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Als achtzehn Jahr geworden unser Herr,
Befahl der König, zu erbau'n für ihn
Drei prächt'ge Häuser, ein gezimmertes
Von Balken, ausgelegt mit Zedernholz,
Für Wintertage warm; ein andres dann
Von buntem Marmor, kühl in Sommers Glut;
Und eins von Backstein, zierlich ausgeschmückt
Mit blauen Ziegeln, angenehm zur Zeit
Des Frühlings, wenn der Champak
Der indische Jasmin. Blüten treibt:
Subha, Suramma, Ramma hießen sie.
Rings zauberische Gärten dufteten,
Es rauschten Ströme fessellos vorbei,
Und Moschussträucher breiteten sich aus;
Manch Lusthaus glänzte, mancher freie Platz.
Und zwischen all der neuen Herrlichkeit
Trieb sich Siddârtha nach Belieben um,
Jedwede Stunde bot ihm neue Lust;
Wohl frohe Tage kannt' er, überreich
Das Leben schien dem jugendraschen Blut.
Doch immer kam der Schatten ihm zurück
Des finstern Grübelns, wie der Silberglanz
Des Sees sich trübt von eil'ger Wolken Zug.
Der König sah's und seine Rät' er frug:
»Gedenkt ihr noch, was jener Rishi sprach,
Und was die Traumausleger kündeten?
Dies Kind, das teurer als mein Herzblut mir,
Soll allgewaltig herrschen und den Fuß
Auf aller Feinde Nacken setzen, selbst
Von Königen ein König, – dies erhofft
Mein Herz; – doch wenn er diese Bahn verschmäht,
So muß er gehn den traurig düstern Pfad
Der Selbstverleugnung, der Kasteiungen,
Verlierend alles, was zu halten wert,
Gewinnend – niemand weiß welch andres Gut.
Schon blickt inmitten meiner Schlösser Pracht
Sein Aug' verlangend aus nach
diesem Pfad!
Doch ihr seid weise, gebt mir euren Rat;
Wie führ' ich ihn auf jene stolze Bahn
Zurück, die ihm gebührt, daß sich erfüllt,
Was ihm geweissagt, daß die Erde er
Beherrschen soll, wenn er nur herrschen will?«
Da sprach der Ält'ste: »Maharaja
Maharaja (spr. Maharadscha) = Großkönig, noch jetzt als Fürstentitel in Indien gebräuchlich., nur
Die Liebe solchen Trübsinn heilt; drum laßt
Des Weibes Zauberkunst umspinnen ihm
Sein müßig Herz. Was weiß der edle Prinz
Bis jetzt von Schönheit? was von Augen, die
Den Himmel selbst vergessen machen? was
Von holder Lippen süßem Küssespiel?
Sucht schöne Frauen ihm und liebliche
Gespielen; und der Hirngespinste Macht,
Die ihr mit eh'rnen Ketten nicht bezwingt,
Leicht bindet eines Mädchens Locke sie.«
Dies deuchte allen, doch der König sprach:
»Wenn
wir ihm Frauen suchen, – oftmals wählt
Mit anderm Aug' die Liebe; aber wenn
Wir von ihm heischen, zu durchwandern selbst
Der Schönheit Garten und zu pflücken, was
Ihm wohlgefällt, so wird er lächelnd scheu'n,
Zu kosten eine Lust, die er nicht kennt.«
Da sagt' ein andrer: »Nur so lange streift
Der Barasingh
Barasingh (
Cervus Wallichii Cuvier) ist eine Art Hirsch. umher, bis ihn ereilt
Verhängnisvoll der schnelle Pfeil; so wie
Gering'ren Geistern, wird dem Prinzen auch
Ein Reiz, ein Angesicht zum Paradies,
Und schöner dann erscheint ihm die Gestalt
Als ros'ge Morgendämmrung, wenn die Welt
Sie weckt. Und dies, mein König, sollt ihr thun!
Befehlt ein Fest, wo alle Jungfrauen
In Eurem Reich Preiswerber sollen sein
In Spielen, wie das Sâkya-Volk sie übt,
Um Jugendschönheit. Und den Schönen soll
Der Prinz die Preise reichen; aber wenn
Die holden Siegerinnen seinem Sitz
Sich nah'n, so laßt ihn scharf, doch unbemerkt
Bewachen, ob bei einer oder zwei'n
Der stete Trübsinn von der Stirn ihm weicht;
So wählen mit der Liebe eignem Blick
Wir für die Liebe, und mit frommer List
Geleiten wir den Prinzen in sein Glück.«
Der Plan fand Beifall; darum eines Tags
Berief der Herold, was da jung und schön,
Hin zum Palaste; denn es war Befehl
Zu hoher Lustbarkeit, Siddârtha selbst
Die Preise würd' austeilen, jedermann
Ein reich Geschenk, die reichste Gabe doch
Der Allerschönsten. Also strömten bald
Kapilavastus
Kapilavastu oder Kapilavatthu, »Rotboden«, nach der roten Erde, die noch jetzt unter dem später angeschwemmten Land, zu finden ist. Jungfraun zu dem Schloß,
Das dunkle Haar geglättet und geschürzt,
Die Wimpern glänzend von dem Surmastab
Surma (persisch) ist Antimonium in Pulver gerieben, das zum Färben der Augenlider verwandt wird.,
Gebadet und gesalbt, aufs heiterste
Gekleidet, und mit Rot aufs neu' gefärbt
Die Sitte des Schminkens war in Altindien sehr verbreitet.
Die schlanken Händ' und Füße; aufgelegt
Die Tilkapflaster
Tilka- oder Tilakapflaster, das Sektenzeichen, war bald rund, bald länglich geformt; es diente auch zum Frauenschmuck. auch zu höchstem Glanz.
Schön war es, Indiens Mädchen so zu sehn,
Wie sie, die dunklen Augen sittiglich
Zur Erde senkend, langsam an dem Thron
Vorüber schritten; denn sobald sie sahn
Den Prinzen, schlug ihr klopfend Herz von mehr,
Als nur von Ehrfurcht vor der Majestät.
Er saß so ruhig, ohne Leidenschaft,
Liebreich und doch erhaben. Jed' empfing
Gesenkten Aug's die Gabe, wagte nicht
Ihn anzuschaun, und wenn der Jubelruf
Des Volks sie höher pries und würdiger
Der Königsgnad' als die Gespielinnen,
Berührte, scheu wie die Gazelle, sie
Die güt'ge Hand, und floh zurück sogleich
Zu den Gefährten, zitternd ob der Gunst;
So heilig schien er und so göttergleich,
So hoch erhaben über ihrer Welt.
So schritten sie vorbei, ein schönes Kind
Dem andern nach, ein reicher Blütenflor;
Schon war am Ende dieser blum'ge Lenz,
Verteilt die Preise, als zuletzt heran
Yasôdhara, die junge, kam; da sahn,
Die bei Siddârtha standen, wie der Prinz
Zurückfuhr, als das holde Mädchen naht'.
Leicht war ihr Schritt und himmlisch die Gestalt;
Die Augen wie der Hindin Liebesblick;
So schön das Angesicht, daß Worte nicht
Den Zauber malen; und von allen sie
Allein, die Hände faltend auf der Brust,
Sah voll den Jüngling an und beugte nicht
Den stolzen Nacken. »Giebt es wohl für mich,«
So fragte lächelnd sie, »noch ein Geschenk?«
»Verschenkt sind alle Preise,« gab zurück
Der Prinz, »doch nimm an ihrer Stelle dies,
O Schwester, deren Anmut unsrer Stadt
Zur Zier gereicht«; und damit löst' er sich
Die Kette aus Smaragden von dem Hals,
Wand selber drauf die grünen Perlen um
Den dunkeln, samtnen Nacken ihr, – es traf
Ihr Blick sich, und aus diesem Blick erblüht'
Die Liebe.
Lang' danach, als über ihn
Erleuchtung schon gekommen, und man ihn
Befragte, wie sein Herz doch also schnell
In Lieb' entbrannte zu dem Sâkya-Kind,
Erwidert Buddha: »Fremd nicht waren wir,
Wie es doch uns und allen schien; in lang'
Vergangnen Zeiten spielt' ein Jägerssohn
Bei Yamuns
Yamun oder Yamunâ, der größte Nebenfluß des Ganges. Quell, wo Nandadevi
Ein Berggipfel im Himalaya. steht,
Mit Waldesmädchen, übt' Schiedsrichteramt,
Indes sie jagten unter Tannen hin
Gleich Hasen, die am Abend spielend sich
Im Kreise jagen; eine kränzte er
Mit Sternenblumen; eine andere
Mit Federn des Fasans und Dschungelhuhns;
Mit Tannenzapfen eine dritte; doch
Die Letzte war die Erste ihm, und ihr
Gab er ein zahmes Reh und mit dem Reh
Sein Herz und seine Liebe. So im Wald
Beisammen lebten sie manch schönes Jahr
Und starben auch im Walde, ungetrennt.
Und sieh! wie oft nach Jahren regenlos
Verborgner Sam' emporsprießt an das Licht,
So sprießt auch Gut' und Böses, Leid und Lust,
Der Haß, die Liebe, die vergangne That,
Aufs neu' hervor mit hell' und dunklem Blatt,
Mit süßer oder bittrer Frucht zum Licht.
So war ich er, und sie – Yasôdhara;
Und wie des Lebens Rad sich drehte, so,
Was einst gewesen, mußte wieder sein.«
Die Lehre von der Seelenwanderung, die hier und im Folgenden mehrfach berührt wird, ist eine der Grundlehren der buddhistischen Religion.
Doch die des Prinzen achteten, wie er
Die Preise gab, erzählten alles wohl
Dem König, wie Siddârtha achtlos saß,
Bis ihm genaht des Suprabuddha
Suprabuddha, Yasôdharas Vater, tritt in der Legende als König von Koli und Verwandter des Suddhôdana auf. Kind,
Yasôdhara, und wie, als plötzlich er
Sie sah, sein Antlitz sich verwandelte;
Wie sie auf ihn geblickt und er auf sie;
Von dem Geschmeide; und was mehr als das
Ihr Blick verriet.
Der König lächelte:
»Sieh, einen Köder fanden wir; habt acht,
Daß wir damit aus seinem Wolkenflug
Den Falken locken. Sendet Boten aus
Und laßt sie werben um das holde Kind,
Für meinen Sohn.« Doch bei den Sâkyas
War ein Gesetz: wer um ein Mädchen warb
Aus edlem Hause, schön, begehrenswert,
Der mußt' in kriegerischen Künsten erst
Bewähren gegen alle Freier, die
Ihn fordern mochten, seine Tapferkeit;
Und selbst ein König brach die Sitte nicht.
Drum sprach ihr Vater: »Sagt dem Könige:
Umworben ist von Prinzen nah und fern
Mein Kind; wenn aber dein erlauchter Sohn
Den Bogen besser spannt als sie und schwingt
Das Schwert und auf des Rosses Rücken sitzt,
So ist der Beste er, der Beste uns.
Doch wie soll dies bei seiner träumerisch
Weltabgewandten Lebensart geschehn?«
Da war des Königs Herz betrübt; umsonst
Warb nun der Prinz um Schön Yasôdhara,
Denn Devadatta war der beste Schütz,
Ardjuna
Ardjuna »der Weiße« ist vom Dichter aus einer verwandten Legende vom Freierkampf in die Buddhalegende übertragen. meistert' jedes feur'ge Roß,
Und Nanda
Nanda ist nach der Legende ein Sohn des Suddhôdana, also Siddârthas (Halb-)Bruder. war der Erst' im Schwerterspiel;
Jedoch Siddârtha lachte still und sprach:
»Auch diese Dinge sind mir wohlbekannt;
Verkünde nur, daß in des Kampfes Spiel
Dein Sohn bestehen will die Freier all.
Nicht soll mir, denk' ich, die Geliebt' entgehn
Um ihretwillen.« Also rief man aus,
Daß Prinz Siddârtha auf den siebten Tag
Zum Streite fordre jeden, der begehrt
Mit ihm zu messen sich im Männerkampf;
Der Preis des Siegers sei Yasôdhara.
So kamen denn nach sieben Tagen dort
Zusammen edle Herrn des Sâkya-Volks
Zum Maidân
Arabisches Wort, bedeutet einen freien Platz., von der Meng' aus Stadt und Land
Umringt; und auch die Jungfrau fand sich ein
Mit den Verwandten, bräutlich angethan;
Die bunte Sänfte ward gezogen von
Goldhörn'gen Ochsen, zierlich aufgezäumt
Mit Blumen, und begleitet von Musik.
Und Devadatta, königlichen Bluts,
Erschien als Freier ihr, Ardjuna auch
Und Nanda, beid' aus adligem Geschlecht,
Die Blume sie der ganzen Jünglingsschar.
Dann kam der Prinz auf seinem weißen Roß
(Er nannt' es Kantaka
Kantaka, »der König der Hengste«, das in der Legende vielgepriesene Roß des künftigen Buddha.); es wieherte,
Wie über all das fremde Volk erstaunt.
Siddârtha auch verwundert blickte auf
Die große Menge, unterthänig all,
Ungleich den Kön'gen hausend, und vielleicht
Doch ihnen gleich in Freude und in Schmerz.
Nun aber sah er Schön Yasôdhara,
Und lächelnd zog er fest den seidnen Zaum,
Sprang ab vom breiten Rücken Kantakas
Und rief: »Der ist nicht dieser Perle wert,
Der nicht der Würdigste; so laßt mich nun
Den Nebenbuhlern zeigen durch die That,
Ob es zu kühn war, daß ich sie gefreit.«
Da fordert' Nanda ihn zum Bogenkampf
Und setzt' ein eh'rnes Becken hin als Ziel,
Sechs Gows
Ein Längenmaß. entfernt; gleich weit Ardjuna eins;
Und Devadatta seins acht Gows entfernt.
Doch Prinz Siddârtha bat sie zehn Gows weit
Sein Ziel zu setzen, bis es schien, als sei
Ein Muschelpfennig
Als kleinste Münze wurde bei den Indern eine Art von Muschelschalen gebraucht. statt der Zielscheib' da.
Dann schossen sie, und Nanda traf sein Ziel,
Ardjuna seins, und Devadatta trieb
Durch beide Seiten seines Ziels den wohl
Gelenkten Schaft, so daß die Menge ihm
Bewundernd jauchzte; und Yasôdhara
Ließ angstvoll nieder übers Angesicht
Den goldnen Sari
Sari, die gewöhnliche Tracht der Hindufrauen; ein langes Stück Tuch, um den Körper gewunden und über den Kopf gezogen., um es nicht zu sehn,
Wie ihres Prinzen Pfeil beiseite irrt.
Doch er, den Bogen von lackiertem Rohr
Ergreifend, der bespannt mit Silberdraht,
Den eines Helden starke Arme nur
Vermochten eine Spanne anzuziehn, –
Er knipst' und lacht', und die gedrehte Schnur
Zog an er, bis die Hörner sich berührt,
So daß der Steg zerbrach; dann sagt' er: »Dies
Ist Spiel, nicht Liebeswerben; giebt es nicht
'Nen Bogen, wie er edlen Sâkyas ziemt?«
»Da liegt im Tempel, seit, ich weiß nicht wann,«
Sprach einer, »Sinhahânus
Nach der Überlieferung der Vater des Königs Suddhôdana. Bogen noch,
Den niemand kann beziehen, noch wenn er
Bezogen, spannen.« – »Holt mir,« rief der Prinz,
»Solch edle Waffe, wie dem Mann sie ziemt!«
Den alten Bogen brachten sie, gemacht
Aus schwarzem Stahl, mit goldnem Rankenwerk
Die Arme eingelegt, gewaltig wie
Des Büffels Hörner; zweimal überm Knie
Versuchte seine Kraft Siddârtha; dann
Sprach er: »Schießt nun mit diesem, Vettern!« Doch
Sie konnten selbst um eine Hand breit nicht
Die störr'gen Arm' einander näher ziehn.
Da lehnte leicht der Prinz sich auf und bog
Die Waffe, hängt' genau die Sehne ein,
Und knipste scharf, so daß sie weit ins Land,
Wie Adlerflug die Luft durchschrillend, tönt,
So klar und laut, daß mancher jenes Tags,
Der krank daheim saß, fragte: »Welch ein Klang
Ist dies?« Und dann ward ihm erwidert wohl:
»Von Sinhahânus Bogen ist's der Klang,
Den hat des Königs Sohn gespannt und will
Mit ihm jetzt schießen.« Einen guten Pfeil
Wählt' nun der Prinz sich aus und spannt' und schoß;
Und durch die Luft hin flog der Pfeil und traf
Grad' in das fernste Ziel und fuhr hindurch
Weit übers Feld hinstreifend, wo kein Aug'
Ihn mehr erreichte.
Nun zur Probe mit
Dem Schwerte fordert' Devadatta ihn,
Und spaltet' eines Talasbaumes
Talas oder Talipat (
corypha umbraculifera), eine besonders schöne schlank aufstrebende Palmenart. Stamm,
Sechs Zoll stark; doch Ardjuna sieben, und
Durch neun Zoll starken Baum schlug Nandas Schwert.
Allein zwei solche Stämme wuchsen bei
Einander, und Siddârthas Klinge schnitt
Mit einem Flammenstreich sie beide durch,
Haarscharf, und doch so glatt, daß aufrecht stehn
Die graden Stämme blieben; siegesfroh
Rief Nanda: »Seht, sein Schwert ist abgeprallt!«
Aufs neue zitterte die Jungfrau da,
Als sie die Bäume stehn sah unbewegt;
Bis endlich nun die Geister in der Luft,
Die alles wohl bemerkt, von Süden her
Mit leichtem Odem bliesen, und alsbald
Zur Erd' die Kronen krachten, glatt gefällt.
Dann brachten feur'ge Rosse sie herbei
Von edler Art, und jagten dreimal sie
Rund um den Maidân, aber Kantaka
Ließ auch das schnellste weit zurück – so flink,
Daß, eh' der Schaum von seinem Maule fiel,
Er zwanzig Lanzenlängen flog; allein
Es meinte Nanda: »Uns auch wär' der Sieg
Mit solchem Roß wie Kantaka; so holt
Ein ungezähmtes Roß und laßt uns sehn
Wer sich'rer aufsitzt.« Also ward gebracht
Ein Hengst, schwarz wie die Nacht, gehalten von
Dreifachem Kettenzaum, mit Feuerblick
Und weiten Nüstern, wildem Mähnenhaar,
Noch unbeschlagen, ungesattelt, denn
Kein Reiter hatt' ihn noch berührt; es sprang
Der Jüngling' jeder dreimal auf, allein
Wild bäumte sich das Tier und warf ihn ab
In Staub und Schmach; und nur Ardjuna hielt
Den Sitz ein Weilchen, bat zu lösen ihm
Die Ketten, peitscht', und schüttelte den Zaum
Und hielt den Stolzen fest mit Meisterhand,
So daß im Sturm von Zorn und Wut und Furcht
Der wilde Hengst einmal den Plan durchrast,
Schon halb gezähmt; doch plötzlich wandt' er sich
Die Zähne bleckend, packte bei dem Fuß
Ardjuna, zerrt' herab ihn, und hätt' ihn
Vielleicht getötet, wenn die Knechte nicht,
Das Tier zu fesseln, schnell herbeigeeilt.
Da riefen alle: »Laßt Siddârtha nicht
Befassen sich mit diesem wilden Bhut
Böser Geist, wie er in Bäume und Tiere fährt, um den Menschen Übles anzuthun.,
Des Zornmut ist wie Sturmeswehn, sein Blut
Wie rotes Feuer«; doch es sprach der Prinz:
»Entfernt die Ketten, laßt mich fassen nur
Das Stirngelock«; das hielt er ruhig fest
Mit sicherm Griff, und sprach ein leises Wort,
Legt' auf die Augen seine rechte Hand
Dem Hengste, und strich sanft damit hinab
Zum Maule, streichelte den Nacken auch
Und die wild klopfend aufgeregte Brust,
Bis man erstaunt das rabenschwarze Roß
Sich beugen sah und sanft ergeben stehn,
Als kennt' er unsern Herrn und diente ihm.
Auch regt' sich's, als Siddârtha aufstieg, nicht;
Dann ließ verständig lenken sich's vom Zaum
Und von dem Druck des Knies vor aller Welt,
So daß man sagte: »Enden laßt den Streit,
Siddârtha ohne Frag' der Beste ist«.
Und jeder Freier sprach: »Der Best' ist er!«
Der Jungfrau Vater, Suprabuddha selbst
Sprach: »Diesen Ausgang wünscht' ich insgeheim,
So ist der Beste der Geliebteste.
Doch welche Zauberkraft hat dich gelehrt
In Rosenlauben und in Träumerei'n
Von Mannheit mehr, als diese Krieg und Jagd
Und weltlich Thun? So nimm denn hin, mein Prinz,
Den du gewonnen hast, den holden Schatz.«
Dann, auf ein Wort, erhob von ihrem Platz
Das schöne Hindumädchen sich, – sie saß
Erhöht ob allem Volk, – nahm einen Kranz
Von Môgra-Blumen
Gefüllter Jasmin., und mit leichter Hand
Ließ sie den Schleier, gold und schwarz gewebt,
Herniederfallen übers Angesicht.
Dann stolzen Schritts, den Jünglingen vorbei,
Kam zu dem Ort sie, wo Siddârtha stand
In göttergleicher Anmut. Von dem Hengst
War abgestiegen er, doch dieser bog
Den stolzen Hals sanft unter seinen Arm.
Sie neigt' dem Prinzen sich, entschleierte
Ihr himmlisch Antlitz, freudig, lieberglüht,
Und hängt' den duft'gen Kranz um seinen Hals;
Das schöne Haupt sie lehnt' an seine Brust;
Und als, die Füße zu berühren ihm,
Sie nun sich niederbeugte, leuchteten
Die Augen ihr von Glück und frohem Stolz.
»Geliebter Prinz, dein bin ich, nimm mich hin!«
So sprach sie, und der Menge Jubelruf
Erscholl, als man sie gehn sah Hand in Hand
Und Herz mit Herz vereint; und wiederum
Verhüllte sie der Schleier schwarz und gold.
Nach langen Jahren – als dem Buddha schon
Erleuchtung war gekommen – fragten ihn
Die Jünger über alles dies, warum
Schwarzgold ihr Schleier, und ihr Schritt so stolz.
Der Allverehrte gab zurück: »Auch mir
War dieses unbekannt, wenngleich mir's schien
Als wüßt' ich's halb und halb; denn wie das Rad
Des Lebens und des Todes kreisend rollt,
So kehrt vergangne That, vergessener
Gedanken und begrabner Leben Schar
Aufs neue in das Licht des Tags zurück.
Jetzt wohl erinnr' ich mich, – Myriaden Mal
Ist schon seitdem die Regenzeit genaht, –
Daß einst (ein Tiger war ich damals) in
Dem Wald ich streifte an Himâlas
Himâla = Himalaya. Hang
Mit meinesgleichen, hungrig und gefleckt.
Ich, der jetzt Buddha, kau'rt im Kusagras
Eine heilige Grasart, die man zum Bestreuen des Opferplatzes benutzte.;
Mit Augen, grünlich funkelnd, lauert' ich
Den Herden auf, die um mein Lager, nah'
Und näher ihrem Tode, weideten;
Dann schlich ich unterm Sternenhimmel aus
Nach Beute gierig, unersättlich wild,
Und spürte aus den Pfad von Mensch und Wild.
Und bei den Tieren, denen ich gesellt,
Wie ich in tiefer Dschungel und im Ried
Sie traf, war eine Tigerin, im Wald
Die allerschönste; und um ihre Gunst
Erwuchs ein Streit den Tigern. Und mit Gold
Und schwarz verbrämt war ihre Haut, so wie
Der Schleier, den für mich Yasôdhara
Getragen. Heiß entbrannte da im Wald
Der Kampf mit Zahn und Klau', indes, so stolz
Umworben, zuschaut' unter einem Baum
Die schöne Tig'rin, wie wir bluteten.
Und wohl gedenk' ich, wie am Schlusse sie
Mir zärtlich schnurrend naht', vorüber an
Den Herrn des Waldes, die zerrissen ich,
Im Kampfe Sieger. Schmeichelnd leckte sie
Die atemlose Brust mir, folgte dann
Mir liebend in die Wildnis, stolzen Schritts.
Bald auf, bald nieder rollt des Lebens Rad.«
So ward als willig Eigentum die Maid
Dem Prinzen nun gegeben, und sobald
Glückbringend der Gestirne Stand erschien, –
Mesha, der Widder, war des Himmels Herr, –
Hielt Hochzeit man, so wie bei Sâkyas Brauch;
Das goldne Gadi
Über die Hochzeitsgebräuche bei den Hindu vgl. »Evangelisches Missionsmagazin,« Jahrg. 1888, S. 481 ff. Das Gadi ist ein Metallgefäß; Attar ist Blumenessenz, speziell Rosenöl; die Mantras sind heilige Verse aus den Veden, zum liturgischen Gebrauch eingerichtet. stellt' man, breitete
Den Teppich, hängte Festguirlanden auf,
Umwand mit Perlenschnüren sich zum Fest
Die Arme, schnitt den süßen Kuchen an,
Warf Reis und Attar aus, ließ schwimmen auch
Strohhalme zwei auf rot gefärbter Milch –
(Wenn schwimmend sie einander kommen nah,
So soll's bedeuten: »Liebe bis zum Tod«) –
Und dreimal sieben Schritte that man um
Das Feuer, reicht' auch eine Gabe dar
Den heil'gen Männern, gab Almosen und
Dem Tempel, was sich ziemt, ließ singen auch
Die heil'gen Mantras, knüpfte das Gewand
Zusammen fest von Braut und Bräutigam.
Dann sprach der greise Vater: »Edler Prinz,
Sie, die die Unsre war, gehört hinfort
Nur dir allein; sei ihr ein güt'ger Herr,
Die ganz in dir ihr Leben nun beschloß.«
Dann brachten heim sie Schön Yasôdhara
In ihres Prinzen Arm mit Sang und Schall,
Und alles füllt' die Liebe nun.
Allein
Nicht traut' der König ganz der Liebe Macht;
Er ließ ein Haus erbauen stolz und schön,
Die Liebe einzuschließen, also daß
Dem Lustort für den Prinzen, Vishramvan
Vishramvan bedeutet »Ruheplatz«.,
Kein Wunder gleichkam; mitten in dem Park
Ein Hügel ragt' empor mit saft'gem Grün,
Rohini
Ein am Abhang des Himalaya entspringendes Flüßchen, welches noch heute, nach über 2000 Jahren, denselben Namen trägt; es mündet bei Gorukpore, etwa 100 engl. Meilen nördlich von Benares, in den Fluß Rapti. plätscherte um seinen Fuß,
Die murmelnd rauscht vom Himalaya, und
Sich weiterhin mit Gangas Wellen mischt.
Nach Süden schloß die Welt ein Dickicht aus
Von Sâl-
Der Sâlbaum (
Shorea robusta Wat.) ist ein in Indien sehr gewöhnlicher Baum, sodaß
sâlo im Pali »Baum« überhaupt bedeutet. und Tamarindenbäumen
Tamarinde, ein in Indien heimischer Baum mit weißlichen, duftenden Blüten, dessen Mark einen wichtigen Handelsartikel für Indien bildet., dicht
Besetzt mit Ganthiblumen
Eine in den Palitexten vorkommende Pflanzenart; welche Pflanze gemeint sei, weiß man nicht. himmelblau;
Es tönte lauter nicht der Stadt Gesumm
Im Wind herüber, als in Büschen fern
Die Bienen summen. Nordwärts ragt' empor
In fleckenlosem Weiß Himâlas Wall,
Vom Blau des Himmels scharf abzeichnend sich,
Weglos und ohne Grenzen, wunderbar;
Sein weites Hochgebiet, sein luftig Reich
Von Kamm und Klippe, Stein und Felsenbank,
Von grünem Hang und eisig starrem Grat,
Von jähem Abgrund und zerspaltner Schlucht
Ließ den Gedanken steigen hoch empor,
Und immer höher, bis er glaubt' zu stehn
Im Himmel droben, und mit Göttern Red'
Und Wort zu tauschen. Dunkler Wälder Pracht
War unterhalb der schneebedeckten Höhn
Gebreitet und von niederdonnernd wild
Bewegten Katarakten eingefaßt, –
Wie Schleier zogen Wolken drüber hin.
Noch tiefer grünten Roseneichen und
Ein Hain hochstämm'ger Fichten wo der Schrei
Des Panters und das Locken des Fasans
Im Echo wiederhallte, im Gestein
Der wilden Schafe Fußtritt, und der Ruf
Des Aars, der droben seine Kreise zieht.
Doch unten lag die Ebn' in lichtem Glanz
Wie zum Gebet ein Teppich
Die Buddhisten breiten, wie auch die Mohammedaner, zum Gebet einen Teppich aus, auf dem sie niederknien. an dem Fuß
Des heiligsten Altars. An diesem Ort
Ein prächtig Lusthaus nun errichtet ward;
Terrassenförmig stieg der Hügel auf,
Des Spitz' es krönte, jederseits verwahrt
Mit Türmen, und von Säulengängen rings
Umgeben. In die Balken schnitzte man
Legenden ein aus längst vergangner Zeit
In Indien pflegte man die Fassaden vornehmer Häuser aus Holz, oft sehr kunstreich, zu schnitzen. Eine Sammlung erlesener Beispiele dieser Art befindet sich im India Museum zu London, South Kensington.,
Radha und Krishna und der Nymphen Schar
Als der Gott Krishna (so berichtet die indische Sage) als Hirt auf Erden weilte, war die schöne Radha seine Gattin. –
Sita und Hanuman und Draupadi
Sita (»die Furche«), Göttin und Gemahlin des Gottes Rama, Symbol des gefurchten und fruchtbringenden Ackerlandes. – Hanuman, göttliches Wesen in Gestalt eines Affen; galt als Gott der Magie, Heilkunde und Grammatik. – Draupadi, indische Königstochter, von deren wunderbaren Schicksalen die Sage viel erzählt.;
Und an dem mittlern Thor Gott Ganesha
Ganesha galt den Indern als Sohn des Gottes Shiva und als Gott der Weisheit. Er wurde dargestellt als ein dicker Mann mit dem Kopfe eines Elefanten und vier Händen; in der ersten hielt er eine Muschel, in der zweiten einen Diskus, in der dritten eine Keule, in der vierten eine Wasserlilie.,
Mit Scheib' und Haken, – Weisheit zu verleihn
Und Reichtum – gnädig saß und streckte vor
Des Rüssels Windungen. Durch schlängelnde
Parkwege und den Hof erreichte man
Das innre Thor, es war von Marmorstein,
Schneeweiß mit roten Adern; Lazuli
Der Thürsturz war; die Thore Sandelholz,
Mit schön bemaltem Fachwerk eingelegt;
Die Schwelle Alabaster; über sie
Trat ein in luft'ge Hallen, schattige
Gewölb' in heitrer Lust der Fuß, auf reich
Geschmückten Stufen, und durch Galerien,
Umgrenzt von schön durchbrochnem Gitterwerk;
Da sprangen unter dem bemalten Dach
Und zwischen gruppenweis verteilten Reihn
Von Säulen kühle Brunnen, rings umsäumt
Mit Lotosblumen und Nelumbo
Nelumbo (
Nymphaea Nelumbo), die indische Seerose, ist eine den Lotos verwandte Wasserpflanze mit prachtvollen roten oder weißen Blüten, die auf schlanken Stielen aus dem Wasser hervorragen.; und
Es schimmerten in dem krystall'nen Naß
Die schönsten Fische, scharlach, gold und blau.
Großäugige Gazellen weideten
Auf sonn'gem Platz am blüh'nden Rosenstrauch;
Und Vögel schwangen sich mit schillerndem
Gefieder zwischen Palmen hin; ihr Nest
Am goldnen Simse bauten ungestört
Graugrüne Tauben; und die bunte Pracht
Des Schweifes zogen Pfauen stolz dahin
Auf marmorhellem Estrich; ruhig sahn
Milchweiße Reiher zu und Käuzchen klein.
Gesträubt die Federhaube, kletterten
Von Frucht zu Frucht die Papagei'n, es schwirrt'
Im blumigen Revier der Kolibri;
Die flinke Eidechs' auf dem Gitterwerk
Furchtlos sich sonnt', es spielten zahm umher
Eichhörnchen, nahmen Futter aus der Hand, –
Und Frieden überall! Im blüh'nden Mohn
Sonnt' schläfrig ihre Glieder, sonst so scheu,
Die schwarze Unke, die dem Haushalt Glück
Verleiht, – von Moschustieren froh umspielt;
Und mit den Krähen schäkerten vergnügt
Braunäug'ge Affen. Und das ganze Haus
Der Liebe war gar wohl mit reizender
Bedienung hold belebt, daß überall
Dem schönen Aufenthalt man fand gesellt
Ein schönes Angesicht und will'gen Dienst
Und sanfte Rede; froh ein jedes war
Bestrebt, nur zu erfreuen, und die Lust
Mit Lust zu sehn, und im Gehorsam stolz;
So glitt das Leben unvermerkt dahin,
Gleich wie ein sanfter Strom durch Blumen fließt,
Und Kön'gin war in diesem Zauberreich
Yasôdhara.
Allein im Innersten
Des Hauses, hinter all der Hallen Pracht,
Ein heimlich Zimmer lugte, wo die Kunst
Verschwendrisch ihre Gaben ausgestreut,
Um in phantastisch süßen Liebestraum
Den Sinn zu wiegen. Ein viereck'ger Raum,
Vom Himmel überwölbt, war Vorgemach;
In seiner Mitt' ein Wasserbecken war,
Gefügt aus grauem Marmor, ausgelegt
Mit Platten weißen Marmors; um den Rand
Und auf den Stufen, oben auch am Fries
Lief von Achat ein kostbar Mosaik.
Kühl wie auf Schnee ging hier zur Sommerszeit
Der Fuß, und hold vertändelt' sich der Tag.
Von oben glitzerte der Sonne Gold
Und schlüpft' herein verstohlen durch die Thür,
Vom Schatten sanft gemildert, silberfarb
Und dämm'rig, gleich als ob der lichte Tag
Hier endet an der Wölbung Thor, und sich
In Still' und Lieb' herab der Abend senkt;
Und hinter jenem Thor die Kammer war,
Gar süß verschwiegen, wunderbar zu schaun!
Von duft'gen Lampen goß ein sanftes Licht
Gedämpft sich aus durch bunte Scheiben von
Perlmutter und vielfarb'gem Edelstein,
Auf goldne Decken und auf seidnes Pfühl,
Darüber schwer ein prächt'ger Vorhang fiel,
Der nur sich aufthat vor der schönsten Frau.
Hier, ob es Nacht, ob Tag – nicht wußte man's,
Denn immer strömte dies gedämpfte Licht,
Glanzvoller als der Sonne Aufgang, doch
So himmlisch mild wie Abendsonnenschein;
Und immer wehte süßen Hauch die Luft,
Erfrischender als Morgenwind, und doch
Kühl wie der Atemzug der Mitternacht;
Und Tag und Nacht die Laute liebend klagt',
Und Tag und Nacht war reicher Überfluß
Von leckern Speisen, Früchte, frisch bethaut,
Sorbet, gekühlt mit Himalayas Schnee,
Und süße Zukost von erlesner Art,
Mit Kokosmilch im eignen Trinkgefäß.
Und Tag und Nacht der schönsten Mädchen Schar
Den Trunk kredenzte und die Cymbeln schlug,
Der Liebe schwarzgeäugte Dienerschaft;
Und sank der Prinz in all der Seligkeit
In Schlummer, fächelten sie Kühlung zu,
Und wacht' er auf, so hielten seinen Sinn
Sie fest in der beglückten Gegenwart
Durch flüsternd Saitenspiel aus Blüt' und Busch,
Durch Liebeslieder, träumerischen Tanz,
Wo hell am Fuß die Glöckchen klangen, und
Die Arm' im Spiele wogten hin und her
Beim Klang der Saiten. Und der Wohlgeruch
Von Moschus und von Champak, und der Duft
Verbrannter Kräuter hüllte alles ein
Mit blauem Dunst und wiegte seinen Geist
In Traum bei Schön Yasôdhara; so lebt'
Siddârtha traumvergessen.
Ferner noch
Gebot der König, daß an diesem Ort
Man nie erwähne Alter oder Tod,
Noch Sorge, Krankheit, Schmerz. Ward eine doch
Im Reich der Liebe krank, ihr dunkles Aug'
Glanzlos und trüb, ihr Fuß zum Tanz zu schwach, –
Dann ward die schuldlose Verbrecherin
Verbannt aus diesem ird'schen Paradies,
Daß er nicht säh' und mit ihr fühlt' ihr Weh.
Helläug'ge Wächter standen da, bereit
Das Urteil zu vollziehn, wenn einer sprach
Von jener rauhen Welt da draußen, wo
Trübsal und Kummer wohnen, Thränen, Angst
Und Trauerklagen, und der grimme Rauch
Des Scheiterhaufens. Und es hieß Verrat,
Wenn in die Locken einer Sängerin,
Und Tänz'rin sich ein Silberfaden stahl.
Und jeden Abend sorglich pflückte man
Die welken Rosen, barg das tote Laub,
Und jeden üblen Anblick hielt man fern:
»Denn,« sprach der König, »wenn er so verlebt
Die Jugend fern von allem, was erregt
Des Wissens Durst, und was ihn brüten läßt
Ob nichtigen Gedanken, schwindet wohl
Des Schicksals droh'nder Schatten ihm hinweg,
Und wachsen seh' ich ihn vielleicht empor
Zu jener Größe stolzer Herrschermacht,
Wo allen Landen er gebieten soll, –
Wenn zu gebieten er sich nur entschließt, –
Von Kön'gen König, des Jahrhunderts Ruhm.«
Drum ließ, um dies Gefängnis sel'ger Lust,
Wo Freude – Riegel, Liebe – Schließer war,
Der König einen starken Wall erbaun,
Doch weit entfernt, vom Schlosse ungesehn;
Und in den Wall ließ machen er ein Thor
Mit eh'rnen Flügelthüren, die zurück
Zu roll'n auf ihren Angeln hundert Arm'
Allein vermochten; und es donnerte
Dies Wunderthor beim Öffnen, daß den Schall
Man hörte einen halben yôjana
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Und innerhalb ein zweites Thor sich hob
Und weiter drinn' ein drittes, – diese drei
Durchschreiten mußte, wer das Schloß verließ.
Drei mächt'ge Thore waren so gebaut,
Verschlossen und verriegelt, jedem war
Ein treuer Wächter sorglich zugeteilt.
Und also sprach des Königs Wille: »Laßt
Niemand hinaus durchs Thor, und wär's der Prinz:
Ihr büßt mit eurem Kopf, – wär's auch mein Sohn.«