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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Die Landstände hatten glücklich das alte Einsteherwesen wieder hergestellt. Zum großen Pferdemarkte, der alljährlich in der Hauptstadt abgehalten wurde, schnallte sich Diethelm eine vollgestopfte Geldgurte um, er wollte sich ein neues Gespann und einen modischen sogenannten Charaban kaufen und dann seinen Schwiegersohn vom Militär losmachen. Munde verließ nur ungern jetzt seinen Vater, der fast nicht mehr vom Bette herunter kam und zusehends abfiel; der alte Schäferle wollte aber nichts von ihm wissen und sagte immer: »Laß du uns beide« – er meinte sich und den Paßauf – »nur allein, geh du deiner Wege, sei glücklich, so gut du's kannst. Du bist jung, bei dir verlohnt sich's noch, der Diebshehler zu sein, ich bin schon zu alt, ich wär' ein Narr, wenn ich erst so spät anfangen thät.« Martha versprach, des kranken Mannes zu warten, Fränz ließ sich nicht davon abbringen, mit nach der Hauptstadt zu reisen; was sie einmal wollte, das mußte auch geschehen.

Am Morgen, als Munde kam, schickte sie ihn noch einmal nach Hause, er mußte die neuen Kleider anziehen, die sie nach städtischer Tracht für ihn bestellt hatte. Als er wieder kam, knüpfte sie ihm das Halstuch nochmals anders und sagte dann frohlockend, sich vor ihn hinstellend:

»So. Siehst du? so, jetzt bist ein Mann, der sich sehen lassen darf.«

Schon beim Einsteigen gab es Streit. Fränz behauptete, ein Brautpaar gehöre zusammen und der Vater solle auf den Vordersitz und kutschieren; aber Munde willfahrte ihr nicht, und Fränz beruhigte sich erst, als ihr Munde sagte, daß die Herren in der Stadt oft selbst fahren. Draußen vor dem Dorfe gab es abermals Händel. Diethelm wollte, daß Munde die Geldgurte umschnalle, und setzte selbstverräterisch hinzu: »In der Stadt kannst mir sie wieder geben.«

»Das leid' ich nicht,« schrie Fränz, »entweder – oder, entweder behaltet Ihr die ganze Zeit die Geldgurte, oder mein Munde behält sie; er ist nicht Euer Knecht, er ist wenigstens grad so viel wie Ihr. Ihr könnet ja das Geld ins Kutschentruckle thun.«

Das wollte aber Diethelm nicht, sei es, daß er das Kutschentruckle noch scheute, oder daß er das Geld auch zeigen wollte.

Wo man einkehrte, hatte Fränz bei der Ankunft und bei der Abfahrt noch manchen Zank mit dem Vater und mit Munde. Sie wollte es nicht dulden, daß dieser sich als Knecht benahm, ja, sie weinte vor Zorn, als Munde ihr nicht nachgab, und sprach oft stundenlang kein Wort mit ihm.

Im Oberland war es noch ziemlich rauh und kalt, je mehr man aber nach dem Unterlande kam, zeigte sich der wonnige Frühling; man fuhr durch Buchenwälder, die in dem ersten so zarten knospenfeuchten Grün prangten, und bald fuhr man zwischen blühenden Obstbäumen, die hüben und drüben am Wege standen; aber in den Herzen der drei Menschen, die da hinfuhren, war Widerstreit und Trübsinn mancher Art. Dazu kam noch, daß es Diethelm nicht lassen konnte, Munde über die Art, wie er die Pferde führte, zurechtzuweisen, und es gibt vielleicht nichts, was leichter zu Zorn aufreizt, als ein Dreinsprechen beim Pferdelenken. Wenn es einen kleinen »Stich« hinabging, rief Diethelm jedesmal: »Sperr die Mick Mick nennt man den neuen Ersatz des Radschuhs, wo man vermittelst einer zugedrehten Walze die Räder hemmt. Es ist erfreulich, daß das Volk die durch das Maschienenwesen eingeschleppten Benennungen sich erfinderisch mundgerecht macht. Das Wort Mick ist eine Zusammenziehung von Mechanique. Wäre es aus der Analogie von Bremse entstanden, müßte es im Oberdeutschen wenigstens Muck heißen. und fahr Trab, dreh noch besser.« Munde ließ es an heftiger Widerrede nicht fehlen, peitschte oft geflissentlich die Pferde und fuhr im Zorne in der That ungeschickt, besonders beim Ausweichen, so daß es mehrmals ein Unglück gegeben hätte, wenn ihm Diethelm nicht in die Zügel gefahren wäre. Fränz wartete immer darauf, daß Munde einmal tapfer aufbegehren und die ganze Geschichte hinwerfen werde; als es aber immer nicht geschah, biß sie sich auf die Lippen und murmelte still vor sich hin Schimpfworte auf Munde, die sie hinter seinem Rücken sprach.

Man kehrte in der Hauptstadt im Rautenkranz ein, und Fränz war wenigstens einigermaßen zufriedengestellt. als Munde beim Absteigen sagte:

»So, jetzt beim Heimfahren könnet Ihr kutschieren, Schwäher, nicht um ein Königreich fahr' ich noch einmal so. Komm, Fränz, wir zwei wollen zusammenhalten. Weißt noch, wie oft ich da bei dir gewesen bin? Ich freu' mich, grad hier zu zeigen, daß wir doch noch ein Paar geworden sind.«

»Siehst jetzt, daß ich recht hab'?« entgegnete Fränz, als sie mit ihrem Bräutigam allein war, »mit meinem Vater kommt kein Tochtermann aus, der ihm nicht den Meister zeigt.«

Sie blieb stets bei diesem Gedanken.

Im Rautenkranz war schon heute ein buntes Gedränge von Menschen in Trachten aus allen Landesgegenden, und dazwischen sah man Soldaten von allen Waffengattungen, die sich hier bei Angehörigen und Verwandten gütlich thaten; aber mitten im Gewoge beharrte die stattliche Rautenwirtin an der Anrichte, wie ein Fels im Strome, und je lärmender und unruhiger es um sie her wurde, um so bedachtsamer und gemessener erteilte sie ihre Befehle und zählte alles genau nach, was ausgetragen wurde. Dazwischen fand sie immer noch Zeit, auf Nachfragen der Gäste bündigen Bescheid zu geben. Als sich Fränz mit Munde zu ihr hindurchgedrängt hatte, wurde erstere mit besonderer Freundlichkeit bewillkommt. Die Rautenwirtin sagte, daß der Schaffner, mit dem sie damals gefahren sei, Fränz nicht genug habe rühmen können, und wie man ihr überhaupt viel Gutes nachsage, daß sie Vater und Mutter so getreulich pflege. Fränz war stolz und hochfahrend, und doch war's ihr beim Lob der Frau Rautenwirtin, als setzte man ihr eine Krone auf. Diese Frau hatte es durch Schweigsamkeit und Zurückhaltung dahin gebracht, daß schon eine freie Anrede, um wie viel mehr ein Lob von ihr als Ehrenschmuck galt, und sammelte sich hier gute Nachrede, so war man deren im ganzen Lande gewiß. Mit seltsamer Befangenheit sagte nun Fränz, daß sie mit Munde verlobt sei. Die Rautenwirtin zog nur ein wenig die Brauen ein und sagte: »Das ist schnell gangen. Ich wünsch' Glück.« Dann wendete sie sich um und gab andern Gästen Bescheid.

Munde saß verdrossen bei Fränz, die Eifersucht hat einen raschen Scharfblick, er behauptete, Fränz schäme sich seiner, und durch diesen offenen Ausspruch wurde die noch halb schlummernde Empfindung der Fränz plötzlich geweckt.

»Und wenn's wär',« sagte sie aufbegehrend, »wenn ich ein Mann wär', ich thät mir eher die Zung' abbeißen, ehe ich einem Mädle sagen thät, es kann sich meiner schämen. Aber du, freilich, du bist dagestanden wie der Bub, der die Milch verschüttet hat. Ich sag' dir's noch einmal, du mußt ganz anders werden, oder du bringst's dahin, daß ich mich deiner schäm', ja, dahin bringst's, ja, daß du's nur weißt.«

Munde behielt nur die ersten Worte der Fränz, und er fühlte, daß sie recht habe. Die gereizte Seelenstimmung hat aber etwas wahrhaft Ansteckendes. Munde war von Fränz gedemütigt worden, und nun mußte er ihr Gleiches entgelten; mit fast schadenfroher Miene sagte er: »Mir hat's für dich einen Stich ins Herz geben, wie die Rautenwirtin dich gelobt hat, daß du so ein gutes Kind gegen deinen Vater bist. Wenn die Leute wüßten, wie's eigentlich ist . . .«

Fränz knirschte die Zähne übereinander und sah Munde mit einem zermalmenden Blicke an; hätte sie ihn damit in Stücke zerreißen können, sie hätte es gethan. Sie wollte aufstehen, aber Munde hielt sie fest und sagte begütigend: »Die Fahrt mit dem ewigen Gezerr hat uns alle miteinander dumm gemacht. Wir wollen gar nichts mehr reden. Ich geh' jetzt noch vor dem Appell ein bißle in die Kasern' zu meinen Kameraden. Vergiß alles und denk gut an mich. Gib mir ein' Hand. So, b'hüt dich Gott.«

Munde ging nach der Kaserne. Er war jetzt ein ganz andrer Mensch als vor wenigen Monaten, da er diesen Weg so oft abgeschritten. Zuerst, als ihm der Vater das Erbe der Rache aufdrängen wollte, und dann, als er von Diethelm das Erbe des Verbrechens überkam, war in sein träumerisches, still umfriedetes Wesen eine gewaltige Gärung gekommen, er war zaghafter und kraftloser als je. Er war überhaupt nicht geschaffen, sich mit fester Hand ein Schicksal zu bereiten: von Kindheit auf war Medard sein Führer und Ratgeber in allem, als Hirte führte er ein fast gedankenloses Leben, pfeifend und rauchend, und als er Soldat wurde, brachte auch dies keine bedeutsame Wandlung in ihm hervor; er war anstellig und pünktlich, als stiller, allzeit wohlgemuter Bursch beliebt, aber ohne sich irgend eine besondere Geltung zu verschaffen; nur mit seiner Kunstfertigkeit im Pfeifen hatte er sich bei der Kompanie beliebt gemacht und davon den Beinamen Pfifferling erhalten. Jetzt, so plötzlich in die Erfüllung seines einzigen und höchsten Wunsches eingesetzt, ging er oft wie traumwandlerisch umher, und nur der Gedanke an das geschehene noch so dunkle Verbrechen schreckte ihn oft auf. Er freute sich, daß er Fränz gewonnen und all' das große Gut dazu, er wäre aber am liebsten Hirte gewesen, träumend wie in alten Tagen bei seiner Herde. Das viele Gut und die tausend Tätigkeiten dafür, die er übernehmen sollte, erdrückten ihn fast. Darum konnte er dem Wunsch der Fränz nicht nachgeben, ihm war es ja lieb, wenn Diethelm so lang als möglich alles unter seiner Obhut behielt.

Jetzt, auf dem Wege nach der Kaserne, sagte er sich, daß Fränz doch recht habe, er müsse anders auftreten, kecker und umsichtiger. Nicht nur seine Liebe zu Fränz stieg aufs neue in ihm auf, er empfand auch eine große Hochachtung vor ihrem energischen Wesen, das, allzeit geweckt, den Dingen scharf ins Auge sah und sie frei beherrschte. So kam er zu den Kameraden und erzählte ihnen, daß er sich andern Tages vom Militär loskaufe, und was aus ihm geworden sei; er wußte seine künftige Tätigkeit bereits so lebendig als wirkliche darzustellen, daß alle staunten, wie sich der Pfifferling, der stille Munde, dem man das gar nicht zugetraut, verändert hatte. Als er zuletzt sagte, daß er morgen auf dem Markt vier Pferde einkaufe, beschlossen unter Jubel der Feldwebel und einige Kameraden, auch auf den Markt zu kommen, um zu sehen, wie der Pfifferling das mache.

Stolz aufgerichtet, mit gespanntem Selbstgefühle kehrte Munde in den Rautenkranz zurück, er wollte seiner Fränz Abbitte thun, daß er so bös gegen sie gewesen sei, und ihr sagen, wie er sich nun wacker ins Geschirr legen wolle, daß es ihm landauf, landab keiner voraus thun könne.

Als er in den Rautenkranz trat, hörte er in der Küche die Stimme der Fränz, die sagte:

»Das ist ja prächtig, daß Sie Kellner im Wildbad geworden sind. Ich komme diesen Sommer mit meinen Eltern auch dahin.«

»Aber Sie sind Braut,« sagte eine Männerstimme.

»Ja, mit mir,« sagte Munde eintretend; er sah einen Mann – es war der älteste Haussohn aus dem Rautenkranz – der die Hand der Fränz hielt.

»Ich gratuliere,« sagte der Nebenbuhler, schnell die Hand loslassend, und Munde erwiderte:

»Dank schön. Komm mit, Fränz, in die Stube.« Er faßte sie nicht eben zart am Arm, und Fränz machte große Augen, als er ihr allein sagte, daß das Scharmutzieren ein Ende habe, und ob sie mit den Eltern ins Wildbad gehe, darein habe er auch noch ein Wort zu reden. Fränz widersprach heftig, und Munde erklärte, daß er von dieser Stunde zu regieren anfange über alles, was ihm gehört, und das sei vor allem seine Frau, es müsse ja Fränz recht sein, daß er sich als Mann zeige.

»Zeig's zuerst beim Vater. Bei mir brauchst nicht anfangen,« stachelte Fränz, der diese Wendung gar nicht lieb war. Munde sprach wiederholt und in verstärkter Weise seinen Herrscherplan aus, und der Abend dieses unruhvollen verhetzten Tages schien doch noch erwünscht auszuklingen.

Schon am frühen Morgen jedoch hatte Munde einen gewaltigen Zank mit seinem Schwäher, er wollte sich die Geldgurte umschnallen, Diethelm aber lachte ihm ins Gesicht.

»Dann reiß' ich sie Euch auf öffentlichem Markt vom Leib herunter, wenn Ihr mich so gehen lasset und ich Euch damit seh',« drohte Munde und ging hinab in die Wirtsstube.

Diethelm schaute hoch verwundert dem so plötzlich Veränderten nach, und Fränz sah mit Schrecken die böse Saat aufgehen, die sie gesäet; sie wußte aber den Vater doch dahin zu beschwichtigen, kein Geld mit auf den Markt zu nehmen, die Leute könnten es für Prahlerei ansehen, und das müsse man vermeiden nach so einem Unglück. In der Wirtsstube übergab hierauf Diethelm der Rautenwirtin die Geldgurte zum Aufbewahren, und Munde lächelte vergnügt zu seinem Siege. Diethelm traf hier viele Bekannte, unter denselben auch den Reppenberger und den Steinbauer. Reppenberger war ebenso zuthulich und redselig, als der Steinbauer unachtsam und maulfaul; er erzählte, daß er einen umfangreichen Branntweinhandel betreibe, er habe den Vertrieb übernommen und fahre mit seinem Einspänner im Lande umher, während sein Geschäftsgenosse das Brennen aus dem Grunde verstehe.

Munde trat auf Diethelm zu und wiederholte in entschiedener Weise einen früher gemachten Vorschlag. daß man die Rappen gegen gute Ackerpferde vertausche, sie brauchten ja keine Kutschenpferde mehr.

Diethelm widersprach heftig, und der Steinbauer, der sich sonst nicht in fremder Leute Sachen mischte, ließ sich doch zu den Worten herbei:

»Dein Tochtermann hat recht, Gäule, die gewohnt sind, in der Kutsch' zu laufen, gehen zu Grund, wenn sie wieder Zacker fahren müssen.«

Der Steinbauer sagte das mit so schelmisch zwinkernden Augen, daß eine Bezüglichkeit seiner Worte auf die Lebensweise Diethelms kaum zu verkennen war. Diethelm merkte das auch, aber er that, als ob er's nicht verstände; ihm war das versessene Wesen des Steinbauern in der Seele zuwider, aber er vermied doch jede offene Feindschaft mit ihm. Er schüttelte lächelnd den Kopf und gab lange keine Antwort, bis er endlich zu Munde gewendet sagte:

»Das ist mein' Sach', Punktum.«

Der große Umzug der Marktpferde, der eben an dem Rautenkranz vorüberkam und alles an die Fenster und auf die Straße lockte, unterbrach den Streit, Munde folgte seinem Schwäher auf den Markt. Mitten im Gewühle wurde er von seinem Feldwebel und mehreren Kameraden angehalten, die, wie versprochen, gekommen waren und nun aufs neue ihr Verlangen aussprachen, den Pfifferling einkaufen zu sehen.

»Ist der bärenmäßige Bauer dein Schwäher?« fragte der Feldwebel.

»Ja, der ist's.« Aber Diethelm war verschwunden. Munde suchte ihn mit seinem Geleite hin und her, ohne ihn finden zu können, und mußte manchen Spott darüber hören, daß er sich nicht getraue, einen Pferdeschwanz allein einzukaufen.

Munde ließ sich diese Neckereien gefallen und schwieg, er wollte nicht weitergehen, als ihm eigentlich zustand; etwas von der alten Zaghaftigkeit seines Wesens kam wieder über ihn. Er verwünschte es, daß er sich im Uebermut Wächter seiner Ehrenstellung zugesellt hatte, und hoffte, sie in guter Weise wieder los zu werden. Der Feldwebel war ein Pferdeverständiger und that sich was darauf zu gute, er suchte ein Viergespann gleichgezeichneter Braunen aus, Munde ließ sie sich hin und her vorführen, holte die Rappen aus dem Rautenkranz zum Vertauschen und war eben daran, unter Bedrängen des Feldwebels und der Kameraden in die dargebotene Hand einzuschlagen, als Diethelm herzutrat. Munde hielt ein und rief ihm zu:

»Schwäher, ich hab' einen Handel gemacht.«

»Du? Hast ein' Geiß gekauft?«

Munde schoß alles Blut zu Kopf, und Diethelm fragte wieder:

»Wie kommen die Rappen daher?«

»Ich hab' unsre Rappen vertauscht,« berichtete Munde.

»Unsre?« lachte Diethelm. »Vorderhand sind sie noch mein und ist keine Red' von unsern, was hast du von unsern zu sagen?«

»Schwäher, was machet Ihr? Jeder Knecht sagt zu seines Herrn Sach' ›unser‹, und ich bin kein Knecht. Sehet nur das Viergespann an. Ich bin so viel als handelseins.«

»Du? Was nimmst denn du dir 'raus? Wenn man dich auf den Kopf stellt, und es fällt dir ein Guldenstückle 'raus, soll man mir die Augen mit ausstechen. Und du willst vier Ross' kaufen?«

»Schwäher, das geht über den Spaß, redet nicht so. Ich hol' gleich unsre Geldgurt aus dem Rautenkranz. Besehet Euch nur die vier Ross'.«

»Daß ich ein Narr wär'. Wenn du allein Meister bist, so bezahl's auch.«

»Schwäher, ich weiß nimmer, was ich thu, wenn Ihr so fort machet.«

»Das glaub' ich. Du hast keinen Groschen zum Einkaufen. Ich will dir zeigen, wer die Geißel in der Hand hat.«

»Schwäher,« kreischte Munde heiser vor Wut und ballte beide Fäuste, »Schwäher, redet anders, oder ich . . .«

»Weg da, führ die Rappen in den Stall und red kein Wort mehr.«

»Ich will nichts von deinem Brandgeld, nichts von deinen Sachen, du bist unterm Galgen weggelaufen, aber du bleibst doch noch einmal dran hängen. Lasset mich los,« schrie Munde, den seine Kameraden festhielten, daß er nicht auf Diethelm eindrang.

Eine große Menge Menschen hatte sich um die Streitenden versammelt, Diethelm hatte sich rasch entfernt, Munde riß sich von seinen Kameraden los und mit geballten Fäusten und schäumendem Munde eilte er nach dem Rautenkranz: Fränz mußte ihm Genugtuung verschaffen für die unerhörte Schmach, die ihm der Vater angethan, und dann mußte sie noch zur Strafe ihren Vater verlassen, nichts von seinem Sündengute annehmen, er wollte Tag und Nacht arbeiten, um sein Brot in Ehren zu verdienen. – Als er in die Wirtsstube trat, sah er Fränz, die Hand in Hand neben dem Rautenwirtssohne am Tische saß. Sie heftig schüttelnd, fuhr er auf:

»Lumpenpack! Hundebagage seid ihr alle. Da sitzst du bei einem andern, derweil dein Vater mich vor aller Welt beschimpft.« Der Zorn gab ihm plötzlich höllische Gedanken ein, und er fuhr fort: »Du hast mich angestiftet, ich soll deinem Brandstifter-Vater Widerpart thun, und ihn hast du angestiftet, daß er mich beschimpfen soll, damit du mich los wirst. Du hast schon einen andern. Jetzt seh' ich, du bist das schlechteste – ich kann's gar nicht sagen, was. Aber warte nur, du hast mir selber gesagt, was du von deinem Vater weißt. Verflucht ist dein ganzes Haus. Ich will nur so lange leben, bis du mit deinen Kindern vor meiner Thür um Brot bettelst. Ich bin froh, daß ich nimmer so schlecht bin und von eurem Sündengut was mag. Fresset's allein und ersticket dran.«

Fränz stieß den Munde weit von sich, und er stürmte fort, die Stadt hinaus, der Heimat zu. –

So unverhofft als die Verlobung geknüpft war, ebenso sollte sie auch zerrissen werden.

Mit dem Abschied vom Militär hatte Munde heimkehren wollen, jetzt rannte er dahin, wie aus der Welt verstoßen, er wußte gar nicht, wohin er sich wenden sollte. Die blütenduftigen Bäume standen so still selig im Sonnenschein und ließen die Bienen in ihren Blütenkelchen sich erlaben, die Vögel sangen so wonnig, und alles freute sich des Daseins, nur sein Herz war zum Tode betrübt. Stundenlang war er unaufhaltsam gerannt, immer vor sich hin fluchend und alles verwünschend; als er jetzt durch das Dorf Breitlingen schritt, stand er vor dem Wirtshaus still, suchte in allen Taschen nach Geld und fand in der That keinen Heller; mit einem selbstverachtenden Lachen schritt er weiter und legte sich draußen vor dem Dorf unter einen blühenden Birnbaum am Wegrain. Beim Niederlegen gedachte er der schönen Kleider, die er anhatte, und er schämte sich derselben, sie waren von Diethelms Geld, und Fränz hatte sie ihm gegeben. Er wollte nur noch heim, den Brandstiftern die Kleider mitsamt der Trau (Verlobungsgeschenk) schicken und dann fort, weit fort.

Die Bienen summten und schwirrten im Baume, und Munde spielte mit dem Brautring, den er vom Finger gezogen, und ein abgerissener Klang aus dem alten Liede vom Teufel, der die untreue Braut holt, zog Munde durch den Sinn:

So komm nur her, du schöne Braut,
Du hast deinen Himmel in die Hölle gebaut.

Er nahm sie bei der linken Hand
Und führte sie in den feurigen Tanz . . .

Bald aber hörte Munde weder eine Stimme im Innern noch etwas um sich her.


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