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Dies Buch spricht von dem Heiland aller Welt,
Von Buddha – Prinz Siddârtha
Siddârtha oder Siddhattha scheint der eigentliche Name gewesen zu sein; den Beinamen Gotama, mit dem ihn die heiligen Schriften bezeichnen, hatte sein Stamm von einem alten Sänger entlehnt; Buddha »der Erwachte, der Erkennende« ist kein Name, sondern ein Wort, mit dem seine Anhänger seine religiöse Stellung als Erkenner der Wahrheit bezeichnen; poetisch wird er auch als Sâkyamuni »der Weise aus dem Sâkya-Geschlecht« bezeichnet; Tathâgato, »der Vollendete«, scheint er sich selbst in seinen Predigten mit Vorliebe genannt zu haben. sonst genannt –
In Himmel, Erd' und Höll' ohn' Gleichen er,
Allweise, allgerecht, erbarmungsreich,
Der uns Nirvâna und die Pflicht gelehrt.
So trat aufs Neu' er für die Welt ans Licht.
Vier Herrscher thronen nah dem höchsten Kreis,
Der Welt Regierer
Nach der Ansicht der Buddhisten besteht das Weltall aus zahllosen Sphären, von denen jede für sich Sonne, Mond, Himmel und Höllen hat. Mittelpunkt einer jeden Erde ist der Götterberg Meru oder Sumeru, ähnlich dem Olymp der Griechen. Die Inder dachten sich den Sumeru unserer Erde am nördlichen Horizont, also irgendwo im Himalaya. Die Erde wird nach den Himmelsgegenden in vier Teile eingeteilt, deren jeder von einem Gott regiert wird.; tiefer, doch noch hoch
Ist ein Bereich, wo heil'ger Geister Schar
Dreimal zehntausend Jahr' im Tode harrt,
Bis sie zum Leben wiederum ersteht;
In diesem Himmel harrte Buddha auch,
Bis einst, zu unserm Heile, er empfing
Die fünf gewissen Zeichen
Die fünf Zeichen der Geburt deuten den Beschluß des zur Menschwerdung sich anschickenden Buddha darüber an, in welcher Weltperiode, in welchem Weltteil, in welchem Lande, in welcher Familie und von welcher Mutter er geboren werden wolle. der Geburt;
Die Devas
Die 33 Devas sind die an Rang den vier Weltregenten zunächst stehende Klasse von Göttern. sprachen, die die Zeichen sahn:
»Buddha zieht wieder hin und hilft der Welt.«
»Ja!« sprach Er, »Hilfe bring' ich jetzt der Welt
Zum letztenmal; denn enden soll hinfort
Geburt und Tod für mich und alles Volk
Das meine Lehre hört und mein Gesetz.
Hinabgehn will ich zu den Sâkyas
Sâkyas (»die Gewaltigen«), ein Stamm, der einst am Südabhang des Himalaya einen Strich ebenen, fruchtbaren Landes in der jetzigen Landschaft Nepal bewohnte.,
Wo südwärts unter Himalayas Schnee
Ein guter König lebt, ein fromm Geschlecht.«
Es träumt' in jener Nacht die Königin
Maya
Maya bedeutet »Wundermacht«., Suddhôdanas
Der Name Suddhôdana (»Reinreis«) deutet auf die blühende Reiskultur hin, welche in alter Zeit wie noch heute den Reichtum des Landes bildete. des Königs Weib,
Als an der Seite ihres Herrn sie schlief,
Ein seltsam Traumgesicht: vom Himmel schoß
Hin durch die Luft ein Stern von ros'gem Glanz,
Sechsstrahlig, – doch als Zeichen war darauf
Ein Elefant
Die weißen Elefanten genossen in Indien besondere Verehrung. Ganesha, der Gott der Weisheit, hat den Kopf eines weißen Elefanten. Darum wählt Buddha als sein Symbol für den Traum der Königin einen weißen Elefanten. so weiß wie Milch von Kamadhuk
Kamadhuk oder Kamadhenu ist die Wunderkuh des weisen Vasishtha, die ihrem Herrn alle Wünsche gewährte.
Und sechsgezähnt – tief in ihr Innres schien
Der ros'ge Strahl und füllte ihren Schoß,
Von rechtsher nahend. Als sie nun erwacht,
Schwellt' ihr ein übermenschlich Mutterglück
Die Brust; am Horizont ein lieblich Licht
Den Morgen kündet', es erzitterten
Der Berge Häupter, eingeschläfert sank
Der Wellen Spiel zurücke, und hervor,
Als wär' es heller Mittag, kamen all
Die Blumen, die im Licht des Tages blühn.
Bis zu der Hölle
Die Anschauung von den Höllenqualen ist bei den Indern in ähnlicher Weise ausgebildet, wie im christlichen Mittelalter; nur daß der einen christlichen Hölle in der indischen Religion eine Vielheit von Höllen (8 große und 128 kleine) entspricht. Auch dauern die Qualen nach indischem Glauben nicht ewig, dienen also nicht als Strafen, sondern wie das Fegefeuer der katholischen Christen zur Läuterung. Die geläuterte Seele verläßt ihre Hölle und macht die Stufenleiter der Seelenwanderung von unten an durch. tiefsten Schlünden drang
Der Kön'gin Glück, wie wenn der warme Strahl
Der Sonn' ins Waldesdunkel goldig dringt;
Geheimnisvoll durch alle Tiefen ging
Ein leises Raunen: »Heil euch allen«, sprach's,
»Ihr Toten, denen neues Leben winkt,
Und ihr Lebend'gen, die ihr sterben sollt,
Steht auf und hört und hofft! Buddha ist da!«
Drauf senkte sich in Höllen ohne Zahl
Ein tiefer Frieden, und das Herz der Welt
That höhern Schlag, und über Land und See
Blies wunderbar erquickend kühler Wind.
Als nun der Morgen tagt' und alles dies
Bekannt ward, sprach die altersgraue Schar
Der Traumausleger: »Gut ist dieser Traum!
Die Sonne in des Krebses Zeichen steht
Über die Jahreszeit, in der Buddha geboren ward, gehen die Überlieferungen auseinander.;
Die Kön'gin wird gebären einen Sohn,
Ein heilig Kind, von sond'rer Weisheit voll,
Heilbringend allen Menschen; denn er wird
Entweder sie befrein von blindem Wahn,
Oder ihr Herr sein, – wenn ihm dies genehm.«
Zur Welt kam Buddha nun auf solche Art:
Um Mittag stand, als sich die Zeit erfüllt,
Die Kön'gin Maya in des Schlosses Park;
Es wölbt' sich über ihr ein Palsabaum
Eine Baumart, die als heilig galt; aus ihrem Holz mußten die Stöcke der Brahmanen sein, sowie die Scheite, mit denen bei Neubegründung eines Haushaltes das neue Herdfeuer entzündet wurde.,
Ein stolzer Schaft, wie Tempelsäulen schlank,
Bekrönt von Blätterglanz und Blütenduft;
Und da er wußte, daß es nun die Zeit,
(Denn alle Erdenwesen wußten dies),
So neigt' er dienstbereit die Zweig' herab
Als eine Laube für die Königin.
Aufsprießen ließ die Erde alsobald
Zahlloser Blumen Schar zum weichen Pfühl;
Daß auch ein Bad nicht fehle, that der Fels
Sich auf daneben, und ein klarer Strom
Entfloß ihm mit krystall'ner Flut. So ward
Das Kind geboren, schmerzenlos; und auf
Dem wohlgeformten Körper fanden sich
Die Zeichen, zweiunddreißig an der Zahl,
Die Glück und Segen künden für das Kind
Die Brahmanen besaßen Aufzählungen der körperlichen Zeichen, die dem Menschen Glück und Unglück bedeuten.;
Schnell kam die frohe Botschaft in das Schloß.
Doch als, den Knaben heimzuholen, man
Die bunte Sänfte brachte, nahten sich
Als Träger die vier Weltregierer selbst,
Herabgestiegen vom Sumeruberg
Vgl. S. 9 Anm. 2)., –
Sie, die des Menschen gut' und böse That
Auf eh'rne Tafeln schreiben: aus dem Ost
Der Engel, dessen Troß im Silberkleid,
Perlmutterschilde trug; der aus dem Süd,
Mit Rittern, den Kumbhandas
Die Phantasie des Dichters macht hier drei der unteren Klassen des indischen Göttersystems (die achte bis zehnte) zu Trabanten der Weltregenten; die Nâgas sind eigentlich die Erdgeister, meist dargestellt als Menschen mit einer Schlangenkrone auf dem Haupte; die Yakshas sind die Elfen, die Kumbhandas die Erdmännchen., hoch zu Pferd
Auf blauen Rossen, – Sapphir war ihr Schild;
Des Westens Engel folgten Nâgas nach,
Sie ritten Rosse, die wie Blut so rot,
Korallenschilde trugen sie; doch aus
Dem Nord der Engel war von Yakshas rings
Umgeben, all' in Gold, und golden war
Ihr Schild, und ihre Rosse waren gelb.
Die kamen nun mit ihrer Geisterschar
Zur Erd' und faßten selbst die Stangen an,
Von Ansehn und an Kleidern Trägern gleich,
Und doch gewalt'ge Götter; jenen Tag
Verkehrten frei mit Menschen Götter, ob
Auch unbekannt den Menschen; denn erfüllt
Mit Freude war der Himmel für die Welt,
Weil Buddha, unser Herr, erschienen war.
Doch wußte nichts hiervon Suddhôdana;
Den König ängstigte der Zeichen Wink,
Bis seine Traumwahrsager kündeten,
Gesegnet werde sein mit ird'scher Macht
Der Prinz, ein Chakravartîn
Eigentlich »Beherrscher eines Gaues« (chakra), dann allgemeiner für »Weltherrscher«., wie sie in
Eintausend Jahren einmal nur erstehn.
»Dies künden sieben Zeichen, die er hat
Ratna bedeutet eigentlich »Juwel«, hier »heiliges Zeichen«; chakra ist ein Bezirk, dann das göttliche Rad der Weltherrschaft, der Diskus in der Hand des Vishnu; aswa heißt »Stute«, hasti »Elefant«, istrî »Weib«.:
Der Götterdiskus, Chakra-ratna; dann
Der Edelstein; das stolze Roß dazu,
Die Aswa-ratna, die auf Wolken eilt;
Der Hasti-ratna dann, ein Elefant,
Schneeweiß, den König selbst zu tragen wert;
Der list'ge Staatsmann, und der Feldherr, nie
Besiegt; und, wunderbarer Anmut voll
Ein Weib, die Istrî-ratna, lieblicher
Als Morgenröte.« Wie der König nun
Die Zeichen an dem Wunderknaben sah,
Befahl er, daß die Stadt im Festesglanz
Erstrahlen sollte; also fegte man
Die Straßen, sprengte Rosendüfte, und
Behing mit Fahnen und mit Lichtern rings
Die Bäume, während froher Gaffer Schar
Schwerttänzer, Gaukler staunend sich beschaut,
Die Zaubrer, Schleudrer, Künstler auf dem Seil,
Tanzmädchen auch in ihrem Flitterkleid,
Mit Glöckchen, die an ihrem flinken Fuß
Wie helles Lachen klingeln, und im Fell
Von Bär und Reh vermummten Maskentroß,
Die Tigerbänd'ger und den Wachtelkampf,
Die Ringer, Trommler, Geiger allzumal,
Die auf Befehl dem Volke sind zur Lust.
Von ferne kam manch reicher Handelsmann,
Da von dem Knaben Kunde er vernahm,
Und bracht' in goldner Truhe Gaben dar,
Angorafelle, Narde und Türkis,
Gefärbt wie Abendhimmel, und so fein
Gewebte Schleier, daß zwölf Lagen nicht
Ein schamhaft Antlitz hüllen; Stoffe auch
Mit Perlen dicht besät, und Sandelholz,
Als seiner Stadt geziemenden Tribut.
Drum ward Savârthasiddh der Prinz genannt,
»Der Allbeglückte«, kurz Siddârtha auch.
Inmitten dieser fremden Pilger kam
Ein heil'ger Mann, Asita
Asita (»der Schwarze«) oder Devala, ein weiser Büßer, angeblich Verfasser eines Lehrbuches der Astrologie., grau von Haar,
Des Ohr schon längst sich dieser Welt verschloß,
Der hatte unter seinem Pipul-Baum
Der Pipulbaum oder Pippalabaum (
ficus religiosa), auch Bodhibaum genannt, ist eine wegen ihrer Verknüpfung mit der Buddhalegende von den Buddhisten heilig gehaltene Art des Feigenbaumes; neben jedem buddhistischen Tempel findet man einen solchen Baum gepflanzt. Manche dieser Exemplare sind sehr alt, so in Anarajapura auf Ceylon ein Baum, der 288 v. Chr. gepflanzt sein soll. Und auch der heilige Bodhibaum bei Uravilva (s. u.), unter dem Buddha die Erleuchtung empfing, wird noch gezeigt. Man wagt nicht, ihn durch Beschneiden zu verwunden; aber die welk herabfallenden Blätter werden von den Pilgern als Reliquien mitgenommen.
Vernommen Himmelsklänge beim Gebet,
Den Sang der Devas bei des Herrn Geburt.
Ihn hatte strenges Fasten und der Schnee
Des Alters wundersame Frömmigkeit
Gelehrt; und als er jetzo näher trat,
Ehrwürd'gen Ansehns, grüßt' der König ihn,
Und Kön'gin Maya nahm ihr Kind und legt'
Es nieder vor die heil'gen Füße ihm.
Doch als er sah den Prinzen, rief er aus:
»O Königin, nicht so!« berührte drauf
Achtmal den Staub mit seinem Angesicht
Und sprach: »O Kind! Anbet' ich! Du bist Er!
Ich seh' das ros'ge Licht, die Zeichen auch
An deiner Sohle, seh' der Swastika
Swastika, das Hakenkreuz 卍, ist eine uralte, bei allen indogermanischen Völkern heilig gehaltene Figur. Die 32 höheren und 80 niederen Zeichen werden in den Legenden ausführlich beschrieben.
Zierlich gelockte Ranke, seh die zwei
Und dreißig Zeichen all' fürnehmster Art,
Die achtzig niedern auch. Buddha bist du,
Wirst künden das Gesetz, und alles Fleisch
Erlösen, wer nur lernet das Gesetz.
Ich hör' es nicht, mir kommt der Tod zu schnell,
Der ich doch längst zu sterben mich gesehnt.
Doch hab' ich wenigstens gesehen dich.
Vernimm, o König! Dies ist an dem Baum
Der Menschheit jene Blüte, die sich nur
Einmal in vielen tausend Jahr'n erschließt –
Erschlossen füllt sie mit des Wissens Duft,
Der Liebe Honigseim die Welt; es sprießt
Aus deinem Stamm ein Himmelslotus auf!
O glücklich Haus, – und doch nicht allbeglückt!
Ein Schwert soll dir durchbohren deinen Leib
Um dieses Knaben willen – denn du selbst,
O süße Königin, den Göttern und
Den Menschen teuer wegen dieses Kinds,
Du bist hinfort zu heilig für mehr Weh;
Leben ist Weh, in sieben Tagen drum
Wird schmerzlos dir der Schmerzen Ende nahn.«
Und so geschahs; am siebten Abend schlief
Die Kön'gin lächelnd ein zum ew'gen Schlaf
Und ging in Trâyastrinshas Himmel
Der Himmel der Seligen. ein,
Wo Devas ohne Zahl ihr dienen, und
Verehr'n des Mutterhauptes Glorienschein.
Bald fand sich eine Amme für das Kind,
Prinzeß Mahâprajâpati; mit Milch
Nährt' ihre edle Brust die Lippen Ihm,
Von dessen Lippen Trost empfängt die Welt.
Doch als das achte Jahr vorüber war,
Gedacht' der König sorglich seinen Sohn
Zu lehren alles, wes ein Prinz bedarf.
Denn ehrfurchtsvoll noch scheut' er, was zuvor,
Fast allzuviel, die Zeichen kündeten,
Die Leiden eines Buddha und den Ruhm.
Drum fragt' er also seiner Räte Schar:
»Wer ist, sagt an, ihr Herrn, der Weiseste,
Zu lehren meinen Prinzen alles, wes
Ein Prinz bedarf?« Sie gaben allsogleich
Einmütiglich die Antwort drauf: »O Herr!
Nur Viswamitra
Ein berühmter Weiser, in der Kriegerkaste geboren; er soll sich durch Strebsamkeit zur Brahmanenkaste aufgeschwungen haben. Er ist einer der sieben großen Rishis (s. S. 27 Anm. 2), die in Indien gelebt haben sollen. ist der Weiseste,
Die heil'gen Schriften er am tiefsten kennt,
Der best' an Wissen und Geschicklichkeit.«
So rief denn Viswamitra man herbei;
Und eines Tags begab sich's, daß der Prinz
Die Tafel von rotbraunem Sandelholz
Ergriff, mit edelsteinbesetztem Rand,
Und sorglich glatt gemacht mit Schmirgelstaub.
Die faßt' er und den Schreibstift, und stand da
Gesenkten Auges vor dem Weisen, der
Sprach: »Kind, schreib diesen Spruch«, und langsam ihm
Den Vers vorsprach, den man Gâyatrî
Ein hochheiliger Vers aus dem Rigveda, der Bibel der brahmanischen Religion, den jeder Brahmane beim Morgen- und Abendgebet aus dem Kopf hersagen mußte. Es ist ein Gebet zur Göttin Savitri, der Sonne. nennt,
Und den ein Hochgeborner nur vernimmt:
Om, tatsaviturvarenyam
Bhargo devasya dhîmahi
Dhiyo yo na prachodayât.
Laßt an Savitri denken uns, Auf daß sie ihr ersehntes Licht Uns spend', ermuntre unsern Geist.
»Acharya
Ehrende Anrede an einen Lehrer., ich schreib'«, erwiderte
Der Prinz voll Sanftmut, und mit raschem Zug
Grub er der Tafel seine Zeichen ein,
Doch nicht in einer Schrift, in mancherlei
Schriftzeichen
Bezeichnung verschiedener Schriftarten, die in den verschiedenen Teilen Indiens vorkommen., in Nagri und Dakshin, Nî,
Mangal, Parusha, Yava, Tirthi, Uk,
Darad, Sikhyani, Mana, Madhyachar,
Der Zeichensprache und der Bilderschrift,
Der Höhlenmenschen Runen und des Volks,
Das an der Küste wohnt, und derer auch,
Die Schlangen dienen in der Felsenkluft,
Und die zur Flamme beten, und zum Kreis
Der Sonne, und der Magier, und die
Auf Pfählen sich ihr schwebend Heim erbaut;
All dieser Völker fremde Zeichen schrieb
Der Knabe sicher mit dem Griffel hin
Und las den Vers in jeder Sprache vor;
Und Viswamitra sprach: »Es ist genug,
Laß uns nun rechnen. Sprich die Zahlen nach,
Bis in der Zählung wir zu Lakh
Eine noch jetzt in Indien übliche Bezeichnung für 100 000. gelangt,
Eins, zwei, drei, vier bis zehn, die Zehner dann,
Bis hundert, tausend«. Und das Kind benannt'
Ihm folgend Fünfer, Zehner, Hundert, ruhte nicht,
Wie er zu Lakh kam, sondern murmelt fort;
»Darauf kommt
Die hier genannten Worte bezeichnen zum Teil mystische Zahlenbegriffe, die einer genauen Erklärung spotten. kôti, nahut, ninnahut,
Kamba, viskhamba, abab, attata,
Bis kumuds, gundhikas und utpalas,
Durch pundarîkas bis zu padumas, –
Mit diesem zählt man Hastagiris
Ein mythischer Berg. Korn,
Wenn es gemahlen ist zu feinstem Staub;
Doch drüber noch hinaus ist eine Zahl,
Das Kâtha, das die Sterne zählt der Nacht;
Das Kôti-Kâtha, das im Ocean
Die Tropfen, Ingga, das des Kreises Rund
Beziffert, Sarvanikchepa, das uns
Berechnet Gangas
Indischer Name des Ganges. Sand, und endlich kommt
Dann Antah-Kalpas, darin wird genannt
Der Sand von zweimal hundert Gangas. Doch
Sucht eine Zahl man, die noch mehr umfaßt,
So steigt die Zählung zu Asankya;
Das ist die Summe aller Tropfen, die
In aller Welt durch steten Regenguß
In zehentausend Jahren fallen; dann
Zu Maha-Kalpas, und in dieser Zahl
Liegt Zukunft und Vergangenheit für Gott.«
»'s ist gut!« rief hier der Weise, »Edler Prinz,
Wenn dies du weißt, ist's nötig, daß ich dich
Erst lehre, wie der Länge Maße sind?«
Bescheiden sprach der Knab': »Acharya!
So hör' mich, bitte
Die zuerst genannten Worte bedeuten verschwindend kleine Maße, es steigt allmählich bis zum yôjana, dem »Morgen«.. Paramânus zehn
Ein parasukshma sind; von diesen zehn
Ein trasarene, sieben trasarenen dann
Ein Sonnenstäubchen; sieben dieser mißt
Die Bartspitz' einer Maus, von diesen zehn
Ein likhya; likhyas zehn ein yuka, zehn
Yukas ein Gerstenherz
Gemeint ist der innerste Kern eines Gerstenkorns., dies siebenmal
Mißt eine Wespentaille; so geht's fort
Zum Mischkorn, Senfkorn, Gerstenkorn.
Davon sind zehn ein Fingerglied, und zwölf
Gelenke eine Spanne, dann gelangt
Zur Elle man, zum Stab, zur Bogenläng'
Und zu des Speeres Länge; aber zwölf
Speerlängen messen einen Atemzug,
Soweit ein Mann mag schreiten, bis die Lung'
Zum zweitenmal er füllen muß; ein gow
Sind vierzig Atemlängen, viermal dies
Ein yôjana; und, Meister, wenn Ihr wollt,
So sag' ich, wie viel Sonnenstäubchen sind
Von End' zu End' in einem yôjana.«
Drauf nannte, raschen Sinns, der kleine Prinz
Die richt'ge Anzahl der Atome ihm.
Doch Viswamitra hört' es, hingestreckt
Aufs Antlitz vor dem Knaben; »Du,« rief er,
»Bist Lehrer deiner Lehrer, – du, nicht ich,
Bist Gûrû
Gûrû = Lehrer.. Holder Prinz, dich bet' ich an!
Du kamst zu mir nur, um zu zeigen klar,
Daß ohne Bücher alles dir bekannt,
Vor allem doch Bescheidenheit.«
Und dies
Hielt Buddha fest in allem Unterricht,
War auch den Lehrern weniger als ihm
Bekannt; und ob auch weise, war er doch
In seinem Wort gefällig; zwar ein Prinz
An Würde, doch im äußern Wesen sanft;
Bescheiden, willig, zärtlichen Gemüts,
Und doch furchtlosen Sinns; kein Reiter war
Im Kreis der Jugend kecker, wenn es galt
Auf furchtsame Gazellen lust'ge Jagd;
Gewandter lenkte keiner das Gespann
Bei edlem Wettstreit in des Schlosses Hof;
Doch oftmals hielt im Spiel er mitten ein,
Und ließ das Wild entfliehn; oft gab er preis
Den halberrungnen Sieg, weil mühevoll
Des Wagens Rosse keuchten, oder weil
Sein Sieg die Mitgespielen traurig macht',
Wohl auch wenn träumerisch, bedeutungsvoll
Ihm durch die Sinne ein Gedanke fuhr.
So wuchs von Jahr zu Jahr in unserm Herrn
Ein mitleidsvoll Erbarmen, wie ein Baum,
Der aus zwei zarten Blättern mächtig sprießt
Und weithin Schatten spendet; nichts jedoch
Von Sorgen, Not und Thränen wußt' er noch,
Als daß es fremde Worte sei'n für Dinge, die
Ein König nimmer fühlt noch fühlen soll.
Doch einst geschah's an einem Frühlingstag,
Daß, nordwärts reisend, wilder Schwäne Zug
Hin übers Schloß des Königs und den Park
Zu nisten eilt' an Himalayas Brust.
Es regten leuchtend sich, vom Liebessang
Beflügelt, ihre Schwingen, Liebe war Pilot, –
Als Devadatta
Eine andere Tradition setzt auch späterhin den Devadatta in Gegensatz zu seinem Vetter, dem Buddha. Er strebt nach der Leitung der Gemeinde und sucht den Meister aus dem Wege zu räumen. Durch Wunder wird dieser vor seinen Nachstellungen bewahrt; schließlich soll Devadatta eine eigene Sekte gebildet haben, der er eine Reihe neuer, verschärfter Gesetze gab., Buddhas Vetter, rasch
Den Bogen spannend, seinen Pfeil verschoß.
Der traf die breite Schwing' des Vordersten,
Weit ausgespannt zum Flug auf blauem Pfad,
So daß er stürzt', den argen Pfeil darin,
Und scharlachrotes Blut besudelte
Das reine Federkleid. Als dies der Prinz
Siddârtha sah, hob er den Vogel auf
Liebreich und bettet' ihn in seinen Schoß,
Die Beine kreuzend, wie ein Buddha sitzt
In der Kunst der Buddhisten pflegt Buddha mit untergeschlagenen Beinen sitzend dargestellt zu werden; dies gilt als die für ihn charakteristische heilige Stellung des Sinnens..
Und, zart besänftigend des Tieres Furcht,
Legt' die zerzausten Federn er zurecht,
Beruhigte sein angstvoll klopfend Herz,
Und koste mit der sanften, milden Hand, –
So weich wie der Platane zartes Blatt,
Das eben aufgerollt, – den Schwan zur Ruh;
Und wie er mit der linken Hand ihn hielt,
Zog mit der Rechten er den scharfen Stahl
Gewandt heraus und legte kühles Laub
Und heilungskräft'gen Honig auf den Schmerz.
Jedoch so wenig kannte noch die Pein
Der Knabe, daß in kind'scher Neugier er
Den Pfeil sich selber drückte ins Gelenk
Und scheu zurückfuhr, von dem Stich erschreckt,
Aufs neu' mit Thränen zu dem Schwan gewandt!
Da kam ein Diener: »Einen Schwan hat hier
Mein Herr erlegt, der in die Rosen fiel;
Ich soll um ihn Euch bitten. Gebt Ihr ihn?«
»Ja,« rief Siddârtha, »wär' der Vogel tot,
So sendet' ich ihn seinem Mörder wohl,
Allein es lebt der Schwan; mein Vetter hat
Die göttergleiche Flugkraft nur zerstört,
Die in der weißen Schwing' sich einst geregt!«
Dagegen Devadatta: »Dem gehört
Das Tier, lebendig oder tot, der es
Mit seinem raschen Pfeil zu Fall gebracht;
Frei war's in Lüften, doch gestürzt ist's mein,
Gieb mir die Beute, lieber Vetter.« Doch
Da drückt' der Prinz des Vogels Hals sich an
Die zarte Wange, und entgegnet' ernst:
»Nicht doch, mein Freund! Der Schwan gehöret mir,
Als erstes aller Wesen ungezählt,
Die mein sein werden durch ein größer Recht,
Der Gnade Recht, der Liebe Herrschermacht.
Denn jetzt erkenn' ich, wie in mir sich's regt,
Daß ich Erbarmen lehren soll die Welt,
Fürsprecher sein der stummen Kreatur,
Zu lindern jene unermess'ne Flut
Von Weh, die nicht den Menschen nur umspült.
Doch wenn sein Anrecht geltend macht der Prinz,
So legt die Frage weisen Männern vor.
Und ihr Gericht entscheide.« So geschah's;
Verhandelt ward die Sache im Diván
Diván, (auf der zweiten Silbe zu betonen) = Ratsversammlung.,
Und mancher meinte dies und mancher das.
Bis sich ein Priester, allen unbekannt,
Vernehmen ließ: »Wenn Leben etwas ist,
So muß dem, der es rettet, ein Geschöpf
Gehören und nicht dem, der es versucht
Zu morden, – Mord vernichtet und zerstört,
Doch wer beschützt, erhält; gebt ihm den Schwan.«
Dies Urteil fanden alle recht; doch als
Der König mit dem Blick den Weisen sucht',
Um ihn zu ehren, war verschwunden er,
Und eine Schlange sahen einige
Von dannen gleiten, – oftmals kommen so
Die Götter! So begann Buddha, der Herr,
Sein Werk der Gnade.
Doch noch war bekannt
Kein ander Leid als jenes Vogels ihm,
Der froh, geheilt, zu seinesgleichen flog.
Doch eines andern Tages sprach der Fürst:
»Komm, lieber Sohn, zu schaun die Zaubermacht
Des Lenzes, wie die Erd', an Früchten reich,
Umworben wird, daß sie dem Schnitter beut
Von ihren Schätzen; wie mein Königreich –
Einst dein, wenn mir der Scheiterhaufen flammt, –
Sich reichlich nährt und seines Königs Truh'
Gefüllt erhält. Schön ist die Jahreszeit,
Mit neuen Blättern, bunter Blüten Pracht
Und grünem Gras, wenn man des Pflügers Ruf
Vernimmt.« So ritten sie ins Land hinein,
Wo Quellen rings und Gärten, wo der Stier
Wohl auf und ab auf fettem, rotem Lehm
Mit starken Schultern in des Jochs Geknarr
Sich müht', den Pflug zu ziehn; es türmte sich
Das fette Land, und von dem Pflug zurück
Rollt' es in langem, glattem Wellenstrich:
Der Pflüger stellte beide Füße auf
Die Pflugschar, wie sie sprang, die Furche tief
Zu machen; zwischen Palmen murmelnd klang
Das Plätschern eines Bachs geschwätzig hell,
Und wo er rann, schmückt' ihn die Erde froh
Mit Balsam und mit grünen Halmen aus.
Ein Sämann dort schritt vorwärts bei der Saat;
Die ganze Dschungel
Dschungel, richtiger Dschangel, die wilde Steppe am Fuß des Himalaya, von Sümpfen erfüllt, mit Schilf und undurchdringlichem Gestrüpp von Schlingpflanzen und Buschwerk bedeckt, dazwischen weite Grasflächen, die im Frühjahr ein reiches Weideland bilden. scholl von Vogelsang,
Viel kleines Leben raschelte im Busch,
Eidechsen, Bienen, Käfer und Gewürm,
Sie alle lockt' der Frühling; Kolibris
Aus Mangozweigen
Der Mangobaum ist ein in den Tropenländern vielfach kultivierter immergrüner Obstbaum. leuchten; und allein
In grüner Schmiede sitzt an seinem Werk
Der laute Kupferschmied; der Merops
Ein in Asien heimischer, dem Eisvogel verwandter Vogel, mit diesem Namen bereits von Aristoteles als Vertilger der Bienen genannt; daher im Original mit dem Namen
bee-eater (Bienenfresser) bezeichnet. macht'
Auf purpurrote Schmetterlinge Jagd;
Eichhörnchen huschten auf dem Boden her,
Die Drosseln gingen prahlerisch dahin,
Die sieben braunen Schwestern
»Die sieben Schwestern« sind eine indische Vogelart (
Malacocercus terricolor Hodgson), so genannt, weil sie stets in Gruppen von sieben leben; sie streiten sich untereinander wie die Fischweiber und dulden keinen fremden Vogel unter sich; in Bombay heißen sie »die sieben Brüder«. schnatterten
Im Dornbusch, und es lauerte am Teich
Der scheck'ge Königsfischer
Königsfischer oder Fischtiger, eine Bezeichnung des Eisvogels.; stolz einher
Schritt auch der Reiher zwischen Büffeln, und
Die Geier kreisten in der goldnen Luft;
Um den bemalten Tempel flogen Pfau'n,
An jedem Bächlein girrt' ein Taubenpaar;
Vom Dorfe fern lud lust'ger Trommelklang
Zu einer Hochzeit; jedes Ding sprach laut
Von Frieden und von Fülle, und der Prinz
Vernahms mit Lust. Doch wie er tiefer blickt',
Sah er die Dornen, die am Rosenstrauch
Des Lebens wachsen: wie um seinen Lohn
Der braune Landmann schwitzt, und mühevoll
Ums liebe Leben ringt, und wie er quält
Im Sonnenbrand das großgeäugte Paar
Der Ochsen, geißelnd ihrer Flanken Samt.
Dann merkt' er auch, wie von der Ameise
Die Eidechs', und hinwiederum von ihr
Die Schlange, und von beiden wieder sich
Der Geier nährt, und wie der Habicht raubt
Die Beute, die der Reiher sich geholt.
Der Würger jagt die Nachtigall, und die
Den bunten Schmetterling; bis überall
Jedwedes Wesen einen Mörder schlug
Und zur Vergeltung selbst erschlagen ward.
Das Leben lebt vom Tod; der holde Schein
Verhüllt ein weites, wildes, grausiges
Verschwörungswerk zu gegenseit'gem Mord,
Das von dem Wurme bis zum Menschen auf,
Der seinen Bruder schlägt, das All beherrscht.
Dies sah Siddârtha, sah den Ackersmann,
Der hungrig seine Kuh zur Arbeit treibt,
Ob auch die Wampen ihr das harte Joch
Verscheuert; sah, wie alles, was da lebt
Im Drang zu leben, bittern Kampf besteht, –
Da seufzt' er tief: »Ist dies die heitre Welt,«
Sprach er, »die man zu zeigen mir versprach?
Wie ist mit Schweiß gewürzt des Landmanns Brot!
Wie hart der Ochsen Knechtschaft! Im Gebüsch
Wie wilder Krieg entbrannt von Starken und
Von Schwachen! In der Luft welch grimmer Streit!
Im Wasser selbst nicht Frieden! Geht beiseit'
Ein wenig, laßt mich sinnen über das,
Was meinen Augen heute ihr gezeigt!«
So sprechend setzte Buddha sich, der Herr,
Im Schatten eines Jambubaums
Der Jambubaum oder Rosenapfelbaum ist in Indien sehr verbreitet; das Land heißt danach in alten Texten
Jambu-dvipa, das Jambuland., gekreuzt
Die Beine, wie ein heilig Götterbild,
Und ob dem Weh, daran das Leben krankt,
Begann zu grübeln er, woher es kommt,
Und wo das Mittel, es zu heilen, sei.
So endlos Mitgefühl erfüllte ihn,
So weite Liebe für die ganze Welt,
So sehnt' er sich zu heilen alle Not,
Daß der Empfindung Glut sein fürstlich Herz
Begeistert über Sinn und Selbst erhob,
Und, rein und frei von allem Irdischen,
Der Knabe sich Dhyâna
»Licht,« dann auch besonders die durch Nachsinnen erzielte Erleuchtung. so errang,
Die erste Stufe seiner heil'gen Bahn.
In dieser Stunde war's, daß in der Luft
Fünf heil'ge Wesen
Die Inder dachten sich die ganze Welt von heiligen Wesen, niederen Klassen des Göttersystems, erfüllt. hoch zu Häupten ihm
Vorüberschwebten; ihnen zitterten
Die Schwingen, als dem Baume sie genaht.
»Welch hohe Macht hemmt uns den schnellen Flug?«
So fragten sie, – denn jede Götterkraft
Wird Geistern offenbar, und ihr Gefühl
Zeigt ihnen an des Reinen Gegenwart.
Herniederblickend sahn sie Buddha dort,
Von ros'gem Glorienschein das Haupt umflammt,
In heilige Gedanken tief versenkt.
Doch aus der Tiefe eine Stimme scholl:
»Der ist's, ihr Rishis
Rishi, eigentlich ein von Gott inspirierter Dichter oder Weiser. Die Inder erzählen von sieben großen Rishis, welche die heiligen Bücher, die Veden, verfaßt haben sollen; ihre Namen werden verschieden angegeben. Hier ist das Wort auf göttliche Wesen der geringeren Art angewandt., der die Welt erlöst,
Schwebt nieder, anzubeten!« Und herab
Gesenkten Fluges kam die Geisterschar,
Und sang dem Herrn zum Preis ein jubelnd Lied;
Dann zog sie weiter mit beschwingtem Flug,
Und that den Göttern frohe Botschaft kund.
Doch einer, der vom König hingesandt
Den Prinz zu suchen kam, fand ihn noch dort
In tiefem Sinnen, ob auch längst vorbei
Der Mittag war, und sich die Sonne schon
Die Berg' im Westen zu erreichen eilt'.
Allein, wie auch die Schatten rückten vor:
Stets unbewegt blieb der des Jambubaums
Gebreitet über Buddhas heil'ges Haupt,
Und schützt' ihn vor der Sonne schrägem Strahl;
Und der dies sah, hört' einer Stimme Ruf,
Der aus den Rosenapfelblüten klang:
»Nicht störe jetzo deines Königs Sohn!
Von seinem Haupt weicht nicht mein Schatten, bis
Der Schatten aus der Seele ihm entwich.«