends unbemerkt aus dem Hause zu lassen …
Rudolf, der auf dem gewohnten kleinen Schemel zu ihren Füßen gesessen hatte, sprang unvermittelt auf und begann nervös auf und ab zu gehen. In seine Gedanken versunken, schien er Mary ganz vergessen zu haben. Mit einem Male aber kam er auf sie zu, ließ sich neben ihr auf das Sofa sinken, legte seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie an sich.
»Mary«, sagte er, »ich muß mit dir sprechen.« Sein Ton war so ernst, daß sie zu zittern begann. »Ich habe viel nachgedacht …«, fuhr er fort, doch er unterbrach sich, denn er las die Angst in ihren Blicken. Er neigte sich vor und flüsterte: »Keine Furcht, Geliebte … Ich liebe dich so sehr, daß ich ohne dich nicht mehr leben kann – nur das wollte ich dir sagen. – Meinst du nicht, daß wir versuchen sollen, für unsere Zukunft zu sorgen?«
Mary hörte seine Worte und wußte nicht, was sie davon halten sollte. Ihre Zukunft? Träumte er? Oder gab es vielleicht wirklich eine Zukunft für sie beide? Sie selbst hatte nie daran zu denken gewagt, und jetzt sprach er von »ihrer« Zukunft! In überströmendem Glück schlang sie die Arme um ihn.
»Unsere Zukunft«, wiederholte sie, »ja, liegt denn ein Sinn hinter diesen Worten? Ich will es gar nicht wissen, mir genügt es, daß deine geliebten Lippen diese Worte ausgesprochen haben, mehr verlange ich nicht. Unsere Zukunft … Wiederhole es noch einmal, damit ich auch sicher bin, richtig gehört zu haben.«
Es verging einige Zeit, bevor Rudolf wirklich zu sprechen vermochte. Mary tanzte durch das Zimmer, warf ihm Kußhände zu, brachte Blumen, um ihn zu schmücken. Endlich schmiegte sie sich ganz dicht an seine Brust und sprach andächtig:
»Ich höre dir zu.«
Rudolf setzte ihr auseinander, wie schwierig es für ihn sei, Entschlüsse zu fassen, weil seine Stellung im Staat und in der kaiserlichen Familie ganz unklar wäre. Unvorhergesehene Ereignisse konnten eintreten, durch die sich alles im Handumdrehen veränderte. Er sprach von den vielen persönlichen Feinden, die ihn umgaben und die höchsten Stellungen einnahmen. Auf niemand konnte er sich verlassen. Selbst mit den meisten seiner Angehörigen, mit diesen rückständigen, eigensinnigen Menschen ohne Verstand, war er nicht gut.
»Mein Vater … von ihm wollen wir ein anderes Mal reden. Meine Mutter steht mir innerlich wohl ganz nahe, aber sie entgleitet mir und flüchtet vor sich selbst. Oft irrt sie, wie ein Geist, ganz allein durch die weiten Säle der Burg. Unlängst habe ich sie unvermutet in einem der Empfangsräume getroffen; kaum hatte sie mich gesehen, als sie ihre Schritte beschleunigte, um mir deutlich zu zeigen, daß sie ungestört bleiben wollte. Nur mit dem Fächer hat sie mir ein wenig zugewinkt. Ja, sie liebt mich trotz alledem … Weißt du, wie sie mir immer vorkommt? Wie eine Gefangene. Die Hofburg, Wien, das ganze Reich ist ihr Gefängnis. Sie atmet nur auf, wenn sie fort ist. Am liebsten würde sie nie wieder zurückkehren … Auch ich bin ein Gefangener, Mary …« Er unterbrach sich einen Augenblick, dann neigte er sich vor und flüsterte ganz leise dem jungen Mädchen ins Ohr, als fürchtete er, man könnte ihn belauschen oder seine Worte könnten durch die Mauern dringen: »Eines Tages werde auch ich fortgehen; und du mit mir.«
Mary lauschte erstaunt dieser geheimnisvollen Stimme. Fortgehen! Der kleinste Wink von ihm, und sie würde ihm folgen. Wie aber wollte er Wien und Österreich verlassen? Eine solche Möglichkeit schien undenkbar. Und doch mußte er einen Weg gefunden haben, wenn er davon sprach. Sie wagte wohl nicht, daran zu glauben, aber schon bei der bloßen Erwägung des Gedankens, daß eines Tages das gleiche Geschick sie beide vereinen könnte, fühlte sie das Hämmern ihres Herzens. Wohin? Wie gleichgültig, wenn sie nur zusammen blieben. Sie hätte gern noch mehr darüber gehört, aber an jenem Tage wagte sie nicht, ihn zu fragen.
Ein anderes Mal, im Prater – er war eben von München zurückgekehrt –, erklärte er, das Leben mit seiner Frau nicht länger ertragen zu können. Daß sie wirklich in einer zornigen Aufwallung ihre so oft wiederholte Drohung wahr machen und nach Belgien zurückkehren würde, daran glaubte Rudolf nicht.
»Nein, niemals wird sie Wien verlassen. Ihre Drohung ist nur eines ihrer Mittel, mich zur Verzweiflung zu bringen, nichts weiter.« Aber er selbst hatte einen kühnen Entschluß gefaßt. Er wollte sich an den Papst wenden und ihn bitten, seine Ehe für ungültig zu erklären. Er wollte darauf anspielen, daß ihm die Kronprinzessin keinen Thronerben schenken könnte. Seine Tochter war jetzt fünf Jahre alt, ein zweites Kind war ihnen versagt geblieben, trotzdem sie nach der Geburt des Mädchens noch vier Jahre zusammengelebt hatten. Vielleicht war die schwere Niederkunft daran schuld, daß sie keine Kinder mehr haben konnte. Der Papst würde diesen gewichtigen Gründen sicher zugänglich sein. Nachdem er ihr diesen Plan auseinandergesetzt hatte, verlor er sich in politische Betrachtungen, bei denen ihm Mary nicht mehr zu folgen vermochte. Aber eines war ihr klar geworden, daß er nach Annullierung seiner Ehe eine morganatische Verbindung mit ihr beabsichtigte.
»Ich werde frei sein«, sagte er ihr, »und wir werden uns nicht mehr trennen müssen.«
Andere Male wieder ließ er den Papst beiseite, um von einer anderen Zukunft zu schwärmen:
»Die Leute um mich sind davon überzeugt, daß ich an meiner Stellung hänge. Sie täuschen sich. Wie glücklich wären sie, wenn sie wüßten, bis zu welchem Maße sie mir alles verekelt haben. Überall Verrat, überall Intrigen, und täglich die gleichen heuchelnden Masken! Wie beglückend wäre es, eines Tages ein freier Mensch zu sein wie mein Vetter Johann Salvator. Fern von hier ein Leben der Unabhängigkeit zu führen! Glaube nicht, Geliebte, daß dies so ganz unmöglich ist, vielleicht genügt es sogar, es wirklich zu wollen …« –
Eines Tages, als er diese Möglichkeit wieder mit der gleichen Erregung besprach, die ihn jetzt kaum mehr verließ, brach er plötzlich ab und ließ ein sonderbar gequältes Lachen hören, vor dem Mary sich fast fürchtete.
»Liebste«, begann er, »ist es nicht ganz töricht von mir, so viel zu grübeln? Gibt es nicht ein viel besseres Mittel, der Welt zu entfliehen und für immer vereint zu bleiben?« Und da sie ihn anblickte, als wollte sie in allen seinen Gedanken lesen, fügte er bloß dunkel hinzu: »Was immer ich beschließen muß, ich weiß, daß ich auf dich rechnen kann.«
Mary schmiegte sich vertrauensvoll an ihn. Aus allen seinen wenig klaren Reden hörte sie nur eines, daß Rudolf sie in sein Schicksal einbezog. Alles zielte nach der gleichen Lösung: nach ihrer Vereinigung.
Nur dieser Gedanke blieb in Mary haften und erfüllte sie mit Freude, mit Jubel. Sie gab sich nicht die Mühe, alle Möglichkeiten zu überdenken, Rudolf in den Einzelheiten seiner Zukunftspläne zu folgen. Inmitten all der Gefahren, die sie umgaben, klammerte sie sich verzweifelt an die eine Gewißheit, daß er sie mehr als alles liebte, daß er sich nicht mehr von ihr trennen wollte.
Zu jener Zeit war es, daß sie eines Tages zusammen nach Schönbrunn fuhren. Schon lange hatte Mary den Wunsch gehabt, den Park zu sehen, in dem Rudolf als Kind gespielt hatte. Der Kronprinz ließ einmal alle Vorsicht außer acht, mit der er sich sonst verbarg, und erwartete sie selbst im Fiaker, den Bratfisch führte, unweit der Infanteriekaserne in der Marokkanergasse, ein paar Schritte von ihrer Wohnung. Als Mary mit der Gräfin ihr Haus verließ und im Begriffe war, die Michaelgasse hinabzugehen, warf sie ängstlich, wie immer, wenn sie zu einer Begegnung mit Rudolf ging, einen Blick um sich. Die Straße lag ganz verlassen, nur zwei Arbeiter mit aufgestellten Mantelkragen stapften langsam dem Rennweg zu. Die Gräfin nahm mit Mary in dem Fiaker Platz, in dem der Kronprinz wartete, stieg aber schon am Schwarzenbergplatz, vor der Wienbrücke, wieder aus. Bratfisch setzte seinen Weg nach Schönbrunn über die Wieden fort und hielt nicht weit vom Eingang zum Park. Rudolf und Mary gingen die wenigen Schritte zu Fuß.
Im Augenblick, als sie im Begriffe war, das Gittertor zu durchschreiten, warf Mary einen Blick zurück. Der Platz vor dem Schloß lag verlassen, nur etwa hundert Schritte weit sah sie zwei Männer, die trotz der Kälte gemächlich dahinschlenderten. Sie hatten die Kragen ihrer Mäntel aufgestellt – Mary erkannte sofort die zwei vermeintlichen Arbeiter aus der Salesianergasse in ihnen.
»Wir werden beobachtet«, flüsterte sie erregt dem Kronprinzen zu. Zu ihrer größten Verwunderung beunruhigte ihn diese Mitteilung gar nicht. Statt aller Antwort machte er eine müde Handbewegung. Er wandte sich nicht einmal um.
Mary aber war entsetzt. Die Polizei wußte also von ihren Beziehungen? Man hatte vielleicht schon längst jeden ihrer Schritte beobachtet, und sie hatte nichts davon geahnt! Diese beiden Männer würden, nach Wien zurückgekehrt, einen Rapport schreiben. Auf wessen Schreibtisch würde er heute abend liegen? Wer wird ihn lesen? An wen wird er weitergeleitet? Zweifellos gelangte er bis zum Kaiser. Plötzlich fühlte sie, das schwache, schutzlose Mädchen, alle dunkeln Mächte der Monarchie gegen sich aufgeboten. Kämpfen? Sie wäre überwältigt, ehe sie noch um Hilfe hätte schreien können.
Rudolf wunderte sich über die Schweigsamkeit seiner Freundin und fragte sie nach der Ursache. Sie wollte nicht auch ihn durch ihre Sorge beunruhigen und dieses Beisammensein stören, auf das sie sich so sehr gefreut hatte; sie lächelte ihm zu.
Sie waren jetzt schon in den verschwiegenen Alleen des Parkes.
»Hast du hier gespielt, als du klein warst?«
Rudolf lachte.
»Für mich hat es nicht viel Spiele gegeben. Ganz klein noch, übernahm mich General Gondrecourt, um mich mit allem Liebreiz der militärischen Disziplin vertraut zu machen. Und es ist sonderbar, wenn auch jeder meiner Gedanken sich gegen diesen Drill auflehnt, wenn ich ihn auch töricht, überflüssig, veraltet finde, ich kann mich, weil er mir schon als Kind eingeimpft wurde, innerlich doch nie mehr ganz von ihm befreien. Es bleibt etwas wie eine Narbe, die nicht mehr verschwindet. Ich bin jetzt ein Mann, ich habe viel gelesen, meine Ansichten sind sehr liberal und tausend Meilen von jenen Gondrecourts entfernt – und doch, selbst jetzt, nach zwanzig Jahren, hat er noch immer nichts von seinem Schrecken für mich eingebüßt. Es ist gar kein Zweifel, von diesen Eindrücken meiner Kindheit habe ich mich noch immer nicht freigemacht, im Grunde meiner Seele bin ich ein schnauzbärtiger Wachtmeister … Entsetzlich, nicht?« fügte er scherzend hinzu. »Kannst du einen Wachtmeister lieben?«
»Du Ärmster«, erwiderte Mary und griff nach seiner Hand, »um wie vieles hat man dich gebracht, indem man dich einer so traurigen Kindheit auslieferte! Was muß ich alles nachholen, um dir das Glück heiterer Jugendtage einzubringen.«
Mit einbrechender Nacht kehrten sie nach Wien zurück. Erst als sie wieder allein war, überließ Mary sich der Angst und dem Schrecken über die Entdeckung ihrer Beziehungen zum Kronprinzen. Wieviel Zeit blieb ihr noch, ehe die Nachricht sich verbreitete, um schließlich bis zu den Ohren ihrer Mutter zu gelangen? Wohin immer sie ihre Augen wandte, sah sie nur drohende Katastrophen …
Und gerade jetzt mußte sie sich auf so lange von Rudolf, ihrem einzigen Halt, trennen. Im letzten Augenblick, um ihr seine große Liebe zu beweisen, verschob er seine Abreise nach Abbazia um vierundzwanzig Stunden.