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11. Florian hilft sich selber.

Der Herbst war gekommen, das jüdische Laubhüttenfest war vorüber, die Hochzeit des Beßle brachte wieder Musik und Lustigkeit in das Dorf.

Auf offener Straße, vor dem Schlosse, unter einem aufgespannten Baldachin wurde die jüdische Trauung vollzogen. Die Bauern, die sich gern eine müßige Weile gönnten, standen gaffend umher, auch Florian und der Schlunkel waren zu sehen. Der letztere zupfte seinen ehemaligen Kameraden am Wams, ihm zuraunend, er habe ihm etwas Wichtiges zu sagen; und als die Trauung vorüber war, schlich er hinter das Schloß in die offene, dunkle Brunnenstube. Nach einer Weile folgte ihm Florian, er wußte selber nicht, warum.

Der Schlunkel eilte auf ihn zu, reichte ihm die Hand hin und sagte:

»Schlag ein, heute werden wir reiche Leut'.« Florian reichte willenlos die Hand und fragte:

»Wieso?«

»Grad so,« erwiderte der Schlunkel, einen Hops machend. »Heut morgen ist des Mendles Meierle vom Vaihinger Markt heimkommen, wo er alle seine Gäul' verkauft hat; er muß wenigstens sieben- bis achthundert Gulden heimbracht haben, ich hab' die Leibgurt gesehen, die war so voll wie eine Leberwurst. Du weißt doch mit Würsten umzugehen? Heut abend wollen wir die verschnabelieren. – Vor acht Tagen ist dem Meierle vom Feuergericht sein Backofen weggesprochen worden, weil er da im Winkel steht; er hat ihn abreißen und das Loch mit Backsteinen zumauern lassen. Ich hab' selber dabei geholfen und hab' einen Backstein so gelegt, daß man ihn leicht herausnehmen kann, Huidä! heut abend, wenn alles bei der Chasne ist, schlüpfen wir 'nein und holen uns die Judenwurst.«

»Ich nicht,« erwiderte Florian.

»Mir auch recht, du kannst dir vom Gemeinderat Geld geben lassen, sie haben dir's ja anbieten lassen; du kannst schon sehen, wie weit du mit springst.«

»Woher weißt du das?«

»Ich hab' ein Vögele, das erzählt mir alles; Narr, die Spatzen auf dem Dach schwätzen ja davon.«

Florian stampfte auf den Boden und biß auf seinen Schnurrbart. Wenn er das ganze Dorf hätte anzünden können, er hätte es in diesem Augenblick gethan. Er sah sich von allen verhöhnt, verlacht, bemitleidet, sein höchstes Strebeziel, vor allen in Ansehen dazustehen, war schmählich in den Staub gesunken. Nun, da er dies verloren, war er zu allem fähig. Er gedachte nicht im entferntesten an die Schwere des Verbrechens, in das er sich einlassen wollte, er wollte beutebeladen fortziehen, da er der Ehre beraubt war; wie erwachend, sagte er:

»Ich bin dabei, bis wann?«

»So gegen acht, denk' ich.«

Florian reichte dem Schlunkel die Hand und ging schnell davon.

Als er aus der dunkeln Brunnenstube wieder in das helle Tageslicht kam, taumelte er wie ein Betrunkener; er mußte sich eine Weile an der Wand halten.

Singend und pfeifend ging er den ganzen Tag durch das Dorf, er wagte es aber nicht, zur Kreszenz zu gehen, er fürchtete sich vor ihr.

Oft war es ihm auch, als ob er schon gestohlen hätte. Er sah alle Leute darum an, ob sie ihm sein Verbrechen ansähen; dann dachte er wieder: es ist eins, sie halten doch nichts auf dich. – Dennoch freute er sich, wenn er sich wieder besann, daß die That noch nicht geschehen sei. Einmal, als er den Buchmaier sah, war es ihm, als müßte er entfliehen; er schämte sich aber seiner Feigheit, wie er es nannte, und schwur, die That zu vollbringen.

Als es Feierabend geworden war, kamen die Bauernburschen und Mädchen auch auf den Tanz, und einzelne brachten Hochzeitsgeschenke; nach dem gegenseitigen Herkommen erhielten sie drei Vortänze.

Auch Florian war unter den Angekommenen. Die Braut eilte auf ihn zu und sagte:

»Bist du auch da? Wo ist denn dein' Kreszenz? Ich kann mir's denken, daß es ihr nicht recht tänzerig ist; mach nur den Ehrlichen an ihr, Florian. Komm, wir wollen zu guter Letzt noch einmal miteinander tanzen.«

Florian, der gefeiertste Tänzer, mußte bald wieder innehalten; seine Kniee schlotterten; mit solchen Gedanken im Herzen, wie er hatte, und mit zerrissenen Sohlen an den Füßen, tanzt es sich nicht gut.

»Was ist dir? Du hast doch sonst getanzt wie ein Trenderle?« sagte die Braut, »nun, wir wollen's sein lassen. Es thut mir wahrhaftig in der Seel' leid, daß ich die Kreszenz nicht mehr sehen kann, wir sind immer gut Freund gewesen; wir fahren aber schon morgen ganz früh ab. Kommt jetzt mit, ich will dir ein Stück Hochzeitkuchen für sie geben, bring's ihr und sag ihr Ade von mir.«

Florian folgte ihr in die innere Stube, er erhielt dort den Kuchen und ein Glas warmen Wein, das er auf einen Zug leerte; er fühlte wieder neue Kraft durch seine Adern strömen. Sobald er konnte, schlich er sich fort, kehrte bald wieder und ging dann nochmals weg.

Der Schlunkel harrte schon mit einer kleinen Leiter hinter dem Hause Meierles, es war kein Licht darin, alles war auf der Hochzeit.

Schnell war die Riegelwand eingebrochen, und die beiden schlüpften hinein. Sie erbrachen die Küchen- und Stubenthüre und den Schrank, fanden das Geld, mehrere silberne Löffel und Becher und steckten es schnell zu sich.

Florian war der erste, der wieder im Hofe war, der Schlunkel zerrte noch an einem Bettstücke, das durch die kleine Oeffnung nicht heraus wollte. Da kam der Hausherr die Treppe herauf, er sah die Stuben- und Küchenthüre offen; in die Küche tretend, sah er das sich bewegende Bett; er zerrte nun innen an demselben und schrie um Hilfe. Der Schlunkel ließ schnell los, stürzte auf den Boden und brach ein Bein. Florian suchte ihn zu retten, aber er hörte Leute; er flüsterte ihm nur noch schnell zu: »Verrat mich nicht, du kriegst die Hälft',« und entsprang schnell.

Der gefänglich eingezogene Schlunkel beharrte bei seiner Aussage, daß er keinen Mithelfer gehabt. Man hatte in dem Hofe ein Stück von dem Hochzeitkuchen gefunden; die Aussagen des Gefangenen widersprachen sich, indem er anfangs nichts davon wissen wollte, später aber sich besann, daß der Kuchen bei den gestohlenen Sachen gelegen habe.

Niemand wagte zu ahnen, daß Florian bei der Sache beteiligt sein könnte, auch war er um dieselbe Zeit beim Tanze gesehen worden.


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