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Meister Perez, der Organist.

Als ich in Sevilla in der Vorhalle der Kirche zur heiligen Agnes auf den Beginn der Weihnachtsmette wartete, erzählte mir eine Pförtnerin des Klosters nachfolgende Geschichte.

Wie natürlich war ich danach noch ungeduldiger, diesem Wunder beizuwohnen.

Trotzdem war nichts weniger wunderbar, als die Orgel bei Sanct Agnes, nichts gewöhnlicher, als die geschmacklosen Motetten, womit uns der Organist in jener Nacht bedachte.

Aus der Kirche tretend konnte ich mich nicht enthalten, die Pförtnerin mit spöttischem Lachen zu fragen:

»Woher kommt es, daß die Orgel des Meisters Perez heute so schlecht spielt!«

»Ei,« entgegnete die Alte, »weil es nicht seine Orgel ist.«

»Nicht die seine! was ist denn aus der geworden!«

»Ah! Die ist vor Alter in Stücke gefallen; sie war schon ein hübsches Paar von Jahren alt!«

»Und die Seele des Organisten!«

»Sie ist nicht mehr erschienen, seit der Zeit, da man die zerfallene Orgel durch die jetzige ersetzt hat.«

Wenn es vielleicht einem meiner Leser, nachdem er diese Geschichte gehört, einfallen sollte, mir die gleiche Frage zu stellen, so weiß er schon, warum sich ein so seltsames Wunder nicht bis auf unsere Tage erhalten hat.

 

I

»Seht ihr dort Den im Purpurmantel, eine weiße Feder auf dem Barett, der so aussieht, als trüge er alles Gold der indischen Galeonen auf seinem Wammse? Jenen, der just aus der Sänfte steigt, um die Hand der Dame zu bieten, welche im gleichen Augenblick ihre Sänfte verlassen hat und sich nun nähert, von vier fackeltragenden Pagen begleitet?

Es ist der Marqués von Moscoso, ein Verehrer der verwitweten Gräfin de Villapeñeda.

Man erzählt sich, daß er, ehe seine Augen mit Wohlgefallen auf dieser Dame haften blieben, nach der Tochter irgend eines reichen Herrn geangelt; aber der Vater des Fräuleins, von dem man einander zuflüstert, er sei ein bißchen geizig – aber still! Sprich vom Wolf und der Wolf steht auch schon hinter der Tür!

Seht ihr ihn, wie er unter dem Schwibbogen von San Felipe daherkommt! Er geht zu Fuß, in einen dunkeln Mantel gehüllt und ein einziger Diener schreitet ihm mit einem Windlicht voran. ...«

»Jetzt ist er gerade gegenüber dem Heiligenbilde!«

»Habt ihr das Komturkreuz bemerkt, das bei der Verbeugung gegen das Gnadenbild auf seiner Brust erfunkelte?

Wahrlich, ohne dieses stolze Adelszeichen würde ihn jedermann für einen Kaufherrn aus der Schlangengasse halten. ...

Das ist eben der Vater, von dem wir sprachen! – Schaut nur, wie ihm die Leute Platz machen und wie sie ihn allenthalben ehrfürchtig grüßen. ...

Ganz Sevilla kennt ihn wegen seines ungeheuren Vermögens. Er allein hat mehr goldene Randdukaten in seinen Schränken als unser Herr, der König Don Philipp, Soldaten besitzt, und aus seinen Schiffen könnte man eine Kriegsflotte zusammenstellen, die genügen würde, um selbst dem Großtürken Trutz zu bieten. ...

Seht nur, seht den Haufen von großmächtigen Herren, das sind die vierundzwanzig Ritter! Holla! ... holla! Hier ist auch der Flamländer, den, wie man sagt, die Herrn vom grünen Kreuz Die Inquisition. noch nicht beim Kragen genommen, nur deshalb, weil er bei den Baronen in Madrid so viel gilt. ...«

»Der kommt nur in die Kirche, um die Musik zu hören!«

»Nein! Wenn Meister Perez mit seiner Orgel dem nicht faustgroße Tränen aus den Augen preßt, so kann er sicher sein, daß jener keine Seele mehr im Leibe hat, wenn sie nicht schon in den Bottichen des Gehörnten Im Original: Pero Botero. schmort. ...«

»Ach Nachbarin, es steht schlimm – sehr schlimm – mir scheint, es wird hier eine Rauferei geben! Ich laufe in die Kirche, denn nach allem, was ich sehe, werden hier mehr Schläge zu kriegen sein, als Vaterunser ...«

»Schaut, schaut! – Die Dienstmannen des Herzogs de Alcalá biegen um die Ecke des Platzes San Pedro und im engen Frauengäßchen scheint mir, zeigen sich die von Medina-Sidonia! ...«

»Wie, hab ich's Euch nicht gleich gesagt! ...«

»Schon haben sie einander gesehen! ... Schon schließen sie sich in dichte Reihen ... die Volkshaufen zerstieben ... die Häscher, die bei solchen Gelegenheiten von Freund und Feind gehauen werden, ziehen sich zurück … Schon rennt auch der Herr Stadtrichter mit seinem Amtsstab und seinem ganzen Ruhm in die Vorhalle – und da sagt man noch, daß es eine Gerechtigkeit gibt!«

»Ja, für die armen Teufel!« – –

»Gehn wir, gehn wir, schon blinken im Dunkel die Schilde! – – – Lieber Herrgott, steh uns bei!«

»Schon fallen Hiebe! ... Nachbarin, Nachbarin, hierher! – bevor sie uns die Tore vor der Nase zuwerfen! … Aber still! ... Was ist das? ... Kaum daß sie angefangen haben, hören sie schon auf.«

»Was ist das für ein Flammenschein! Lohende Fackeln! Eine Sänfte! ... Das ist der Herr Bischof!«

»Die allerheiligste Jungfrau von Amparo, die ich gerade in meinen Gedanken angerufen, hat ihn mir zu Hilfe geschickt! Ach! Niemand weiß, was ich dieser edlen Heiligen schuldig bin! – Mit welchen hohen Zinsen zahlt sie mir die Kerzen zurück, die ich ihr jeden Sonnabend anzünde!«

»Schaut, wie erhaben er in seinem violetten Gewande und dem roten Hut aussieht ... Gott erhalte ihn noch so viele Jahre auf seinem Thron, wie viele ich mir zu leben wünsche! Wenn er nicht wäre, stände halb Sevilla schon längst in Flammen durch den Zwist der Herzoge!«

»Seht, seht die Pharisäer an, wie sie allbeid zur Sänfte des Prälaten tänzeln, um seinen Ring zu küssen!«

»Wie sie hinter ihm herziehen, indem sie sich in seine Dienerschaft mischen ...«

»Wer möchte sagen, daß die zwei, die jetzt die besten Freunde zu sein scheinen, wenn sie sich in einer kleinen halben Stunde in einer dunklen Gasse treffen ...«

»Das sind dieselben! ... dieselben! ...«

»Gott behüte mich, zu denken, sie wären Memmen. Sie haben schon öfter Beweise von Mut gegeben im Kampfe, bei vielen Gelegenheiten gegen die Feinde unseres Herrn und Königs!«

»Aber es ist doch wahr, wenn sie einander suchen und mit dem Wunsche, sich auszusöhnen, hätten sie sich gewiß schon längst gefunden und wir wären mit einem Schlag diese ewigen Streitereien los, bei denen ihre Verwandten und Vasallen gewinnen, die doch nur in Wahrheit die Ketten fester anziehen.«

»Aber kommt, Nachbarin, gehn wir in die Kirche, eh sie vollgepfropft ist, – denn in Nächten, wie es diese ist, pflegt es immer drinnen so voll zu sein, daß auch eine Stecknadel nicht zur Erde fallen könnte ...«

»Haben da einen guten Fang gemacht, die Nonnen mit ihrem Organisten. ... Ob wohl je dieses Kloster in solchem Ansehen gestanden ist, wie jetzo? ... Andere Klöster haben Meister Perez – ich kann sagen: großartige Angebote gemacht.«

»Ja, das ist nichts Besonderes, denn selbst der Herr Erzbischof hat ihm goldene Berge versprochen, nur um ihn in den Dom zu kriegen. Aber er: nein! ... Lieber sterben, als seine geliebte Orgel verlassen!«

»Ihr kennt nicht den Meister Perez?

Nu freilich, Ihr seid fremd in diesem Stadtviertel. ... Das ist Euch ein heiliger Mann! Zwar arm, aber wohltätig, wie kein anderer. Er hat nicht einen einzigen Verwandten außer seiner Tochter, keinen Freund außer seiner Orgel, und sein ganzes Leben hat er gewidmet, um die Unschuld jener zu beschützen und die Register dieser in Ordnung zu halten ...

Wie schade, daß die Orgel so alt ist! Aber das merkt man gar nicht! ... Er versteht es, sie so geschickt herzurichten und behandelt sie so, daß sie spielt ..., daß es ein wahres Wunder ist!« ...

»Weil er sie so gut kennt, er hat alles im Griff ...«

»Aber ich weiß nicht, ob ich Euch gesagt habe, daß der Arme von Geburt aus blind ist?! ... Und mit welcher Engelsgeduld trägt er sein Unglück!

Wenn ihn jemand fragt, was er dafür gäbe, um sehen zu können, so antwortet er: Viel, aber doch nicht so viel, als ihr glaubt ... denn ... er hat Hoffnung ...«

»Hoffnung zu sehen?«

»Ja, und das bald,« fügt er immer bei, selig lächelnd. »Ich bin sechsundsiebzig Jahre alt ... schon hübsch lang schlepp ich mich durchs Leben. ... Schon bald werd ich den Herrn sehn!«

»Der Ärmste! Freilich wird er ihn sehen, weil er bescheiden ist, wie das Gestein auf der Straße, das sich von der ganzen Welt mit Füßen treten läßt.«

»Immer sagt er, er sei nichts mehr, als ein armer Klosterorganist, und doch könnte er selbst dem Kapellmeister der Kathedrale im Orgelspiel Unterricht geben. ... Es sind ihm schon alle Zähne in seinem Amte ausgefallen. ...

Sein Vater war auch Organist. Ich habe ihn nicht gekannt, aber meine Frau Mutter – Gott geb ihr den ewigen Frieden! – sagte, er habe ihn immer mit auf den Chor genommen, auf daß er den Blasbalg trete. Später zeigte der Knabe solche Anlagen, daß er – wie ganz natürlich – nach des Vaters Tod das Amt geerbt hat! ... Und was für Hände er hat! – Gott segne sie! – Er verdiente, daß sie ihn nach der Straße Chicarreros tragen und in Gold fassen ließen!

Er spielt immer schön, aber in der Nacht, wie es diese ist, tut er wahrhaftige Wunder! Er zeigt nämlich eine tiefe Verehrung für die Zeremonie der Weihnachtsmette, und wenn die heilige Hostie emporgehoben wird, just wann es Zwölf schlägt, die Stunde, in der unser Herr und Heiland Jesus Christus zur Welt gekommen ist, – da gleichen die Töne seiner Orgel Stimmen von Engeln. ... Kurz, wozu soll ich auch erzählen, was Ihr in dieser Nacht hören werdet. Es genügt zu sehen, wie sich alles, der ganze Flor von Sevilla, ja selbst der Herr Erzbischof, herzudrängt in ein so unscheinbares Klösterlein, um ihn zu hören! ...

Und Ihr dürft nicht glauben, daß vielleicht nur gebildete Leute, die etwas von der Musik verstehen und seine Verdienste zu schätzen wissen, – o nein! auch das gewöhnliche Volk! ... All die Haufen, die Ihr seht mit Kienfackeln herbeiströmen, ihre Weihnachtslieder singend, unter dem Lärm der Tambourins, Klappern und Pauken, sind gegen ihre Gewohnheit, sich in der Kirche herumzustoßen, stumm wie das Grab, sobald Meister Perez die Hände auf die Orgel legt ... Und wenn sie zu spielen anfängt ... aus allen Augen stürzen dicke Tränen, und wenn er aufhört, hört man einen langen, schier endlosen Seufzer, der nichts anderes ist, als der Atem, den die Anwesenden zurückgehalten haben. ...

Aber kommt, kommt! Schon haben die Glocken aufgehört zu läuten, die Messe fängt gleich an, treten wir ein!

Für die ganze Welt ist diese Nacht eine Weihenacht, aber für niemand mehr, als für unsereinen.«

Dies sprechend näherte sich die gute Frau, die ihrer Nachbarin Führerdienste leistete, der Vorhalle des Klosters zur heiligen Agnes und dort angekommen drängte sie sich mittelst einiger geschickter Stöße des Ellbogens in die Kirche, wo sie in der bei der Tür zusammengepferchten Menge verschwand.

 

II

Das Gotteshaus war mit erstaunlicher Freigebigkeit erleuchtet:

Der von den Altären strömende und um sie wogende Sturzbach von Lichtern spiegelte sich in dem reichen Schmuckwerk der Damen, die knieend auf den von Pagen ausgebreiteten Samtpfühlen und aus den Händen ihrer Duennen die Gebetbücher empfangend einen leuchtenden Kreis rings um das Gitter des Presbyteriums bildeten.

In der Nähe dieses Geländers, eingehüllt in farbige, goldverbrämte Mäntel, aus denen grüne und rote Bänder hervorsahen, standen, in der einen Hand den Hut, dessen Federn bis zur Erde herabfielen, die andere auf dem polierten Kreuze des Schwertes, oder mit dem Heft des reichausgelegten Dolches spielend, die vierundzwanzig Ritter mit einer Menge des vornehmsten Adels von Sevilla, und schienen so eine Mauer zu bilden, um ihre Frauen und Kinder vor der Berührung mit dem Pöbel zu bewahren.

Das niedere Volk, das im rückwärtigen Teile der Kirchenschiffe wie ein schäumendes Meer hin- und herwogte, brach in Jubelgeschrei aus und begleitete dieses mit einem unharmonischen Getön der Klappern und Tambourins, als es den Erzbischof herannahen sah, der dicht neben dem Hauptaltar auf einem scharlachfarbenen Thronstuhle Platz nahm, und umringt von seinem priesterlichen Gefolge das Volk dreimal segnete. Das war das Zeichen zum Beginn der Messe.

Trotzdem dauerte es einige Zeit, ehe der Zelebrierende erschien.

Die Menge fing an sich zu rühren, so ihre Ungeduld kund gebend, die Ritter tauschten gegenseitig einige halblaute Worte, und der Erzbischof schickte einen seiner Diener in die Sakristei, um zu fragen, weshalb die Zeremonie nicht anfange.

»Meister Perez ist erkrankt, schwer erkrankt, und es ist ihm unmöglich, an dieser Mitternachtsmette teilzunehmen« lautete die Antwort.

Die Nachricht verbreitete sich augenblicklich im Volke. Den traurigen Eindruck zu schildern, den sie auf die anwesenden Massen übte, wäre kaum möglich. Es genügt aber zu sagen, daß sich in der Kirche solch ein Lärm bemerkbar machte, daß der Stadtrichter aufstand und die Häscher, indem sie sich zwischen die Menge drängten, alle Mühe aufwenden mußten, um Ruhe zu schaffen.

In diesem Augenblick nahte sich ein widriger, magerer, knochiger und dazu noch schielender Mensch dem Throne, auf dem der Prälat saß.

»Meister Perez ist krank,« sagte er, »die Messe kann nicht beginnen, wenn Euer Eminenz es wünscht, so werde ich in seiner Abwesenheit auf der Orgel spielen. Denn Meister Perez ist weder der erste Organist der Welt, noch wird es nach seinem Tode nötig sein, aus Mangel an einem geschickten Spieler das Instrument vermorschen zu lassen!« ...

Der Erzbischof nickte zum Zeichen seiner Erlaubnis, und schon brachen einige der Gläubigen, die diesen sonderbaren Menschen als Neidhart aller Organisten und als Feind des Meister Perez kannten, in Rufe der Unzufriedenheit aus, als sich urplötzlich in der Vorhalle ein wildes Getöse erhob. ...

»Meister Perez ist da! ... Meister Perez ist da! ...«

Auf das Geschrei jener, die sich um die Tür drängten, wendete alle Welt den Kopf dahin.

Wirklich war Meister Perez mittels eines Armsessels in die Kirche gekommen, aschfahl, mit eingesunkenen Augen, und nun begannen alle sich die Ehre streitig zu machen, ihn auf den Schultern tragen zu dürfen. ...

Weder die Abmahnungen des Arztes, noch die Tränen seines Kindes, nichts hatte ihn vermocht, im Bette zu bleiben.

»Nein,« sagte er, »es ist heut zum letztenmale, ich weiß es, ich weiß es, und will nicht sterben, ohne meine Orgel besucht zu haben – hauptsächlich in dieser Nacht, in der Weihenacht. Kommt! Ich will es! Ich befehle es! Gehn wir in die Kirche! ...«

Seine Sehnsucht wurde erfüllt, und nun trugen sie ihn, sich um diese Ehre heftig streitend, auf den Schultern auf den Chor und die Messe begann.

Eben schlug die Uhr der Kathedrale die zwölfte Stunde.

Introitus, Evangelium und Offertorium waren schon vorbei und es kam der feierliche Augenblick, wo der Geistliche die heilige Hostie mit den Fingerspitzen erfaßt und emporhebt.

Eine Weihrauchwolke von blauen Wellen erfüllte den Raum der Kirche; die Glocken klangen mit schütterndem Ton und Meister Perez legte die zittrigen Finger auf die Tasten der Orgel.

Die hundert Stimmen der metallenen Pfeifen erklangen in einem einzigen, mächtigen, langen Akkord, der sich allmählich verlor, wie wenn ein Windstoß seinen letzten Hall verweht hätte.

Diesem ersten Akkord, der einer von der Erde zum Himmel aufschwebenden Stimme glich, folgte ein zweiter, zart und lieblich, der allgemach anschwoll, immer stärker und stärker, bis er in einem Strom entfesselter Harmonieen auseinanderwogte. Es war die Stimme der Engel, die, den Weltraum durchdringend, zur Erde fliegt.

Dann hörte man gleichsam fernen Hymnengesang, von den Heerscharen der Seraphime gesungen, tausend gleichzeitige Hymnen, die zusammenklingend eine einzige bildeten, die indes nichts anderes war, als die Begleitung einer wundersamen Melodie, ein Ozean von geheimnisvollen Tönen, wie ein silberner Nebel über den Wellen des Meeres.

Bald verloren sich ein paar einzelne Klänge und gleich darauf die übrigen; die ineinander verschlungenen Töne begannen sich zu entwirren. – Schon waren es nur noch zwei Stimmen, deren Echo ineinander klang. Dann blieb nur einer, ein einziger, langer, wie ein Lichtstrahl hinzitternder Ton. ...

Der Priester senkte das Haupt und über seinem kahlen Haupte erschien im blauen Dunste des Weihrauchs, wie in einem azurnen Schleier, die Hostie vor den Blicken der Andächtigen.

In diesem Augenblick löste sich der Ton, den Meister Perez mit einem Triller anhielt, und der Ausbruch einer gewaltigen Harmonie erschütterte das Gotteshaus, in dessen Winkeln die zusammengepreßte Luft erbrauste und die farbigen Scheiben der Fenster in ihren schmalen, gotischen Bogen erzitterten.

Aus jeder einzelnen Note, die sich in einem so machtvollen Akkord vereinigte, entwickelte sich ein Thema; bald nah, bald fern, jetzt leuchtend, jetzt dumpf, als würden Gewässer und Vögel, Winde und Blätter, Menschen und Engel, Erde und Himmel, jedes nach seiner Art, Hymnen zur Geburt des Erlösers jauchzen. ...

Die Volksmenge lauschte mit Staunen und Bewunderung. In aller Augen glänzten Tränen, aller Gemüt war tief ergriffen.

Der die Messe lesende Priester fühlte, wie ihm die Hände bebten, denn was er mit ihnen emporhob, war Der, den Menschen und Erzengel grüßten, war sein Gott! Und ihm war es, als sähe er den Himmel geöffnet und die Hostie sich verwandeln in den Leib Christi.

Die Orgel tönte fort. Aber ihre Klänge wurden allgemach schwächer wie eine Stimme, die von Echo zu Echo eilt, und leiser wird und leiser, je weiter, desto mehr. ...

Da ertönte ein Schrei vom Chor, ein verzweifelter, durchdringender Schrei, der Aufschrei eines Weibes.

Der Orgel entrang sich ein falscher, ungewöhnlicher Ton, wie ein Schluchzen, ein Stöhnen und sie verstummte.

Die Menge drängte sich auf die Stiegen der Galerie, wohin alle Gläubigen, aus ihrer frommen Andacht gerissen, ihre Augen voll Unruhe wendeten.

»Was ist geschehn? Was geht dort vor?« frug man einander, aber niemand konnte es sagen, obgleich sich alle bemühten, es zu erraten.

Die Verwirrung wuchs immer mehr und der Lärm drohte die für eine Kirche ziemliche Ordnung zu vernichten.

»Was war das?« frugen die Damen den Stadtrichter, der von den Häschern gefolgt, unter den ersten auf die Galerie drang, und nun ganz blaß und tiefbewegt dahin eilte, wo ihn der Erzbischof erwartete, der just so neugierig war, die Ursache jenes Lärms zu hören, wie die andern.

»Was gibt es?«

»Meister Perez ist soeben gestorben!« ...

In der Tat gewahrten die ersten von den Andächtigen, welche über die Stiegen drängend, auf die Galerie gelangt waren, den armen Organisten, wie er mit dem Antlitz auf die Tasten seines alten, morschen, noch immer dumpf nachhallenden Instrumentes hingesunken war und zu seinen Füßen – die knieende Tochter, die schluchzend und stöhnend ihn vergebens anrief. ...

 

III

»Guten Abend, meine teure Sennora, Donna Baltasara! Kommt Ihr heute nacht auch zur Mitternachtsmette? Ich meinerseits habe die feste Absicht gehabt, in die Pfarrkirche zu gehn, aber was da vorgeht ...«

»Wohin geht Vincento? ...«

»Wo alle hingehn.«

»Und doch ist mir, daß ich die Wahrheit sag, seit Meister Perez gestorben, wie wenn mir ein Stein aufs Herz fiele, wenn ich ins Kloster der heiligen Agnes trete! ... Der Arme! ... Das war ein Heiliger!«

»Ich kann sagen, daß ich ein Stück seines Gewandes wie eine Reliquie hüte und es verdient es! ... Bei Gott und bei meiner Seele! – wenn sich unser Herr Erzbischof der Sache annimmt, werden ihn unsere Enkel sicherlich auf den Altären sehn! ... Aber wie Gott will! Die Toten und Abwesenden haben keine Freunde! Heutzutag zieht nur das an, was neu ist! ... Ihr versteht mich schon! ... Was? ... Ihr wißt nichts von dem, was geschehn ist? ...

Wirklich! wir zwei sind uns darin ganz gleich! Aus unserem Hause in die Kirche, und aus der Kirche nach Hause, ohne uns um das zu kümmern, was man spricht oder nicht spricht ... nur daß ich ... so nebenbei, ein Wörtchen hier, ... ein Wörtchen dort ... fast ohne zu wollen – doch so hier und da etwas Neues gewahr werde.«

»Ja, ja, so ist's auch bei mir!«

»Mir scheint, es ist schon ausgemachte Sache, daß der Organist vom heiligen Romanus, jener schielende Kerl, der nichts anderes zu tun hat, als die übrigen Organisten zu verschwärzen, dieser schlampige Bursch, der eher einem Schlächter vom Fleischtor ähnlich sieht, als einem christlichen Orgelspieler, diese Nacht an Stelle des Meister Perez spielen wird ...

Auch Ihr werdet es vielleicht schon wissen, denn es weiß das alle Welt, und es ist eine bekannte Sache in ganz Sevilla, daß sich dazu kein anderer hergeben möchte es zu tun! Ja, nicht einmal seine eigene Tochter, die doch spielen gelernt hat und die nach dem Tode des Vaters als Novize ins Kloster eingetreten ist.

Und das ist natürlich! Uns, die wir's gewohnt sind, die wunderbaren Töne zu hören, erscheint alles andere schlecht – obgleich der Mensch auf jede mögliche Art sich bemüht, alle Vergleiche zu vermeiden ...

Aber sobald das Kloster beschlossen hat, daß zu Ehren des Verstorbenen und zum Zeichen der Trauer die Orgel in dieser Nacht stumm sein soll, sieh, da meldet sich unser Mann und behauptet, er getraue sich zu spielen.«

Nichts ist so dreist, wie die Unwissenheit!«

Freilich ist das nicht seine Schuld, sondern die Schuld jener, die in diese Entweihung gewilligt haben – aber so geht's auf dieser Welt! – Und ich sag, daß es nicht nur so für nichts und wider nichts geschieht, daß die Leute dorthin rennen ... man könnt fast denken, daß sich von einem Jahr zum andern nichts geändert hat.

Dieselben großen Herren, derselbe Prunk, das gleiche Gedränge in der Tür, dieselbe Aufregung in der Vorhalle, und die gleiche Menge in der Kirche! ...

Ach, wenn der Tote sich erheben könnte! – Er möcht lieber noch einmal sterben, nur um nicht seine Orgel unter solchen Händen winseln zu hören!

Deswegen geschieht es auch – wenn es wahr ist, was mir die Leute aus diesem Stadtviertel erzählt haben – daß sie diesem Eindringling etwas Hübsches ausführen werden.

Sobald der Augenblick kommt, wo er die Hände auf die Tasten legt, geht die Katzenmusik auf den Tambourins, Klappern und Pauken los, daß es schon dafürstehen wird!

»Aber still! Schon tritt der Held in die Kirche ein!«

»Jesus! was für eine Stieglitzjacke, was für ein Halsfutteral, – – ein netter Herr!«

»Kommt, kommt, in einer kleinen Weile wird der Erzbischof eintreffen, und die Messe anfangen. – Kommt, denn mir ist, als sollte diese Nacht auf ein paar Tage zu reden geben!«

Damit drängte sich die gute Frau in das Innere der Kirche zur heiligen Ines, wo sie sich nach ihrer Gewohnheit mittelst der Ellbogen durch die Menge den Weg bahnte. ...

Die Zeremonie begann.

Das Gotteshaus war mir ebendemselben blendenden Lichterglanze erfüllt, wie im vergangenen Jahre.

Nachdem der neue Organist durch die Mitte der Andächtigen, die das Kirchenschiff erfüllten, zum Prälaten gegangen war und dessen Ring geküßt hatte, stieg er auf den Chor, woselbst er ein Orgelregister um das andere mit ebenso affektierter, als lächerlicher Wichtigtuerei aufzog.

Unter dem im Hintergrund der Kirche in dichtem Mischmasch zusammengedrängten Volke ließ sich ein dumpfes, verworrenes Gebrause hören, das sichere Anzeichen, daß der Sturm anfange, sich zu erheben und in nicht langer Zeit losbrechen werde.

»Es ist ein Hanswurst, der sich den Teufel einbildet auf seine Gescheitheit,« ... sagten die einen.

»Ein Esel ist er, der, nachdem er seine Orgel verdorben hat, daß sie krächzt und ächzt, wie eine Weberknarre, hierherkommt, um das Werk des Meister Perez zu entweihen,« meinten die andern.

Und währenddessen der eine den Mantel ablegte, um vorbereitet zu sein, wenn er auf die Pauke hämmern solle, der andere die Klappern untersuchte, und alle sich rüsteten, Lärm zu machen, je größer, desto besser, wagte es fast keiner, jenen sonderbaren Menschen zu verteidigen, dessen hoffärtiges und pedantisches Gehaben ein so großes Gegenstück zur bescheidenen und freundlichen Güte des Meister Perez bildete.

Endlich war der erwartete Augenblick gekommen, jene feierlichen Augenblicke, wo der Priester, nachdem er sich verbeugt und einige Worte gesprochen, die Hostie zwischen die Finger nimmt. ...

Die Glocken läuteten und ihre Töne bebten, gleichsam ein Regen von kristallenen Klängen; die durchsichtigen Wellen des duftigen Weihrauchs stiegen zur Höhe und die Orgel setzte ein.

Ein ohrenzerreißendes, wildes Getöse erfüllte in diesem Moment die Räume des Gotteshauses und erstickte den ersten Akkord.

Schalmeien, Dudelsäcke, Tambourins, Klappern – alle möglichen Instrumente ließen gleichzeitig ihre durchdringenden Töne hören. ... Aber das verworrene Lärmen und Brausen dauerte nur ein paar Sekunden. So wie sie angehoben, verstummten urplötzlich alle auf einmal.

Der zweite Akkord, der voll, mächtig und hallend ertönte, wurde von den metallenen Pfeifen der Orgel lang ausgehalten und glich einem Wasserfall silberner Harmonieen.

Himmlische Klänge, wie sie in Augenblicken der Begeisterung das Ohr berühren ... Gesänge, bloß von der Seele begriffen, welche die Lippen aber niemals auszudrücken vermögen ... Töne, einer fernen Melodie entrissen und vom Winde getragen, zeitweise erklingend ... Blätterrauschen, das mit zartem Gelispel, ähnlich dem des Regens in Baumkronen, niederweht, Lerchentriller aus Blumen emporsteigend. ... Mit Worten nicht erklärbare Töne, mächtig wie das Rollen des Donners. ... Engelschöre ohne Rhythmus und Takt, eine unbekannte Himmelsmusik, die bloß die Phantasie versteht. ... Geflügelte Hymnen, die zum Throne des Herrn aufzuschweben scheinen, ein Wirbelsturm von Licht und Klang. ... All das quoll und brandete und brauste durcheinander aus den hundert Stimmen der Orgel, ergreifender durch seine Macht, geheimnisvoller durch seine Poesie, phantastischer in seiner Färbung als überhaupt sonst jemals. – – –

Als der Organist vom Chore herunterstieg, war die Menge jener, die sich um die Stiege drängten, im Eifer ihn zu sehen und ihn zu bewundern, so groß, daß der Stadtrichter, nicht ohne Grund für ihn besorgt, er könnte im Gedränge erdrückt werden, einigen von seinen Alguazils befahl, sie mögen ihm mit Hilfe ihrer Stäbe den Weg bahnen, damit er zum Hauptaltar gelangen könne, wo der Herr Erzbischof seiner wartete.

»Seht,« sagte dieser, als man den Organisten vor ihn führte, »ich bin aus meinem Palaste bloß deshalb hierhergekommen, um Euch zu hören. Werdet Ihr auch so dickköpfig sein, wie Meister Perez, der mir niemals den Weg ersparen wollte, um zur Weihnachtsmette in der Kathedrale zu spielen?«

»Im künftigen Jahre,« erwiderte der Organist, »verspreche ich nach Euer Eminenz Willen zu tun ... denn um alle Schätze der ganzen Welt würde ich diese Orgel nicht mehr berühren ...«

»Und weshalb?« unterbrach ihn der Prälat.

»Weil« ... stammelte der Organist, vergebens die Aufregung bemeisternd, die sich in seinem aschfahlen Antlitz malte, »weil – sie alt und schlecht ist, und es einem unmöglich wird, durch sie alles auszudrücken was man will ...«

Der Erzbischof ging in Begleitung seiner Dienerschaft von hinnen.

Sänfte um Sänfte entfernte und verlor sich in den Krümmungen der benachbarten Gassen. Die Gruppen in der Vorhalle zerstreuten sich langsam in verschiedene Richtungen und die Pförtnerin wollte schon das Tor zum Eingang in den Vorraum schließen, als sie hier noch zwei Weiber fand, die vor dem Bilde unterm Bogen des heiligen Philipp sich bekreuzend und ein Gebetchen flüsternd, eben fortgehen wollten, und schließlich plaudernd ins Gäßchen de las Duennas einbogen. ...

»Was wollt Ihr, meine teure Sennora, Donna Baltasara?« sagte die eine, – »mir ist es schon einmal so angeboren! Jeder hat sein Steckenpferd. ... Und wenn es mir auch die barfüßigen Kapuziner beteuern würden – ich glaube es doch nicht ...«

»Der Mensch ist mein Lebtag nicht imstande, so zu spielen, was wir eben gehört haben.«

»Ich hab ihn doch tausendmal und nicht einmal in der Pfarrkirche beim heiligen Bartholomäus gehört, von wo ihn der Herr Pfarrer fortjagen mußte, weil er nichts konnte und so spielte, daß sich der Mensch die Ohren lieber mit Baumwolle verstopft hätte ...

Und dann ... man braucht ihm nur ins Gesicht zu sehn, und das ist doch, wie man sagt, der Spiegel der Seele ...

Ich denke an den armen Meister Perez, als ob ich ihn heute gesehn hätte. ... Ich sehe noch immer, wie sein Gesicht geleuchtet hat, wenn er in der Nacht wie der heutigen, von der Galerie kam, nachdem er durch seine Kunst die Hörer mit Bewunderung erfüllt.

Was war das für ein gütiges Lächeln und was für eine lebendige Farbe! Er war alt und doch war er wie ein Engel! ... Der flog nicht, hast du nicht gesehen, von der Treppe, als ob ihn oben ein Hund angebellt hätte, noch sah er so kalkweiß aus, wie ein Toter ...

Kommt, kommt Sennora Donna Baltasara, mir könnt Ihr glauben, die reine Wahrheit könnt Ihr mir glauben. Ich hab' Verdacht, daß die Sache einen Haken hat! ...«

Mit diesen Worten bogen die beiden Weiber um die Ecke und verschwanden.

 

IV

Abermals verging ein Jahr.

Die Äbtissin des Klosters der heiligen Agnes und die Tochter des Meister Perez sprachen miteinander halblaut im Schatten des Kirchenchors.

Die Glocke rief zwar unablässig die Andächtigen, aber nur ab und zu schritt eine Gestalt durch die jetzt stille und verlassene Vorhalle und wählte sich nach einem Griff in das gesegnete Weihwasser einen Platz irgendwo im Kirchenschiff, woselbst einige Nachbarinnen aus demselben Stadtviertel den Beginn der Weihnachtsmesse ruhig abwarteten.

»Nun seht Ihr,« sagte die Äbtissin, »Eure Furcht ist übertrieben kindisch. ... Es ist fast niemand in der Kirche. Ganz Sevilla drängt sich heute nacht in die Kathedrale. Spielt auf der Orgel, und spielt ohne alle Angst; denn wir werden bloß in klösterlicher Gesellschaft sein! ... aber ... Ihr verharrt in Schweigen, ohne daß Ihr aufhöret zu seufzen. ... Was ist Euch! Was habt Ihr!«

»Ich habe ... Furcht!« rief das Mädchen mit tieferregter Stimme.

»Furcht? Wovor?«

»Ich weiß nicht! ... Vor etwas Übernatürlichem! ... Heute nacht ... seht, als ich Euch sagen hörte, daß Ihr Euch verpflichtet hieltet, mich bei der Messe spielen zu lassen ... wollte ich voll Freude über diese Auszeichnung die Register der Orgel durchmustern und stimmen, um Euch heute überraschen zu können.

Ich kam auf den Chor ... mutterseelenallein ... ich öffnete die zur Orgel führende Türe ... vom Turm der Kathedrale schlug es gerade eine Stunde ... ich weiß nicht welche ... Aber die Töne der Glocken waren so traurig und klangen lange nach ... lange ... und klangen immerdar ... die ganze Zeit über, während ich wie angewurzelt auf dem Platze stand, und jene Zeit schien eine Ewigkeit.

Die Kirche war leer und dunkel. Dort hinten, in der Tiefe, blinkte wie ein verlorener Stern am Nachthimmel ein erlöschendes Lichtchen ... das ewige Licht in der Ampel vor dem Hochaltar! ...

Bei seinem schwachen Scheine, der die ganze tiefe Schauerlichkeit des Dunkels desto deutlicher macht, sah ich ... sah ich – o Mutter, bezweifelt es nicht ... sah ich einen Mann, der schweigend und mit dem Rücken gegen mich gekehrt ... mit der rechten Hand auf den Tasten der Orgel hin- und hergriff, mit der linken indes die Register zog und – die Orgel klang!

Aber sie klang in unbeschreiblicher Weise! Jeder Ton schien ein Seufzer zu sein, der schon in der metallenen Pfeife erstickte, und die in den Höhlungen der Pfeifen zusammengepreßte Luft strebte sich auszubreiten, einen dumpfen, fast unhörbaren, aber doch wirklichen Klang von sich gebend.

Und die Uhr auf der Kathedrale schlug noch immer, und der Mann berührte immerwährend die Tasten. ... Ich hörte sozusagen seinen Atem.

Vor Grausen erstarrte mir das Blut in den Adern. Ich fühlte im Körper Eiseskälte und Feuer in den Wangen. Dann wollte ich schreien, aber ich konnte nicht. ...

Der Mann wendete mir endlich sein Antlitz zu und erblickte mich ... nein, nein! ... nimmermehr, ich irre, er erblickte mich nicht, denn ... er war blind. ... Es war mein Vater

»Ach Schwester, laßt diese Phantasieen, mit denen der böse Geist die schwachen Sinne zu beunruhigen strebt. ... Betet ein Vaterunser und ein Gegrüßetseistdu-Maria zum Erzengel Michael, dem Führer der himmlischen Heerscharen, daß er Euch beistehe gegen die bösen Geister. Bindet Euch um den Hals ein Skapulier, das die Reliquien des heiligen Pachomius berührt hat, des Beschützers gegen Versuchungen, und geht, geht auf den Chor zur Orgel. Die Messe beginnt sogleich und die Leute sind schon ungeduldig ... Euer guter Vater ist im Himmel und von dort wird er eher zur Unterstützung seiner Tochter bei dieser heiligen Zeremonie herniedersteigen, die für ihn ja stets der Gegenstand besonderer Ehrfurcht gewesen ist! ... Er wird eher kommen um seine Tochter zu begeistern, als ihr Entsetzen einzujagen! ...«

Die Äbtissin setzte sich in ihren Sessel inmitten der Klosterschwestern. Die Tochter des Meister Perez öffnete mit bebender Hand die zum Chor führende Pforte, um auf der Bank vor der Orgel Platz zu nehmen – und die Messe begann. ...

Die Messe begann und schritt vor, ohne daß etwas Bemerkenswertes vorgefallen wäre, bis die Wandlung kam. ...

Hier erklang die Orgel und zu gleicher Zeit ein Schrei der Tochter des Meisters Perez. ...

Die Äbtissin, die Nonnen und Andächtige eilten zur Galerie.

»Seht ihn! seht ihn!« rief das Mädchen, die stieren Augen auf die Bank heftend, von der sie erschrocken geflüchtet war, und hielt sich mit krampfhaft zuckenden Händen am Geländer fest.

Alles wendete seine Blicke nach der Stelle, auf die sie hinwies. ...

Die Bank vor der Orgel war leer, und dennoch spielte diese ... sie spielte so, daß mit ihr bloß die Erzengel in der Verzückung mystischer Begeisterung hätten wetteifern können.

*

»Wie, hab ich's Euch nicht tausendmal gesagt, teure Sennora Donna Baltasara? Hab ich's Euch nicht gesagt? ... Dahinter steckt noch etwas. Hört mich! Was? Ihr seid heute nicht in der Mitternachtsmette gewesen? Aber das werdet Ihr doch wohl schon wissen, was geschehen ist? In ganz Sevilla spricht man von nichts anderem! ... Der Herr Erzbischof ist, und das mit Recht, wütend! ...«

»Bei der Mette der heiligen Agnes nicht gewesen zu sein. Ein solches Wunder auszulassen!«

»Und warum?! ... wegen des miserablen Gepimpers!!! ... Denn die Leute, welche den Kerl spielen gehört haben, behaupten, daß das, was der glückliche Organist von Sanct Bartholomäus in der Kathedrale zum besten gegeben, nichts anderes gewesen sei, als ...«

»Ich hab's Euch ja doch gesagt!«

» So konnte doch damals der schielende Dummkopf nicht spielen ... eine fertige Lüge! ... Dahinter steckt sicherlich etwas, dahinter steckt ... glaubt mir! ... dahinter steckt ... die Seele des Meister Perez! ...«


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