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Hochzeit auf der Schildwache

J. P. Hebel

Ein Regiment, das sechs Wochen lang in einem Dorf in Quartier gelegen war, bekam, unversehens in der Nacht um zwei Uhr, Befehl zum plötzlichen Aufbruch. Also war um drei Uhr schon alles auf dem Marsch, bis auf eine einsame Schildwache draußen im Feld, die in der Eile vergessen wurde und stehen blieb. Dem Soldaten auf der einsamen Wache wurde jedoch zuerst die Zeit nicht lang, denn er schaute die Sterne an und dachte: »Glitzert ihr, so lange ihr wollt, ihr seid doch nicht so schön wie zwei Augen, welche jetzt schlafen in der untern Mühle.« Gegen fünf Uhr jedoch dachte er: »Es könnte jetzt bald drei sein.« Allein niemand wollte kommen, um ihn abzulösen. Die Wachtel schlug, der Dorfhahn krähte, die letzten Sterne, die selbigen Morgen noch kommen wollten, waren aufgegangen; der Tag erwachte, die Arbeit ging ins Feld, aber noch stand der Musketier unabgelöst auf seinem Posten. Endlich sagte ihm ein Bauersmann, der auf seinem Acker wandelte, das ganze Regiment sei ausmarschiert, schon um drei Uhr, kein Gamaschenknopf sei mehr im Dorf, noch weniger der Mann dazu. Also ging der Musketier, unabgelöst, selber ins Dorf zurück; er hätte jetzt den Doppelschritt anschlagen und dem Regiment nachziehen sollen. Allein der Musketier dachte: »Brauchen sie mich nimmer, so brauche ich sie auch nimmer.« Zudem dachte er: »Es ist nicht zu trauen. Wenn ich ungerufen komme und mich selber abgelöst habe, so kann's spanische Nudeln setzen«, er meinte den Stock des Korporals. Zudem dachte er: »Der untere Müller hat ein hübsches Mägdlein, und das Mägdlein hat einen hübschen Mund, und der Mund hat holde Küsse.« Also zog er das blaue Röcklein aus und verdingte sich in dem Dorf als Bauernknecht, und wenn ihn jemand fragte, so sagte er, es sei ihm ein Unglück begegnet, sein Regiment sei ihm abhanden gekommen. Brav war der Bursche, hübsch war er auch, und die Arbeit ging ihm aus den Händen flink und recht. Zwar war er arm, aber desto besser schickte sich für ihn des Müllers Töchterlein, denn der Müller hatte Batzen. Kurz, die Heirat kam zustande. Also lebte das Paar in Liebe und Frieden glücklich beisammen und baute ihr Nestlein. Nach Verlauf von einem Jahr aber, als er eines Tages von dem Felde heimkam, schaute ihn seine Frau bedenklich an: »Fridolin, es ist jemand dagewesen, der Dich nicht freuen wird.« – »Wer?« – »Der Quartiermacher von Deinem Regiment: in einer Stunde sind sie wieder da.« Der alte Vater lamentierte, die Tochter lamentierte und sah mit nassen Augen ihren Säugling an. Denn überall gibt es Verräter. Der Fridolin aber, nach kurzem Schrecken, sagte: »Laßt mich gewähren, ich kenne den Obrist.« Also zog er das blaue Röcklein wieder an, das er, zum ewigen Andenken, hatte aufbewahren wollen und sagte zu seinem Schwiegervater, was er tun solle. Hernach nahm er das Gewehr auf die Achsel und ging wieder auf seinen Posten. Als aber das Regiment eingerückt war, trat der alte Müller vor den Obristen. »Habt doch ein Einsehen, Herr General, mit dem armen Menschen, der vor einem Jahr auf den Posten gestellt worden ist draußen an der Waldspitze. Ist es auch erlaubt, eine Schildwache ein geschlagenes Jahr lang stehen zu lassen, auf dem nämlichen Fleck, und nicht abzulösen?« Da schaute der Obrist den Hauptmann an, der Hauptmann schaute den Unteroffizier an, der Unteroffizier den Gefreiten, und die halbe Kompagnie, alte gute Bekannte des Vermißten, liefen hinaus, die Schildwache zu sehen, und wie der arme Mensch müsse zusammengeschmort sein, gleich einem Borsdorfer Äpfelein, das schon vier Jahre am Baum hängt. Endlich kam auch der Gefreite, der nämliche, der ihn vor zwölf Monaten auf den Posten geführt hatte, und löste ihn ab: »Präsentiert das Gewehr, das Gewehr auf die Schulter, marsch!« nach soldatischem Herkommen und Gesetz. Hernach mußte er vor dem Obristen erscheinen, und seine junge, hübsche Frau, mit ihrem Säugling auf den Armen, begleitete ihn und mußten ihm alles erzählen. Der Obrist aber, der ein gütiger Herr war, schenkte ihm einen Taler und half ihm hernach zu seinem Abschied.


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