Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritter Abend.
Die Zerstörung Trojas.

Äneas eilte nun, den Weisungen seiner göttlichen Mutter gehorsam, nach seiner Wohnung. Durch Flammen und rauchende Schutthaufen, durch das Gedränge fliehender Trojaner und verfolgender Griechen führte sein Weg; aber er fühlte wohl, daß die Göttin unsichtbar mit ihm war, denn von allen diesen Gefahren, durch welche er sich Bahn brechen mußte, traf ihn keine, und unversehrt gelangte er zu seinem Hause. Hier hatte man fast mehr über seine Abwesenheit als über das schreckliche Schicksal der Stadt in Ängsten gestanden, und kaum trat er ein, so flog schon die treue Gattin und das geliebte Söhnchen an seinen Hals. Er teilte ihnen in wenigen Worten den Befehl der Aphrodite mit und fand beide willig ihm auf der Flucht zu folgen. Aber da erregte der Starrsinn des greisen Anchises ein unerwartetes Hindernis. Ihm hatte ein Schlagfluß vor einigen Jahren die eine Seite gelähmt, und unmutsvoll hatte er seitdem schon sein Leben hingeschleppt; nun vollends erreichte dieser Lebensüberdruß bei ihm den höchsten Grad, da er den altererbten Wohnsitz seiner Vorfahren, in dem er achtzig Jahre friedlich zugebracht hatte, als ein Flüchtling verlassen sollte. Er, einst ein tapferer Fürst und eine Zeitlang sogar der Aphrodite Geliebter, glaubte auf ein besseres Schicksal rechnen zu dürfen, und so bestand der alte, fast kindisch gewordene Mann in verzeihlichem Trotz darauf, an dieser Stelle den Tod erwarten zu wollen. »Flieht immerhin«, klagte er, »ihr, die ihr noch Kraft und Lust zum Leben in euch fühlt! Nur mich laßt hier in Ruhe sterben. Hätten die Götter mein Leben erhalten wollen, so hätten sie mir diesen Sitz auch ferner gegönnt. O es ist genug und übergenug, daß ich Troja schon einmal zerstören sah; diesen zweiten Untergang will ich nicht überleben. Geht, lieben Kinder, geht! gebt mir noch einmal die Hand, und dann suchet euer Heil, wo es den Göttern gefällt! Nur mich laßt liegen und sorgt nicht weiter um mich. Ich werde nicht lange auf die wohlthätige Hand warten dürfen, die meinem Elende ein Ende macht. Bald wird irgend ein beutesuchender Grieche kommen und seinen Blutdurst an mir stillen. Geht, geht! was weinet ihr doch!«

Aber wer hätte bei solchen Worten gehen können! Der gute Sohn wandte alles an, wozu die Klugheit riet und was kindliche Zärtlichkeit ihm eingab; Kröusa umfaßte unter Thränen seine Kniee, selbst der kleine Askanios ergriff bittend des Großvaters Hand, als wolle er ihn fortziehen; aber der alte Mann blieb bei seinem Entschlusse, ohne sich nur vom Lager zu erheben. Da bemeisterte sich des Äneas Unmut und Betrübnis über den Starrsinnigen, der alle zu verderben drohte, und doch konnte er nicht zürnen, denn sein Herz hing mit kindlicher Verehrung an dem Greise. In diesem schmerzlichen Widerstreit der Empfindungen griff Äneas noch einmal zu seinen Waffen und rief mit dem Tone der Verzweiflung aus:

»Wohlan, so bleib auf deinem Stuhle, auch ich will in Troja bleiben! Wie, ich sollte mein Leben aus diesen Flammen retten und dich verlassen? Das hast du, Vater, deinem Sohne zugetraut? Nein, auch ich kann sterben! Und wenn es dein Wille ist, daß keine lebende Seele aus diesem Schauplatze der Verwüstung entrinnen soll; wenn es dich freut, dich und die Deinen unter Trojas Trümmern zu begraben: wohlan, dieser Weg zum Tode steht uns offen! Bald wird Neoptolemos da sein, noch befleckt mit Priamos' Blute, um erst den Sohn vor den Augen des Vaters und dann den Vater selbst am Altare zu ermorden. O, war es das, göttliche Mutter, warum du mich durch Feindeslanzen und durch sengende Flammen glücklich zu dieser Stätte zurück führtest, daß ich nun hier Weib und Vater und Sohn einen in des andern Blute sich wälzen sehen soll? Kommt Freunde, laßt uns wieder zurück in die Danaerhaufen; soll unser Blut heute durchaus vergossen werden, so wollen wir wenigstens nicht alle ungerächt sterben!«

Mit diesen Worten greift er hastig zu Schild und Lanze und wendet sich zu den Gefährten, die mit ihm aus dem Gefechte zurückgekehrt waren. Vergebens umfaßt Krëusa seine Kniee, vergebens weint und fleht der Knabe, daß er doch bei ihnen bleiben möge; Äneas sieht nur auf seinen starren Vater, der keine Bewegung macht, um ihn zurück zu halten. Aber unsichtbar hat die göttliche Mutter dieser jammervollen Scene zugesehen. Auf einmal verbreitet sich um des kleinen Askanios Scheitel ein heller Schein, und eine glänzende Flamme spielt um des Kindes Schläfe, ohne ihn zu verbrennen. Alle staunen über das Wunder, und nun ist auch Anchises überzeugt, daß die Götter noch mit ihm sind. Er richtet sich auf, tritt an die offene Thür des Hauses und betet mit aufgehobenen Händen zum Himmel:

»Allmächtiger Zeus, ich rufe dich an; o wenn du unsere Bitten noch hörest, so verkünde mir durch ein Zeichen, ob ich gehen soll oder nicht, ob du auch in einem andern Lande mein Beschützer sein willst!«

Kaum hatte der Greis diese Worte gesprochen, so sah man unter lautem Donner einen leuchtenden Stern wohl über den halben Kreis des nächtlichen Himmels dahinfahren und hinter dem Idagebirge verschwinden. Konnte ein Zeichen deutlicher sein? Das war der weite, aber sichere Weg, den die Flüchtlinge zu nehmen hatten, um nicht an die feindlichen Schiffe zu stoßen und doch auch ans Meer zu gelangen. Nun hatte der Greis keinen Zweifel mehr; er eilte, seine Penaten zu sammeln, indes eine große Schar von Trojanern sich vor dem Hause drängte, welche dem Äneas als ihrem Führer in jedes ihm beliebige Land zu folgen bereit waren.

»Seine Penaten?« fragte Julius. »Was ist das?«

»Kleine Bildnisse der Schutzgötter aus Holz, Stein oder Metall, denen nach dem Glauben jener Zeiten die besondere Obhut für jedes einzelne Haus vertraut ist, und die den Bestand und die Einheit der Familie wahren. Sie sind die Geister des sich selbst versorgenden Hausstandes; vor der Vorratskammer, über der sie walten, am Herde, dessen Flamme sie nähren und schirmen, ist ihre Stelle. Sie erscheinen als sitzende, den Dioskuren ähnliche Jünglinge, mit Helm und Speer, und den hausbewachenden Hund neben sich. Jeder Hausvater widmete ihnen einen Herd, auch wohl einen eigenen Altar, auf dem an häuslichen Festen, Geburtstagen, bei Jahresanfängen u. dergl. Weihrauch angezündet und besonders im Januar ein feierliches Opfer dargebracht ward. Der fromme Anchises, der unter dem Schutze dieser seiner Penaten ergraut war, würde es für eine Sünde gehalten haben sie zurück zu lassen. Er nahm sie vielmehr in dankbarer Sorge mit sich übers Meer, und überall, wo die Wandernden auf längere Zeit ihre Wohnung aufschlugen, da erhielten auch diese Hausgötter ihre heilige Stelle und ihre Opfer; ja sie wurden in der Folge nach Lavinium, der Stadt des Äneas, von da nach Alba Longa und endlich auch nach Rom gebracht, wo sie in einem besondern Tempel andächtige Verehrung fanden.«

Die Schar war jetzt gerüstet und eine Menge treuer Gefährten beluden sich freiwillig mit den Schätzen und Kostbarkeiten, welche Äneas in seinem Hause bewahrte. Sie teilten sich in mehrere Haufen, um bei den Griechen kein Aufsehen zu erregen, und Äneas bestimmte ihnen einen Platz hinter dem Gebirge, wo sie sich wieder zusammenfinden wollten. Die Familie selbst mit den Kindern verließ die geliebte Wohnung zuletzt. Indem Anchises noch zweifelnd ratschlagte, wie er bei der Kraftlosigkeit seines Alters fortkommen wolle, hatte sein wackerer Sohn schon eine Auskunft gefunden. Er hatte eine Löwenhaut umgeworfen, und lud den Vater auf seine starken Schultern. Mühsam nur und zitternd hielt sich der Greis an des Sohnes Halse. Den kleinen Askanios nahm Äneas bei der Hand, Krëusa folgte. Die Flammen der brennenden Stadt erleuchteten ihnen den nächtlichen Pfad. Mit raschen Schlitten trug Äneas seine liebe Bürde, indes der Knabe an seiner Hand nebenherging und sich an jedem Orte, wo er fremde Männer erblickte, mit erneuerter Angst an den Vater schmiegte.

Eine ziemliche Strecke bis zu dem Thore hatten sie schon glücklich zurückgelegt, als auf einmal der alte Anchises ängstlich flüsterte: »Sohn, Sohn, hier nicht! ich sehe Feinde kommen und Helme schimmern.« Äneas, mehr für seinen Vater als für sich besorgt, beugte schnell der Gefahr aus, verdoppelte seine Schritte und eilte durch unwegsame Gegenden, um nur die gefürchteten Griechen zu vermeiden. Gewaltsam reißt er den Knaben mit sich fort; es gilt die schnellste Flucht, und ach! so verliert er die teure Gattin, die ihm nicht folgen kann und doch aus Furcht vor den Feinden seinen Namen nicht laut zu rufen wagt. Indessen verfolgt er aus allen Kräften seinen Weg und kommt glücklich auf dem verabredeten Sammelplatze an. Erst hier entdeckt er seinen Verlust, ihr könnt wohl denken mit welchem Schrecken! Außer sich stürzt er zurück, durcheilt, so viel er sich entsinnen kann, genau dieselben Wege, die er gekommen ist, hält jedes Weib an, das ihm begegnet. Umsonst; Krëusa ist nicht zu finden. Er erreicht aufs neue die Stadt, drängt sich aufs neue durch das Getümmel; er wagt sich sogar bis an sein verlassenes Haus, das bereits in Flammen stand. Doch sein Suchen ist vergebens. Trostlos kehrt er zurück zu seinen Freunden, und hier erhält er endlich von einigen Neuangekommenen sichere Kunde. Die Männer, deren Helme Anchises schimmern gesehen, waren wirklich Griechen gewesen; sie hatten Krëusa erkannt, verfolgt und gewaltsam ergriffen. Zu stolz, um sich als Sklavin hinzugeben, hatte das edle Weib im Kampfe mit ihren Ehrenräubern den Tod gefunden. Der treue Gatte ermangelte nicht ihre Manen durch ein feierliches Totenopfer und durch ein Grabmal, so gut sich's dort errichten ließ, zu versöhnen.

Die Griechen suchten die entkommenen Trojaner an ihrem neuen Zufluchtsorte nicht weiter auf, und so hätten diese vielleicht nach einiger Zeit auf den Ruinen der zerstörten Stadt wieder neue Wohnungen aufbauen können. Aber niemand mochte den grausenvollen Schauplatz wiedersehen, noch weniger ein elendes Dorf auf der öden Stätte bewohnen, die sonst ein so erhabener Königssitz geziert hatte. Zudem hatte Äneas dringende Aufforderungen durch Orakel und Göttererscheinungen erhalten ein neues Reich im fernen Abendlande zu gründen.

Als die Griechen nichts mehr zu plündern fanden, blieben dieselben natürlich auch nicht länger auf dem Schauplatze ihrer Verwüstungen; sie schifften sich mit den geraubten Schätzen und Sklavinnen ein und weideten sich noch im Abfahren an den qualmenden Aschenhaufen, an denen man allein noch erkennen konnte, daß eine Stadt dort gestanden.

In Antandros war der Haufe der Geflüchteten zusammengekommen, um unter der Führung des Äneas zuerst eine Flotte zu bauen und dann mit dem Anfange des neuen Frühlings eine neue Heimat zu suchen. Schon an der Küste des benachbarten Thrakiens glaubten sie dieselbe gefunden zu haben und begannen die Gründung einer Stadt, als unglückliche Vorbedeutungen von der Ausführung des Planes abschreckten und eine weitere Flucht nötig machten. In Kreta, der Wiege ihres Volksstammes, an dem Fuße des waldigen Idagebirges, sollte die zweite Niederlassung entstehen. Abermals wurde die Flotte ans Ufer gezogen, und unter rührigen Händen wuchsen Mauern und Häuser der neuen Stadt empor. Schon sollten die bürgerlichen Einrichtungen, welche der junge Staat erforderte, getroffen werden, als die glühende Sonne des Sommers nicht bloß die Felder verheerte, sondern auch unter den Menschen Siechtum und Tod verbreitete. Bald war man einig auch diesen Wohnsitz zu verlassen, und Apollons untrügliches Orakel sollte den Weg zu einer bleibenden Stätte zeigen. Da erschienen dem Äneas die glänzenden Hausgötter, um ihm zu verkündigen, daß er Italien aufsuchen müsse, von wo einst Dardanos gekommen sei, um das trojanische Geschlecht zu begründen.

Nur wenige blieben auf Kreta in der neuerbaueten Pflanzstadt Pergamos zurück, die in späteren Jahren zu erfreulicher Blüte gedieh. Die andern aber bestiegen wieder die Schiffe, um die nun bestimmter verheißene Heimat zu suchen. Ein fürchterliches Unwetter trieb sie mehrere Tage lang auf dem Meere umher, und erst nach mancherlei Irrfahrten erblickten sie die italische Küste. Aber neue Vorzeichen vier schneeweiße am Ufer weidende Rosse, die Anchises auf einen bevorstehenden Krieg deutete mahnten von der Landung ab; sie schifften weiter nach Süden, berührten das Land der Kyklopen, wo des Polyphemos schreckliche Gestalt ihnen neue Furcht einjagte, und wurden durch einen heftigen Sturm nach Afrika verschlagen, so daß von ihrer ansehnlichen Flotte nur sieben Schiffe im bergenden Hafen ankamen.

Inzwischen hatte Aphrodite das Herz des Zeus durch immer neue Bitten um ihres Sohnes Rettung bewegt, und war mit der sicheren Aussicht auf des Äneas Herrschaft über Italien und auf Roms Weltmacht beruhigt und getröstet worden. Der geflügelte Bote der Götter (Hermes oder Merkur) ward nach Karthago entsendet, wo Dido über die von ihr erst begründete Stadt herrschte, und warb dort um gastliche Aufnahme für die Trojaner.

Schon am folgenden Morgen brach Äneas mit seinem treuen Gefährten Achates auf, um die Gegend zu durchspähen. Sie fanden bald die ausgedehnte Königsstadt, in der noch immer tausend rührige Hände beschäftigt waren neue Häuser und Straßen zu bauen, Hafen, Theater und Tempel einzurichten. Beide betraten unerkannt und in Nebel gehüllt das prächtige Heiligtum der Here (Juno) und fanden da an dem Portale die Königin Dido, wie sie, von zahlreichen Jünglingen umgeben, Recht sprach und Gesetze gab. Vor ihr erschienen auch auserwählte Männer der Trojaner, um ihren Schutz und ihre Hilfe zu der weiten Fahrt nach Italien zu erflehen. Mit den freundlichsten Worten wurden sie empfangen, die bereitwilligste Hilfe zugesagt, sogar ein Wohnsitz im karthagischen Lande ihnen angeboten. Äneas selbst wurde in den Palast geführt und ihm dort ein Festmahl zugerichtet, das die Ankunft eines solchen Helden würdig feiern sollte.

Mit banger Sorge hatte Aphrodite diesen Ereignissen zugesehen; sie fürchtete den Einfluß der Here, der Schutzgöttin jenes Landes, und nicht weniger die sprichwörtlich gewordene Treulosigkeit der Karthager. Darum sann sie auf eine List. Eros, der Liebesgott, sollte in der Gestalt des kleinen Askanios in dem Palaste erscheinen und der Dido heftige Liebe zu Äneas einflößen, während sie den holden Knaben sorglos auf ihrem Schoße schaukelte und küßte.

Die List gelang. Das Bild des Helden hatte sich dem Herzen der Dido tief eingeprägt. Aber sie hatte gelobt nie wieder einen Ehebund zu schließen, nachdem der Tod ihr den ersten Gatten geraubt. Anna, die teure Schwester, redete ihr zu, ihre Jugend nicht in Witweneinsamkeit zu vertrauern und sich einen anderen Gemahl zu erwählen, der gegen die umwohnenden barbarischen Stämme und gegen den feindlich gesinnten Bruder in Tyrus sie schützen könne. Ja, Here selbst habe offenbar die Trojaner hierher geführt, um durch eine solche Vermählung die Macht und den Ruhm ihrer Stadt zu erhöhen. Und wirklich, die Göttin hatte geglaubt auf solche Weise die Trojaner von Italien abhalten zu können und beide Völker zu einem einzigen Stamme zu vereinigen. Bei einer Jagd, die durch ein plötzliches Unwetter unterbrochen ward, kamen Dido und Äneas Schutz suchend in dieselbe Grotte, und hier war es, wo jene dem Helden ihre Liebe gestand und dieser, uneingedenk der göttlichen Verheißungen, die Zärtlichkeit erwiderte und sich zu einem Schwure hinreißen ließ.

Feste folgten nun auf Feste; der Gedanke an die Abfahrt war zurückgedrängt, und schon nahte der Winter. Zeus, erzürnt über dies Säumen, sandte sogleich den Hermes, um den Äneas an seine Bestimmung zu erinnern. Das erst rüttelte ihn aus seiner Betäubung. Er berief seine vertrautesten Freunde an einen einsamen Ort und befahl ihnen die Flotte zu rüsten, die Gefährten zu sammeln und alles zu schneller Abfahrt in Bereitschaft zu setzen, aber auch alles so heimlich als möglich zu betreiben, damit keine Kunde zu den Ohren der Dido dringe.

Die liebende Königin konnte nicht getäuscht werden; sie entdeckte bald, daß die Trojaner zu ihrer Abreise rüsteten. Tief erschüttert durcheilte sie die Straßen der Stadt, um den Äneas zu suchen, und überhäufte ihn mit Vorwürfen, die aber ohne Wirkung blieben, weil die Mahnung der Götter ihm über alles ging und kein Menschenwort mehr den einmal gefaßten Entschluß, Italien aufzusuchen, wankend machen konnte. Aber er mußte die Leiden der Dido, welche diese endlich sogar bis zum Selbstmorde trieben, mit neuen Irrfahrten und großen Unglücksfällen büßen. Zunächst wurde er nach Sizilien verschlagen, wo trojanische Frauen, der langen Reise müde, vier schöne Schiffe verbrannten; dann verlor er seinen ausgezeichneten Steuermann Palinuros und gelangte darauf zuerst in den Hafen von Cajeta, der von seiner alten treuen Amme diesen Namen erhielt, und endlich bei Ostia in das italische Land. Hier war es, wo die ermüdeten Trojaner bei der eiligen Bereitung des Mahles Weizenkuchen buken und statt der Tische und Teller gebrauchten, ja als ihr Hunger noch nicht gestillt war, auch diese verzehrten. Darüber scherzend sagte der kleine Julus (Askanios): »Wir verzehren ja unsere eigenen Tische!« und jetzt erst fiel es ihnen bei, daß nun das verheißene Land erreicht und die Verkündigung der Harpyie Kelaeno und des Vaters Anchises erfüllt sei.

Doch weiter will ich die Geschichte nicht erzählen. Der Krieg mit Turnus, die Einzelkämpfe und die Schlachten, die Volksversammlungen und die Beratungen der Fürsten würden euch wenig Anziehendes bieten.


 << zurück weiter >>