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Die Freunde Priulis, der junge Fürst Gaulo, die zwei Grafen Fabbriani und der Graf Spatò, erwarteten ihn mit mehr Geduld und besserer Laune, als er sich dachte. Sie saßen an einem runden Tisch auf der Kurhausterrasse, sogen an den Strohhalmen ihrer Graniti, sahen hinunter aufs Meer, wo einzelne, aber nicht allzu viele badeten, und sprachen in den Pausen, welche die Musikkapelle ließ, über allerlei Gesellschaftsklatsch und -neuigkeiten und über ihr Lieblingsthema, – das Heiratsproblem. Priuli hätte sich ihretwegen gar nicht auf eine Ausrede oder irgendeine Gefühlskomödie zu besinnen brauchen, denn sie waren von seinem Mißerfolg bei der Amerikanerin schon überzeugt, als seine Hoffnungen noch mit geblähten Segeln dahinfuhren. Gaulo sagte:
»Es dauert zu lange! Wenn eine Sache nicht in den ersten acht Tagen glückt, wird sie überhaupt nichts mehr! Sie nimmt Priuli nicht, verlaßt Euch darauf!«
Die andern nickten. Der jüngere Fabbriani, blond und häßlich, wie die blonden Italiener fast immer sind, sagte nachdenklich: »Es ist komisch! Priuli sieht doch so famos aus, daß man meint, er brauchte nur die Hand auszustrecken, um alle Weiber in der Tasche zu haben ...«
»In der Tasche schon, aber nicht in der Kirche!« meinte Spatò, der sich gern als Experte in Heiratsangelegenheiten aufspielte. Auch ihm sah man die alte, vornehme Rasse an, aber mehr an Dekadenzmalen denn an Vorzügen. Er war engbrüstig, hatte einen auffallend langen, schmalen Schädel und lebte seit Jahren mit einer Tänzerin, von der er nicht mehr loskam. Jeder wußte, daß er nur den Tod eines reichen Großonkels, der mit Enterbung drohte, abwartete, um seine Geliebte zu heiraten.
Die andern lachten. Es war eine kleine Schwäche Spatòs, stets so zu tun, als ob er seine Tänzerin jeden Augenblick verabschieden könnte und wollte und ernstlich daran dächte, eine vorteilhafte Standespartie zu machen. Er tat nicht nur vor den Leuten so, er redete es sich auch selbst ein, und darum wußte niemand in Venedig, ausgenommen vielleicht der junge Fürst Gaulo, so genau Bescheid um alle Partien, die in Frage kamen, wie Spatò. Massimo Fabbriani tat ihm jetzt den Gefallen, auf sein Spiel einzugehen, und fragte, was man denn tun müsse, um einen Goldfisch zu angeln. Spatò wiegte leise den Kopf, schien ein wenig nachzudenken und sagte dann fast dasselbe, was Priuli vorhin erwogen hatte.
»In Venedig ist es schwer, verdammt schwer; die Konkurrenz des Auslandes ist so groß! Unsere Namen klingen da draußen zu wenig, und unsere Paläste, nun ja, wenn man einen am Canal Grande hat, mag's noch gehen (der Palazzo Spatò, dicht bei den Palazzi Mocenigo gelegen, war einer der stolzesten des Canal Grande und berühmt wegen seiner prächtigen Renaissancefassade); aber der arme Priuli hat darin Pech. In der Calle, wo er steht, sieht ihn kein Mensch!«
»Aber der Palazzo Priuli ist entzückend!« meinte Cesare Fabbriani, der ein wenig mit Kunstinteressen kokettierte. »Für seine Spitzbogen geb' ich den Loredan und den Cornèr und noch einen dazu!«
»Ja, mein Lieber, wenn Du glaubst, daß die Mädchen wegen des Spitzbogenstils heiraten!« beharrte Spatò. »Wenn man ihnen imponieren will, muß man am Canal Grande wohnen, wo alle Parvenüs täglich vorbeifahren, und wo die Aussicht lockt, daß der Name, den sie erheiraten, von jedem Gondoliere und Fremdenführer genannt wird! Aber in einer Calle –«
Massimo Fabbriani gab Spatò recht. Er war mit seiner blonden Häßlichkeit immer etwas neidisch auf Priuli, und es freute ihn, wenn man die Chancen des schönen Ettore gering einschätzte. Darum sagte er jetzt, nur um den Widerspruch der andern zu hören:
»Freilich hat Priuli etwas, was mehr wert ist als irgendein Palast. Er hat seine Gemäldegalerie mit der ›Dogaressa‹!« Einen Augenblick herrschte Schweigen. Die »Dogaressa«, das weltberühmte Bild, das sich seit Jahrhunderten im Besitz der Priuli befand und eines der köstlichsten Kleinode Venedigs darstellte, war jedem Venezianer so teuer, daß er nur mit Ehrfurcht davon sprach. Cesare Fabbriani meinte gedankenvoll:
»Ja, die ›Dogaressa‹ ...! Was wären die Priuli, wenn sie das Bild nicht hätten! Es ist übrigens das einzige Wertvolle in der ganzen Sammlung. Der Rest ist nur Kitsch!«
Gaulo lachte.
»O, wenn die Priulis das Bild verkaufen könnten, das gäbe einen schönen Haufen Geld, was meint Ihr?«
Sie fingen an Summen zu nennen, Millionenziffern, die alle gleich möglich oder unmöglich sein konnten, weil der Wert des Bildes nicht abzuschätzen war. Schließlich meinte Cesare Fabbriani, der anfing sich zu langweilen:
»Wozu machen wir uns eigentlich die Köpfe mit all den Zahlen warm? Bei uns kann es doch keiner kaufen, und nach auswärts darf es ja nicht gehen!«
Sie nickten. Nun, da sie, scheinbar im Scherz und doch mit einem deutlichen Unterton von Ernst und Gier, das Bild abgeschätzt hatten, war ihr Interesse an ihm erschöpft, zudem sie jetzt Ettore auf ihren Tisch zukommen sahen. Er ging langsam, den Hut aus der Stirn geschoben, den Kopf ein wenig zurückgelegt, das Stöckchen schwingend, ganz und gar der scharmante, schöne Priuli, als den ihn Venedig kannte. Er setzte sich zu ihnen, tauschte mit ihnen die üblichen Redensarten über das Wetter von heute, gestern und morgen, bestellte sich eine Eislimonade, zündete eine Zigarette an und schien nichts zu empfinden als das Behagen des Lebens und die Helle dieses Tages. Gaulo fragte ihn neckend:
»Was macht Amerika?«
» Vederemo!«
»Ist die Geschichte noch nicht bald spruchreif!«
Der häßliche, blonde Fabbriani sah Ettore lauernd an. Ettore verstand, was der Blick sagen wollte, und entgegnete gelassen:
»Eine Verlobung ist kein Kinderspiel! So etwas muß man sich genau überlegen. Ich muß mir's nämlich genau überlegen!«
Er staunte selbst, daß er so unbefangen flunkern und die andern verblüffen konnte. Denn verblüfft waren sie ein paar Sekunden lang, wenn schon sie sich bei ruhiger Ueberlegung sagen mußten, daß die sogenannte Ueberlegung wohl mehr auf seiten Miß Mauds als auf der Priulis war. Sie neckten ihn noch, fragten ihn, was es denn angesichts von so viel Dollars noch zu überlegen gäbe, worauf er zuerst allerlei allgemeine Redensarten machte, um plötzlich ernst und ein wenig geheimnisvoll zu behaupten:
»Ich werd' Euch später sagen, warum mir heute Bedenken gekommen sind!«
Die andern lachten oder lächelten, und der blonde Fabbriani freute sich innerlich über die Niederlage, die er aus den umschreibenden Worten deutlich merkte; Priuli selbst aber hatte, er wußte nicht wieso, mit einemmal das Gefühl, als ob seine Worte nicht mehr bloß Ausrede und Erfindung seien, als ob sie vielmehr in irgendeinem Grunde wurzelten, so daß er selbst beinahe zu glauben begann, irgendeine schwerwiegende Ursache hätte seine Verlobung mit Miß Maud verzögert.
Nun waren sie wieder auf dem alten Lieblingsthema, der reichen Heirat, und sie erörterten abermals tiefsinnig, wie schwer es für sie sei, eine zu schließen.
Gaulo sagte:
»Es ist eigentlich ein Unsinn, immer hinter diesen Ausländerinnen herzujagen. Man sollte sich mehr an die Töchter des Landes halten!«
Spatò meinte:
»Freilich! Nur haben leider die Väter des Landes sehr wenig Geld!«
Ja, darin hatte er wohl recht, das gaben alle zu. Das war ja eben der Jammer, daß man auf die Ausländerinnen angewiesen war, mit denen man sich in der Ehe dann schlecht verstand und schlecht vertrug. Die Fabbrianis zwar, deren Familie sich ein paarmal mit dem österreichischen Hochadel verschwägert hatte, meinten, daß die Oesterreicherinnen, natürlich die Oesterreicherinnen aus den italienischen Sprachgebieten, angenehme Gattinnen abgäben, die sich leicht und gut in die Besonderheiten Italiens und der vornehmen italienischen Ehe einlebten. Sie stießen aber auf den vereinten Widerstand der andern drei, die nichts von Oesterreich wissen wollten. Oesterreich war für sie trotz des Dreibundes der Bedränger Italiens, mit dem man wohl über kurz oder lang aneinandergeraten würde, und wenn diese jungen Leute sich auch nicht im geringsten um Politik kümmerten, so war ihnen doch die Abneigung gegen Oesterreich in Fleisch und Blut übergegangen.
Die Fabbrianis gaben schließlich klein bei.
»Also schön, keine Oesterreicherinnen! Aber wen dann? Mit den Amerikanerinnen ist das doch so eine Sache –«
Der Blonde schielte zu Ettore hinüber, der unbefangen und aufmerksam Rauchkringel in die Luft blies, als hätte er nie von einer Amerikanerin einen Korb erhalten.
»Und die Engländerinnen –«
Gaulo nahm heftig für die Engländerinnen Partei. Er war, wie die meisten Italiener, ein großer Anglomane, weil er, wiederum wie die meisten seiner Landsleute, verwandte Seiten mit den Engländern besaß. Ihre Geldgier, ihre Rücksichtslosigkeit, ihre Kunst sich durchzusetzen und zu behaupten, imponierten ihm mächtig, und die ungeheuren Reichtümer, die sie ansammelten, natürlich noch mehr. Er sagte:
»Ich hoffe zuversichtlich, einmal eine Engländerin zu heiraten. Von allen Frauen, die ich kennen gelernt habe, gefallen sie mir in jeder Hinsicht weitaus am besten!«
Spatò lächelte ironisch.
»Ich weiß nicht, aber wenn ich Tassini ansehe ... Ich sag' Euch, die Ehe Tassinis hat mich ein für allemal von dem Gedanken abgebracht, eine Engländerin zu freien!«
Sie zuckten die Achseln, gingen nicht weiter auf Spatòs Worte ein. Mein Gott, wer sprach denn noch von der Ehe der Tassinis?! Die Tassinis waren ja doch schon über zwanzig Jahre verheiratet, und die Ausschweifungen des Fürsten wie die Absonderlichkeit der Fürstin waren so oft besprochen und kritisiert worden, daß es langweilig gewesen wäre, jetzt abermals darauf zurückzukommen. Gaulo sagte also nur:
»Ich bitte Dich, hör' auf mit den Tassinis! Das ist ja schon beinahe biblische Geschichte.«
Spatò aber, der gerne widersprach oder zum Widerspruch reizte, versetzte:
»Biblische Geschichte? Schön! Dann will ich Euch etwas ganz Neues sagen. Merkt auf! Man sollte weder Oesterreicherinnen noch Amerikanerinnen, noch Engländerinnen heiraten, sondern deutsche Mädchen!«
Nun erhob sich ein Sturm der Abwehr. Wie konnte Spatò nur so etwas behaupten oder gar im Ernst meinen! Die Deutschen waren garstig, plump, unelegant, – wie sollte man solch ein Mädchen in die Pracht venezianischer Paläste, in die Kreise venezianischer Gesellschaft bringen, in der es so schöne Frauen, so glänzendes Auftreten und so scharfe Lästerzungen gab?! Man wäre lächerlich vom ersten Tag der Ehe an, und über Lächerlichkeit könnte auch alles Geld nicht weghelfen.
»Zudem haben die Deutschen auch gar nicht so viel Geld!« meinte der ältere Fabbriani, und die andern gaben ihm recht.
Spatò ließ ihren erregten, von Gesten reichlich unterstützten Widerspruch verklingen, wiegte bedächtig den Kopf:
»Ja, ja, Kinder, Ihr redet geradeso wie Eure Väter geredet haben, weil Ihr Euch um das, was in der Welt vorgeht, nicht kümmert! Ihr meint immerfort, die Deutschen seien noch die Kleinkrämer, auf die wir mit Verachtung herabblicken können. Ich sag' Euch aber, daß dies alles anders geworden ist, ganz anders! Sie sind in Deutschland reich geworden, schwer reich, ekelhaft reich, und darum ist's ein Unsinn, daß wir immer noch wie hypnotisiert auf die Misses von Amerika und England starren! Es gibt heute in Deutschland eine Unzahl von reichen Mädchen, die obendrein auch noch gut aussehen und sich zu kleiden wissen, jawohl, Gaulo, wenn Du auch noch so sehr grinst und meinst, Du seist in Heiratsgeschichten unfehlbar! Frage einmal beim Portier von Bauer-Grünwald nach, wer jahraus, jahrein in den seidentapezierten Salons bei ihm wohnt, da wirst Du Namen hören, hinter denen Millionen und immer wieder Millionen stehen, und Frauen, die sich überall sehen lassen können ...«
Gaulo sagte trocken:
»Danke, ich bleibe lieber beim ›Danieli‹ und ›Beaurivage‹!«
Die andern lachten, denn sie wußten ja, daß von dort aus Gaulo durch einen Vertrauensmann die Ankunft der reichen Angelsächsinnen erfuhr, Ettore aber, der bis jetzt ziemlich teilnahmlos geblieben war, mischte sich ins Gespräch und gab zum allgemeinen Staunen Spatò recht. Keiner begriff ihn, denn er hatte bis zum heutigen Tage immer eine gewisse Verächtlichkeit für die deutschen Frauen an den Tag gelegt, und darum dachten sie, daß auch aus ihm nur ein momentaner Widerspruchsgeist redete. Er aber beharrte:
»Ich bin ganz der Meinung Spatòs. Wir täten sehr gut, wenn wir einmal das Geld und die Frauen der Deutschen in Betracht ziehen würden!«
Und Spatò fuhr fort:
»Jawohl, Gaulo, ich werde Dir gleich beweisen, wie richtig meine Behauptung ist.«
»An der Hand des Portiers von Bauer-Grünwald?«
»Sie ist ebenso gut wie die Hände von ›Danieli‹ oder ›Beaurivage‹!«
»Also meinetwegen,« sagte Gaulo, der in Spatòs Worten Schärfe spürte und keinen Streit aufkommen lassen wollte. Ettore aber horchte auf, als ob Spatò nur für ihn spräche.
»Also merkt auf: Da wohnen seit ein paar Tagen im ›Bauer-Grünwald‹ Deutsche, denen man gar nichts Besonderes ansieht. Vater und Tochter. Der Portier hat sie mir gezeigt und ihren Namen gesagt. Sie heißen: Scio... Sce...« Spatò machte noch einige weitere, vergebliche Versuche, einen deutschen Namen zu buchstabieren, ließ aber, da er die Aussichtslosigkeit einsah, davon ab und sagte: »Nun, den Namen werd' ich Euch nachher zeigen, der Portier hat ihn mir aufgeschrieben. Also das ist ein alter Offizier mit seiner Tochter, einem hübschen und ganz eleganten Mädchen. –«
Ettore hörte jetzt gespannt zu.
Gaulo markierte ein Gähnen.
»Nun erzähl' uns noch, daß auch die deutschen Offiziere Milliardäre sind, dann hast Du für heute so ziemlich den Gipfel der Absurdität erreicht!«
»Laß Spatò doch ausreden!« sagte Priuli so zuversichtlich, als wisse er jedes Wort, das Spatò noch sagen wollte.
»Jawohl, Gaulo, hör' mich bis zu Ende an! Dieser alte Offizier, der bisher wahrscheinlich in irgendeiner kleinen Garnison mit seiner Familie ein Fretterleben geführt hat, machte plötzlich eine Erbschaft, eine Sensationserbschaft, um die schon seit achtzig Jahren ein hartnäckiger Prozeß von Generation zu Generation geführt worden ist ...«
» Querelles allemandes!« warf Gaulo ironisch hin.
»Nein, gar nicht querelles allemandes, denn dieser Streit ging nicht um nichts, sondern um viele Millionen!«
Jetzt fing Gaulo an, sich für die Geschichte zu interessieren.
»Sag' mal, hat man Dir da nicht am Ende bei ›Bauer-Grünwald‹ einen Bären aufgebunden? Ein alter Offizier und plötzliche Millionen – das kommt mir so unwahrscheinlich vor!«
Spatò zog seine Brieftasche heraus, kramte ein wenig darin herum und brachte einen Ausschnitt aus einer deutschen Zeitung sowie einen Zettel zutage, auf dem mit Bleistift ein paar Worte geschrieben standen. Er reichte beides Gaulo hin, damit er es sehen und auch den andern zeigen konnte.
»Auf dem Zettel steht, wie sie heißen, und in dem Zeitungsausschnitt die Geschichte ihrer Erbschaft, die bis zu irgendeinem Kurfürsten aus dem 18. Jahrhundert zurückreicht und darum wohl auch die Oeffentlichkeit in Deutschland interessiert!«
Gaulo las von dem Zettel: »Oberst a. D. von Schöttling und Tochter.« Den Zeitungsausschnitt konnten sie aber nicht lesen, weil keiner von ihnen Deutsch verstand. Sie gaben Zettel und Ausschnitt an Spatò zurück und redeten ihm zu, daß er sich vom Portier des »Bauer-Grünwald« das Entrefilet übersetzen lassen sollte. Nur Ettore machte ein wissendes Gesicht, das dem blonden Fabbriani auffiel.
Spatò hatte eben die Papiere wieder in seine Brieftasche zurückgesteckt, als es ihm einen kleinen Ruck gab.
» Per Dio, da sind sie! Da kommen sie gerade auf die Terrasse zu!«
Alle hoben die Köpfe, wandten sie nach der Seite, die Spatò bezeichnet hatte. Ettore tat's ein wenig hastiger und zugleich sieghafter als die andern, denn er ahnte deutlich, daß die Millionenerben niemand anders waren als die verklärte Blondine mit ihrem Vater, die ihm vorhin bei der Landung des Vaporetto aufgefallen waren.
»Nun, hab' ich nicht recht? Sicht die Kleine nicht ganz patent aus?« fragte Spatò im Ton eines Impresarios.
Wirklich, es ließ sich kaum etwas entgegnen, und Gaulo, der nörgelte, daß das Mädchen zu überschlank und ihre Nase zu lang sei, fiel gänzlich ab. Bah, mit der Zeit würde sie schon dicker werden, und die wirklich etwas große Nase störte den Reiz des Gesichtes mit den sorgsam frisierten Blondhaaren nicht im geringsten. Sie hatte eine ruhige Anmut des Ganges und, was Ettore jetzt erst bemerkte, ungewöhnlich schmale Füße und Hände. Ihre Linke hielt einen aufgespannten, weißen Spitzensonnenschirm, während die Rechte liebkosend mit einer langen Halskette spielte, einer jener wunderbar feinen, von Perlen unterbrochenen Ketten, wie nur venezianische Goldschmiede sie fertigen. Die Aufmerksamkeit, die ihr Kommen an dem Tisch der jungen Leute erregte, mußte ihr auffallen, fiel ihr auch auf, und sie erkannte sogleich den Mann wieder, dessen Fechtergestalt und klassische Schönheit sie unten am Landungssteg betroffen gemacht hatte. Sie wurde wieder rot, sah weg und suchte mit ihrem Vater angelegentlich einen Tisch, an dem die Sonne nicht lästig war und der zugleich den freien Ausblick übers Meer bot. Weil Priuli Glück hatte, vielleicht auch weil Fräulein von Schöttling es trotz ihres Errötens wollte, fand sich ein Tisch, der etwas entfernt, aber doch den jungen Leuten gerade gegenüber stand, so daß Priuli im Laufe des verdämmernden Nachmittags noch mehrmals Gelegenheit hatte, schmachtende und lockende Blicke zu schleudern, die jedesmal mit einem Erröten, ein und das andere Mal auch mit einem Gegenblick quittiert wurden. Kurz ehe die jungen Leute aufstanden, um nach Venedig zurückzufahren, sagte er mit einer gewissen Süffisance, die den blonden Fabbriani ärgerte:
»Ja, seht Ihr, nun will ich's Euch doch nicht länger verschweigen. Ich wußte die Sache von der deutschen Millionenerbschaft schon länger und habe darum meine amerikanische Miß etwas kaltgestellt ... Ich beabsichtige nämlich, dieses Fräulein von Schöttling zu heiraten!«
Er hatte sie zuerst verblüffen wollen, nichts weiter, aber bei jedem Wort, das er sagte, wuchs ihm der Glaube an sich und seine phantastische Behauptung, so daß es ihm schließlich vorkam, als wäre sein Abfall in Venedig heut nachmittag eine besondere Fügung des Schicksals gewesen, das ihm dieses blonde, deutsche Mädchen zur Gattin bestimmte.