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Als einst von deiner Schöne,
O meine süße Wonne,
Ein Strahl entzückter Ahnung
Durch alle Himmel hin,
Durch die
nun erst erhellten,
Sich breitete – geboren
Ward eine neue Gottheit;
Die Liebe war's, der Herzen
Gewaltige Königin.
Und über die Himmel schwang sie
Den flammensprüh'nden Zepter
Mit ihrer stolzen Hand;
Allein die Engel standen
Inmitten ihrer Feuer
Eiskalt und unentbrannt.
Da faßte Zorn die Göttin;
Sie flog zur Erde nieder,
Zu fühlender Menschen Herzen
Die Fittige gewandt.
Seit jenem Tage sprühen,
Seit jenem Tage glühen
Die Flammen ihres Zepters
Durch alles irdische Land.
———
I. Eine merkwürdige Mythe, die zu der spiritualistisch theologischen Annahme eines verbrecherischen Falles oder Abfalles der Geister- und Menschenwelt von ursprünglichen abstrakteren Zuständen und einer beklagenswerthen Verschlimmerung der Dinge durch selbigen den direkten Gegensatz bildet. Die volle, warme, konkrete Lebendigkeit des natürlichen Daseins, wie sie sich namentlich in dem Verhältnisse der Geschlechter zu einander offenbart, ist dem persischen Dichter zu Folge nicht etwas Niedriges, Schlechtes gegen jene uranfängliche Art des Seins, die man voraussetzt und von der, als dem Höheren, Besseren, jener Ansicht nach nicht hätte abgewichen werden sollen; dieselbe, wenn sie Statt fand, war vielmehr das unendlich Aermere, Leerere, Befriedigungslosere, über welches zu reicherer, lebendigerer Bestimmtheit hinauszugehen, eine Nothwendigkeit, ein Fortschritt, der Uebergang zu einer höheren Stufe der Entwicklung war. Es wird so der bezeichneten düstern, mit den verderblichsten Consequenzen schwangern Vorstellung und Lehre der große, heitere, die ganze Betrachtungsweise erfreulichst umkehrende Gedanke einer fortschreitenden, bei dem, was jene Theologie und Mystik am leidenschaftlichsten verwirft und verfolgt, als ihrem Ziel anlangenden göttlich-weltlichen Lebensentwicklung entgegengesetzt. Zugleich ist das Ganze ächt poetisch so gehalten, daß es als eine der Geliebten dargebrachte Huldigung der schmeichelhaftesten Art erscheint, indem dieselbe als die Repräsentantin des natürlich Schönen und Reizenden überhaupt und als die vollendete Realisation der es begründenden göttlichen Idee betrachtet wird. Dies, um die sinnige, geistvolle und bedeutsame Natur der hafisischen Poesie nur an einem einzigen Beispiele zu zeigen und zu näherer Erkenntniß zu bringen.
*
Prachtbediademte Herrscher,
Ungeliebte, liebelose,
Nur gekrönte Bettler sind sie,
Arme Bettler im Ornat.
Liebevoll geliebte Bettler,
Fürsten ohne Krone sind sie,
Kaiser ohne Kaiserstaat.
*
Welch' ein eignes Reich ist doch
Das der Liebe! seine Wunder
Werden nimmer ausgesagt.
Nicht befremdlich ist es uns,
Wenn gefürchtet starke Löwen
Schüchterne Gazellen jagen;
Die Gazelle deines Auges
Macht jedoch auf Löwen Jagd.
*
Ich halte mich so stille,
Doch im Gemüth ist eitel Zank;
Was für ein Streit hier innen? –
Ich fürchte, daß ich liebekrank.
*
Die Freiheit ist ein Meer
Und seine Fische Herzen;
Sie schwimmen ohne Schmerzen
Behaglich hin und her.
Doch diese Lust, wie Schade!
Ist von geringer Dauer;
Es wohnet am Gestade,
Es stehet auf der Lauer
Liebe, die Fischerin.
Sie fischt mit eignen Angeln;
Sie fischt mit Ambralocken;
Die purpurrothen Fischchen,
Sie kommen unerschrocken,
Sie lassen von der argen
Sich gar zu gerne locken,
Und eines um das andre
Ist ihrer List Gewinn.
*
Was ist der Lenz? Ein Commentar;
Er machet deine Schöne klar;
Er legt, so weit es seinem Müh'n,
Dem freilich unzureichlichen,
Doch eifrigen, gelingen mag,
Die Fülle deiner Reize dar;
Denn nur von ihnen handeln
Licht, Blume, Duft allüberall
Wo meine Füße wandeln.
*
Es werde Licht! So tönete
Ruf Gottes in die dumpfe Nacht,
Und siehe da, es wurde Licht,
Es wurde deines Auges Pracht.
*
Durch der Sonne Strahl
Heiter allzumal
Wird der Erde Saal,
Blühen im Gethal
Blumen ohne Zahl;
Doch sie selbst, die Sonne,
All in ihrer Wonne,
Strahlt allein durch deines Auges Strahl.
*
Ich preise Gott, der Tag und Nacht gemacht,
Den Tag, dein Antlitz und dein Haar, die Nacht.
*
Ein göttliches Wunder ist dein Angesicht,
Und daß du es im Stande zu erblicken
Mit eigenen Aug', will einen Spiegel ich
Gleich göttlicher Art, will ich mein Herze schicken.
*
Der Ost gerieth in Streit mit der Natur;
Er wollte nicht mehr auf der Rosenflur,
Er wollte weh'n auf einer schöneren,
Er wollte weh'n auf deiner Wange nur.
*
In's Grübchen deiner Wange fiel die Seele mir;
Da langte sie nach deines Haares Schlängel-Zier.
Ach, armer Jussuf! Da du aus der Grube kamst,
Umstrickte dich das Fesselband der Locke hier.
———
XII.
Jussuf, der biblische Joseph.
*
Entzücket dich ein Wunderhauch,
Der einzig ist im Weltenringe? –
Ich fülle die gesammte Luft
Mit Moschus an und Ambraduft,
Weil ich von Liebchens Locke singe.
*
Die schönen Haare flicht,
O, meine Selma, nicht!
Es wohnt darin ein Hauf
Von Seelen, o wie dicht!
Worunter, wie du weißt,
Die meine nicht gebricht.
Nicht tödte mit der Hand
Die Zarten, o mein Licht!
———
XIV.
Selma, in der Verkleinerungsform
Suleima, allgemeiner Name für eine Schöne und Geliebte in dieser Poesie.
*
Wir zieren, ich und du,
Den Himmel, den gestirnten,
Der Liebe wunderbar:
Du als der Mond, der volle,
Stolzfreudige der Anmuth,
Als thränende Plejaden
Mein feuchtes Augenpaar.
*
Von deinem holden Lächeln
Entsprang der Rose schöne Zier;
Von meinem heißen Blicke
Entsproßte die Granate hier.
*
In's Auge, das entzückte, mir
Kam ein Besuch, ein fürstlicher,
Dein wunderherrlich Bild, o Lieb!
Ich zog davor, zu ehren es,
So viel ich immer kann, bestrebt,
Purpurener Gardine Zier,
Aus blutiger Thräne Stoff gewebt.
*
Es reißen Sturmgewalten
Aus mit der Wurzel Bäume;
Das im Naturbereiche
Ist der gemeine Brauch.
Aus mit der Wurzel riß mich –
O sprich, wie war es möglich? –
Der melodieenreiche,
Der gar zu linde, weiche,
Von deinem Mund der Hauch.
*
Was prahlst du so, o Himmel,
Mit deinen hehren Prachten,
Was hegst du stolzen Sinn?
Für einen Blick der Gnade,
Für eine Lächelspende
Faßt Liebe deine schönsten
Goldfunken in die Hände,
Entraffet dir, die kühne,
Orion und Plejade
Und streut sie vor die Füße
Dem, was sie liebet, hin.
*
Mich in ein arm Gestiebe
Verwandelt hat die Liebe,
Und also deine Schöne
Umwirbel' ich und höhne,
So leicht und zart beschaffen,
Der Winde Sturmgewalt.
Denn mich hinwegzuraffen
Aus deiner Reize Schlingen,
Nie wird es ihr gelingen,
So schrecklich ihre Woge wallt.
*
O wär' ich ein See, so spiegelhell,
Und du die Sonne, die ihm blickte!
O wär' ich ein klarer Wiesenquell,
Und du die Blume, die ihm nickte!
O wär' ich ein grüner Rosendorn,
Und du die Rose, die ihn schmückte!
O wär' ich ein süßes, süßes Korn,
Und du der Vogel, der es pickte!
*
Das Aethermeer, das nächtige,
Erglänzet in des Mondes hehrem Glanze;
Schon blicket er, der prächtige,
Durch's dunkle Laub als goldne Pomeranze.
Es streuet ihm die Lilie
Weihrauch empor; es hangt an ihm bezaubert
Bülbül, die tonkunstmächtige,
Und grüßet ihn mit ihrer süßen Stanze.
Doch, ach, wie stolz erhebt er sich,
Damit er nie zu Hoffnungen, zu schönen,
Die Sängerin berechtige,
Und nie die stille, liebevolle Pflanze! –
Du bist der Mond, die Lilie
Ist mein Gemüth und Nachtigall die Lippe,
Die dir umsonst andächtige
Gebete weiht die Sommernacht, die ganze.
*
Siehe der arme Geselle,
Der da wallt von Haus zu Haus,
Seine Fluth vom Quelle
Schreiet er mechanisch aus.
Doch es stockt der Schrei ihm,
Sein Geschäft, vergessen ist's,
Nahet
deiner Schwelle,
Stehet er an
deinem Haus.
Nicht die Fluth, die helle,
Gießet der Verliebte hier,
Nein, die trübe Welle
Seines heißen Auges aus.
*
Wenn der Ost durch deines Hauptes
Duftiges Gelocke strich,
Rein genesen, wo er hauchet,
Heben arme Kranke sich. –
Singen Engel vor des Himmels
Hohem Herrscher ihren Preis,
Feiern sie als seine schönste,
Wundervollste Schöpfung
dich. –
Wären Myriaden Seelen,
Myriaden Herzen mein,
Alle dir zum Liebesopfer
Vor die Füße streuet' ich. –
Die zu dir gewandte Sehe,
Unverwendet starrte sie,
Ob in ungeheurem Sturze
Beider Welten Fuge wich. –
Ach warum zu dir, o Kaba
Frommer Liebe, geht der Weg
Durch verbrannter Wüsteneien
Mörderischen Sonnenstich? –
Auf die Blätter meines Harmes
Einen Blick der Gnade wirf!
Mit des Auges Blute malt' ich
Jeden Zug und jeden Strich.
———
XXIV.
Kaba, der heilige Tempel in Mekka, der Punkt, wohin sich alle Moslemen bei Verrichtung ihres Gebetes zu wenden haben.
*
Gieb ihr, Ost, die Kunde meiner Leiden,
Aber gieb sie schwach! Es wird genügen.
Maltest du in vollen, ächten Zügen –
Ach, du würdest ihr den Tod bereiten.
*
Unendlicher Liebe Gewicht,
Die Himmel ertrugen es nicht;
Und siehe, die sämmtliche Last,
Die hehre, sie senkete sich,
Sie stürzete nieder in Hast,
Sie stürzete, weh, auf
mich.
*
Finstere Schatten der Nacht,
Wogen- und Wirbelgefahr!
Sind wohl, die da gelind
Rasten auf sicherem Lande,
Euch zu begreifen im Stande?
Das ist der nur allein,
Welcher auf wilder See
Stürmischer Oede treibt,
Meilen entfernt vom Strande.
*
Schon häufig an der Pforte meines Herzens
Hat angepocht der Gram;
Doch es verschloß sich riegelfest, so oft es
Den Widrigen vernahm.
Aufs neue pocht' er neulich, und es wurden
Ihm ohne Zögerung
Die Thore weit – warum? Weil er gesendet
Von deinem Auge kam.
*
Ich grüßte früh am Morgen
Die thaubeperlte Flur;
In Myriaden Rosen
Auflachte die Natur.
Da höret' ich das süße
Gestöhn der Nachtigall;
Sie meldete die Qualen,
Die ihr Gemüth erfuhr.
Hier im Bezirk der Wonne,
Wo so viel Reize blüh'n,
Von Hoffnung und von Troste
Nicht eine leise Spur!
Das Rosenherz, das harte,
Zog zwischen ihr und sich
Kaltsinniger Entfremdung
Unendlich herbe Schnur.
O Nachtigall, dein Jammer –
Wie ganz versteh' ich ihn!
Für mich und dich, die beiden,
Ist Liebe Leiden nur.
*
Die Flamme hier, die wilde, zu verhehlen,
Die Schmerzen alle, welche mich zerquälen,
Vermag ich es, da alle Winde ringsum
Die Gründe meiner Traurigkeit erzählen?
Daß ich ein Stäubchen deines Weges stäube,
Wie magst du doch, o sprich, wie darfst du schmählen?
Verklage dich, verklage das Verhängniß,
Das waltet über alle Menschenseelen!
Da selbiges verordnete, das ew'ge,
Wie alle sollten ihre Wege wählen,
Da wurde deinem Lockenhaar der Auftrag,
Mir Ehre, Glauben und Vernunft zu stehlen.
*
Es schmückt die Herrschaft hohe Throne nicht;
Sie wohnt, o Lieb, in deinem Angesicht.
Den Tag erschafft die Sonne nicht; es tagt
Durch deiner Augen zauberisches Licht.
Dir huldiget gefesselt alles Sein,
Und keines ist, das seine Bande bricht.
In deiner Hand ist Leben und Verderb,
Wie deine Willkühr unser Urtheil spricht.
Zwar wenig ist des Guten, das du thust,
Des Bösen ein unendliches Gewicht;
Doch morde nur und trinke Blut auf Blut!
Nicht geht mit dir der Himmel in's Gericht;
Nicht schreiben Engel deine Schulden auf;
Sie selbst entflammt, sie brechen ihre Pflicht.
*
Für die böse Liebe braucht' ich
Schon so manche Medicin;
Doch es wurde mir die Ruhe,
Die ersehnte, nicht verlieh'n.
Denn es ist in mir die Liebe
Nicht ein bloßer Gastbesuch,
Wie er wohl in andern Herzen
Pfleget ein- und auszuzieh'n;
Ist mir Odem, Geist und Seele –
Werden Odem, Seele, Geist,
Meine letzten Hauche schwinden,
Wird dahin auch jene flieh'n.
*
Drinnen im Gemache schmiegt sich
Ihrer Brust ein Fremder an,
Und ich lieg' auf ihrer Schwelle,
Preisgegeben dem Orkan.
Diese Stelle zu verlassen,
Riethe mir der Brauch der Welt,
Riethe mir das Ich, das kalte,
Riethe der Verstand mir an.
Doch so groß die Welt, die weite,
Eine Stelle giebt sie mir,
Diese nur, es geht von dieser
Nur zum Grabe meine Bahn.
*
Die Liebste ging vor mir vorbei
Und wandt' ihr Auge nicht zu mir –
Mein Leben ging mit ihr vorbei,
Die Seele meines Seins mit ihr.
*
Mein Weinen, es ist zu gleichen
Dem Regen im Lenz, dem reichen,
Nicht von der Tafel des Busens
Im Stande, dein Bild zu streichen.
*
Sie, welche nicht an Liebe glauben,
Ich lade sie zu meinem Grabe.
So wie sie deinen Namen nennen,
Wird hell empor aus meinem Sarge
Ein Klageton die Luft durchzieh'n.
*
Freue dich, o Seelenvogel,
Lasse deine Jubel schallen,
Daß du in der Rose zarte,
Liebe, süße Haft gefallen!
Nicht in eines Vogelstellers
Rohe Netze wirst du sinken,
Nicht ergriffen wirst du werden
Mörderisch von Räuberkrallen.
Zwar es hat der Dorn der Rose
Tief genug dein Herz verwundet,
Und so wirst du dich verbluten
Und hinab zu Grabe wallen.
Doch der Tod, der dich erwartet,
Ist der schönste Tod von allen;
Sterben wirst du nach dem edlen
Sterbebrauch der Nachtigallen.
*
So halt' ich es mit meiner Liebe,
Daß ich mein eignes Sein vergesse,
Daß ich mein Ich, mein ganzes, opfre;
Zehntausend Seelen, wenn ich hätte,
Ich würde sie vor dir verstreu'n.
So halt' ich es mit meiner Liebe:
Treu bin ich ohne Wank und Wandel.
Laß jeden höchsten Reiz der Erde
Vorüberzieh'n vor meinem Auge,
Nicht weckt er eine leise Regung;
Ich sehe dich, nur dich alleine,
Und jedes andre Bild verweht.
Ich bin Medschnun, der, lieberasend,
Nicht Persien und nicht Arabien,
Die Erde nicht mit ihren Blumen,
Den Himmel nicht mit seinen Sternen,
Für seine süße Leila nimmt.
Man drohe mit gehobner Klinge,
Man lasse Wund' auf Wunde bluten,
Man schlage mir das Haupt herunter!
Ich weiche nicht von deiner Schwelle,
Ich liefere dem Schwertbewehrten
Nicht aus das einzig edle Kleinod,
Das ich besitze, meine Liebe;
Mit eisiger, erstarrter Hand noch
Halt' ich die schöne Perle fest.
———
XXXVIII.
Medschnun, der Lieberasende, der
Orlando furioso des Orients.
*
Fort mit dem Ich und seiner Kraft,
Gebeut die Liebe, fort damit!
Vor jenem Auge ziemet ihm,
Daß es verstiebe; fort damit!
Nein, geize nach der Ehre nicht,
Dir selber ewig gleich zu sein;
Woferne nur ein Schein davon
Zurückebliebe, fort damit!
Sich aufzulösen ist so schön
In ungemess'ner Leidenschaft,
Und deiner Ichheit stolze Pracht
So trist und trübe; fort damit!
Zu Asche brenn' ein liebend Herz,
Und in die Lüfte streu's der Wind,
Beweisend aller Welt, wie groß
Die Macht der Liebe; fort damit!
*
Wo ist der Ort, an dem du weilst?
An diesem Orte will ich sterben.
Kein andrer Port auf wildem Meer;
In diesem Porte will ich sterben.
Es läßt Karun von seinem Gold,
Der Reiche nicht von seinem Horte;
Wo wäre mir ein Hort, wie du?
Bei diesem Horte will ich sterben.
Und wenn du dich vor mir verbirgst,
Und wenn du deine Pforte schließest,
An dieser Pforte lager' ich,
An dieser Pforte will ich sterben.
Das letzte Wort aus meinem Mund,
Was wird es sein? Dein süßer Name.
Wie fiele mir ein andres ein?
Mit diesem Worte will ich sterben.
———
XL.
Karun, ein unermeßlich reicher Goldmacher, der orientalische Krösus.
*
Dein ohne Wank und Wandel,
So lang ich athme, bin ich;
Wenn ich des Grabes Raub,
Anfliegen an den Saum dir
Werd' ich als Grabesstaub.
*
Lieben ohne Maaß entflammt,
Lieben ist mein einzig Amt,
Ob sie meine Bitte hört,
Ob sie meinen Trieb verdammt,
Ob sie mich in Dorne legt
Oder in der Gnade Sammt;
Lieben ohne Maaß und Ziel
Lieben ist mein einzig Amt.
*
Bitteres zu sagen, denkst du;
Aber nun und nimmer kränkst du,
Ob du noch so böse bist.
Deine herben Redethaten
Scheitern an korallner Klippe,
Werden all' zu reinen Gnaden;
Denn sie müssen, um zu schaden,
Schiffen über eine Lippe,
Die die Süße selber ist.
*
So steh'n wir, ich und meine Weide,
So leider mit einander beide:
Nie kann ich ihr was thun zu Liebe,
Nie kann sie mir was thun zu Leide.
Sie kränket es, wenn ich die Stirn ihr
Mit einem Diadem bekleide;
Ich danke selbst, wie für ein Lächeln
Der Huld, für ihre Zornbescheide.
*
Nur darum ist mein Auge, daß es deinem Glanz
Den Spiegel halte;
Nur darum ist mein Busen, daß er deinem Bild
Ein Zelt entfalte.
*
Ich möchte dir so gern die Seele geben;
Doch hast du sie durch ewigen Beschluß
Schon ohnehin, und nicht bin ich im Stande
Zu sagen, daß sie je mein eigen war.
Geschaffen hat, so viel ich mich besinne,
Der Himmel ohne Seele mich und die
Mir zugehörige Seele
dir geschenkt.
*
Ich bin der Liebe Morgenflur,
Harr' auf der Sonne prächtiges Erscheinen,
Und werde, schmückt sie den Azur,
Den Morgenthau der Lust und Freude weinen.
*
Ich bin ein armes Lämpchen nur,
Ein dämmerndes in dunkler Nacht;
Du bist die lichte Morgenpracht
Aufstrahlend im Azur.
Du strahle nur, du prange nur!
Wiewohl vor deinem Angesicht
Des armen Lämpchens Auge bricht,
Ich bebe nicht, ich bange nicht;
Du leuchte nur,
Und ich vergehe gern in deinem Licht.
*
Wähne nicht, ich
sei noch!
Ging ja doch in deiner Liebe Feuer
Auf in hellen Flammen
Meines Seins entzündlich arme Scheuer!
Nur ein Häufchen Asche
Blieb zurück; das stäubet in die Lüfte,
Sinkt herab und legt sich
Vor die Füße dir als Liebessteuer.
*
Nichts ist dumpfer Gemüther
Träumenden Heerden wunderbar;
Doch mir dünket am Ende
Alles auf Erden wunderbar.
Ist nicht Leben und Athem,
Himmel und Licht und Rosenflur,
Ist nicht schwellender Jugend
Liebliches Werden wunderbar?
Schönheit, welche Mirakel
Stellst du betroffnem Auge dar!
Sind nicht, sage, Suleima's
Holde Geberden wunderbar?
Welch ein Wunder die Liebe!
Ach, um ein einzig Lächeln nur
Trägt die Seele Hafisens
Welche Beschwerden wunderbar!
———
L.
Suleima, dichterischer Mädchenname, vergleiche oben XIV.
*
Holder Ost, beschwingter Bote,
Den die Liebe wandeln heißt,
Grüße mit dem schönsten Gruße
Jene Schöne, die du weißt.
Melde, daß mir in die Lüfte
Schwinde der gequälte Geist,
Wenn sie nicht zu spenden eile
Jene Spende, die du weißt.
Denn zu kennen und zu missen,
Was mit Edens Wonne speis't,
Es gebiert die tiefe Trauer,
Die gefähre, die du weißt.
Ja, was sind die Paradiese,
Welche der Verzückte preis't,
Lacht sie, jene Flur der Liebe,
Jene zarte, die du weißt!
Nicht der Aar zu sein verlangt mich,
Der hinauf zur Sonne reis't;
Nachtigall Hafis vergöttert
Jene Rose, die du weißt.
*
Eine tröstlich holde Kunde weigre nicht!
Eine traute Wonnestunde weigre nicht!
Heilbescheer, balsamischen, mein süßer Arzt,
Für so manche böse Wunde weigre nicht!
Deiner Lippe Kandel, daß von jeglicher
Thräne mir das Aug' gesunde, weigre nicht!
Der da bis zum Käse deine Schöne preis't,
Seine Kost dem Liedermunde weigre nicht!
Jene Brust, aus Lilienschimmer aufgeballt,
Schwellend in vollkommner Runde, weigre nicht!
Was mit eifersuchtentflammtem Auge sieht
Die gestirnte Weltrotunde, weigre nicht!
Was zu vollgehaltiger Aeonen Werth
Stempelt eine Lustsekunde, weigre nicht!
Was allein empor zu halten fähig ist
Ueber'm öden Grabesschlunde, weigre nicht!
———
LII.
Kaf, ein nach orientalischer Vorstellung die Erde wie ein Ring umgebendes Gebirg.
*
Beim Strahle deiner Augen,
Dem Meister aller süßen Zauberei!
Bei deiner Lockenschlange,
Dem Spielgeräthe holder Tändelei!
Bei deinem Mundrubine,
Der, ein Messias, Leben haucht und Heil!
Bei'm Flore deiner Wange,
Wovon der Lenz das schwache Conterfei!
Bei'm Baue deiner Glieder,
Deß Architekt der Geist der Liebe war!
Bei deiner Busenwoge
Dem Wonnebett berauschter Phantasei!
Bei'm Reize deines Wandels,
Der Grazie selbst eine Peri lehrt!
Bei'm Klange deiner Stimme,
Dem Urbegriffe sanfter Melodei!
Bei'm Ambra deiner Düfte,
Der eines Engels reine Sinne raubt!
Bei'm Staube deines Weges,
Der meines Hauptes Ehrenkrone sei!
Erbarme dich Hafisens,
Eh' ihm der Kräfte letzter Rest versiegt;
Ihm einen Blick der Gnade,
Ihm einen Schimmer deiner Huld verleih'!
*
Wie Melodie aus reiner Sphäre hör' ich;
Wie Harmonie aus ewiger Kläre hör' ich;
Ein Weh'n, so sanft, als ob mir eines Engels
Gelinde Schwinge nahe wäre, hör' ich.
Erzählt der Ost von deiner Brust Geneigtheit?
Denn eine wundersüße Mähre hör' ich.
Verkündet er die seligste der Stunden?
Denn was da scheucht jedwede Zähre hör' ich.
*
Mit seinem Mohrenheer erschien der Gram,
Mein Blut vergießend grausam und verrucht;
Ein lichtgeborner weißer Engel kam
Und schlug den Unhold plötzlich in die Flucht.
*
Ich will bis in die Sterne
Die Fahne der Liebe tragen;
Sie soll auf einer Wolke
Ob sämmtlichen Himmeln ragen.
Ich will im hohen Aether
Anstimmen erhabene Lieder,
Will rühmend eine Pauke
Unendlicher Ehre schlagen.
Orion und Plejade
Sie sollen im Tanze kreisen,
Und Sohre freudig horchend
Das eigene Spiel vertagen.
Tief unter mir die Wüsten,
Die sandigen, ungeheuern,
Sie sollen blüh'n und grünen,
Gleich himmlischen Rosenhagen.
»Warum Hafis?« so fragst du.
Wie magst du so thöricht fragen?
Es lächelte mir die Freundin,
Es endeten alle Klagen.
———
LVI.
Sohre, Suhre, Nahid, die himmlische Sängerin und Lautenschlägerin, die durch ihr Spiel den Reigen der Sterne leitet.
*
Wie bist du, meine Königin,
Durch sanfte Güte wonnevoll!
Du lächle nur – Lenzdüfte weh'n
Durch mein Gemüthe wonnevoll!
Frisch aufgeblühter Rose Glanz
Vergleich' ich ihn dem deinigen?
Ach, über alles, was da blüht,
Ist deine Blüthe wonnevoll!
Durch todte Wüsten wandle hin,
Und grüne Schatten breiten sich,
Ob fürchterliche Schwüle dort
Ohn' Ende brüte, wonnevoll.
Laß mich vergeh'n in deinem Arm!
Es ist in ihm ja selbst der Tod,
Ob auch die herbste Todesqual
Die Brust durchwüthe, wonnevoll.
*
Es hält der Ost, der eitle, sich
Für sämmtlicher Geschöpfe Geist:
Doch höre deines Haars Arom,
Das ihn mit Fug zurechte weis't:
»
Ich bin die Seele der Natur,
Da ohne mich die Welt zerfällt,
Und ihren öden Trümmerhauf
Des Chaos alte Nacht umkreis't.«
*
Mein süßer Schatz! Du bist zu gut;
Du nährest meinen Uebermuth;
Es strahle nicht so reich an Huld
Mir deiner Augen schöne Gluth!
Erlaube nur, daß meine Hand
Den Staub, worauf dein Fuß geruht,
Mir auf die Scheitel legen darf,
Wie mit der Kron' ein Kaiser thut!
*
Ich dachte dein in tiefer Nacht;
Da leuchtete mit heller Macht,
Mit plötzlicher, die Finsterniß,
Und wurde klar, wie Morgenpracht.
Zu jener Stunde hat gewiß,
Dein Auge, Liebchen, auch gewacht,
Zu jener Stunde hat gewiß
In Liebe mein dein Herz gedacht.
*
Wie glücklich ist der Morgenwind!
Er schwingt sich auf sein Ambra-Roß
Und jagt zu dir und fleugt zu dir
So leicht, so rasch, wie ein Geschoß.
Mich aber hält gebändiget
Ein unerbittlich Mißgeschick,
Wiewohl mein ewig quellend Aug'
Weltmeere schon des Grams vergoß.
O pfui der Schmach, pfui über mich!
Ich lebe noch, ich athme noch,
So manche bittre Stunde schon
Mich ohne dich der Tag verdroß.
Allein getrost! Es stocken mir
Die Pulse schon, die schmählichen,
Und bald bin ich der ewiglich
In Nacht Gehüllten Schlafgenoß.
Doch träumt gewiß auch dann Hafis
Von deiner Wange Rose noch;
Aufsteigen zum Beweise wird
Aus seiner Gruft ein Rosensproß.
*
Klagen ob der Trennung Pein,
Melden nicht ihr Leid, ihr wahres;
Tausend Bände sind nur
ein
Abschnitt ihres Commentares.
*
Wisse, Verliebter, und prüfe dich
Ob dein Lieben ein ächtes sei,
Ob sein Wesen erdichtet:
Vor dem Mufti der Liebe gilt,
Dein Gebet nur in
einem Fall,
Wenn du gesetzlicher Reinigung
Pflicht mit lauterer Welle nicht,
Nein, mit Blute verrichtet.
———
LXIII.
Der Dichter spielt auf die im Islam vorgeschriebene Reinigung oder Waschung vor dem Gebet an.
*
In die gramentladne Brust
Zog herein
Welche Lust!
Sie zu bergen ohne Laut
Sollt' ich es im Stande sein?
Nein, o nein, sie soll vertraut
Freundlichem Gehöre sein!
Aber nicht dem Menschenkinde
Meine süße, süße Post,
Ich verkünde sie dem Winde,
Ich vertraue sie dem Ost.
*
Wehre nicht, o Lieb,
Wühlen in den Locken
Deines holden Hauptes
Laß mich ohne Stocken!
Denn ein eigner Trieb
Waltet, es bewältigt
Eine sympathetisch
Eigne Zaubermacht.
Wisse, meine Seele
Such' ich auf, die arme,
Die sich in die dunkle,
Labyrinth'sche Pracht,
Tief hinein verloren
In die schöne Nacht.
*
Ich höhne der Vernichtung
Furchtbaren Schlund
Fest hangend an Suleiman's
Rubinenmund.
Dem Ruhenden im Centrum
Des Lebens hier
Wie zeigte sich zu beben
Der kleinste Grund?
*
Weißt du noch, mein süßes Herz, wie Alles sich
Hold begeben zwischen dir und mir?
Wie der Liebe Siegelring auf meine Stirn
Drückte schon der erste Blick von dir?
Wie zu schelten deine Lippe rang und doch
Honigküsse träufelten von ihr?
Wie auf uns der stille Blick des Monds geruht
Und in seinem stillen Blicke wir?
Wie, was sich kein gläubiges Gemüthe träumt,
Uns die Huld des Himmels schenkte hier?
Und wie dann Hafisens Verseperlenschatz
Tausendfach an Werth gewann und Zier?
Weißt du noch, mein süßes Herz, wie Alles sich
Hold begeben zwischen dir und mir?
*
Es kam ein Hauch von oben,
Der mir in's Ohr die Worte blies:
»Nicht wähn', aus eignem Innern
Entströme dein Gesang, Hafis!
Vom Urbeginn der Zeiten
Auf Rosen und auf Lilien
Steh'n seine Zauberformeln
Geschrieben hoch im Paradies.«
*
Der Schah von Ormus sah mich nie,
Er, welcher mir Geschenke beut;
Der Schah von Jesd kennt mich so gut,
Er schenkt mir aber keinen Deut.
So ist es in der Welt, o Herz;
Sei wohlgemuth zu aller Frist,
Und segne, wie die offne Hand,
So jene, die verschlossen ist!
*
Dornen in den Weg geschleudert
Werden uns von frommen Händen;
Lasset uns dafür die Rosen
Allgemeiner Liebe spenden!
*
Zerrissen wird der Erde Bauch, und sieh', er giebt
Dem, welcher ihn zerrissen hat, Goldschätze Preis
Steinwürfe fliegen auf den Baum und er gewährt
Dem, welcher ihn geworfen hat, Fruchtlabungen;
Zerschlagen wird der Muschel Leib, sie aber schenkt
Dem, welcher sie zerschlagen hat, ihr Perlenherz; –
Was willst du, Mensch, unedler, als der Erde Bauch,
Unedler, als der Baum und als die Muschel sein?
*
Ob feindselige Winde
Schreckhaft tosen, o gräme dich nicht!
Denn hold werden im Lenze
Lüftlein kosen, o gräme dich nicht!
Ob erstorbne Gebüsche
Rings dein Auge beleidigen,
Aus dem Tode lebendig
Blüh'n einst Rosen, o gräme dich nicht!
Ob durch stachlige Wüste
Hin zur Kaba die Reise geht,
Laß dich Dornen und Disteln
Nicht erbosen, o gräme dich nicht!
Ob glückseliger Heimath
Jussuf grausam entrissen weint,
Hoch in Glorie prangt einst,
Der verstoßen, o gräme dich nicht!
Alles kreiset und wechselt,
Auch dein Leiden, es wandelt sich;
Nicht erliege den herben
Schicksalslosen, o gräme dich nicht!
*
Giere nicht nach Golde,
Geizig aufgehäuftem,
Andere verlocken
Laß die Pracht der Ehren,
Anderen mißlingen
Laß erhabne Müh'n!
Lieblicher, zu trinken,
Seliger, zu singen
Und geliebte Locken
Durch die Hand zu ziehen.
*
Trage nicht so grelle Töne vor,
Prediger! Zu weichlich ist mein Ohr,
Ist zu musikalischer Natur,
Und die süße Sängerin der Flur,
Der es horcht, hat es so ganz verwöhnt,
Daß es schmerzt, wenn deine Stimme tönt.
Willst du nicht, daß ich in's Weite flieh',
So versuch' es und verwandle sie
In gelinde, zarte Melodie!
*
»Führe mich zum Purpurrand
Einer Lippenhonigquelle!
An geneigter Rose Brust
Gieb mir eine Ruhestelle!«
Dies, nur dies,
Fleht Hafis
Still zu Gott in seiner Zelle.
*
Erd' und Himmel und all ihr Gut
Ist mir ohne Wichtigkeit,
Denn der Preis ist allzu hoch
Und die Waare Nichtigkeit.
Meine Selma begehr' ich nur
Und in ihrer Ermangelung
Sie zu preisen ein Lautenspiel,
So ist Alles in Richtigkeit.
*
Es hat die Flur ein Sturm verheert,
All ihre Blüthen abgekehrt –
Ein schreckliches Gestiebe!
Die Lilien indessen,
Die Rosen und Cypressen
Der Schönheit und der Liebe,
Gottlob, sie blieben unversehrt.
*
Wie könnte man Verzicht auf Liebe,
Auf holder Anmuth Schimmer thun?
Wohl mehr, denn hundertmal versucht' ich's,
Doch jetzo will ich's nimmer thun.
Zwar grollt der Scheich, der ernste Mahner,
Und deutet in die Sternen-Au;
Dagegen ich: »Mein Gott, was soll ich
Mit einem hohlen Flimmer thun?
Ein Vivat unserm alten Wirthe!
Denn was wir immer sündigen,
Ihm sind es eitel gute Thaten,
Und ob wir auch noch schlimmer thun.«
*
Es betet Hafis – merkt auf und saget Amen,
Ihr Heiligen all' in unserem Zecherrunde:
Herr, gieb uns unser täglich Brod vom Zucker
Holdseliger, geliebter, süßer Munde!
*
Selige Kunde tönt:
Der Lenz beginnt den Wonnelauf;
Geht die Besoldung ein,
Sie geht für Wein und Rosen auf.
Himmel und Erde fragt:
»Wo ist der beste Keller, wo?«
Selber die Kutte lechzt;
Wohlan, es regne Wein darauf!
Aber in Anbetracht
Der Rosen fällt mir dieses ein:
Selbige sammeln wir
Von diesen Wangen ohne Kauf.
Einzig erschien Hafis
Auf dieser Erde deinethalb;
Reiche den süßen Mund!
Bald muß er wieder himmel-auf.
*
Es hauset der Gedanke
Im unendlichen Weltensaal;
Nicht bannt ihn eine Schranke,
Nicht hemmt ihn eine Kette,
Es ringet Höh' und Thal
Sein Fittig aus, verbrannte Zon' und Pol,
Und fleugt mit allen Stürmen in die Wette.
Doch, ach, es stöhnt in friedeloser Qual,
Lebt mit sich selbst im Zanke,
Der Kranke,
Fühlt, daß die Welt ihm ewig leer und hohl
Und findet nirgend eine Ruhestätte. –
Der Lieb' in ihrem kleinen Kabinette
Ist himmlisch wohl.
*
Ich bin so fromm, ich bin so rein;
Bald ist das höchste Ziel erklettert. –
Doch o wie schön, ein Mensch zu sein!
Drum, Freunde, sagt, wo ist der Wein,
Der fromme Seelen niederschmettert?
*
Zur Wüste grimmig ausgebrannt
Von heißer Buße Sonnenstich,
War meines Seins verlorne Flur;
Da stäubet' ich, da wirbelt' ich,
Ein aufgewühlter Wüstensand,
Hoch in die Luft getragen
Vom Winde, zum Azur.
Gott sei gelobt! Er hat mir
Die mörderische Gluth gedämpft,
Mir einen Regen herabgesandt,
Mich mild zurückgeschlagen
Zu meinem alten Ruhestand,
Hat mich gemacht zu fröhlichem,
Frisch aufgeblühtem Land.
*
Viel bin ich umhergewandert,
Um zum Heile zu gelangen,
Mit Betagten und Erfahrnen
Bin ich eifrigst umgegangen,
Stillte nicht der Seele Bangen,
Reifte nicht zum Lichte so;
Und am Ende blieb ich, wo? –
An Suleima's Lippe hangen,
Meines Seins erst jetzo froh.
*
Auf des Sidra heiligen Aesten
Hoch im himmlischen Revier
Nistete mein Seelenvogel
Sonder irdische Begier.
Einen einzigen Blick, Geliebte,
Sandtest du zum Himmel auf,
Und getroffen sank der Vogel
Himmel-ab zu Fuße dir.
Strebt er in die Höhe wieder? –
Ach sein einzig Leben ist
So der Erde Staub zu küssen,
So im Staub zu sterben hier.
———
LXXXV.
Der
Sidra- oder
Tubabaum, Baum des Lebens und der Erkenntniß im himmlischen Paradies, wo er mit seinen Zweigen sämmtliche Paläste und Gezelte der Seligen überschattet.
*
Hingeworfen zum Gebete,
Wollt' ich in die Höhe schauen;
Aber, ach, vor meinen Augen
Standen einzig deine Brauen.
Und es raubten diese beiden
Kleinen, holden Himmelsbogen
Mir den einen, mir den großen,
Mir den unermeßlich blauen.
*
Ich roch der Liebe himmlisches Arom
Und möcht' in ihrem Weh'n,
Sanft aufgelöst mit Seele, Geist und Leib,
Verschwinden und vergehen.
*
Kloster und Schenke –
Heilige Räume
Sind sie und gänzlich
Eins für mich,
Diese, die beiden.
Glühend in mir
Dort, wie hier,
Waltet derselbe
Göttliche Trieb,
Weil ich an dich nur
Ueberall denke,
Kaba der Liebe,
Himmlisches Lieb!
*
Es sind die Wege Gottes wunderbar,
Und ich erprob' es in besonderm Grade;
Doch spür' ich auch im Wirbel der Gefahr,
Der lichtberaubten, seine reiche Gnade;
Es irrt mein Herz in deinem Lockenhaar,
Da leitet es der Herr die dunkeln Pfade.
*
Was sprichst du mir vom Alkoran?
Studir' ich ihn so eben nicht?
Ich starre nach der Liebsten Aug'
Und les' in ihrem Angesicht;
Die Sure »
Nachtstern« les' ich hier,
Ich lese hier die Sure »
Licht.«
———
XC.
Suren, Abschnitte des Korans;
Nachtstern und
Licht. Ueberschriften von solchen.
*
Horch', hörst du nicht vom Himmel her,
Ein wunderherrlich Musiciren? –
Du hörst die lieben Engelein
Hafisens Lieder einstudiren.
*
Erschlagen ist Hafis. Wer ihn erschlagen,
Das mußt du, Kind, dein schwarzes Auge fragen.
Der böse Mohr! Wie grimmig ist sein Eisen!
Der Tod umröchelt ihn in tausend Lagen.
Ach hat der Vogel Edens eine Seele,
Strebt nicht zu dir sein heißes Flügelschlagen? –
Nicht schrecke mich mit der Vernunft! Denn diese,
Nichts hat sie hier zu schaffen und zu sagen.
Der Liebe Weg ist unbegrenzt,
sie halten
So kalte Schranken nicht und enge Hagen.
Barmherzigkeit – welch' edle Tugendübung!
Was hast du hier zu zaudern und zu zagen?
Du bist aus einem eignen Stoff gebildet;
Dich rühren nicht Hafisens schöne Klagen.
*
Ungläubige macht und Gläubige dein Lockenhaar
Zu einer und derselben armen Sünderschaar.
In's Grübchen deiner Wange fällt ein schwach Gemüth;
Es fällt darein der große, starke Geist sogar.
Dein schwarzes Aug', ein Meisterstück der schwarzen Kunst,
Es zeucht zurück vom Aetherflug den Sonnen-Aar.
Wie sollte nicht die Nachtigall verloren sein,
Die zärtliche, die aller hohen Flüge baar?
Vergessen hat durch dich Hafis sein Frühgebet
Und Nachtgebet, und sein Verderb ist offenbar.
*
Ein doppelter Rubin ist mein Ruin;
Denn nimmermehr zu meiden und zu flieh'n
Ist, was mir auch Vernunft und Glaube sagt,
Des Weines hier und deines Munds Rubin.
*
Ihre Locke kräuselte
Hyacinthe, putzerfahren;
Doch der Ost, er säuselte
Ihr ein Wort von deinen Haaren.
*
»Lockenstricke
Sollst du wissen,
Sind voll arger
List und Tücke;
Zarte Munde,
Schöne Blicke,
Auf sie halten
Große Stücke,
Auf sie bauen
Sein Geschicke
Wird der Weise
Nimmermehr.« –
Und es wäre
Gut, wenn ich ein Weiser wär'.
Aber, ach, ich bin ein Thor,
Bin ein Rohr,
Welches in der Liebe Sturm
Schwankend allen Halt verlor,
Doch um Antwort nicht verlegen.
Mich bestricke
Lockentücke,
Mir berücke
Geist und Sinn,
Mich entzücke
Schöner Blicke,
Zarter Munde
Süße Falschheit
Immerhin!
Welch ein Glücke,
Welch ein Segen
In dem seligen Augenblicke,
Wo ich ihrem Trug erlegen,
Wo ich traue,
Wo ich baue,
Mich getrost an sie verkaufe,
Jene schöne Mörderin!
*
In der Anmuth Schule ging ich,
Um ihr Alphabet zu lernen,
War ein ungeschickter Lehrling,
Denn ich faßte nur das Elif,
Blieb beim ersten Zuge stehen;
Wollt' ich mich von ihm entfernen
Und zu andern übergehen,
Ohne Frucht war alle Plage,
Voll Verwirrung meine Lage,
Nicht zu tragen meine Pein.
Und so prägte sich allein
Dieser König aller Ziffern,
Aller Züge schlank und fein –
Deine schöne Form mir ein.
———
XCVII.
Elif, der erste Buchstabe des Alphabets von schlanker Form, zugleich die Zahl Eins.
*
Aus der Welt zu fliehen,
Mich zurückzuziehen
In geweihte Stille,
War mein ernster Wille;
Eilig aus dem Grause,
Welchem ich mein Leben,
Mein Gemüth entschwor,
Wallet' ich nach Hause,
Schloß mich in die einsam
Abgelegne Klause,
Sandte meine Seele
In die reine Wohnung
Himmlischer Naturen
Feierlich empor.
Wehe, welch ein Aufruhr!
Wehe, welch ein störend
Weltliches Getöse
Tönte mir in's Ohr!
All um meine hehre
Wonne war's geschehen;
Denn hereinbegleitet,
Schleichend auf den Zehen,
Hatte mich die Liebe,
Hatte meinem Triebe
Nach Ascetengröße
Spott und Hohn bereitet;
Mächtig ohne Schonung
Ihre Trommel schlug sie,
Kräftig ohne Pause,
Eine Virtuosin,
Ihre Wirbel trug sie,
Ihre raschen, vor.
*
Meine Lebenszeit verstreicht,
Stündlich eil' ich hin zu Grabe,
Und wie wenig ist's vielleicht,
Daß ich noch zu leben habe!
Drum, Geliebte, säume nicht,
Spende mir mit holdem Munde,
Ehe mir die Seel' entweicht,
Eine letzte süße Labe!
*
Weh mir armen Kuttenträger!
Denn ich habe böse Schwäger,
Denn ich habe schlimme Vettern:
Mönche, Pfaffen, Kirchenpfleger.
Ach, wie taug' ich doch zu diesen,
Ich verliebter Versejäger? –
Wein, o Schenke! Denn zur Buße
Werd' ich alle Tage träger,
Und die Sonne hoher Tugend
Steht mir alle Tage schräger;
Nimmer auch mich schwärzer färben
Wird die Zunge der Verkläger,
Denn ich bin ja schon so dunkel,
Wie ein afrikan'scher Neger.
*
Lieblich in der Rosenzeit
Hält die Liebe Schule;
Es docirt die Nachtigall
Vom Doktorenstuhle.
Ihrem Worte horcht Hafis
Mit Scholarentreue,
Früh und spat diktirt sie ihm
In die Federspule.
Meine Meinung, könnte sie
Wohl verborgen bleiben?
Wein an einem schönen Ort,
Eine zarte Buhle!
Ohne diesen Aechtgewinn
Sind die Weltgebiete
Wüsteneien, angefüllt
Vom Geschrei der Ghule.
Darum heiß zum Himmel auf
Fleh' ich im Gebete:
Nie, o nie errette mich
Aus dem Sündenpfuhle!
———
CI.
Ghule, eine Art von Wald- und Wüstengeistern, die die Wanderer irre führen.
*
Höre mir den Prediger,
Dessen hohler Redeschwall
Deinem Geiste Bande flicht,
Höre mir den Pfaffen nicht!
Höre du die Nachtigall,
Die auf ihrer grünen Kanzel
Ueber Rosenschöne handelt,
Ueber Lenz und Liebe spricht!
*
Lilie hat der Zungen zehne;
Doch es schlägt die Nachtigall,
Und da schweigt sie vor Entzücken
Und zum Dufte wird ihr Schall.
*
Weh'n im Garten die Arome
Deines Haares süß und linde,
Zärtlich an die Brust der Rose
Fällt die trunkne Hyacinthe.
*
Eifersüchtig würden Töpfe
Sich die Hälse brechen,
Wenn du ihrer einem würdest
Einen Kuß versprechen.
*
Ach, wie süß, wie süß sie duftet,
Deiner Locke krause Zier!
Doch sie duftete noch süßer,
Duftete dein Herz mit ihr.
*
Nicht, was hehr,
Weil ich es nicht fassen kann;
Nicht, was schwer,
Bürde mir auf, mir armen Mann!
Da so viel
Schon mir ein Löckchen zu schaffen macht,
Wie vielmehr
Stöhnt' ich erliegend in solchem Bann!
*
Nicht in meinem armen Hirne
Suche Rath und gute Lehren!
Denn du wirst darin nur Lauten,
Flöten nur ertönen hören.
*
Ich wollt' erhabne Dinge melden;
Die Märtyrer des wahren Glaubens
Lobpreisen im Gesange wollt' ich;
All ihre Thaten, ihre Wunden,
Die heiligen und gloriosen,
Wollt' ich besingen hell und hehr.
Zu Hülfe bei so großem Werke
Rief ich den Ost, der um die Rosen
Und Veilchen im Gefilde buhlte,
Und bat ihn um die Wunderkunden,
Die im Betreffe der besagten
Materien sein Geist bewahre;
Doch übel unterstützte der.
Er sprach: »Hafis, wir beide sind
Für solche Dinge nicht geschaffen;
Dazu gehören andre Helden,
Denn unser Wesen ist zu luftig
Und jene Dinge sind zu schwer.
Erzähle du die Heroismen,
Die du gethan beim Weinpokale;
Beschäftige dich mit süßem Tande;
Berichte, wie viel Seelen-Angeln
Du in Suleima's Locke zähltest;
Beschreibe deines holden Schenken
Rubinenlipp' und Schelmenauge
Et caetera; daneben mache
Dem lieben, alten Herrn der Schenke,
Dem würdigen und vielerfahrnen –
Sein treuer Sklave bin auch ich –
Ein Compliment, denn er verdient es;
Und hast du das zu hundert Malen,
Zu tausenden, gar schön verrichtet,
Verricht' es immer, immer wieder;
Dergleichen hört man immer gerne;
Des Weiteren entschlage dich!
*
Fern sei die Ros' und ihre Pracht!
Ein Rosenmündchen ist genug;
Fern sei der Bund mit Glück und Macht!
Ein Kosebündchen ist genug.
Ach schicke mich nach Eden nicht
Aus deiner Kammer, süßes Kind!
Ein Räumchen hier, zu sündigen,
Ein trautes Sündchen, ist genug.
Mir wurde kein erhabner Geist,
Den großer Dinge Fund beglückt;
Doch find' ich einer Schenke Thür',
O dieses Fündchen ist genug.
Zu ewig ist die Ewigkeit
Für meine schwache Phantasie;
An einer warmen Wogebrust
Ein Wonnestündchen ist genug.
Aus welchem Grunde bin ich hier?
Sei's ohne weitern, sei es nur,
Zu küssen deiner Füße Staub!
Denn dieses Gründchen ist genug.
*
Wohl ist Hafis ein Schwätzer,
Der Nichtiges zu Markte bringt;
Wohl ist Hafis ein Sänger,
Der immer nur dasselbe singt –
Doch darfst du ihm nicht sagen:
»Du halte deinen Odem an!«
Geh' auf die Flur und höre,
Wie's im Gebüsche singt und klingt!
Was hemmet dort dem Vogel
Die Triller- und die Schmetterlust,
Die ihm, so lang er lebet,
Aus ewig heller Kehle dringt?
*
Wo nehm' ich Kunde vom Geliebten her?
Wer giebt sie mir, Unglücklichen, o wer?
Zwar kam der Ost mit eiligem Geschwirr
Zu meinem Ohr und lispelte Belehr;
Allein zu stammelnd war und allzu wirr
Sein Unterricht und zu versteh'n zu schwer;
Denn selber, ach, verwirrt und geistesirr
Ist durch die Schöne des Geliebten er.
*
Zu der Rose, zu dem Weine komm!
Her zu diesem stillen Haine komm!
Mild zu stillen meiner Sehnsucht Ach,
Denn es rührt ja selbst die Steine, komm!
Hold zu hemmen meiner Zähre Bach,
Die ich schon so lange weine, komm!
Mir zu spenden hier im Laubgemach
Edens Heil in aller Reine, komm!
Bald, o bald, daß nicht in Asche jach
Falle mein verkohlt Gebeine, komm!
Aber erst, wenn Tag und Sonne schwach,
Aber heimlich und alleine komm!
*
Stehl' ich mich aus der Moscheee – hadre nicht!
Wenn ich in die Schenke gehe – hadre nicht!
Denn die Predigt ist so trocken, ist so lang,
Daß ich gar kein Ende sehe – hadre nicht!
Wenn ich mich, o meine Sonn', in deinem Strahl
Als ein armes Stäubchen drehe – hadre nicht!
Wenn ich, armer Papagei, zu deinem Mund
Um ein wenig Zucker flehe – hadre nicht!
Ach, du bist so schön, so schön, so wunderschön!
Taumel' ich in deiner Nähe – hadre nicht!
Sonder Ende klagt die Nachtigall ihr Weh,
Sing' ich ewig Ach und Wehe – hadre nicht! –
Krächzen, o Hafis, dich fromme Schnäbel an,
Stille, still, mit Rab' und Krähe – hadre nicht!
*
Nicht kirre mich, o Scheich, mit Betkorallen!
Ich werde nicht in deine Netze fallen;
Denn ich gehöre zu der Ketzersekte
Der rosenhauchberauschten Nachtigallen.
*
Was willst du, daß ich bete?
Was willst du, daß ich büße?
Ich bin nur eine Fliege
Und schwirre nach der Süße.
*
Bin ja nur ein armer Schwamm,
Bin ja nur ein Zunder,
Und die Schönheit ein Vulkan –
Brenn' ich, ist's ein Wunder?
*
Ich mühte mich, ein Stein zu sein,
Von dumpfer Zelle Nacht umfangen;
Was half es, ach, da aus dem Stein
Der Liebe helle Funken sprangen?
*
Was existirt in dieser Welt? –
Die Taube mit dem Tauber.
Denn Existenz hat Liebe nur,
Nur Liebe Werth und Zauber.
*
Wohl hatt' ich eine schöne Zeit,
Wohl eine Zeit, in der ich lebte,
In der ich Lieb' und Seligkeit
An hold gegönntem Munde bebte.
Kein Leben war das Uebrige,
Nur sinnberaubte, dumpfe Leere,
Nur eine Zeit, in welcher ich,
Das leere Nichts, den Tod erlebte.
*
O wie süß ein Duft von oben
Meinen Geist umwittert!
Wie ein Blick in jene Kläre
Mir das Hier verbittert!
Breit', o Seele, deine Flügel,
Schwinge dich nach Eden! –
Wehe, wehe, daß du ringsum
Schmählich eingegittert! –
Aber nein, ich will nicht klagen,
Nein, ich will nicht fliegen,
Ob mir auch, in's Freie winkend,
Jede Schranke splittert.
Alles Schönste, Liebste, Beste
Blühet auf der Erde,
Und es ist ein hohler Flitter,
Der dort oben flittert.
Nur ein Schatten ird'scher Wonne,
In der Höhe spiegelnd,
Macht, daß unsre Brust so sehnlich
Ihr entgegenzittert.
Um das Heil, das uns von dorther
In die Leere ladet,
Sei auf Erden nicht ein einzig
Rosenblatt zerknittert!
CXXII.
Die Weisen mit ihrem sauren Rath,
Sie machen uns das Herz so schwer;
Und wäre nicht mein alter Wirth,
Ich lebte wohl schon lang nicht mehr.
*
Ich hatte gestern Skrupel
Und ging zu meinem alten Wirth;
Der lös'te jede Frage,
Er ist ein ächter Seelenhirt.
Sogleich zu seinem Stalle
Zeucht er zurück ein jegliches
Der Schafe seiner Heerde,
Das sich vom rechten Weg verirrt.
Er zeigte mir im Glase
Den Becher Dschem's, den magischen;
In seiner Tiefe sah ich
Das Wahre klar und unverwirrt.
Ich sahe, daß voll Weisheit
Nur, was die süße Nachtigall
Auf ihrem Aste flötet,
Die Taube, die verliebte, girrt.
Ich sahe, daß voll Tiefsinn
Die wunderliche Stanze nur,
Die uns der Käfer murmelt,
Der um den Kelch der Lilie schwirrt.
———
CXXIII.
Dschem oder
Dschemschid, ein alter persischer Fürst, besaß ein Gefäß, worin er alles Heimliche zu sehen im Stande war. Dem Dichter gilt dafür das Weinglas.
*
Es bietet der Lenz
Auflachender Freude Strauß;
Es bricht die Natur
In Jubel unendlich aus.
Nun meide Gefahr
Und schließe dich ängstlich ein,
Und fliehe der Lust
Verderblichen Saus und Braus!
Nicht äugle bethört
Nach Lippen- und Wangenroth,
Jungschwellender Brust
Und Zierde des Gliederbau's.
Aufschmachte zur Höh'
Und Becher- und Lautenklang
Und Rosen-Arom,
Sie sei'n dir ein Höllengraus!
Denn was du verlierst
An wirklichem Heil und Glück,
Der Todte gewinnt's
Im himmlischen Freudenhaus. –
»Ich wittre, Hafis,«
So sprichst du, »Verstellungsduft.« –
Gut spürst du, o Freund,
Den heimlichen Schalk heraus.
*
Der tadellose, große Herr
Des ewigen Weltenbau's,
Schloß unsre Seele fest hinein
In dieses ird'sche Haus.
Und nimmermehr, so sehr du dich
Entlebest und entleibst,
Entringst du dich, entschwingst du dich
Aus seinem Bann hinaus.
So sorge denn um Sünde nicht
Und nicht um Ketzerei,
Wenn es in dir, wenn du in ihm
Lebendig und zu Haus.
Die wahre Sünde, glaube mir,
Die wahre Ketzerei,
Ist finsterer Entsagungen
Liebloser Leichengraus.
*
Wehe mir, mein Rosenkränzlein,
Weh, es ist entzwei gesprungen,
Denn zu heiß um deine Hüfte
Hatte sich mein Arm geschlungen.
Ach, wie soll ich zelleneinsam
Läppische Gebete murmeln,
Der ich also glüh' und sprühe,
Von verliebten Huldigungen!
Also hat kein Herz gelodert,
Seit geboren ward die Liebe;
Seit in alten Wundermähren
Thaten ihrer Macht erklungen;
Seit Cosroen und Schirine,
Leila's und Medschnune waren;
Seit Ferhade voll Verzweiflung
Ihre Hände wund gerungen.
Von der unerhörten Flamme,
Welche mir im Busen wüthet,
Ist die Sonne nur ein Funke,
Der sich in die Luft geschwungen.
———
CXXVI.
Der persische König
Khosru, Cosroes, Parwis, entbrannte für die armenische Prinzessin
Schirin, und setzte sich in ihren Besitz. Als sie der Bildhauer
Ferhad erblickte, erglühte auch er für sie und verlor darüber den Verstand.
Medschnun und
Leila, das bekannte Vorbild leidenschaftlicher Liebe im Orient. Der Name
Medschnun bezeichnet einen Rasenden.
*
Für die Liebe sind geschaffen
Dieser Welt geschmückte Hallen;
Es bezeugen's aller Orten
Rosen uns und Nachtigallen.
Dennoch, ach, mit Pfeil und Bogen
Droh'n der Liebe tausend Schützen,
Und gelegt sind ihrem Fuße
Schlingen und verborgne Fallen.
Eine Stunde lachte gestern,
Die der Sterne Gunst geboren,
Denn es ruht' auf mir dein Auge
Mit gelindem Wohlgefallen.
Doch es wachten Schlangenaugen,
Und, geschreckt von ihrem Blitze,
Mußte schmachtend ohne Labe
Deine Brust und meine wallen.
*
In des Geliebten Haare wühlt ein wilder Wind –
Unwürdiges Schicksal, dem wir unterworfen sind!
Zu gleichen nicht vermag ich einem Hauch der Luft,
Zu spielen nicht an jene Wange leis und lind!
*
O harte Sterne! Nie versöhnte, rauhe Welt!
Kaum rastet einmal selig in der Liebe Zelt
Das müde Herz, von sehnlicher Begier geschwellt, –
Da, horch, der Karawanenglocke Stimme gellt,
Und wieder in das weite, wüste, wilde Feld
Des Lebens ist die heißbethränte Fahrt gestellt.
*
Tief in Nacht und Dunkel
Sei der Liebe Posten,
Sei der Wonne Port!
An verrufnem Ort,
In der Geisterstunde
Deine Süße kosten
Laß mich, o mein Hort!
Der ich ohne dich
In der Sonnenhelle
Wandel' als ein blasser,
Trauriger Geselle,
Geisterhaft zu seh'n,
Dorten in dem Grausen,
Wo die Geister hausen,
Werd' ich in das Leben,
Warm zurückekehren,
Werd' ich als ein Jüngling
Blühend aufersteh'n.
*
Kommst du, Freund, gegangen
Mit den Tafeln Mose,
O so lacht im Garten
Ueber dich die Rose.
»Nun wohlan, so ruf' ich,«
Sprichst du, »dem Profose.«
Auf die Wache schleppen
Wolltest du die Rose?!
Nimm, o Freund, von Nieswurz
Eine starke Dose,
Und du selber denkst wohl,
Wie da denkt die Rose.
»Viel zu frech, zu gottlos
Denkt sie mir, die lose.«
Daß du es begriffest,
Wie sie denkt, die Rose!
Nicht auf Erden hegt man,
Nicht im Aetherschoose,
Frömmere Gedanken,
Als da hegt die Rose.
*
Wehe meiner Trunkenheit!
Wehe meinem Liebebeben!
Biete mir für einen Gran
Heuchelei und Schlechtigkeit
Tausend Tonnen Goldes an –
Keinen hegt der Busen mir,
Keinen hab' ich hinzugeben.
Denn was auch vielleicht dahier
In des Herzens dunkler Hut
Rastete von jenem Gut,
Es zerschmolz in Minnegluth,
Es zerfloß im Saft der Reben.
*
Lieb' und Rausch' ist ein Geheimniß;
Stille mit Erläuterungen!
Es der Menge klar zu machen,
Nicht genügten Engelzungen.
*
Willst du in das Wahre dich
Rein vertiefen,
Höre mich;
Aber ich beschwöre dich,
Nichts verrathe jenen Schiefen!
*
Auf gespanntem Fuße stehen
Mit einander Welt und ich;
Liebst du deinen guten Namen,
Lieber Freund, so meide mich!
Doch wofern du aufgekündigt
Jener alten Vettel hast,
O so komm' in diese Rosen,
Zu Hafisen lagre dich!
Wunderklänge wirst du hören,
Fühlen nie gekannte Lust,
Denn von Liedern träuft Hafisens
Trunkne Lippe wonniglich.
Sohre selbst vermählet ihnen
Den erhabnen Lautenschlag;
Um ihn her im Sphärentanze
Drehen alle Himmel sich.
*
Tief um Mitternacht – ich ruhte
Lange schon auf meinem Lager –
Da begann es schön zu spuken,
Da – ich hatt' es nicht erwartet –
Stellte sich das holdeste
Der Gespenster bei mir ein.
Mit Gelächter und Gesange,
Schelmischen, verliebten Auges,
In der Rechten einen Becher,
Trunkne Gluthen auf der Wange,
Nahte meine traute Wonne,
Setzte sich an meine Seite,
Faßte mich bei meinem Arme,
Neigte sich mit ihrem Munde
Meinem Ohr und rief hinein:
»Schläfst du schon, mein fauler Alter?
Mußt du schon so frühe sinken?
Hast du keine Lust zu trinken,
Hast du keine Lust zu küssen?
Werde doch ein wenig munter,
Koste diesen Becher Wein!«
Wenn der Sofi, dem ein Nachttrunk
Dieser Art wird zugetrunken,
Nicht den Wein anbetet, ist er
So beseelt, wie todte Klötze,
So lebendig, als ein Stein.
———
CXXXVI.
Sofis, Weise, die sich in's Anschauen des Göttlichen versenken.
*
Kommt, o kommt, betrübte Seelen,
Wollen uns nicht länger quälen,
Fassen einen starken Muth,
Mit Koranen und Brevieren
Ein gewaltig Feuer schüren,
Nichts von all dem Tande schonen,
Lachen ob der Mönche Wuth,
Schleudern unsers Grams Dämonen
In die flackernd helle Gluth!
*
Lern', o Schüler, ächte Gnose!
Siehe da, der Busch der Rose
Brennet dir mit hellen Gluthen
Als der Feuerbusch des Mose.
Und aus ihm, wofern du nehmlich
Nicht zu dumpfe, seelenlose
Sinne hast, wie lind und lieblich
Spricht zu dir der Herr, der große!
*
Führer auf dem Weg des Heils,
Nicht zu diesem Thor hinaus!
Denn es liegt am Wege hier
Der Geliebten theures Haus.
Hier vorüber kann ich nicht,
Was ich auch versäumen mag;
Laß mich auf der Schwelle hier;
Wandle du zum Geisterschmaus!
*
Ich habe mich dem Heil entschworen,
Da wurd' ich in das Heil geboren.
Nicht bei den Weisen fand ich Weisheit,
Ich fand sie aber bei den Thoren;
Ich fand sie nicht in Büchersälen,
Ich fand sie unter Blumenfloren;
Ich habe mich erst selbst gefunden,
Da ich mich ganz in
dich verloren.
*
Hoher Geist, bei'm Himmel, ward Hafisen;
Denn von dieser Welt und von der andern,
Welche Pracht und welche Wonn' in ihnen
Eine minder edle Seele rühre,
Nichts von Allem springet ihm in's Auge,
Als der Staub der Schwelle deiner Thüre.
*
Ein Simson ist mein Herze;
Jedwede Fessel sprengt es,
Und wäre sie von Eisen,
Nur eine nicht – nur deine Locke nicht.
Darin verhaftet hängt es,
Und nicht die Kräfte strengt es,
Die Schlinge zu zerreißen,
Die es so süß, so wundersüß umflicht.
*
Es schmelzt mein Ach die Steine,
Schmelzt jegliches Metall;
O sage, süße Kleine,
Aus welchem Stoff im All
Ward deiner Seele Spiegel?
Ich hauch' ihn glühend an;
Doch in gewohnter Reine
Strahlt fort und fort sein leuchtender Krystall.
*
Zu gleichen einer Knospe dich,
Nie fall' es einem Dichter ein,
Denn eine Knospe hatte nie
Ein gar so niedlich Mündelein.
*
Es ist die Liebe wunderlich
In Wesen und Gedank' und Wort;
So preis ich itzt dein schwarzes Aug',
Weil es so stark im Seelenmord.
*
Ach nur einmal deine Lippe,
Also sprach ich zur Geliebten,
Reiche mir zum Festgenuß!
Denn es bricht ja sonst mein Herze. –
Gerne thät' ich's, o Hafis,
Sagte sie, allein ich fürchte,
Daß dein allzu heißer Kuß
Mir die zarte Lippe schwärze.
*
Streit hat mein Herz
Mit deines Haares
Gelockter Tücke –
Welch ein Prozeß!
Mein Geist verweht,
Mein Sein, es sinket
Dahin zum Grabe,
Eh' er, der böse,
Zu Ende geht.
*
Nur Räuber und Mörder schlägt man in Bande sonst;
Ich bin beraubt, gemordet und überdies
Geschlagen in Lockenbande wunderlich,
Und frei umher geht jene, die Thäterin!
*
Zu üben eine gute That vermeinst du,
Dem Dürftigen eine kleine Spende reichend,
Zu üben eine gute That zugleich,
Mir Armen eine kleine Labe weigernd.
Urtheile besser, denke richtiger,
Nicht huldige so ganz dem Widerspruche,
Und wisse, daß ein Kuß, dem Minnebettler,
Dem sterbenden in seiner Sehnsucht Weh,
Mit lindem Mund gespendet, hehrer ist
Und heiliger, als jeder andere
Der Dürftigkeit entrichtete Tribut!
*
Der Kerze gleich
Aufrecht beharr' ich
In meinem Brande
Und wanke nicht.
Der Kerze gleich
Hinschmelz' auch ich
In meinem Schmerze,
Und hell und heiter,
Wie das der Kerze,
Ist doch ohn' Ende
Mein Angesicht.
Ein hoher Geist
Beseelt die Liebe;
Sie kümmert sich
Um Gluth und Flammen,
Um tödtlich heiße,
Die kühne, nicht.
*
Mein Morgensegen, er hat mir endlich doch genützt;
Mein Abendsegen, er hat mich vor dem Tod geschützt.
Ein endelos Gebet zur Liebe betet' ich,
Nun hat mir endlich Liebeshuld in's Aug' geblitzt.
*
Bitter ist die Welt und nicht
Ohne Kandel zu genießen;
Doch ich kenne Lippen, die
Diese ganze Welt versüßen.
*
Ach, wie richtete, so klagt' ich,
Saure Weisheit, Alter, Tugend
Mich so ganz und gar zu Grunde!
Komm und sauge, sprach mein Liebchen,
Süße Thorheit, Sünde, Jugend
Leise mir vom Rosenmunde,
Linde mir vom Lilienbusen,
Und zu neuem Tag gesunde!
*
Schön, wie Peris, ist mein Kind,
Und so gut, wie Engel sind,
Fern von allem Uebermuth,
Und für alle Fehle blind.
———
CLIV.
Peris, Feen, wohnend im
Dschinnistan, hinter dem Gebirge
Kaf.
*
Die subtilste Quästion,
Ein Problem, so schwer, wie keines,
Ist Suleima's Taille mir.
Denn sie ist so wunderfein,
Daß sie als ein Nichts erscheinet,
Und doch ist sie auch ein Etwas;
Sein und Nichts, die Gegensätze,
Bilden hier ein einfach Eines –
Mein Verstand, was sagst du hier?
*
Vom Geschlechte der Ceder ist mein schönes Kind;
Macht mir einen Sarg aus Cederholz!
So begraben, o wie werd' ich wunderlind
Rasten, o wie freudig und wie stolz!
*
Nie wallte sie zur Schule;
Nie führte sie die Spule,
Die kritzende, der Feder;
Nie vor dem Lehrerstuhle
Aufsagte sie ihr Sprüchlein,
Hafisens süße Buhle;
Doch diese Feine meistert
Die Meister all' der Schule.
*
Wie stimmst du mich zur Andacht,
Der ich so arm an Frömmigkeit erscheine,
Und doch dem Herrn der Welten
Die heiße Thräne meines Dankes weine,
Daß in die Welt gesendet
Solch eine Schönheit wurde, wie die deine!
*
Willst du mit einem Male
Zeigen uns das ew'ge Leben,
O so befiehl dem Oste,
Dir den Schleier aufzuheben!
*
Streuet' ich die Perlen
Meiner Seele nicht vor deine Füße hin,
Hätte meine Seele,
Hätten ihre Perlen einen Zweck und Sinn?
*
Wüthewind,
Kommst du, zu verwüsten diese Blüthenflur –
Sei gelind,
Schone diese Rose, diese Rose nur!
*
Den Mundrubin, der mich berücket,
In deinem Auge diese Pracht,
Die klarer, als die Sonne blicket,
Das Lockenhaar, das mich bestricket,
Das schwärzere, denn Mitternacht,
Den Lilienschnee, woraus geworden
Dein Busen ist, o mein Idol,
Beschreib' ich ihn dem Feinde wohl,
Dem dumpfen aus verrücktem Orden,
Dem gleichen einem Klotze schier?
All' diese zarte, süße Zier,
Die göttlicher Natur Magie
Aus Seele, Duft und Lichte wob,
Beschreib' ich sie dem Schulpedanten,
Dem sich Gehirn und Herz verschob?
Was wissen sie, die Ignoranten,
Des krassen Unsinns Hierophanten
Voll abgeschmackter Prüderie,
Die Wühler in gelehrtem Schunde
Mit stierem Aug' und trocknem Munde
Die traurigen, was wissen sie
Von der Physik der Poesie,
Was von der Liebe Pflanzenkunde,
Von ihrer Mineralogie,
Von ihrer Farbentheorie?
*
Komm, komm, o du, der Anmuth
Hellleuchtendes Gestirne,
Entsende deine Strahlen,
Entfalte deine Zauber,
Entraffe die Besinnung
Den Selbstbeherrschungseitlen,
Beweise, daß die Schönheit
Gewaltiger, denn Alles,
Was sich hinieden stark nennt,
Ein übermächt'ger Fallstrick
Für jede stolze Tugend
Und steife Sitte sei!
Beschäme mir der Schule
Gespreizte Majestäten,
Verwirre mir der Frömmler
Geschraubte Puritäten,
Vernichte mir der Heuchler
Erlogne Dignitäten,
Zu deinen Füßen liege
Weltoffenbar und bettle
Um einen Blick der Gnade
Die ganze Clerisei!
*
Was meines Herzens Pochen,
Das mächtige, bedeute?
Es liebt Hafis, der alte,
Wie ehedem, noch heute.
Und Selma's süßes Aeugeln
Inmitten aller Leute?
Er wird geliebt, der gute,
Wie ehedem, noch heute.
»Du bist ja bald, du bist ja
Fast schon des Grabes Beute!«
Jung ist das Herz, das heiße,
Wie ehedem, noch heute.
Und ob die Trauerglocke
Mir schon zu Grabe läute –
Ich singe, trinke, küsse
Wie ehedem noch heute.
*
Sollte mich in plötzlichem Ruin
Feuerblick und heitre Laune flieh'n,
Sollte sich durch Ader und Gebein
Bange Qual und dumpfe Schwere zieh'n –
Nicht, o nicht mit herben Arzenei'n,
Denn ich hasse diese Medicin,
Komm zu mir mit einem Becher Wein,
Komm mit Laute, Flöte, Tamburin!
Wirket das zu wenig auf mich ein,
Komm mit einem süßen Mundrubin!
Wird umsonst auch diese Mühe sein –
Dann Ade! dann sprich: Begrabet ihn!
*
Nicht mit trister Miene,
Nicht mit Thränentrübe
Komm zu meinem Grabe;
Komm mit einem Becher,
Komm mit einem Liede,
Angestimmt aus voller
Jubelheller Brust!
Steigen aus dem Dust
Wird der alte Zecher,
Trinken aus dem Becher,
Stimmen in dein Lied ein,
Sich im Tanze heben,
Springen hoch vor Lust.
*
Enthalte dich der Nüchternheit,
So bist du auf der rechten Bahn;
Denn daß der Rausch zur Seligkeit
Unnütze sei, das ist ein Wahn.
Wahrhafter Offenbarung Licht,
Das wirst du nur im Rausch empfah'n;
Denn daß der Unberauschte nicht
Ganz finster sei, das ist ein Wahn.
Sieh an den Mönch, den fluchenden,
Und nimm dir ein Exempel dran!
Denn daß er nicht mit Haut und Haar
Des Teufels sei, das ist ein Wahn.
Mit aller Andacht früh und spat
Lies in der Schönheit Alkoran!
Denn daß ein ander heilig Buch
Authentisch sei, das ist ein Wahn.
Nur nicht dein Ich vergöttere;
Doch was du liebst, o bet' es an!
Denn daß die Liebe Götzendienst
Und Ketzerei, das ist ein Wahn.
Wie kniet Hafis vor seinem Stern!
Und o, wie ist es wohlgethan!
Denn daß dem Gott der Liebe fern
Die Liebe sei, das ist ein Wahn.
*
Es eilt die Ros' aus ihrem Nichts
In's wundervolle Sein zu treten,
Und die Viole neigt sich ihr,
Sie tief in Ehrfurcht anzubeten.
Komm, trink' ein Gläschen Morgenwein
Bei Tamburin und Lautenklange,
Und hüte dich, des Seins Genuß
Bis auf das Ende zu verspäten!
Erhasche dir ein holdes Kind,
Versuch' ein Küßchen zu erschmeicheln!
Nicht eine taube Hülse werth
Ist all' dein Fasten, all' dein Beten.
Bekehre dich zum Feuerdienst!
Denn flammenheiß ist Lieb' und Leben,
Und Leichenhauch und Schauderfrost
Durchweh'n die Zelle des Asceten.
Nicht hör' auf abgedroschenen
Legendenkram und fromme Lügen;
Hör' auf des Lenzes Unterricht,
Des ewig jungen Urpropheten!
Er weht – o öffne deine Brust
Dem einzig ächten Duft des Heiles! –
Der Liebe Geist, der Liebe Lust
Von Myriaden Blumenbeeten.
*
Ich bin ein Salamander
Und leb' in eitel Gluth;
Mir ist allein das Feuer,
Das heiße, heiße, theuer,
Mir nur die Flamme gut.
*
Gehst du vorüber, o du mein Licht,
Blühend am Klosterthor,
Rasch zu des Auges Fensterlein
Springet das Herz empor.
*
Das Kloster hat, das traurige,
Uns keinen Nutz gebracht;
Nun steh'n wir an der Schenke Thor
Und rufen: Aufgemacht!
*
Zechen will ich Glas auf Glas,
Küssen will ich Kuß auf Kuß,
Lieben will ich ohne Maß,
Trinken will ich ohne Schluß.
*
Mit der Kutte, das ist wahr,
Reimt sich unser Wandel schwer;
Aber unsre Seele trägt
Lange keine Kutte mehr.
*
That ich in der heiligen Nacht
Einen guten Schluck –
Sage nichts und fühle hier
Meinen Händedruck!
*
Frage nicht: »Welch einen Nutz
Schafft die Trunkenheit?«
Vom Verstande, wenn du trinkst,
Bist du rein befreit.
*
Wüßte der Verstand, wie selig
Herzen ruh'n im Lockenband –
Es verlöre der arme Teufel
Auf der Stelle den Verstand.
*
Ein Wohlerfahrner giebt die Lehre:
»Statt dich auf Studien, ernste, schwere
Und tiefe, gründlich zu verlegen,
Trink' und erwarte des Himmels Segen!«
*
Wein, o Schenke, das reine, das himmlische Gut bring' her!
Flüssige Flammen und flammenenthaltende Fluth bring' her!
Wein, der jeglichen irdischen Harms Medicin und Trost,
Der messianische Wunder, unendliche, thut, bring' her;
Für den störrigen, grilligen Kopf die gewaltigen
Stricke des Weins, bis er rastet in ihnen und ruht, bring' her!
Schweigt Bülbülengesang, das erbebende Saitenspiel,
Gläsergeklirr und der Reben erregendes Blut bring' her!
Schein' ich ein Trunkener schon, o in Eile noch mehr des Weins,
Daß sich in Eile vollende mein trunkener Muth, bring' her!
Ein, zwei köstliche Flaschen annoch für Hafis, den doch
Nie versöhnten mit giftiger, mönchischer Brut, bring' her!
———
CLXXVIII.
Bülbül, die persische Nachtigall.
*
Bringe mir den Stein der Weisen,
Bringe mir den Becher Dschemschid's,
Mir den Spiegel Alexander's
Und das Siegel Salomonis,
Bringe mir mit
einem Worte,
Bring', o Schenke, bringe Wein! –
Wein, daß ich die Kutte wasche,
Die befleckte von des Hochmuths
Und des Hasses schwarzem Makel;
Wein, daß ich das Garn des Unsinns,
Welches über Welt und Leben
Pfäffischer Betrug gebreitet,
Mit gestärktem Arm zerreiße;
Wein, daß ich die Welt erobre;
Wein, daß ich den Himmel stürme;
Wein, daß ich mit
einem Sprunge
Ueber beide Welten setze;
Bring', o Schenke, bringe Wein!
———
CLXXIX.
Der Becher Dschems, der Spiegel Alexanders und
das Siegel Salomo's, die drei Kleinode und Wunderdinge der drei größten Weltbeherrscher, die mit ihnen verloren gegangen sind. Im Spiegel
Alexanders erblickte man, wie im Becher
Dschem's oder
Dschemschid's alles Heimliche.
*
Den Pokal her, daß in seinem Glanze
Mir die triste Leuchte, die ich hasse,
Mir die Lampe der Vernunft erblasse;
Daß ich von Brevier und Rosenkranze,
Alkoran und Commentarenmasse
Keine Sylbe wisse mehr und fasse,
Daß, so wie ich singe, wie ich prasse,
Sich der Himmel dreh' im Sphärentanze,
Daß ich auf die ganze
Welt die Fahne meiner Herrschaft pflanze!
*
Als Fackel, o Schenke, den Weinpokal
An jedem Morgen der Sonne mir
Entgegenhalt' und sprich zu ihr:
Dein Weltenlicht, entzünd' es hier,
Und doppelherrlich leuchte
Dein sonst zu matter Strahl!
*
»O Düsterniß, o Trauerflor!
Der ist fürwahr der größte Thor,
Der sich für heller Sonne Strahl
Solch eine tiefe Nacht erkor.«
So rief ich aus, geradewegs
Gekommen aus der Schenke Thor;
Da kam dem Auge Klosterraum
Und Schule gar so dunkel vor.
*
Es flucht Hafis den Wasserfluthen;
Er trieft von Lippenhonigseim;
Er flammt in eitel Minnegluthen,
Und wenn er spricht, so ist's ein Reim;
Er lacht der Zucht und ihrer Ruthen;
Er ist so träg zu allem Guten;
Erstickt ist aller edle Keim –
So kommt man aus der Schenke heim.
*
Im Begriff zu reisen,
Thu' ich ein Gelübde,
Werd' es sicher halten:
Wird die Huld des Himmels
Ihre Macht beweisen,
Werd' ich wohlbehalten
Der geliebten Heimath
Wonne wiederseh'n –
Auf der Stelle werd' ich,
Meinen Gott zu preisen,
In die Schenke geh'n.
*
Wenn Alles, Alles ewig vorbedacht,
Was soll ich machen?
Bestimmte mich zum Trunk die ew'ge Macht,
Was soll ich machen?
Der Vogel liebt die Flur, den Wald der Leu,
Hafis die Schenke;
So wollte Gott, der Alles wohlgemacht;
Was soll ich machen?
*
Wenn auf ein Haupt im Staube
Der Schwelle der Taberne
Dein Auge fällt, das stolze,
Tritt nicht darauf, ich flehe;
Es ist das Haupt Hafisens,
Der seiner selbst nicht Meister;
Ach, mäßige der Reden,
Ach, zügele der Thaten
Entehrende Gewalt!
Es bildete, so scheint es,
Der Hochgebenedeite,
Der thut, was ihm gefällig,
Ganz aus Tabernenstaube
Dies Wesen ohne Halt.
Wofern du das bedenkest;
Verzeihlicher bedünken
Und würdiger der Nachsicht
Wird dir des armen Alten,
Des schmählich hingesunknen,
Entadelte Gestalt.
*
So viele Jahre bracht' ich in der Schenke zu;
Nun ziemt es sich, daß ich mein Heil bedenke.
Wo ist es nun hinfüro gut für meine Ruh',
Mein Leben hinzubringen? – In der Schenke.
*
Jetzo gilt es; sei'n wir fleißig
Und vertrinken alle dreißig
Tage, die die Faste zählet,
Wie Hafis, der lockre Zeisig!
*
»Wie steht's auf eurem Markte?
Sag' an, Hafis, wie kauft man ein?« –
Man giebt bei uns der Dscheme
Zweitausende für
ein Glas Wein.
———
CLXXXIX.
»
Der Dscheme zweitausende,« zweitausend solche Fürsten und Weltbeherrscher, wie
Dschem war.
*
Der jüngste Tag bricht an,
Der in ein ernst Gerichte
Mit sämmtlichen Geschlechten
Auf dieser Erde geht.
Auf hohem Stuhle sitzet
Hafis, der Weinprophet.
Wie wird er richten? Höret!
»Ihr Trunkenen, ihr hoch mir
Gesegneten zur Rechten!
Ihr Nüchternen, ihr Schlechten,
Zu meiner Linken steht!«
*
Du spiele mir den Alten nicht, o Knabe!
Nicht hast du noch, mir einen Text zu lesen,
Den ich gelesen hundert Andern habe.
Lang bin ich alt und ernst, ich selbst, gewesen;
Dann hat von oben eine Gnadengabe,
Gemacht hat endlich diese Purpurlabe,
Daß ich zu Jugend und zu Glück genesen.
*
Es ist ein Stern vom erhabenen Himmel gefallen,
Herab in's irdische tolle Getümmel gefallen.
Da sah er umher die Kräuter und Blumen der Wiese;
Ihm hat das lustige, bunte Gewimmel gefallen.
Er hörte die Glöckchen am Halse der Herde läuten;
Ihm hat das klingende kleine Gebimmel gefallen.
Er sah, wie ein Roß leicht über die Heide dahinflog;
Ihm hat der herrliche, fliegende Schimmel gefallen.
Ihm haben die traulichen Hütten, die laubigen Bäume,
Ihm selber im Wald ein ärmlicher Stümmel gefallen.
Nicht wieder empor zum erhabenen Himmel verlangt' er;
Er blieb, was er war, blieb gerne vom Himmel gefallen.
*
Ich trübte mir die Seele
Mit dem finsteren Hauche der Mystik;
Valet will ich nun geben
Dem schwarzen Rauche der Mystik.
Ich will sofort den Nektar
Der Weintaberne schlürfen,
Nie mehr die Lippe netzen
Mit dem Wasserschlauche der Mystik.
Mein Lied, es soll sich schwingen
Um Lilien und um Rosen,
Nicht mehr verstrickt beharren
Im Dornenstrauche der Mystik.
Ein neuer Jonas bin ich,
Ein jämmerlich verschlungner,
Doch glücklich ausgespie'ner
Vom Wallfischbauche der Mystik.
*
Schön ist der Erde Thal;
Smaragdner Grüne Pracht,
Die goldne Rose lacht;
Es laben Ambradüfte;
Es woget durch die Lüfte
Von Nachtigallentönen
Ein lieblicher Choral;
Es blinket der Pokal
Und tausende von Schönen,
Die dieses Lustgewimmel
Mit ihrem Reize krönen,
Ermüden deine Wahl.
Was also willst du weiter,
Betrogne Phantasei?
Es ist, ich sag' es frei,
Vonnöthen uns kein Himmel
Und keine Himmelsleiter,
Nur daß die Seele heiter,
Nur daß die Sehe frei,
Zu blicken ohne Hülle
In diese reiche Fülle
Von Glück und Wonne sei.
*
Sieh, es ist Messiashauch
In die Lande gekommen;
Um zu sprengen ist der Lenz
Alle Stande gekommen.
Eine Schrift von Gottes Hand,
Deren zierliche Lettern
Wunderschöne Blüthen sind
Ist zu Stande gekommen.
Nachtigallen üben, horch,
Ihre Coloraturen;
Von Verführern ist, o weh,
Eine Bande gekommen. –
Brenne, brenne, liebes Herz,
Was nicht brennet, es lebt nicht.
Sieh, wie todt die Kerze starrt,
Aus dem Brande gekommen. –
Unsern holden Jugendtag
Trübte grillige Tugend;
Doch mit diesem Harme sind
Wir zu Stande gekommen.
Aus dem Kloster geht Hafis
In die Schenke, der alte,
Von verrücktem Frömmler-Rausch
Zum Verstande gekommen.
*
Ein Geheimniß sei entdeckt,
Eine Fackel aufgesteckt!
Unter Edens Lustmirakel,
Unter höchstem Tabernakel,
Ist – so sehr die Mythe neckt –
Ein realer Sinn versteckt.
Bilder sind es, die da sagen,
Wie der Erde Rosenhagen,
Wenn der Lenz die Blüthe weckt,
Wie der Sonne reines Tagen,
Düfte, die der Ost entführte,
Wie Pokale wohlbehagen,
Welche Wonne der Berührte
Von Suleima's Lippe schmeckt.
*
Schon beschloß ich, mit der Tugend
Einen festen Bund zu machen –
»Welch ein Einfall«, sprach der Frühling,
»Einen armen Hund zu machen!«
Sollte mir an einem kranken
Tage diese Grille kehren,
Eilt, mit einem Becher Weines
Meinen Geist gesund zu machen! –
Ei, wie schön hat es getroffen,
Da er schuf, der große Meister,
Daß es ihm gefiel, die Busen
Junger Mädchen rund zu machen! –
Küsse, trinke, schenke trunken
Weg der Welt gesammte Güter!
Denn was wäre sonst auf dieser
Tollen Erde Rund zu machen? –
Schmerzlich ist es für Hafisen,
Nur so heimlich Wein zu naschen;
Eilet, es mit Pauk' und Pfeife
Jedem Ohre kund zu machen!
*
Meine Verse hab' ich immer
Spielend ohne Zwang gemacht,
Nimmer aber hab' ich etwas
Ohne süßen Drang gemacht.
Darum ist so wohlgelitten
Schemseddin mit seinem Lied,
Darum hat ihn oft so glücklich
Traulicher Empfang gemacht.
Jene schöne Rosenknospe –
Wenn sie sich für mich erschließt,
Hat es einzig meiner Lieder
Wonnevoller Klang gemacht.
Wurde je die Welt gebessert,
Wurde je ein Herze froh,
Hat es einzig Lenz und Liebe,
Becher und Gesang gemacht.
Lange nach dem Rath der Mystik
Harret' ich auf Heil und Licht;
Aber diese trügerische
Hat es mir zu lang gemacht.
Reich belohnt studir' ich jetzo
Nur der Anmuth Alkoran;
Ihn studirend hab' ich Alles,
Was mir je gelang, gemacht.
*
Still zu deinem Buche greifst du,
Zum Pokale greift Hafis;
Zur Vollendungskrone reifst du,
Zum Verderben reift Hafis.
In gewohnter Schranke bleibst du,
Ein geduldig frommes Schaf;
Als ein Leu aus seinem Gitter
In die Wilde schweift Hafis.
Eitel gute Werke häufst du,
Strahlender Verdienste Berg;
Fürchterlich zu aller Stunde
Seine Sünden häuft Hafis.
Viele fromme Herzen stärkst du
Durch gelehrten Unterricht;
Mächtiglich in aller Thorheit
Alle Thoren steift Hafis.
Mörderische Klingen schleifst du,
Ziehend in den Ketzerkrieg;
Seine Versediamanten,
Seine schönen, schleift Hafis.
Hoch hinauf zum Himmel steigst du
Als ein qualmend Rauchgewölk;
Eine frische Felsenquelle,
Tief zu Thale läuft Hafis.
Fass' ich es in
eine Stanze;
Ewig, o du armer Mann,
Träufst du nur von Bitterkeiten,
Und von Süße träuft Hafis.
*
Hört, Freunde, die Sage von Rosen,
Narcissen, Lilien, Tulipanen geh'n!
Nicht möge sie ohne die fromme
Sprenge des Weines ihre Bahnen geh'n! –
O seht dies reizende Schelmchen,
Wie's gläubige Seelen ketzerisch berückt,
Und wie sie, ihm zu Gefallen,
In liebetrunknen Karawanen geh'n!
Geschmacklos ist der berühmte
Persische Kandel ihrem Zungenschmack;
Sie wollen allein nach seines
Lieblichen Mundes Marzipanen geh'n.
Mit ihnen wir! Es walle
Nach Mekka, wen Arabiens Wüste freut!
Wir werden allein – o Heil uns! –
Mit
deinen allerliebsten Fahnen geh'n.
*
Selbst Ketzer ärgern sich
An einer Ketzerei, die keine Pflicht
Und keine Satzung ehrt,
Und mein geliebter Christenknabe spricht:
»Bei'm Himmel, es ist Schad'
Um einen solchen Mann, wie du, Hafis!
Wie wird es dir ergeh'n,
Hält einst der Herr sein schreckliches Gericht!«
Sei ruhig, gutes Kind!
Denn unermeßlich ist des Himmels Huld,
Und gestern wurde mir
Ein Engel zugesandt mit dem Bericht:
»Am jüngsten Tage gilt
Kapuze, Scheich und Mufti keinen Deut.
Du, bete Gott den Herrn
In Weinspelunken an und zittre nicht!«
*
Ungesäumt erlösche mir
Meines Lebens Funke,
Giebt es einen bessern Ort,
Als die Weinspelunke.
Hier herein im Sturme flieht
Nachtigall und Taube;
Dorten in der Zelle duckt
Schlange, Molch und Unke. –
Traue keinem Heiligen!
Süße Worte spricht er;
Aber in der Kutte steckt
Immer ein Halunke.
Nicht der Inspiration
Rasende Geberde,
Nicht ein heilig Fabelbuch,
Nicht ein alter Schunke –
Aechte Revelation
Lehret dich der Becher,
Lehret dich Hafisens Mund,
Aufgethan im Trunke.
*
»Mir einen Satz, der etwas setzt, ergründe!
Wahrheit, Hafis, ohn' alle Furcht verkünde!
Ein Weltenlicht, das von bewölkter Erde
Wegscheuche jede Finsterniß, entzünde!«
So höre denn, o Schüler, meine Rede,
Und nütze sie, als eine gute Pfründe!
Ein Schatte nur ganz ohne Wesen wäre,
Wer vor dem Herrn in aller Reine stünde.
Lebendig ist die Sünde nur im Leben;
Das Leben, es bestehet in der Sünde.
*
Und will's der Mönch verdammen,
Zu brennen in zarten Flammen,
Zu stöhnen in süßer Qual –
Ihm über's Haupt zur Stunde,
Damit sein Hirn gesunde,
Geuß einen Weinpokal!
*
Viel Bitteres gesprochen
Hat wider mich der Pfaffe –
O Gott, wie gern verzeih' ich
Ihm seine wilde Wuth!
Das schöne Kind des Unholds
Hat mir die süße Lippe
Geboten hold und gut.
*
Immerhin, so viel sie mag
Wider dich zum Streit
Rüste sich zelotische
Pöbelhaftigkeit!
Hege keine Furcht, Hafis!
Gnädig ohne Maß
Hält dir Allah seinen Schirm,
Seinen Lohn bereit.
Selsebile spendet er,
Welche deinem Mund
Seine hohe Sonne kocht
In der heißen Zeit.
Manchen ungeflügelten
Engel sendet er,
Dir zu scheuchen wundersüß
Jede Bitterkeit.
Nicht genug; ein Ueberschuß
Seiner Gnaden ist,
Daß er auch des Dichterrangs
Schöne Krone leiht.
Sina lernt und Griechenland
Deine Melodei,
Neidet deinem Liede schon
Die Unsterblichkeit.
Eine Wallfahrtstätte wird
Deine Gruft dereinst,
Lockerem Gesindel stets
Heilig und geweiht.
Ja du steckst, so wie du todt,
Dein verklärtes Haupt
Mitten aus der Sonne Pracht
In die Zeitlichkeit.
———
CCVI.
Selsebil, ein Nektarquell im himmlischen Paradies. </a>
*
Wonach Hafis verlanget
Nur er allein und Gott im Himmel weiß es;
Denn ihm allein vertraut er
Sein schwaches Herz, sein sündiges, sein heißes.
Und nicht allein verzeihet
Der Gütige, nein, schonet auch und schweiget;
Nicht Menschen und nicht Engeln
Sagt er davon ein Wörtchen nur, ein leises.
*
Mein Liebchen will und es geschieht,
Daß ich geduldig bis zum Grabe,
Die Liebenden, die ihr genehm,
So lieb, wie meine Seele habe.
Gleicht eines Andern Minnedienst
Dem meinigen? Sie darf nur wollen,
Und was so bitter, als der Tod,
Es wird so süß, wie Honigwabe. –
Ob wider mich zum Streite zieh'n
Viel tausend Heere schöner Kinder,
Sie alle, wie sie sind, sie flieh'n
Vor ihr, die meiner Augen Labe. –
Mir perlt im Becher edler Wein,
Mir lacht ein Liebchen, schön zum Malen;
Rühmt einer sich auf dieser Welt
Noch köstlicherer Doppelhabe? –
Lang war Hafis ein stiller Mensch,
Nun aber ist er trunkberüchtigt;
Je nun, was kümmert ihn sein Ruf!
Noch eine Flasche Wein, o Knabe!
*
Ich und Sinnesänd'rung –
Himmel, welche Träumerei'n!
Einiger Verstand doch
Wird mir ja geblieben sein.
Ich, so manches Jahr durch
Stärkend meinen Geist mit Wein,
Sollte nun so schwach sein?
Welch absurde Fabelei'n!
Mich geheilt von Dummheit
Hat für alle Zeiten mein
Guter, alter Schenkwirth;
Stets will ich sein Sklave sein.
*
Mich zu warnen, mich zu mahnen,
Frommer, unterlaß!
In das Land der guten Namen
Hab' ich keinen Paß.
Euere Moralsysteme,
Die aus einem schwarz
Angelaufnen Herzen kamen,
Sind mir allzu graß.
Nimmer haben schöne Kinder,
Was mich irgend schreckt;
Nimmer regen schöne Damen
Meinen Harm und Haß.
Vor der Flasche mich zu neigen,
Meinem kleinen Gott
Trotz Kapuzen und Imamen,
Bin ich auch nicht laß.
Lang genug im Trauermeere
Schwamm ich als ein Fisch,
Doch der Liebe goldner Hamen
Zog mich aus dem Naß.
Eure Ränke hab' ich alle
Trefflich einstudirt;
Leicht jedoch macht
mein Examen
Eure Wange blaß.
Mischet eure falsche Karte,
Wie ihr immer wollt!
Immer werf' ich euch zum Amen
Ein gewinnend Aß.
Nimmer hofft, mich schwach zu sehen!
Nimmer macht mein Aug',
Arme Tröpfe nachzuahmen,
Eine Wimper naß.
In die Schenke weiß ich blind noch
Meinen Weg zu geh'n;
Ihn zu geh'n werd' ich erlahmen,
Sterbend unter'm Faß.
———
CCX.
Imam, Priester, Vorsteher des Cultus, geistliches Haupt.
*
Kehr' ich einmal aus der Erde
Moderigem Schlunde wieder,
Eilig, eilig in die Schenke
Wander' ich zur Stunde wieder.
Hier die wohlbekannten alten,
Oder neue gute Brüder
Treff' ich an und zeche jubelnd
In gewohntem Runde wieder.
Sind sodann auch noch vorhanden,
Liebliche Rubinenmunde,
O so küss' ich ohne Zweifel
Auch dergleichen Munde wieder.
Sollte noch Kapuz' und Kutte
Die betrogne Welt verdüstern,
O gehaßt werd' ich gewißlich
Auch von diesem Schunde wieder!
Tödtet dich, Hafis, die Liebe,
Richtet dich der Wein zu Grunde,
Geh', so oft du lebst, durch diese
Süßberauscht zu Grunde wieder!
*
Die Schuld – ein Kind mit voller, runder Brust;
Die Tugend – ein angrinsendes Gerippe.
Die Schuld daher, wir küssen sie mit Lust;
Doch vor der Tugend schaudert unsre Lippe.
*
Sachte, sachte, denn der Welt
Auge wacht, das finstre, strenge;
Gute Werke muß man thun
Heimlich ohne viel Gepränge.
*
Und will mich auch die ganze Welt verhindern,
Geist und Gemüth zu opfern schönen Kindern,
Nie wird sie doch in mir die Stimme Gottes
Und meinen freudigen Gehorsam mindern.
*
Gerne dien' ich dem Verliebten
Mit der Brust voll Liebesschmerzen,
Aber nicht dem blauen Heuchler
Mit dem schwarzen Pfaffenherzen.
———
CCXV.
Es ist von den Sofis die Rede, welche zum Zeichen ihrer Beschäftigung mit dem Himmlischen
himmelblaue Kleider tragen.
*
Des Feuers werth
Sind alle Kutten;
Dem guten Geiste
Der Welt zum Opfer,
Laßt hell in Brand
Aufgeh'n sie alle!
Dies süße Sein –
In bittre Galle
Verwandelt wird es
Durch sie allein.
*
Nimm dir ein Exempel an den Rosen!
Auf der Sonne klares Angesicht,
Morgenthau und süßer Oste Kosen
Thun sie nun und nimmermehr Verzicht.
Siehe, wie sie lachen, diese losen!
Ja, so lang sie leben hell und licht,
Fragen sie, die freudigen, nach Mosen,
Fragen sie nach den Propheten nicht.
*
Von unbändigem Hader o wie schallen
Widerlichst akademische Meisterhallen!
Blinde schrei'n sich allhier mit Blinden heiser,
Es erschreckt Anathem und Fäusteballen.
Laß uns flüchten in Allah's Dom, den stillen,
Aus unsinniger Rede Tollhauskrallen!
Dem Gekose der Oste laß uns horchen
Und krystallener Woge leisem Wallen;
Horchen uns der Erörterungen schönster,
Dem Gesange verliebter Nachtigallen!
*
Wasser und Wogenschwall – o weh der Sündfluth!
Flieh'n wir ohne Säumen in die Arche –
In die Schenke! Da sitzt mit seinen Kindern
Vater Hafis, der fromme Patriarche.
Heil dir, Heil, du Noah unsrer Zeiten!
Hast noch einmal diese Welt gerettet.
Und begraben liegen im Wasserschlunde
Mufti, Scheich, Magister und Scholarche.
*
Nie, Hafis, du lieblicher Papagei
Aus der Liebe goldenem Dschinnistane,
Fehl' es deinem Schnabel an Koseglück,
Näscherei und süßem Marzipane. –
Wehe, weh uns Armen! Ach, es geht
Mit dem Turban auch der Kopf verloren!
Doch, so wie er uns vom Rumpfe rollt,
Gegen uns, was sind die Tamerlane? –
Fernehin aufsuchte des Lebens Quell
Alexander – er hat ihn nicht gekostet;
Wir, wir kosten ihn im Vaterland
Bei der Schenke grauem Guardiane. –
Lüstet dich zu wühlen im Lockenhaar
Eines holden, jugendlichen Hauptes,
Nicht um Urlaub flehe die Vernunft!
Nichts erflehst du von dem Paviane. –
Dünken ein allzu leichtes, luftiges,
Lustiges Gesindel dir Poeten –
Mit dem Blute des Herzens füttern sie
Ihre Versebrut, die Pelikane. –
Singt Hafis sein zauberisches Lied,
Nüchterne taumeln ihm und Trunkne tanzen;
Auf dem Reichspalaste der Poesie
Wehet er als Pracht- und Ehrenfahne.
———
CCXX.
Alexander wanderte der orientalischen Sage nach in's Land der Finsterniß, um vom Quelle des Lebens zu trinken, ward aber von
Chisr, dem Hüter desselben, zurückgewiesen.
*
Siehe, sieh, die Tulpenstengel,
Diese frechen Ketzerlein,
Heben ihre bunten Becher
Und begehren Trunk und Wein.
Sieh, der Ost, der freche Buhle,
Jeder Rose, wo er weht,
Schmeichelt er den jungen Busen
Aus dem engen Miederlein.
Dieses lockere Gesindel
Fördert meine Tugend nicht;
Es erschüttert meine guten,
Frommen Sitten ungemein. –
Nur des Edlen, nur des Reinen,
Liebe Freunde, seid bestrebt;
Trinkt allein von edlen Weinen,
Trinket eure Weine rein! –
Ausgelös't sind alle Kutten,
Welche man um Wein versetzt;
Eine nur, es ist die meine,
Lieber Wirth, sie bleibe dein! –
Stirbt Hafis, o nicht begrabt ihn
In die dumpfe Gruft hinein;
Nein, begrabt ihn in den Keller,
Werft ihn in ein Faß voll Wein!
*
Bezähme die Begier, so ist es wohlgethan;
Leb' als ein Engel schier, so ist es wohlgethan.
Doch weiß ich einen Rath, der ist noch köstlicher:
Verkaufe dein Brevier, so ist es wohlgethan.
Bei Weinpokal und Flötenhauch und Tamburin
Aufschlage dein Quartier, so ist es wohlgethan.
In offnem Aufruhr wider alle Heuchelei
Aufstecke dein Panier, so ist es wohlgethan.
Es bete fromm der Eine da, der Andre dort
Und denke: »Bet' ich hier, so ist es wohlgethan.«
Knie'n
wir in Andacht vor geliebtem Angesicht,
Vor schönem Auge
wir, so ist es wohlgethan. –
Nein, denke nicht: »Behandl' ich ihn in frostiger,
Unfreundlicher Manier, so ist es wohlgethan!«
Preiswürdig ist die Milde nur, es werd', o Kind,
Ein Kuß der Milde mir, so ist es wohlgethan.
Zwar wenn du dich in doppelt dichte Schleier hüllst,
Naht das Gemeine dir, so ist es wohlgethan.
Entflorst du aber lichtgebornem Dichterblick
All deine süße Zier, so ist es wohlgethan.
*
Wißt, daß ich alle Fesseln der Geduld
Zerrissen habe;
Wißt, daß ich mich der Ungebundenheit
Beflissen habe;
Wißt, daß ich aller heiligen Bräuche mich
Entbunden habe,
Und doch die allerreinste Seelenruh'
Zum Kissen habe!
Was thut es auch, daß ich der Kaba mich
Entfremdet habe,
Da ich zur Kaba ihres Augenlichts
Narcissen habe?
Wenn ich die Hyacinthen ihres Haars
In Händen habe,
Sagt, Freunde, was ich an dem Rosenkranz
Zu missen habe?
Wißt, daß ich selbst nach Edens Früchten kein
Verlangen habe,
Weil ich in meines Liebchens Apfelkinn
Gebissen habe.
Doch nun Ade, da ich zur Schenke nun
Zu eilen habe,
Und in Betreff des Kirchengangs ein zart
Gewissen habe.
*
Wir haben allen Glanz der Heiligkeit
Hinweggeworfen;
Wir haben jegliche Verstellung weit
Hinweggeworfen.
Der hohen Schule Porticus und Saal
Und Quästionen,
Wir haben all gelehrten Zank und Streit
Hinweggeworfen.
Den guten Namen von so manchem Jahr,
Den schwer errungnen,
Wir haben ihn, wie eine Kleinigkeit,
Hinweggeworfen.
Wir haben unser altes, ernstes Haupt,
Es vor die Füße
Dir rollend in den Staub der Niedrigkeit
Hinweggeworfen.
Wir haben Alles, was da löblich ist,
Wir haben Glauben,
Schaam, Sitte, Tugend und Bescheidenheit
Hinweggeworfen.
Wir haben, der Narcisse deines Augs
Die Seel' empfehlend,
All andrer Hoffnung Trost und Süßigkeit
Hinweggeworfen.
———
CCXXIII. CCXXIV.
Durch
Narcisse und
Hyacinthe werden Auge und Locke, wie durch Rubin der Mund der Geliebten oder des Lieblings bezeichnet.
*
Nicht düstre, Theosoph, so tief!
Nicht blicke, Moralist, so scheel!
Wir möchten gerne selig sein,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Hinschmachtend in der Wüste Sand,
Gleichwie die Kinder Israel,
Schrei'n wir zu Gott um Labungen,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Was kümmert uns der Tuba-Baum
Und was der Engel Gabriel?
Wir suchen einer Schenke Thür',
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Wir lieben unsern alten Wirth
Und haben deß auch keinen Hehl;
Wir fliehen alle Heuchelei,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Nicht Menschenblut vergießen wir
Auf wilden Hasses Wuthbefehl;
Der Rebe Blut genießen wir,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Wir öffnen unsern Busenschrein,
Der Liebe köstliches Juwel
Mit vollen Händen auszustreu'n,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Wir preisen unser süßes Herz
Vierzeilig oder im Gasel;
Dem Holden ist der Dichter hold,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
Du trage keuchend jede Last,
Dem Esel gleich und dem Kameel!
Wir schütteln unsre Bürden ab,
Und dieses ist ja wohl kein Fehl.
———
CCXXV.
Tuba, der Baum des himmlischen Paradieses. Der Engel
Gabriel ist den Moslemen der höchste der Engel, das Organ himmlischer Eingebungen, der heilige Geist.
*
Die fromme Taub' in meinem Herzen hie,
Ergebung in den Willen des Geschickes,
Erlegt, o meine Sonne, hast du sie,
Verbrannt mit einem Blitze deines Blickes.
Und es ersteht aus ihrer Asche, sieh,
Und hebt zum Hohne jedes Erdenstrickes,
Sich eines Adlers göttliches Genie
Zu den Genüssen eines Aetherglückes.
*
Nicht, o Freund,
Heiligen des Bechers einen solchen Blick!
Einen bessern!
Einen Schritt
Und noch einen der Taberne näher rück',
Einen bessern!
Achte sie,
Deine Tugend, deine selbstisch eitele,
Keinen Deut werth!
Einen Schlag
Gieb ihr und noch einen in ihr steif Genick,
Einen bessern! –
Bärtiger,
Ruhmgekrönter Forscher alles Heimlichen,
Großer Denker!
Uns der Nacht
Dieses Seins durch einen neuen Fund entrück',
Einen bessern! –
Dieser Arm
Hebe den Pokal und dieser schmiege sich
Um ein Liebchen!
Mein Gemüth,
Wenn du kannst, durch einen andern Rath beglück',
Einen bessern! –
Wenn du dich
Hängen willst, so greife nicht nach schmählichem,
Rohem Stricke;
Winde dir
Aus gelocktem Ambra-Haar den Hänge-Strick,
Einen bessern! –
Krankt Hafis,
Mit gelahrtem, graubehaartem Medicus
O verschon' ihn;
Ihm sogleich
Einen blutjung rosenwangigen Arzt beschick',
Einen bessern!
*
Eben kam mir ein ächter Bußgedanke;
Kehren wollt' ich in heilsam enge Schranke;
Doch mein Liebchen, es lugt herein mit hellen
Schelmenaugen und merket, daß ich kranke,
Schleicht dann näher und lacht mich aus und schmeichelt
Und umgarnet die Seele mir, die schwanke.
Ach, wie lacht mich ihr Mündchen an, das rothe,
Ach, wie reißt mich ihr Brüstchen hin, das blanke!
Sag', o Himmel, o sage selbst, wie bliebe
Frei das Innere hier von argem Wanke?
Du, das Gold der realen Wonne heischend,
Giebst so lustige Waare nur zum Danke!
Drum erlaube mir immer noch ein wenig,
Daß ein traulicher Arm mich süß umranke!
*
Wenn einer mäßig trinket,
So soll ihm das gedeihlich sein;
Wenn ohne Maß, so soll es
Ihm ohne Maß gedeihlich sein.
Der Scheich, der alte Vater,
Wenn er zu Glas und Flasche greift,
Laß Himmel ihm die Flasche,
Laß ihm das Glas gedeihlich sein!
Den Kuß auf zarte Munde
Laß in Palast und Hütten uns,
Auf Kissen und auf Polstern
In Busch und Gras gedeihlich sein!
Doch sperrt die Erde hungernd
Zehntausend schwarze Rachen auf,
Laß sie Zeloten fressen
Und ihr den Fraß gedeihlich sein!
*
Die Liebe, sie zerbreche mich;
Es raffe meine Kraft der Wein!
Nicht stark will ich und tapfer sein;
Ich freue meiner Schwäche mich.
*
Es kommt, o Mönch, bei'm Beten nichts heraus;
Es steigert das nur innrer Aengste Graus.
Weit besser ist's, die Kutte zu vertrinken
Und trinkend in ein Meer von Seligkeit zu sinken.
*
Was du forderst, es gescheh'!
Rede nur, o Lieb, ich geh',
Ob es auch ein saurer Gang,
Alsofort in die Moschee.
*
Durstig sind wir, lieber Wirth,
Doch im Bankerutte;
Nimm, o nimm für baares Geld
Unsre blaue Kutte!
Buße, Contemplation,
Kanzel und Katheder,
Lieber Gott, was sind sie werth?
Keine Hagebutte.
Aber hoch gepriesen sei
Rebe mir und Winzer,
Kelterfaß und Kelterer
Und die volle Butte!
Das reale Resultat
Dieser edlen Mühen,
Es gedeih' uns früh und spat,
Wie dem Kind die Dutte!
»Das Gebäude deines Seins
Stürzet es!« Es sei so!
Einen schönen Schatz vielleicht
Find' ich in dem Schutte.
———
CCXXXIII.
Vergl. oben CCXV. Zu den in
blaue Kutten gekleideten Sofis und Jüngern des Scheiches
Hasan gehörte der Dichter selbst.
*
Was Hafisen in der Welt das Beste däuchte?
Lautenklang und Weinpokal und schöner Reigen,
Vielgeliebter Augen helllebend'ge Leuchte,
Und zuletzt ein nachtbedecktes Wonneschweigen.
*
Es dünket dir, ich wäre nichts; ich aber
Ein Mann im Staat,
Ein Mann von Rang, ich bin im Reich der Liebe
Geheimer Rath.
Dann bin ich auch im Kreise der Betrunknen
Ein Veteran,
Der hier so manche Jahre schon die Wege
Des Herrn betrat.
Es ist ein Ausbund adeliger Geister
Allhier vereint;
Ein jeder ist Prophete, Sofi, Seher
Und Potentat.
Sie sitzen und studiren freudestrahlend
Im Glase Dschem's,
Und besser ist, als das der Philosophen,
Ihr Resultat.
Doch fehlet Einer und mit ihm die reinste
Beseligung.
Wo bleibt Hafis? Wo lieber, als bei'm Becher
Weilt er so spat?
Verschmähet er des Weines edle Labe
Weil er entzückt
Von einer Huri-Lippe just den Nektar
Der Huld empfaht?
Doch nein, er kommt; er eilt mit raschem Fuße
Der Schenke zu;
Ein Jubelruf begrüßt den alten Meister,
So wie er naht.
Ja, wenn du sehen willst, was ich bedeute,
Komm in mein Reich,
Mein jauchzendes! Du weigerst meiner Größe
Kein Attestat. –
Mir auf die Kutte deutest du, die alte,
Die schäbige?
Du Ignorant! So prangen ächte Kaiser
Im Festornat.
———
CCXXXV.
Huris, die Jungfrauen des Paradieses oder islamitischen Himmels.
*
Es gab um einen Apfel einst
Mein Vater Edens Wonnestand;
Es giebt ihn um die Aepfelchen
Im Busen hier mein Minnebrand. –
Entschwinden in die leere Luft
Laß eine weise Lehre dir;
Dein Liebchen, nicht entschlüpfe dir's
Aus deiner Arme Fesselband. –
Wer nie der Schönheit Reiz genießt
Und Seele sich und Geist erfrischt,
Der gleichet einem Dorngebüsch
In schauerlicher Wüste Sand. –
Es irren in der tiefsten Nacht
Die zwei und siebzig Sekten all,
Die Sekte nur des Sektes ist
Befreit von allem Unverstand. –
Gefeiert in der Schenke Reich
Ist hoch Hafis, wiewohl du sagst,
Der Glorie des Ruhms beraubt
Sei ein Prophet im Vaterland. –
Ein Götzentempel ist mein Herz,
Von Silber ist der Götze drin;
Umschlossen einen schöneren
Hat nimmer eine Tempelwand. –
Wir alle sind verliebter Art,
Und brennst du nicht für Andere,
Hat sich der Liebe Lust und Trieb
In's eigne hohle Selbst gewandt. –
Jüngst reichte mir ein Heiliger
Die gelbe Hand zum Kusse hin;
Ich bückte meinen Mund hinab
Und kosete den Becherrand.
———
CCXXXVI.
»
Die zwei und siebzig Sekten,« die 72 Ketzereien in der Kirche des Islam.
*
Hafis ist einer von den Heuchlern
Der Zelle zwar,
Doch legt er euch berauscht sein ganzes
Gemüthe dar.
Oft aus dem Haus der Zucht und Buße
Schleicht er hinaus
Und schwelget in der Weinspelunke
Ganz schauderbar.
Doch nicht allein der Trunk befleckt ihn;
Es macht die Lieb'
Ihn vollends aller edlen Tugend
Und Sitte baar.
Ein Augenstern, aus Geist gewoben,
Ein Mundrubin,
So süß, wie Kandel, überwältigt
Ihn ganz und gar.
Beugt er die Knie' an heil'gem Orte,
So stellet er
Im Geiste sein Idol, sein schönes,
Auf den Altar.
Ja, um zu kehren der Geliebten
Bestaubt Gemach,
Raubt er den Huri's in der Höhe
Ihr Lockenhaar.
———
CCXXXVII.
Huris, s. CCXXXV.
*
Das Gescheh'ne, nicht bereut's Hafis,
Er bedauert, was er unterließ.
Schmerzlich ist ihm jeglicher Moment,
Den er in ascetischem Verlies,
Den er nicht bei'm Klange des Pokals,
Den er nicht im Glanze des Genies,
Den er nicht an holder Liebe Brust,
Den er nicht gelebt im Paradies.
*
Ach, wie schön ist Nacht und Dämmerschein!
Ach, wie traulich unser Trinkverein!
Höret den musikisch hellen Ton!
Was verkünden Lauten und Schalmei'n?
»Lasset den Mysterien der Lust
Ein verständig Ohr geöffnet sein!
Rettet eure Seele, werfet ab
Des Betruges eckle Mummerei'n!
Aller andern Bande ledig, schlingt
Euch in Lockenbande lieblich ein!« –
Sollte wohl in diesem Kreise wer
Unbelebt vom Hauch der Liebe sein?
Grabgebete betet über ihn;
Segnet ihn als einen Todten ein! –
Windet euren Arm um silberne
Hüften her in einem Bad von Wein!
Alles Andre, predigt Schemseddin,
Ist verlorne Mühe, Qual und Pein.
*
Laßt, Freunde, das Superne,
Das Hohe, Tiefe, Ferne!
Kommt zu Verstande, pilgert
In eine Weintaberne!
Da funkeln in den Bechern
Die schönsten Himmelssterne;
Da leuchtet auf den Tischen
Die klarste Denklucerne;
Da webt ihr in des Lebens
Tiefinnerlichem Kerne;
Drum kecklich in den Winkel
Stellt eure Nachtlaterne!
*
Fort, himmlische Wonn'
Und ewiges Heil!
Das irdische hier ist besser!
Ein einziger Blick,
Ein Lächeln, ein Kuß
Der Liebe von
ihr ist besser. –
Der Freiheit Glück,
Es ist edel und groß;
Doch wenn ich es recht bedenke,
Verstrickt mit der Seel'
Und gefangen zu sein
Im Lockenrevier, ist besser. –
Weit besser erscheint
Dein geistlicher Trieb,
Als unsre Begier, doch diese
Ist ohne Geprahl,
Anmaßung und Zank,
Und diese Begier ist besser. –
Doch o wie gefehlt
Die Rede mit dem,
Der mystischem Unsinn opfert!
Zu reden in klar
Verständlicher Art
Mit Hammel und Stier, ist besser. –
»O sieh doch, Hafis,
Wie hier mir am Hals
Das schönste Geschmeide funkelt!
Kein Schmuck in der Welt,
So köstlich er ist,«
So sprach sie zu mir, »ist besser.« –
»Vergleiche, mein Lieb,«
Antwortet' ich ihr,
»Die poetischen Perlenschnüre,
Die dir zum Schmuck
Mein Finger gereiht!
Denn selbige Zier ist besser.«
*
All, was da Süßes unser Herz bestrickt,
Belegt es immer mit dem Interdikt!
Ihr selber, ihr vermögt es nimmermehr,
Zu folgen eurem grausamen Edikt.
Mit einer Macht, die nicht zu bändigen,
Mit der Natur in ewigem Conflikt –
Was hilft es euch, wenn ihr den Leib kasteit,
Wenn ihr die Seele zu dem Himmel schickt?
Weit schlimmer noch, als wir frivoles Volk,
Seid ihr vom Netze der Begier umstrickt.
*
Komm, Sofi, komm, und laß uns aus der Heuchler
Befleckt Gewand zieh'n,
Uns über ihre freche Lügentafel
Die nasse Hand zieh'n!
Laß, öder Zelle Dunkelheit verfluchend,
Den Weinpokal uns
Aufstecken als Panier und also jauchzend
Durch's weite Land zieh'n!
Jungholde Wesen, welche scheu und schüchtern
Die Wonne meiden,
Laß uns herbei an einem Strick von Rosen
Zum Heilverband zieh'n!
Wir wollen nichts, als gute Thaten üben;
Laß zwischen sie uns
Und nachtgeborne Fanatismen endlich
Die scharfe Wand zieh'n!
Laß uns der Liebe süße Fackel schleudern!
In jede Seele
Soll ein die Lust und aus Entbehrungstrauer
Und Unverstand zieh'n!
Glanzhelle von Palaste zu Palaste,
Von Hütte lodernd
Zu Hütte soll der weltreformatorisch
Entfachte Brand zieh'n.
*
Ich gebe dir ein gut Gesetz,
Ein redliches und reines hie:
Genieße, was dein Herz erfreut,
Doch Bruderherzen kränke nie! –
Die Flasche trug ich unter'm Arm,
Da meinte man, es sei ein Buch
Und irrte nicht; ich lerne draus
Rhetorik und Philosophie. –
Lang an der Schale klebet' ich
Da zog der Liebe starke Hand
In's flammenheiße Centrum mich
Aus frostiger Peripherie. –
Wohin gehörst du, strenge Maid?
In's unbelebte Pflanzenreich.
Die Meine, weil sie lebt, verlacht
Der Sitte strenge Despotie. –
Des Schelteworts Beleidigung
Verzeihet dir kein Nüchterner;
Mich mag sie treffen ohne Scheu,
Ich Trunkner überhöre sie. –
Schön mag es in der Höhe sein,
Doch auch hier unten ist es schön;
Lenz, Liebe, Becher, Lautenklang –
Was willst du, daß ich ferne zieh'? –
Nicht sprich, Hafis, daß ungerecht
Die Welt getheilt! Du hast genug;
Hast deinen ewig heitern Geist
Und deiner Reime Melodie.
*
Nicht verleiht dir Heuchelei
Heiterkeit und süße Ruhe;
Lebe lieber frank und frei,
So wie ich, der Ketzer, thue.
*
Sprachen seien viele, viele,
Aber einfach unsre Triebe;
Sei's auf türkisch, auf arabisch,
Reimt nur immer Wein und Liebe!
*
Von Liebe spricht der Mystiker,
Von Liebe flötet auch Hafis;
Du aber höre diesen nur!
Denn sein Gesang, sein lieblicher,
Haucht Leben und Natur;
Der Mystiker, so prangend auch
Sein ausstudirter Redebrauch,
Drischt leere Halme nur.
*
Stehe, steh',
Flüchtiges Reh!
Nicht, wie der Wind,
Eile hinweg,
Liebliches Kind;
Scheue zu grüßen nicht,
Fürchte Hafisen nicht!
Glaub', er ist fromm,
Glaub', er ist gut,
Heget und pflegt
Schöne Gefühle,
Klappert er auch
Nicht, wie die Mühle,
Plappert er auch
Hohle Gebete nicht.
Blicke du ihm
Kecklich in's Angesicht,
Und du verlachst,
Was der Zelote spricht.
*
Blick' auf, beschränkte Tadlerzunft,
An Witz unendlich arme du!
Sieh, was erhabner Urvernunft,
Die besser urtheilt, als die Welt,
Die blinde hier, zu thun gefällt!
Sie wirft vom hohen Lichtgezelt
Mir hunderttausend Küsse zu.
*
»Geh, meide mich!« so sprach im Zorne
Mein Lieb zu mir: »ich muß dich hassen;
Du bist der Aergste von den Argen,
Die je der gute Geist verlassen.«
Doch fand sie bald der Finsterlinge
Absurde Moden unerträglich;
Da hat sie sich von meinem Worte
Verständiglich bedeuten lassen.
*
Wir, Vater Schemseddin und seine Kinder,
Wir, Scheich Hafis und seine frommen Mönche,
Wir sind ein eignes, wunderliches Volk.
Von Gram gebeugt und ewiger Klage voll,
Ohn' Unterlaß in unserem Trauerjoch
Des feuchten Auges heiße Perle streuend,
Und ewig hell und ewig heiter doch;
Der Kerze gleich hinschmelzend und vergehend,
Und doch, wie sie, in lichter Wonne lachend;
Gemordet allezeit von Wimperdolchen,
Von grausamen, die nur nach Blute dürsten,
Und just hierinnen unseres Seins gewiß;
Versunken in ein Meer von Schuld und Sünde,
Ganz unbekannt mit dem Gefühl der Reue,
Und fromm zugleich und frei von allem Argen,
Des Lichtes Söhne, nicht der Finsterniß,
Und so der Menge völlig unbegreiflich.
Denn diese kennt nur dreierlei Naturen:
Den Frömler erstlich, den Fanatiker,
Den finsteren, blödsinnigen Barbaren;
Den Wüstling ohne Geist und Herz sodann,
Den selbstischen, unedelen, gemeinen;
Den endlich in gewohnter Schranke dumpf
Beharrenden. Für Leute so, wie wir,
Gebricht es ihr an Namen und Begriff.
*
Weißt du, warum ich trinke?
Von Hochmuth strotz' ich und Eitelkeit,
Und die will ich ersäufen
Im Meere der Betrunkenheit.
*
Reicht meiner Sünde den Tugendpreis!
Wer so, wie Hafis, zu sündigen weiß,
Tief in der Gottheit Gnadenmeer,
Der Selige, versinket er.
*
Sing', o lieblicher Sängermund,
Stets von neuem und ende nicht!
Spend' uns herrlicher Reime Fund
Stets von neuem und ende nicht! –
In holdseligem Minnespiel
Ueb', o Schüler Hafisens, dich,
Weil nur also das Herz gesund,
Stets von neuem und ende nicht!
Sieh, o Schenke, die Becher leer;
Bring' uns, um zu bekräftigen
Mit dem Weine den edlen Bund,
Stets von neuem und ende nicht! –
Daß ich theuer und werth dir sei,
Sag' es, Liebste, denn nimmermehr
Ward mir süßere Mähre kund,
Stets von neuem und ende nicht! –
Ras' und tobe, du schwarzes Herz,
Wenn es also gefällig ist,
Unvernünftig und ohne Grund
Stets von neuem und ende nicht!
Du, o Quelle des Lichts, jedoch
Scheuch', o Sonne, die finstre Nacht,
Hell durchstrahle das Weltenrund
Stets von neuem und ende nicht!
Schluß.
West-östlich.
Sei das Wort die Braut genannt,
Bräutigam der Geist;
Diese Hochzeit hat gekannt,
Wer Hafisen preist.
Göthe.
*
Und mag die ganze Welt versinken!
Hafis, mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern; Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du, zu lieben und zu trinken,
Das soll mein Stolz, mein Leben sein.
*
Daß sich in Oasen-Grüne
Eine Quelle Weins ergösse,
Deren unbekanntes Eden
Eine Wüstenei umschlösse!
Hin zu dieser Quelle zög' ich,
Bauet' eine kleine Hütte,
Daß ich hier in aller Stille
Segen ohne Maß genösse.
Triste Menschen unsres Schlages,
Traurige Philisterseelen,
Müßten nicht hinzugelangen,
Daß sie mein Genuß verdrösse.
Nachtigallen müßten schmettern
Und Gazellen müßten springen,
Liebe, zarte, fromme Thiere,
Welche niemand niederschösse.
Und da wollt' ich Wonne schöpfen
Und Hafisens Reime singen,
Daß von Lust und Liederhonig
Meine trunkne Lippe flösse.