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Bestrafte Eitelkeit

Aus einem alten Schwankbuch

Der Marquis de l'Etorriere, Offizier im Regiment der königlichen französischen Garden, war der schönste Mann seiner Zeit in Paris. Aber er wußte es leider selbst auch viel zu gut, und so kam es, daß man seiner Eitelkeit folgenden hübschen Streich spielen konnte. – Als er sich einmal in der Kirche mitten unter der Menge befand, fühlte er sich auf eine so auffallende Art seitwärts gedrängt, daß er sich mit Lebhaftigkeit gegen seinen Nachbar wandte, der ihn drängte. Dieser sagte mit der höflichsten Miene: »Mein Herr! Wollen Sie nicht die Güte haben und sich auf die andere Seite wenden?« – »Warum?« fragte der Marquis. – »Je nun, da Sie mich zwingen, es Ihnen zu sagen, – darum, weil ich ein Maler bin; mein Kamerad, der dort in der Kapelle linker Hand steht, hat von einer Dame den Auftrag bekommen, Ihr Bild zu malen, er gab mir einen Wink, Sie in die Stellung zu bringen, worin er Sie aufzufassen wünschte.« Herr de Etorriere zweifelte um so weniger an der Wahrheit dieses Vorgebens, da er wirklich in jener Kapelle einen Menschen sah, der die Augen auf ihn gerichtet hatte und in dessen Händen er einen Zeichenstift zu sehen glaubte. Er nahm sogleich sorgfältig die Stellung an, die ihm angedeutet worden und blieb unbeweglich stehen. Nach einigen Minuten sagte sein Nachbar zu ihm: »Mein Herr! Legen Sie sich weiter keinen Zwang auf, es ist geschehen!« Der Marquis wunderte sich über die Schnelligkeit des Künstlers, und der Maler verschwand in der Menge. Als aber Herr de l'Etorriere hernach in seine Tasche griff, suchte er seine goldene Dose vergebens; er griff nach der Uhr, sie war weg, nach der Börse, auch sie war verschwunden. Statt sein Bild zu malen, hatten die Gauner ihn selbst angeschmiert.


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