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Der Glaube an Hexen und Zauberer ist uralt und findet sich in den verschiedensten Zeiten und bei miteinander in keinerlei nachweisbarem Zusammenhang stehenden, keineswegs derselben Kulturstufe angehörigen Völkern, muß daher seine natürlichen Wurzeln in dem Boden des menschlichen Geistes haben, solange derselbe nicht durch höhere Entwicklung und vor allem durch eine klarere Einsicht in die Gesetze der Natur und den Zusammenhang ihrer Erscheinungen gegen das Wuchern solchen und ähnlichen Unkrautes bewahrt worden ist. Lange nachdem die Hexenprozesse aufgehört haben, hat der Glaube an Hexen in den unteren Schichten des Volkes noch fortbestanden und ist erst in unserer Zeit der helleren Geistesrichtung und vor allem dem von den Naturwissenschaften entzündeten Lichte so gut wie gänzlich gewichen.
Bei den europäischen Völkern mag die speziellere Form, in der sich jener Aberglaube bei ihnen ausprägte, teils an einzelne Erzählungen in den geschichtlichen Teilen des Alten Testaments, also an jüdische Traditionen, teils an griechische Mythen anzuknüpfen sein. Eine solche, die allerdings: erst späteren Ursprungs ist, erzählt bekanntlich, daß die eifersüchtige Juno der Lamia (deren Name im Mittelalter gleichbedeutend mit sage, Hexe, gebracht wurde) die Kinder getötet habe, die sie von Jupiter hatte, und daß die unglückliche Mutter, nachdem sie sich die Augen blind geweint, von ihrem göttlichen Geliebten die Gunst erhalten, sich nach Willkür zu verwandeln. Sie wurde nun der Schrecken der Gebärenden, deren Kindern sie das Blut wegsaugte oder sie durch Anlegen an die eigenen Brüste zugrunde richtete. Apulejus und Lucian schreiben den thessalischen Zauberinnen vielfache Künste zu, wie sie auch im Mittelalter dem Zaubergesindel nachgesagt wurden. Unmittelbar an jenen Glauben des späteren Altertums schließen sich die mittelalterlichen Sagen, welche in wunderlichster Weise aus dem großen römischen Dichter Virgilius einen Zauberer und Hexenmeister machten. Auch der Talmud erzählt von einer Lilith, welche die Neugeborenen zu Tode verfolge.
Das alles waren Anfänge, Keime und fragmentarische Beiträge zu einem Aberglauben, dessen komplizierte Entwicklung allerdings erst dem Ausgange des Mittelalters und den ihm zunächst folgenden Zeiten angehört und der manches Spezifische in sich faßte, das keineswegs aus jenen Sagen des späteren Altertums abzuleiten ist. So namentlich die unbedingte Verknüpfung des Zauberwesens mit dem Teufel, die in dem früheren Mittelalter keineswegs ausnahmslos war. So die Spezialitäten der Orgien, welche die Zauberer und Hexen zu bestimmten Zeiten, an gewissen Lieblingsplätzen, in gemeinsamen Zusammenkünften, unter Vorsitz ihres höllischen Patrons feiern sollten. Auch traten um dieselbe Zeit die männlichen Zauberer, die früher mit der meisten Bedeutung hervortraten, mehr zurück und das Hexenwesen heftete sich vorwiegend an das weibliche Geschlecht. Man hat der letzteren Erscheinung, die in ihrer speziellen Ausprägung einen höchst gemeinen und widerwärtigen Charakter trägt, einen hochpoetischen Ursprung geben wollen, indem man sie an den urgermanischen Glauben an eine besondere psychische Begabung der Frauen, an ihre Seherkraft, an das geheimnisvolle Ansehen einer Velleda, an die Nornen und Walküren der nordischen Sage anknüpfen, ihre; Zusammenkünfte auf den heidnischen Kultus, welchen die unfreiwillig Bekehrten nächtlich an heimlichen Orten fortgesetzt haben mögen, zurückführen und selbst die geringsten Spezialitäten des Hexentums von Einzelheiten der alten Sagenwelt ableiten will. Die Herabdrückung der Erscheinung von ihrem ursprünglichen Charakter sei den christlichen Priestern zuzuschreiben, welche in dieser Weise das Heidentum wirksam bekämpfen zu können gemeint hätten. Nun ist es allerdings richtig, daß die christlichen Bekehrer die Götter der Heiden für Teufel nicht bloß ausgaben, sondern hielten, und daß ihnen alles Seher- und Zauberwesen der nordischen Völker als sündhaftes Teufelswerk erscheinen mochte. Sonst aber scheinen uns in der ganzen Zurückführung so vieler Züge des späteren Volkstums, seines Glaubens und Aberglaubens, seiner Gebräuche, Sagen und Märchen auf das höchste Altertum viel kecke Willkür, gezwungene Deutung und wundersamer Mystizismus zu liegen. Wir werden uns nie zu dem Glauben verstehen, daß jenes kunstvolle und sichtbar unter dem Einfluß südlicher Ideen ausgebildete System der nordischen Mythologie, wie es sich in den fernen Zufluchtsstätten, in denen sich das germanische Heidentum noch einige Jahrhunderte hielt, in Skandinavien und Island entwickelt hatte, jemals in dem eigentlichen Germanien Geltung gehabt habe, daß hier mehr davon zu finden gewesen wäre, als vielleicht einzelne Keime und Bruchstücke und auch diese in großer Verschiedenheit der Stämme und Gaue und trauen unseren germanischen Vorfahren willig die viel einfachere, natürlichere und reinere Auffassung zu, die ihnen Tacitus zuschreibt. Weiter sind wir der Überzeugung, daß die sogenannte Völkerwanderung denn doch eine so gänzliche, in aller Weltgeschichte beispiellose und andauernde Umwälzung aller Verhältnisse der durch sie berührten germanischen Stämme in sich faßte, daß dieselben nach Ablauf jener furchtbaren Epoche, wie zumeist in ihren Wohnsitzen, so in ihrem ganzen Staats-, Rechts- und Sittenleben durchgreifend verändert erscheinen und alle Versuche, die etwa zwischen dem Vorher und Nachher noch verbliebenen Fäden auszumitteln, höchst schwierig und problematisch bleiben. Hauptsächlich endlich fällt ja der eigentliche epidemische Charakter des Hexenwesens und seine spezielle Ausbildung zu der Gesamtheit von Einzelheiten, denen man einen so alten und hohen Ursprung vindizieren will, erst an das Ende des Mittelalters und zum Teil in noch spätere Zeit, wo sich denn doch nicht annehmen läßt, daß der Aberglaube mit seinen Erfindungen und Hirngespinsten an altgermanische Seherinnen und skandinavische Nornen und Walküren angeknüpft haben sollte. Uns scheint es, daß das Hexentum erst durch die Hexenprozesse seinen epidemischen Charakter und seinen spezifischen Typus erhalten hat, und daß, wie das Rad einmal im Laufen war, jeder neue Fall weitere gebar und neue Züge zu dem phantastischen Gemälde lieferte, die sich dann bei den folgenden wiederholten oder nach dem Willen der Richter und ihrer Folterknechte wiederholen mußten. Doch nicht diese allein haben gewirkt, sondern die Unwissenheit, der meist auf grobsinnlichen Vorstellungen beruhende Wahnglaube und die erhitzte Phantasie einer gärenden, vielfach in Verfall und Fäulnis begriffenen Übergangszeit trugen auch das Ihrige bei.
Im 15. Jahrhundert bildeten die geheimen (schwarzen) Künste den gesuchtesten und bewundertsten Zweig des menschlichen Wissens; man suchte in magischem und kabbalistischem Phrasentum die Vorhersagung und Erklärung jedes Ereignisses. Indem man die Naturerscheinungen als ebenso viele Wunder betrachtete, glaubte man, dieselben mit Hilfe der Nekromantie anders gestalten oder verhindern zu können. Ein mit der Fallsucht behaftetes Kind, ein in der Schwindsucht hinwelkender Jüngling, plötzliches Reichwerden, ein verheerendes Gewitter, eine Feuersbrunst, deren Ursache man sich nicht zu erklären wußte, Liebesweh und Eifersucht wurden in die Kategorie der Verheerungen gestellt, sei es, daß man sie aus solchen ableitete, oder durch Zaubermittel zu bekämpfen suchte. Zuletzt und wenn alles fehlschlug, nahm man seine Zuflucht zu Pakten mit dem Teufel.
Von dem Augenblicke an, wo man zugab, man könne mit den Mächten der Hölle in Verbindung treten, rief man sie häufig an; es bildeten sich geheime Gesellschaften mit einem Programm vorgeschriebener Ausschweifungen und fluchwürdiger Zusammenkünfte, die unter dem Vorsitze und unter Anrufung des Satans stattfinden sollten, und namentlich im 16. Jahrhundert ward die Meinung allgemein, daß die Gottlosen vom Teufel Genüsse zu erlangen wüßten, um welche sie Gott zu bitten nicht wagen dürften, und daß sie jenem dafür ihre Seele verkauften.
Als nun diese Verirrungen zum Gegenstand gerichtlicher Untersuchungen gemacht wurden, kam es nach den herrschenden Vorurteilen und dem ganzen Charakter der damaligen Rechtspflege, allerdings zu dem schrecklichen Ergebnisse, daß Tausende wegen geradezu unmöglicher Verbrechen grausamen Peinigungen und einem schmählichen Tode preisgegeben wurden, daß die Angabe irgendeines Feindes oder die auf der Folter erpreßte, aufs Geratewohl gemachte Anzeige einer Gemarterten völlig Unschuldige vor Gericht und unter der Folter zum Bekennen von Dingen brachte, an die sie nicht im Traum gedacht hatten. Ob jedoch diese völlig Unschuldigen die Mehrzahl gebildet haben, bleibt für den, der viele solche Prozesse studiert hat, eine zweifelhafte Frage. Daß allerdings unter allen den Opfern der Hexenprozesse sich nicht ein einziges befunden hat, das die Dinge, deren es bezichtigt ward und die es vielleicht gegen sich selbst aussagte, wirklich begangen hätte, versteht sich. Aber sehr viele befanden sich darunter, die diese Dinge zu begehen gewünscht und versucht, nicht wenige, die sich vermöge einer seltsamen Geisteskrankheit jener Zeiten eingebildet hatten, sie hätten sie wirklich begangen. Für diese wäre nun freilich ein Irrenhaus eine richtigere Bestimmung gewesen als der Scheiterhaufen. Aber auch solcher fanden sich gar manche, die in der Tat, in abergläubischer Bosheit, durch zauberische Mittel solche Verbrechen zu verüben versucht hatten, welche zu allen Zeiten der gerechten Verurteilung verfallen und an denen es nicht lag, wenn ihre Wahnmittel nicht das Unheil stifteten, das sie bezweckten. – Mohesen erzählt, daß im Kurfürstentum Trier, zur Zeit des Kaisers Maximilian I. über 6500 Hexen der Prozeß gemacht wurde, daß man in Flandern im Jahre 1459 eine große Anzahl in den Tod geschickt, daß man in Genf 500 Verurteilte zählte, und daß Spanien und Frankreich mit ihrem Blute getränkt waren. Peter Crespet behauptet, daß es in Frankreich unter Franz I. 100.000 Hexenmeister gegeben habe. Nikolaus Ramigius, der Kanzler des Herzogs von Lothringen, rühmte sich, in vier Jahren 900 Hexen verurteilt zu haben. Heinrich IV. ließ in der einzigen Provinz Labourd ihrer 600 verbrennen. In Schlesien wurden im Jahre 1631 ihrer 200 hingerichtet.
Es ist eine allen denen, welche die moralischen Krankheiten des Menschengeschlechtes studieren, bekannte Tatsache, daß gewisse Verbrechen sich in dem Maße vervielfältigen, als sie Aufsehen erregen. Bisweilen nahm man seine Zuflucht zu Mitteln, die aller Klugheit ermangelten und nur geeignet waren, das Übel zu vergrößern, indem sie den Aberglauben bestärkten. Um z. B. zu verhindern, daß ein Vampir nächtlicherweile sein Grab verlasse, um den Schlafenden das Blut auszusaugen, ließ die Obrigkeit ihn ausgraben und durch sein Herz einen Pfahl schlagen. Dies hieß offenbar die Sache der Vernunft zugunsten des Vorurteils verloren geben.
Die zur Leitung der Prozesse berufenen Rechtsgelehrten nahmen, weil die Zauberei mehr als ein geistliches denn als ein weltliches Verbrechen betrachtet und deshalb nach kanonischem Rechte behandelt wurde, das geheime Verfahren an. Von dieser Zeit an konnte der Geist eines jeden durch drohende, verfängliche Verhöre, die mit langen Einsperrungen abwechselten und die durch furchtbare Folterqualen gesteigert wurden, in Zerrüttung geraten. Die öffentliche Meinung wurde durch zahlreiche und übereinstimmende Geständnisse, die man so viel als möglich verbreitete, in Irrtum geführt. Manzoni hat behauptet, daß ein Buch des Flamänders Delrio mehr Menschen ums Leben gebracht habe, als die Kriege Alexanders von Mazedonien. Er spielte mit diesen Worten auf die »Disquisitiones magicae« an, die in der Tat der Schrecken der Hexen und das Handbuch ihrer Richter geworden waren. Das Buch zerfällt in 6 Teile: im ersten handelt es von den Amuletten und den geheimen Worten, von den kabbalistischen Zahlen und von der Alchimie; im zweiten von den verschiedenen Pakten mit dem Teufel und von der Beschaffenheit der Zusammenkünfte; im dritten ist von Behexungen durch Kräuter, Stroh, Salben und Totengebeine die Rede; der vierte verbreitet sich über die Kunst, Karten zu schlagen, Träume zu deuten usw. Die zwei letzten Teile entwickeln die Pflichten der Beichtväter, verteidigen die Unverletzlichkeit des Beichtsiegels und rechtfertigen dem Protestantismus gegenüber die Verehrung der Reliquien, den Gebrauch der Skapuliere, des Weihwassers, des Glockenläutens, der Exorzismen usw.
Gegen die Proskriptionen auf legalem Wege, die Delrio förderte, erhob sich der westfälische Jesuit Friedrich Spee, der, nachdem er eine große Anzahl wegen Hexereien Verurteilter zum Tode vorbereitet, die Überzeugung gewonnen hatte, daß sie in bezug auf das ihnen zur Last gelegte Verbrechen schuldlos gestorben seien. Das Buch, das er herausgab, ist ein Meisterstück unbefangener Anschauung und gesunden Urteiles. Wir erlauben uns, das Inquisitionsverfahren gegen die der Hexerei Angeklagten kürzlich danach zu schildern:
Der Volksaberglaube, welcher der Mißgunst, der Eifersucht und der Verleumdung zu Hilfe kommt, erweckt den ersten Verdacht der Hexerei. Alle Übel, meint man, deren die Bibel erwähnt, kämen durch Zauberei über die Völker, die Familien und die Individuen, und es sei Sache der Obrigkeit, ihnen zu steuern. Die Obrigkeit wird durch solche Zumutungen aufmerksam; aber sie weiß nicht, wo anfangen, denn es fehlt ihr an Verdachtgründen und an Indizien. Die Gerüchte werden immer lauter; es wäre unklug, sie länger nicht beachten zu wollen. Es handelt sich darum, irgendwelchen Vorwand zur Eröffnung des Prozesses aufzufinden. Denn wenn die Obrigkeit des Ortes mit der Entscheidung zauderte, könnte man ihr leicht aus dem Hauptorte einen besonderen Inquisitor schicken mit dem Auftrag, an ihrer Stelle den Prozeß einzuleiten, was ihr nicht angenehm wäre. Außerdem wird der Eifer, der sie zum Handeln treibt, durch die Erwartung von Vorteilen an Ehre und Geld, die so heikle Operationen zu begleiten pflegen, erhöht. Und siehe, arme Weibsbilder, die von der öffentlichen Stimme oder sagen wir lieber den Feinden angeklagt sind, werden ins Gefängnis geführt und sind von da an als verloren zu betrachten. Führte das eingekerkerte Weib ein schlechtes Leben, so spricht die Vermutung von vornherein gegen sie; war dagegen ihre Aufführung untadelhaft, nun, so weiß man, die Hexen seien von Natur gründliche Heuchlerinnen; gebärdet sich die Verhaftete sehr unruhig, so plagt sie das Gewissen; ist sie ruhig, so heißt es, die Hexen benehmen sich so, um keinen Verdacht zu erregen. Man forscht dem Leben der Inquirierten bis auf alle Einzelheiten nach; es wäre etwas Außerordentliches, wenn sie nicht irgendeinen wunden Fleck hätten. Auf der anderen Seite gibt es nichts Leichteres, als sich Belastungszeugen zu verschaffen, die dumm und zugleich böswillig sind. Die Halbbeweise sind gefunden und die Folter ist gerechtfertigt. Die Angeklagte muß einen Verteidiger haben. Man gibt ihr einen Advokaten, der gewöhnlich nur der Form halber und ohne alle Überzeugung und Wärme spricht und die Sache so läßt, wie er sie gefunden.
Man beginnt mit dem Strick, der die leichte Folter genannt wird. Reicht er hin, Geständnisse abzunötigen, so nennt man sie freiwillige, widrigenfalls schreitet man zu ausgesuchteren Martern. Gibt sich die Inquirierte auch bei diesen nicht gefangen, so hält man sie in Haft, bis sie das Feld räumt. Es wäre eine Schande, sie freizulassen. Will nichts verfangen – denn auch jede Narrheit hat ihre Grenzen –, so schickt man sie gleichwohl zum Tode.
Kaum ist die Angeklagte schuldig erklärt, so wird sie gezwungen, ihre Mitschuldigen anzugeben und wenn sie deren nicht hat, solche zu erfinden. Die Denunziationen vervielfachen sich nach dem Belieben des Richters und des Henkers, bis man auf den Punkt kommt, wo man einhalten muß, weil der Gerichtshof befürchtet, diese fluchwürdige, immer wachsende Flut könnte ihn am Ende selbst verschlingen. Flüchten sich die Denunzierten, so beweist dies, daß sie schuldig sind. Stellen sie sich herzhaft vor die Richter, so ist es die innere Gewissensangst, die sie dazu treibt. Selbst wenn man sie entläßt, klebt ihnen ein verhängnisvolles Brandmal an, das früher oder später teuer zu stehen kommt. Unsere Zeit, schließt Spee, wird eine der bedauernswertesten, wenn dem Übel nicht gesteuert wird. Der mutvolle Jesuit hatte recht, als er sich zu sagen getraute, daß er ein wirksames Mittel wisse, um mit einem Streiche alle Hexenverbrechen zu vertilgen. Er wagte nicht, es namhaft zu machen; es mag aber wohl das nämliche Mittel gewesen sein, das ein Zeitgenosse von ihm, der berühmte Philosoph Malebranche, vorschlug: Aufzuhören, sie gerichtlich zu verfolgen.
All das bereits Gesagte findet seine Bestätigung in dem uns vorliegenden Auszug aus einem Manuskript von ungefähr 900 in einen Band zusammengehefteten Blattseiten, den Herr T. Dandolo veröffentlichte. Dies Manuskript enthält die zahlreichen Aktenstöße des beregten »Processus criminalis pro destructione lamiarum sive sagarum«. Unter diese Überschrift, die den oberen Teil der Blattseite einnimmt, wurde nicht ohne Fleiß ein Kreuz gezeichnet, das auf einer unheilverkündenden Trophäe ruht, welche aus einem Totenschädel und kreuzweis daruntergelegten Gebeinen besteht. Auf der Vorderseite des folgenden Blattes steht oberhalb wieder ein mit der Feder gezeichnetes Kreuz, das mit seinem Stamm den Namen Christi senkrecht trennt, der, links von den Worten vincit, regnat, imperat, die demselben gegenüberliegen, dreimal geschrieben steht. Unter dem Kreuze liest man die Worte: Christus ab omni malo nos defendat, procedamus in pace.
Unmittelbar darunter, am Ende der Seite, stehen die Worte (in lateinischer Sprache):
Durch dieses Zeichen des hl. Kreuzes wolle Gott der Herr, der König des Himmels und der Erde, König der Könige, dreifach und einig, vermöge seiner unendlichen Güte und Barmherzigkeit, von allen unseren Widersachern und bösen Feinden uns befreien und bewahren und uns die Gnade verleihen, den Hexen die Wahrheit abzugewinnen, zum Schrecken aller bösen Geister und übelgesinnten Menschen, sowie sie selber auszurotten und zu vertilgen, zur Ehre desselben allmächtigen Gottes, der lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.
Diese Stellen sind mit flüchtiger Hand und vielen Abkürzungen hingeschrieben, als ob sie in ihrer äußeren Form die Ungeduld dessen bezeichnen wollten, der die gerichtliche Untersuchung mit ihnen eröffnet und in dieselbe einzudringen und das schreckenvolle Mandat der Zerstörung und des Blutes zu vollziehen lechzt. An und für sich schon werfen sie eine unheimliche Furcht ins Gemüt des Lesers und künden ihm viele schreckenvolle Szenen an, in deren Erwartung er nicht getäuscht werden wird. Wir wollen aber jeder Kundgebung des Schauders, des Mitleids und der Entrüstung Stillschweigen gebieten, damit die darauf folgende Darstellung im rauhen Gewande eines einfachen Aktenstückes erscheine, aus welchem der Leser leicht das Licht und die Überzeugung gewinnen kann, die er sich nicht durch eine zweite Hand aufdrängen zu lassen braucht. Jedenfalls schien uns dieser Prozeß, nach Zeit und Ort und der Vollständigkeit der darüber geführten Akten, sowie auch sonst, nicht ohne kulturhistorisches und psychologisches Interesse.
Nach dem Titelblatt folgt eine beschriebene Seite mit nachstehendem Texte:
Kriminalprozeß in betreff der Vernichtung der Hexen. Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes, dessen Hilfe immer mit uns sei.
Heute Samstag, den 24. November 1646.
Da aus den Aussagen der Maria von Nogaredo, genannt Mercuria, einer im Kerker zu Castelnuovo verhafteten Hexe, sehr schwere Indizien hervorgehen, durch welche die Witwe des Thomas Camello, namens Menegota und ihre Tochter Lucia, die Frau des Anton Caveden, wohnhaft in Villa, beide wegen Hexerei angeklagt, arg belastet erschienen, so hat der edle und angesehene Herr Paris Madernio, Abgeordneter in Kriminal- und Zivilsachen bei den Gerichtsbarkeiten zu Castellano und Castelnuovo, zur Erforschung der Wahrheit, im Einverständnis und Vernehmen mit dem ausgezeichneten und erlauchten Herrn Johann Ropele, Doktor beider Rechte und Gerichtskommissär von Castellano, den Verhaftbefehl gegen genannte Mutter und Tochter erlassen, indem er den Gefängniswärter dieses Gerichtshofes, Josef Goriziano, beauftragte, sie zu fangen, in Ketten zu legen und ins Gefängnis zu führen und sorgfältig hinter Schloß und Riegel zu halten.
Am obgenannten Tage meldete Joseph Goriziano, er habe den Befehl vollzogen, mit Hilfe Johann Birlos, Gefängniswärter von Castelnuovo, die beiden Frauen Menegota und Lucia, Mutter und Tochter, ins Gefängnis abgeführt, und halte sie hinter Schloß und Riegel.
Constantino Frisinghello, Gerichtsschreiber.
Nach dieser Einleitung folgen Blätter von anderer Hand, welche das vorher in Castelnuovo vorgenommene und dem Richter von Castellano in Abschrift mitgeteilte Verhör enthalten, auf Grundlage dessen er den Verhaftbefehl gegen Menegota und ihre Tochter Lucia erließ. Die Anklägerin scheint sich vor den ihr fremden Gerichtshof von Castelnuovo aus Furcht, der zuständige Richter von Castellano könnte sie zurückweisen und die ihr von verbrecherischer Leidenschaft eingeflößte Anklage niederschlagen, gestellt zu haben.
Als die sogenannte Mercuria am 26. Oktober aus dem Kerker geholt und in Gegenwart des Kommissärs verhört wurde, war die erste Frage des Richters: Wie sie wisse, daß jene Frauen Hexen seien? Sie antwortete: »Sollt' ich's denn nicht wissen? Sie hat mir Böses angetan; und wie vielen hat sie nicht arglistige Streiche gespielt?«
Diese Worte schon verraten die Leidenschaft in der Seele derjenigen, die sie spricht, und erregen Verdacht hinsichtlich des Beweggrundes, der sie vor den Richterstuhl geführt. Sie fährt in der Erzählung fort und sagt, die Alte habe sie gelehrt, wenn sie kommuniziere, die Hostie im Munde zu behalten und sie nachher herauszunehmen, um sich ihrer zu bedienen, die Leibesfrucht der Marquise Bevilacqua, der Gastfreundin des Grafen Lodron, des Lehensherrn der Ortschaft, abzutreiben. Auf die Frage, wie sie zu verfahren gehabt, wenn sie diesen Zweck erreichen wolle, gab sie zur Antwort: »Sie lehrte mich, ich solle jenem Kinde einen Apfel geben und die hl. Hostie an einer Stelle unter die Erde legen, welche die Herren oft besuchen; wenn sie darauf treten würden, werde Unheil über sie kommen. Sie gab mir den genannten Apfel und er war grün und frisch.« Auf die Frage, ob sie die Hostie zu genanntem Zwecke gebraucht, antwortete sie: »Ich tat es nicht, denn sie verdiente es nicht, und ich wollte es nicht.« Auf die Frage, wie sie wisse, daß Mutter und Tochter Hexen seien, und ob sie selbst nicht etwa ein diabolisches Merkmal an ihrem Körper aufgedrückt habe, gab sie die Antwort: »Einmal, vor ungefähr vier Jahren, machte mir diese Tomaseta oder Menegota mit einem glühenden Eisen, welches fünf Finger lang war und eine Siegelform hatte – und ich glaube, daß es ein Siegel war –, auf die linke Schulter ein Zeichen ohne großen Schmerz und brannte mir das Fleisch weg.« Auf die Frage, warum sie denn eingewilligt, sich ein Mal aufdrücken zu lassen, wo dies geschehen sei und ob sie von etwas zum Glauben Gehörigen sich losgesagt habe, gab sie zur Antwort: »Ich war in meinem Hause, als sie mir das Zeichen aufbrannte. Sie unterrichtete mich zuerst über das Siegel; ich solle das Allerheiligste rauben und ähnliche Frevel begehen. Im nämlichen Akte, als sie mich besiegelte, bewog sie mich, der hl. Taufe zu entsagen.« Auf die Frage, in was für Ausdrücken sie diese Lossagung vollzogen, gab sie die Antwort: »Ich war beim Feuer. Wir sprachen von dergleichen Dingen. Sie sagte mir, ich müsse mich von der Taufe, der Beichte und von allem Heiligen lossagen. Dies tat ich auch, indem ich sagte: ich sage mich los, jedoch bitte ich den barmherzigen Gott deshalb um Verzeihung.« Auf die Frage, wo Lucia und ihre Mutter damals wohnten, gab sie zur Antwort: »Sie wohnten zu Nogaredo im Hause Menegotas« und fügte hinzu: »Jenes Siegel oder Zeichen wurde mir, wie ich mich jetzt erinnere, aufgebrannt, bevor Lucia Kinder hatte. Ich glaube, es ist ungefähr zwölf Jahre her.«
Hier stoßen wir im Manuskript auf folgendes Zeichen:
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dann auf eine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger bei den Worten: Geständnis der nämlichen Mercuria, während sie auf der Folter in die Höhe gezogen wurde, den 3. November 1646.
Die Strickfolter wurde über Mercuria verhängt, damit sie zu den Geständnissen der vorigen Woche noch andere hinzufüge. Diese Unglückselige muß der Meinung gewesen sein, daß sie ihren Zorn an diesen ihren Feindinnen auslassen könne, indem sie die schreckliche Anklage der Hexerei auf sich wälzte, ohne daß ihr deshalb irgendein Nachteil daraus erwachse. Allein ebenso dumm als verrucht, irrte sie sich grob in ihren Berechnungen. Nach den obenangeführten; Zeilen und dem »Omissis«, das uns Tortur bedeutet, gibt sie wirklich folgende Erklärung: »Ja, Herr, ich nahm die Hostie aus dem Munde, um sie der Lucia zu geben, damit sie sich derselben zur Vernichtung der Frau Marquise Mutter, sowie ihrer Tochter und der Leibesfrucht der letzteren bediene.«
Ein anderes Verhör fand am 15. November statt. Die Hand und das »omissis« bezeichnen ein abermaliges Anziehen des Folterseiles. In der Tat ruft die Befragte aus: »Vier Hostien hab' ich mir aus dem Munde genommen, von denen ich eine der Menegota, eine der von Nogaredo gegeben. In betreff der übrigen unterrichtete sie mich, ich solle damit Kinder umbringen. In der Tat hab' ich ein Knäblein der Raffael von Volano, das schon krank war, getötet; ich habe es zugrunde gerichtet und nach acht Tagen ist es gestorben.« Das »omissis« erscheint wieder. Auf die Frage, ob sie zur Nachtzeit herumgeschwärmt, diabolischen Zusammenkünften beigewohnt und mit wem, antwortete sie: »Öfters; wenigstens alle sechs Wochen. Bei mir waren die Frauen von Lizana, die Morandina von Maran und jene von Rovarè. Wir gingen die eine in dieses, die andere in jenes Haus, um Hexenwerk zu treiben.« Auf die Frage, ob Menegota und ihre Tochter die Sakramente abgeschworen hätten und welche, antwortete sie: »Ja, sie hat die Taufe in die Hand des Teufels abgeschworen in meiner Gegenwart; er umarmte sie und gab ihr Geld, nämlich zwei Taler, deren er einen Beutel voll hatte. Nachher haben wir getanzt und sind alle miteinander spazieren gegangen.« Über Zeit und Ort gefragt, gab sie zur Antwort: »Die Mutter entsagte der Taufe sogleich nachdem sie Witwe geworden war und sich in Villa befand, vor ungefähr acht Jahren.« Auf die Frage, was Lucia mit der Hostie gemacht, welche sie ihr zum Gebrauche wider die Marquise gegeben habe, antwortete sie: »Ich glaube nicht, daß sie davon Gebrauch gemacht; denn sonst hätte man die Folgen davon gesehen.« Gefragt, ob Lucia ihr anvertraut, daß sie selber sich Hostien verschafft habe, antwortete sie: »Sie zeigte mir deren vier, von denen sie sagte, sie habe sie sich aus dem Munde genommen, wenn sie kommuniziert habe.« Auf die triftige Frage, wie es komme, daß Lucia von ihr eine Hostie verlangt habe, da sie doch selbst solche gehabt, gab sie die wenig schlüssige Antwort: »Ich gab sie ihr, weil sie die ihren mir nicht gezeigt hatte.« Gefragt, wozu Lucia dieselbe gebraucht habe, antwortete sie: »Sie mögen sie darüber befragen; denn ich weiß es nicht.« Hier folgt wieder das »omissis« und unmittelbar darauf gibt Mercuria zur Antwort: »Ja, Lucia hat den Christoph Sparamani, Sohn der Cäcilia, behext.« Über das Nähere davon befragt, antwortete sie: »Als wir einmal des Nachts zur Spazierfahrt mit dem Teufel ausgingen, sagte mir Lucia, sie wolle den Christoph behexen (fatturare). Hernach sagte sie mir, sie habe ihn mit einer Salbe verhext, die ihr der Teufel gegeben und die aus pulverisiertem Totengebein bestanden; sie hat ihm damit Hände und Füße gesalbt. Genannter Christoph hat geschlafen. Ich selbst war zugegen. Wir waren in Gestalt von Katzen da.« Wieder tritt das »omissis« auf und Mercuria ruft aus: »Ja, Delaito Cavaleri ist ein Hexenmeister. Er ist mehrere Male in Gesellschaft des Teufels mit uns zur Nachtzeit spazieren gegangen.« Das »omissis« erscheint wieder, u. zw. diesmal mit Erklärung der Bedeutung: Sogleich auf die Folter gespannt, in die Höhe gehoben und befragt, gab sie zur Antwort: »Ja, was mich Euer Gnaden bei diesem Verhör gefragt, und was ich gegen Menegota und Lucia ausgesagt, ist alles wahr, sowie auch die Aussage, die ich gegen Delaito Cavaleri gemacht, nämlich daß er zur Nachtzeit mit Obgenannten und mit dem Teufel spazieren gegangen. Auch dies ist wahr und auf dieser Strickfolter will ich es bestätigen.« Dieses dreifache Verhör schließt, wie folgt: »Nachdem sie mehrere Male befragt worden war, und immer dasselbe geantwortet hatte, befahl Seine Gnaden sie loszulassen. Ich Wilhelm Pedroni, Gerichtsschreiber für die Richtigkeit der Abschrift.«
Das ist die Grundlage des enormen Prozesses. Wir wurden hierdurch bereits mit der Art und Weise vertraut, wie Richter und Inquisiten sich dabei benehmen. Wir begegnen darin einem erbärmlichen Weibe, das, unbekannt mit den Gefahren, denen es sich aussetzt, andere Weiber ihresgleichen angibt und, zu wiederholten Malen ins Verhör gerufen, das durch die Folter seinen grauenvollen Charakter bekommt, damit schließt, daß sie sich selber aller Verbrechen schuldig erklärt, die sie den anderen angedichtet. Bemerkenswert ist, daß sie am Folterseile hängend, bestätigte, was sie während der früheren Torturen bekannt hatte.
Das war gegen den Grundsatz, wonach eigentlich die Bestätigung der Aussagen, welche mittels der Folter erfolgt waren, von den Gefolterten an einem Tage erfolgen sollte, wo sie nicht gefoltert wurden; ein Grundsatz, dessen Absicht freilich dadurch wieder aufgehoben ward, daß ein Widerruf nur erneute Martern nach sich zog.
Wir fahren nun fort und legen dar, wie es kam, daß, ausgehend von diesen Anfängen, ein großes und schauerliches Netz von Anklagen, Verhaftungen, Torturen und Todesstrafen sich ausbreitet, zum Schrecken von ganz Welsch-Tirol, das darin verwickelt wurde.
Das zweite Verhör ist im Original vorhanden. Es fand im Gerichtssaal zu Nogaredo statt. Von da an erscheint die rasche Hieroglyphenschrift des Gerichtsschreibers Frisinghello, die uns, mit Ausnahme der Beilagen, bis zum Schlusse der Akten begleiten wird. Wir lesen auf der ersten Seite:
Heute, den 27. November 1646, erschien im Gerichtssaal zu Nogaredo vor dem erlauchten Herrn Richter und Abgeordneten (Delegato) ein Weib. Sie schwor, über sich und die anderen die Wahrheit sagen zu wollen. Über ihren Namen und Stand befragt, gab sie zur Antwort, sie sei Menegota oder Tomaseta, die Witwe Camellos. Auf die Frage, ob sie die Ursache ihrer Verhaftung wisse, antwortete sie verneinend. Gefragt, in was für Beziehung sie zu Mercuria stehe, fing sie einen Wortwechsel zu erzählen an, den sie wegen etwas Hanf mit ihr gehabt. Sie sagte darüber: »Dies war auf öffentlicher Straße, auf dem Platze zu Nogaredo, weil sie mir wegen besagten Hanfes Vorwürfe machte; ich aber stellte mich gerade vor sie hin und rief, wie sie sich unterfangen dürfe, zu behaupten, ich habe ihr Hanf gestohlen. Sie gab mir zur Antwort: weißt du nicht, daß du ihn genommen?« Auf die Frage, ob sie den Palast des Grafen von Lodron besucht habe, antwortete sie: »Ja, wie ich des Almosens wegen in den genannten Palast mit meiner Tochter Lucia ging, sowie auch, um Krebse zu bringen.« Gefragt, ob sie am Leibe irgendein Zeichen trage, antwortete sie: »Nein; wenn es nötig ist, will ich mich in Ihrer Gegenwart ausziehen.« Aus eigenem Antriebe fügte sie hinzu: »Liebe Herren, plagt mich nicht; ich bin ja nicht die Morandina, noch eine andere.« Um den Grund dieser Antwort gefragt, antwortete sie: »Ich sage, daß ich nicht die Morandina sei, weil man, obgleich ich sie nicht kenne, ihr nachsagt, sie sei eine Hexe.« Da es schon spät an der Zeit war, wurde die Angeklagte zurück in ihren Kerker gebracht, um an einem anderen Tage wieder verhört zu werden.
Am 29. November wird Lucia, die Frau Anton Cavedens, vor Gericht gerufen. Sie erklärt, sie habe die doppelte Beschäftigung einer Feldarbeiterin und einer Flachsspinnerin zu Hause. Auf die Frage, wo sie sich bei ihrer Verhaftung befunden habe, erwiderte sie: »Mitten unter der Türe der Galvagnini in Villa, denn ich ging eben dorthin, meinen Mann zu rufen. Die Gerichtsdiener (offiziali) ergriffen mich am rechten Arm und schnitten mir die Haupthaare (trezze) ab, wobei ich ihnen sagte – um Gotteswillen, ich bin keine Hexe.« Auf die Frage, warum sie dies sage, gab sie zur Antwort: »Weil ich gehört habe, daß man der Mercuria die Haare abgeschnitten hat, als sie ins Gefängnis geführt wurde; deshalb hab' ich in der Verwirrung gesagt – ich bin keine Hexe.« Auf die Frage, ob sie die Mercuria kenne, gab sie die Antwort: »Ich kenne sie; sie ist sogar eine Feindin von mir.« Hier wird die Geschichte vom Hanf wiederholt, deren unmittelbare Folge eine Tracht Prügel war, die Caveden seinem Weibe verabreichte. Jedenfalls geht aus allem die zwischen Mercuria und Lucia bestehende Gehässigkeit hervor. Letztere antwortete auf die Frage, ob sie der Mercuria einen Apfel gegeben habe, verneinend.
Am 30. November wird Lucien die Aussage Mercurias, betreffs des Apfels, vorgelesen; sie antwortete: »Dies ist nicht wahr und wird nie wahr sein.« Wiederholt ermahnt, sie solle sich vor Lügen hüten und von ihrer Halsstarrigkeit ablassen, da die Obrigkeit hinlänglich darüber unterrichtet sei, daß sie der Mercuria besagten Apfel gegeben, damit die erlauchte Marquise, Tochter des erlauchten Herrn Marquis Bevilacqua, damals wohnhaft in Villa, dadurch übel zugerichtet werde, verharrte sie beim Verneinen.
Die Ungerechtigkeit dieses Verhörs liegt auf platter Hand. Man nimmt als vollkommen wahr an, was von einer feindlich gesinnten Person, die sich bereits in Widersprüche verwickelt hatte, behauptet worden ist. Lucia wird sodann befragt, ob sie sich der Mercuria beigesellt, um den Christoph Sparamani zu behexen.
Hier zeigt uns das Blatt einen weißen Zwischenraum mit einem horizontalen Federstrich in der Mitte. Beim Anblick der seltsam geschriebenen Antwort, die unmittelbar darauf folgt, drängt sich die Überzeugung auf, daß dieser Federzug das nämliche bedeute, was vorhin das »omissis«, d. h. die Anwendung der Folter.
»Es ist nicht wahr, daß ich ihm beigesellt gewesen bin, aber Mercuria ist es vor ungefähr eineinhalb Jahren gewesen. Ich war dabei zugegen und erinnere mich sehr wohl, daß auch Manega (Dominica), die Frau des weiland Valentin delli Sandri Gratiadei zu Villa, gegenwärtig war. Es waren alle in Katzengestalt zugegen.« Weiter darüber befragt, antwortete sie: »Ich will Euer Gnaden sagen, wie es sich zugetragen. An einem Sommerabend, ungefähr vor eineinhalb Jahren, als genannter Herr Christoph von Salzburg gekommen war, befand ich mich im Hause der Brentegana, d. h. der Elisabeth, welche das Weib des Gratiadei sel. von Villa war. Ich war von dieser Dominica in ihre Wohnung gerufen worden. Hier fand ich auch Maria Mercuria. Ich sah, daß sie eine Büchse von der Größe des Sandfasses des Herrn Gerichtsschreibers hatte, die auf einer Kiste neben dem Bette lag. Menega sagte mir nun – mische auch du ein wenig in dieses Büchschen –, ich mischte und fragte sie, was sie machen wollten. Sie antworteten mir beide, sie wollen zum Christoph gehen, um ihn auf die Festtage übel zuzurichten. Ich sagte ihnen: O Frauen, wenn es jemand erfahren sollte, dann wehe uns! – Sie erwiderten mir: Du dummes Ding, wer soll es denn erfahren? – Darauf zogen sie sich aus. Weil ich mich nicht entkleiden wollte, packten sie mich bei der Nase und ich mußte mich unverzüglich ausziehen. Nun wurde ich ganz klein und bekam die Gestalt einer Katze. Wir gingen sodann in das Haus Sparamanis, in welches wir unten beim Stalle eintraten. Voran ging immer die Menega, welche die Büchse trug. Dort angekommen, wo genannter Christoph allein im Bette lag und schlief, fing sie an, ihn zu salben, wobei Mercuria ihr fortwährend behilflich war. Sie begannen beim Kopfe und salbten ihn bis zu den Füßen, ohne daß er sich in seinem Schlafe rührte oder ich ihnen half. Sie hießen mich aber, mit in die Höhe gehobener und nach rückwärts gekehrter Hand bei ihnen stehen. Als wir fertig waren – es hatte ungefähr eine halbe Stunde gedauert – entfernten wir uns wieder und kehrten in Dominicas Haus zurück. Sie fingen nun an zu lachen und zogen Brot und Käse und eine Flasche Wein hervor, worauf wir denn aßen und tranken.«
Die Ungereimtheit dieser Erzählung scheint dem Richter selbst aufgefallen zu sein. Um Erläuterungen befragt, erwiderte sie: »Wir aßen, sobald wir wieder angezogen waren; denn kaum zurückgekehrt, befand ich mich wieder in meinen Kleidern. Es schien mir, als habe jemand sie mir umgeworfen. Es war auch jemand in Mannsgestalt im Hause der Dominica zugegen; mir schien es Antonio Gratiadei zu sein; allein Mercuria sagte mir, es sei der Teufel. Er war auch zugegen, als wir zu Sparamani gingen. Vorher hatte genannter Teufel die Mercuria und Dominica umarmt, mich aber nicht.« Dieser Mangel an Galanterie von Seiten des Teufels schien dem Richter merkwürdig. Er fragte daher Lucia, ob sie darauf beharre, nie von ihm umarmt worden zu sein. Sie antwortete: »Er könnte in Gestalt meines Mannes gekommen sein.« Gefragt, ob sie auch den Zusammenkünften der Hexen beigewohnt habe, gab sie die Antwort: »Ich bin mehrere Male in Gesellschaft Mercurias und Dominicas bei diesen Zusammenkünften gewesen. Einige Male kam auch meine Mutter und Morandina von Maran mit dem Teufel in Mannsgestalt. Er umarmte alle. Darauf gingen wir spazieren, hielten Feste und tanzten, denn der Teufel führte immer Musikanten mit sich, und einer aus ihrer Mitte sang. Dominica behexte ein Kind zu Roveredo, ich erinnere mich nicht mehr, was für eines. Ja, die Genannte hat sogar auch eure Frau, Herr Gerichtsschreiber, behext.«
Das Manuskript verrät bei diesem Anlasse die Erregung, die sich des armen Schreibers bemächtigte. Seine Feder, die sonst so sicher lief, machte diesmal einen Fehlzug, und es ist auch ganz natürlich, daß bei dieser unerwarteten Kunde eine quälende Überraschung ihn ergriff. Er hat auf dem Rande das Zeichen des Notabene (NB) dreimal wiederholt, um die Aufmerksamkeit auf diese Stelle zu lenken. Am Ende der Seite, auf welcher es sich um einen den Gerichtsschreiber unmittelbar betreffenden Fall handelte, setzte der Richter Ropele seine eigene Unterschrift bei, wie dies auch bei gleichen Anlässen weiterhin geschah.
Lucia fährt in ihrer Aussage fort, wie folgt:
»Und eines Tages, als ihr zum Nachtessen fortgegangen waret, war ich zugegen. Sie befand sich in der Küche der Frau Gerichtsschreiberin, am Feuer; es mag ungefähr vor eineinhalb Jahren gewesen sein. Sie hielt etwas besonderes in der Hand, das sie ihr zum Riechen gab. Überdies hat genannte Dominica den Bruder des Doktors Scudellari von Roveredo verhext, welcher zu Trient studierte. Infolge dieser Verhexung ist er gestorben. Dies hat mir Dominica gesagt, wie wir einmal miteinander spazieren gingen.«
Das Verhör wird fortgesetzt, ohne daß wir auf Anzeichen von Anwendung der Folter stoßen, und dennoch scheint sie massenhaft angewendet worden zu sein, da die Verhöre von Tollheiten und Widersprüchen strotzen. Die Anklagen, welche Lucia noch vervielfacht, sind ebenso ungerecht, als lächerlich, weil sie absurd sind. Aus den Worten und dem Gebaren dieses gemeinen, niederträchtigen Weibes fühlt man die Gewalt heraus, die man bei ihr angewendet, weswegen sie auch vor Schrecken in Krämpfe fiel. Schauderhaft ist die an sie gerichtete Frage, auf welche die Unglückliche antwortet: »Ja, auch meine Mutter ist eine förmliche Hexe, denn auch sie ist in Gesellschaft mit uns gewesen.« Gefragt, ob ihr nächtliches Herumschweifen ihrem Manne bekannt sei, antwortete sie verneinend. Hierauf wurde das Verhör geschlossen und der Richter erließ den Befehl zur Verhaftung der Dominica, Witwe des weiland Gratiadei, da man gegen sie beschwerende Indizien erhalten habe.
Die folgende Seite des Manuskriptes ist höchst merkwürdig. Statt der Verhöre treffen wir folgendes:
Heute, Sonntag, den 2. Dezember. Es erschien Joseph Goriziano, der Gefängniswärter dieses Gerichtshofes, und meldete, in Vollziehung des Befehls Sr. Gnaden, daß er die Dominica ins Gefängnis geführt und hinter Schloß und Riegel verwahrt habe.
Als der Herr Richter diesen Bericht des Gefängniswärters vernommen hatte, ordnete er für alle Fälle die Aufnahme des Inventars über die Effekten genannter Dominica und inzwischen die sorgsame Verwahrung derselben an. Vorbenannter Gefängniswärter erklärte, daß er im Hause der genannten Dominica bei deren Verhaftung folgende Gegenstände angetroffen habe: Ein großes Messer ohne Heft für den Hexenmeister. Ein kleines Weizenbrötchen, chizzolo genannt; ein hölzernes Büchschen mit Münzen (il dentro m. 22). Dann hat er auch einen Korb voll Büchschen, Töpfchen und Pulver, untermischt mit verschiedenen Körnern und Stärkemehl, ebenso Hülsenfrüchte und mancherlei Arten Kräuter gezeigt, welche in mehreren mit Linnenstückchen überzogenen Packen zusammengebunden waren. Dies alles ist im Hause der genannten Meneghina in Schränken und unter ihrem Bette gefunden worden. Man glaubt, es seien Gegenstände, welche zu Verhexungen und verschiedenen bösen Dingen gebraucht werden.
Am 2. Dezember fand auch das dritte Verhör der Lucia statt. Zuerst wurden ihr die früheren Verhöre vorgelesen, welche sie bestätigte. Gefragt, ob sie etwas hinzuzufügen habe, antwortete sie: »Wenn Euer Gnaden mir es befehlen werden, so werde ich sagen, was ich weiß; um Himmels willen aber lassen Sie mich nicht auf die Folter spannen!« Diese Worte bekräftigen unsere Vermutung, daß die Folterqualen bei dieser Unglücklichen im vorigen Verhöre in reichem Maße angewendet wurden, obschon darüber nichts ausdrückliches vorkommt. Hier ergeht sich Lucia in anderen Erzählungen, die wir übergehen, weil sie keine neue Person kompromittieren. Wir finden darin die Ingredientien verzeichnet, welche zur Bereitung der Salbe gedient haben sollten, mit welcher die vor kurzem verstorbene Frau des Gerichtsschreibers Frisinghello angeblich verhext worden war, als: »gewöhnliches Öl, gestampfter Fenchel, Rettig, Knoblauch, pulverisierte Totenknochen; diese Dinge wurden untereinander gemengt und der Teufel gab noch ein gewisses Pulver dazu.«
Den 3. Dezember wurde Dominica (die Menegota oder Tomaseta, Mutter Lucias) wieder vors Verhör gezogen. Auf die Frage, ob sie gewillt sei, die Wahrheit besser zu sagen, als es von ihr am 27. November geschehen sei, gab sie zur Antwort: »Ja, ich habe mich entschlossen, die Wahrheit zu sagen: Euer Gnaden mögen zu fragen anfangen; ich werde gerne sagen, was ich weiß.« Wahrscheinlich wurde diese Alte während der Woche, die sie im Kerker zubrachte, dergestalt mißhandelt, daß sie auf ihren Verneinungen zu beharren Mut und Kraft verlor. Daher mag es gekommen sein, daß wir sie jetzt, wir sagen nicht zur Erdichtung, zu der es ihr an Erfindungsgabe fehlte, aber zur Bestätigung dessen, was sie zu bekennen aufgefordert wird, bereit finden.
Über die Behexung Christophs befragt, behauptete sie, keinen Teil daran gehabt zu haben, und beharrte dabei, auch nachdem ihr die Geständnisse Mercurias und ihrer eigenen Tochter mitgeteilt worden. Sodann wurde Lucia zum Behufe einer Konfrontierung mit ihrer eigenen Mutter gerufen, zu welcher sie sagte: »Ja, du warst zugegen, als die Salbe im Hause der Dominica Gratiadei zubereitet wurde, und du kamst auch mit uns, als wir den Christoph behexten. Erinnere dich wohl, an jenem Abende hatte Dominica Kohl bei sich, wovon sie dir zu essen gab.« Die Alte dachte darüber nach und antwortete: »Jetzt erinnere ich mich; es ist wahr.« Sie bestätigte nun die Aussagen Lucias und fügte noch allerlei nichtige Zutat bei. Gefragt, ob sie bei diabolischen Zusammenkünften gewesen sei, antwortete sie: »Ja, ich bin dabei erschienen und besonders in einer Nacht, ungefähr um 11 Uhr, im Hause des Franz Delaiti, es mag beiläufig zwölf Jahre her sein. Wir waren in Weiberkleidern. Ich trug ein Stück Tuch umgeworfen, nach Art der Zigeunerinnen. Auch ein Mann in Priesterkleidung war bei uns und er schien just Don Rinaldo zu sein; denn seine Gestalt sah vollkommen diesem ähnlich; allein es war der Teufel.«
Wohl mag es in jenen Zeiten vorgekommen sein, daß Bösewichter sich den Aberglauben und die Leichtgläubigkeit solcher Weiber zunutze machten, indem sie ihnen vorspiegelten, der Teufel habe ihre Gestalt angenommen, so daß, wenn diese Vetteln erklärten, es mit dem Teufel in Gestalt dieses oder jenes ihrer Bekannten zu tun gehabt zu haben, sie es in der Tat mit letzteren zu tun gehabt hatten.
Dominica Gratiadei muß sich am 4. Dezember dem Verhör unterziehen. Über die Verhexung Christophs befragt, leugnete sie anfangs; es wurden ihr sodann die Aussagen der Mitschuldigen vorgelesen, worauf sie mit zitternder Stimme und erblassend (tremula voce et pallido colore) sagte: »Nein, es ist nicht wahr! Lucia und die anderen mögen hieher kommen und es mir sagen.« Sie erschienen und Lucia beharrte ihr gegenüber auf der Anklage. »Ich bin wegen Euch da, Dominica; und als ich ins Gefängnis geführt wurde, lachtet Ihr ...« Es wurden viele Gefäße und Büchsen auf den Tisch gestellt und Lucia fuhr fort: »In diesem machtet Ihr die Salbe, um den Christoph zu behexen.« Dominica antwortete: »Ich bin mit Unrecht angeschuldigt; macht, was ihr wollt; wenn ihr mich töten laßt, so bin ich ungerechterweise verurteilt.« Es wurden ihr die Geständnisse der Mercuria vorgelesen, worauf sie sagte: »Wenn jene ja sagen, so will auch ich mich dazu verstehen.« Als man bei ihr auf eine kategorische Antwort drang, rief sie aus: »Euer Gnaden mögen hinschreiben, ich habe es getan; ich bin mir jedoch nicht bewußt, es getan zu haben.« Der Richter befahl sodann, sie dem strengen Verhör zu unterziehen. Unter der Folter bekannte nun die Unglückliche, im Widerspruche mit ihren früheren Aussagen, die tödliche Salbe bereitet zu haben. Gefragt, welches die Ingredientien dazu gewesen seien, gab sie die sehr bezeichnende Antwort: »Wenn Sie es mir sagen, will auch ich es sagen ...«
Es ist klar, daß sie nunmehr bereit war, allem beizustimmen, was ihr in den Mund gelegt werden würde. Nun wurde sie wieder ins Gefängnis gebracht; jedoch tags darauf (5. Dezember) herausgeholt und verhört, wobei sie behauptete, daß die Büchschen, welche in ihrem Hause gefunden wurden, für unschädliche Zwecke bestimmt gewesen seien. Lucia beschuldigte sie der Lüge und sagte, ihr ein gewisses Mehl zeigend, »Dies ist das Pulver, das gebraucht wurde, um die Frau des Herrn Gerichtsschreibers zu behexen.« Dominica antwortete: »Es ist Mehl; nicht aber ist es wahr, daß ich die Frau des Herrn Gerichtsschreibers zugrunde gerichtet. Ich bin auch nie in ihrer Küche gewesen. Diese anderen Körner verwende ich teils zum Essen, teils für die Hühner.« Lucia wiederholt, es seien Ingredientien zu Hexereien. Die beiden Weiber geraten dadurch in das giftigste Gezänk. Dann folgt wieder eine dunkle Partie oder vielmehr jenes Unbestimmte der Fassung, das nach darunter verborgener Folter riecht. In der Tat gesteht Dominica ex abrupto, die Salbe bereitet zu haben und in Katzengestalt bei Verhexung Christophs zugegen gewesen zu sein, die Sakramente abgeschworen, mit dem Teufel getanzt und Schlimmes getan zu haben. Sie durchläuft sofort nicht nur den ganzen Kreis der abergläubischen Albernheiten damaliger Zeit, als wäre sie deren Zeuge und Mitschuldige gewesen, sondern vervielfacht noch sogar die Anklagen, infolgedessen die folgende Vorladung erlassen wurde.
Mit Gegenwärtigem sind vor Gericht gerufen die Endesunterzeichneten, welche persönlich in der Kanzlei dieses Amtes vor Sr. Gnaden zu erscheinen haben, um eidlich Geständnis abzulegen über alles, was sie wissen, worüber sie werden befragt werden, unter Strafe von d. 25 für jede Person, im Falle des Dawiderhandelns: Frau Cäcilia Sparamani; Frau Maria, ihre Tochter; Herr Santo Peterlino, und Herr Gratiadei, sein Sohn, beide Schmiede zu Villa; Donato Beltrami, Knecht der Sparamani; Zuan Battista delli maistri di Pederzano und Katharina, sein Weib.
So gewinnt nun der schauerliche Prozeß eine größere Ausdehnung, nachdem er mit den freiwilligen Anklagen der Mercuria begonnen und die erzwungenen Geständnisse der Menegota, Lucia und Dominica ihn in Gang gebracht haben.
Cäcilia Sparamani, den 6. Dezember vor Gericht gezogen, erklärte, daß ihr Sohn Christoph an epileptischen Anfällen leide; vergebens habe sie die Ärzte konsultiert, damit sie ihn von diesem Übel befreiten. Sie fuhr fort: »Als hierauf von vielen Ordensmännern, nämlich von den hochwürdigen Paters Kapuziern oder Barfüßern sowie auch von unserem Kaplan in Villa erklärt worden war, dieser Knabe sei behext, so entschloß ich mich, ihn zum heiligen Antonius von Padua zu schicken. Weil man uns aber sagte, die Straßen seien kotig und schlecht, führten wir ihn nach Brandolo zu einem Bischof, von welchem der Zauber gebrochen wurde. Darauf habe ich den Knaben nach Trient zum Pater Macarius bringen lassen, damit er ihm einige Zettel gegen die Hexereien gebe. Jetzt befindet er sich in Trient.« Sie schloß, indem sie sagte, sie habe auf niemand bestimmten Verdacht.
Es erschien sodann Johann Anton Ferrari zubenannt Scarambea und sagte: »Schon vor mehreren Jahren verreckten mir einige Stiere, eine Kuh und ein Rind, wodurch ich starken Schaden litt. Dennoch aber habe ich auf niemand Verdacht geworfen. Mein Weib erzählte mir gestern, daß Lucia Caveden, die sich jetzt hier in Haft befindet, einmal in mein Haus gekommen sei, um sie zu bitten, ihr ein Kind aus der Taufe zu heben; geschähe dies, so werde mir kein Vieh mehr umkommen.«
Gratiadei Peterlino, den 7. Dezember über die Verhexung Christophs befragt, erwiderte: »Oft kamen Katzen ins Haus und gebärdeten sich garstig und heulten; obgleich ich sie mehrmals mit Stöcken zu verjagen suchte, hörten sie deshalb noch nicht auf.«
Denselben 7. Dezember wurde Dominica Gratiadei zum drittenmal vor Verhör gezogen. Über die Art und Weise der Verhexung Christophs befragt, antwortete sie, sie wisse es nicht. Von Benvenuta Consola, ihrer eigenen verstorbenen Mutter, sagte sie, dieselbe sei eine ausgemachte Hexe (strega di cartello) gewesen. Endlich gestand sie, der Mercuria den Apfel gegeben zu haben, welcher die Marquise Bevilacqua zugrunde richten sollte. Den 13. Dezember legte Lucia folgendes Geständnis ab: »Dominica hat mir vertraut, daß ihr der Teufel einen Ring als Zeichen des Paktes gegeben; sie hat mir ihn gezeigt, er trägt einige Buchstaben. Überdies hatte sie noch einen anderen Ring ohne Gepräge (senza preda), mit welchem sie mich besiegelte.«
Es wurden ihr zwei Ringe gezeigt, welche im Hause der Dominica gefunden worden waren; sie erklärte, daß diese es seien. Über die Behexung der Rinder Scarambeas befragt, beschrieb sie die Art und Weise, in welcher dieselbe vor sich gegangen; man habe nämlich die Krippen beschmiert.
Den 7. Dezember bekannte Lucia, daß der nun verstorbenen Elisabeth, der Tochter des Gerichtschreibers Frisinghello, ein Salat zugeschickt worden sei, um sie zugrunde zu richten; und in der Tat sei das Kind kurz nachher gestorben. Hier tritt zum erstenmal Benvenuta, die Tochter der Dominica Gratiadei, auf, ein Mädchen von 17 Jahren. Lucia legte über sie folgendes Geständnis ab:
»Sie hat in ihrem eigenen Hause) der Taufe entsagt in Gegenwart ihrer Mutter und unser aller und des Teufels in Gestalt eines jungen Menschen. Sie wurde besiegelt. Der Teufel umarmte sie, und zum Zeichen dessen waren immer Bälle und Feste in ihrem Hause. Ja noch mehr, soviel mir genanntes Mädchen vertraut hat, hat ihr der Teufel Geschenke gebracht. Sie zeigte mir ein Paar schöne umgebogene Schuhe (scarpe reverse), indem sie sagte, diese habe ich gestern abend gewonnen.«
Dominica Gratiadei, befragt, wie sie ihre Tochter zur Hexenversammlung führte, antwortete: »Es sind ungefähr acht Jahre her, seit alle mir rieten, meine Tochter der Versammlung vorzustellen. Ich munterte sie endlich auf, bis sie sich bewegen ließ, der Taufe und der Beichte zu entsagen, was denn auch in unserer Gegenwart geschah sowie in derjenigen des Teufels in Gestalt eines Jünglings, der sie sehr liebte.«
Hierauf folgen zwei lange Erzählungen über den der Elisabeth Frisinghello zugeschickten Salat sowie über die Verhexung des Jünglings Valentin in Villa, welche durch die Mutter der Lucia bewirkt worden sein sollte.
Am 18. Dezember besteht Lucia das sechste Verhör. Dies scheint uns so charakteristisch, daß wir es der Mühe wert halten, es genau zu kopieren.
Lucia Caveden, abermals vor Verhör gezogen, aus ihrer Haft genommen, dem Eid aufs Evangelium, über das sie die Hand legte, unterworfen, gefragt, ob ihr zu dem, was sie in den früheren Verhören bereits gesagt, etwas Weiteres beigefallen sei, gab zur Antwort: »Ich wüßte nichts anderes zu sagen.« Auf die Frage, ob sie ihre Aussagen auch auf der Folter behaupten würde, daß nämlich Benvenuta Consola eine Hexe sei, und daß sie bei der Bereitung der Salbe, mit welcher später das Vieh Scarambeas umgebracht worden, zugezogen gewesen; item bei der Zurüstung des Salats, welcher der Elisabeth, des Gerichtsschreibers Tochter, zugeschickt worden; item bei den Zusammenkünften zu Nomi im Hause des M. Franz Damisel, wo eine von den Sparamani verheiratet sei; item beim Quandomeneghi; item bei den Sparamani, als sie den Christoph schlafend antrafen; item im Zimmer Sparamanis, und auch im Zimmer der obengenannten Consola; item bei M. Franz del Vili, antwortete sie: »Ja, Herr, es ist wahr, und ich bestätige es, und werde es auch auf der Folter behaupten«, und fügte ungefragt hinzu: »Ich werde dies nicht nur gegen Consola behaupten, sondern auch gegen Benvenuta, Tochter der Dominica Gratiadei; denn auch dieses Mädchen ist zu den Hexenzusammenkünften gekommen und war zugegen, als der Salat für Eure Tochter zubereitet wurde; ja, sie hat sogar den Salat geholt, ihn getragen und wußte alles; denn Euer Gnaden müssen wissen, daß, was von Katzen stammt, auch Mäuse fängt, und wie die Mutter, so die Tochter. Ich werde auch behaupten, was ich gegen Isabella Brentegano und gegen Polonia, ihre Tochter, gesagt, daß sie nämlich Hexen sind, welche bei der Zusammenkunft waren.« Auf die Frage: ob sie wisse, daß auch noch andere Personen zugegen gewesen seien, um dergleichen Hexenwerk zu treiben und den Versammlungen beizuwohnen, antwortete sie: »Ich erinnere mich, daß auch Santo Peterlini, der Schmied von Villa, mit uns hinaufgekommen, um zu sehen, wie das Vieh des Scarambea zugrunde gerichtet wurde. Er war bei der Bereitung der Salbe zugegen, ebenfalls in Katzengestalt. Auch Delaito Cavaleri von Villa war anwesend, als wir uns zu Nomi im Hause Damisels befanden, wo eine von den Sparamani verheiratet ist, und ich werde dies alles behaupten hier und anderswo.«
Ungefragt fügte sie hinzu: »Der Witwe Gratiadei scheint es sonderbar, daß ihre bösen Streiche an den Tag gekommen; denn gestern abends, als der Gerichtsdiener sie ins Gefängnis führte, schrie sie fortwährend: ach Verräter! Mörder!« Ungeachtet die Lucie in der Tat nur zu willig war, gegen sich und andere zu bekennen, was man von ihr verlangte, oder was sie selbst sich aussann, so drang man doch noch immer weiter in sie. Als man ihr sagte, sie solle die Wahrheit in betreff der Hostie bekennen, welche sie der Mercuria gezeigt habe, gab sie zur Antwort: »Dies ist nicht wahr.« Statt ihr wenigstens dies zu glauben, vermahnte der Richter die Angeklagte zunächst in Güte, daß sie aufhören solle, zu leugnen, bevor er sie einem strengen Verhöre unterwerfe. Sie antwortete: »Ich habe die Wahrheit gesagt und weiß nichts anderes zu sagen.« Ungefragt fügte sie hinzu: »Es scheint mir, ich habe in einem meiner Verhöre ausgesagt, daß jener Ring, welcher der Dominica gehört, vom Teufel gebracht worden sei; allein meine Mutter hat mir gesagt, daß der Teufel ihn der Mutter des seligen Valentin Gratiadei, der Schwiegermutter (madona) genannter Dominica, gebracht habe, denn auch sie soll bei ihren Lebzeiten eine Hexe gewesen sein. Was nun den anderen Ring ohne Gepräge betrifft, so bediente man sich seiner zur Befestigung der Besiegelung oder Anbringung des Males, welches der Teufel machte. Auf ähnliche Weise hat er auch mich besiegelt.«
Als sie nach vielen Fragen und Ermahnungen fortwährend leugnete, und man die Widersprüche, die aus ihren Verhören hervorgingen, wahrnahm, und die Indizien in Betracht zog, die wider sie zeugten, als man nicht minder sorgsam Verwahrung eingelegt hatte, daß das, was nun weiter geschehe oder verfügt werde, den bereits erworbenen Rechten des Fiskus keinen Eintrag tue, sodann auch um eine kategorische Antwort zu erhalten, beschloß der Richter, die Inquisitin einem strengen (peinlichen) Verhör zu unterwerfen, d. h. der Strickfolter. Zu diesem Behufe befahl er den Bütteln, sie an den gewohnten Ort zu bringen, zu binden und in die Höhe zu ziehen. Als sie in die Folterkammer gebracht, dort ausgezogen und an den Strick gebunden war, wurde sie noch einmal in Güte aufgefordert, die Wahrheit zu sagen. Hierauf antwortete sie: »Ich habe die Wahrheit gesagt, und weiß nichts anderes zu sagen.« Dann befahl der Richter sie in die Höhe zu ziehen. Als dies geschehen war, begann sie zu schreien: »Jesus Maria, meine Hände! O Gott! O Muttergottes vom Rosenkranz! Ich habe die Wahrheit gesagt; ich weiß nichts anderes; o weh, laßt mich! O Gott, ich sterbe! Laßt mich los! ...«
Als man ihr sagte, sie solle die Wahrheit bekennen, ob außer den im Prozesse angezeigten andere Gefährten oder Gefährtinnen mit ihr bei den Hexenzusammenkünften gewesen, erwiderte sie: »Nein, bloß diejenigen, die ich genannt habe.« Gefragt, antwortete sie: »Ich habe keine geweihten Hostien gehabt und es ist nicht wahr, daß ich solche der Mercuria gezeigt! ... o Gott! laßt mich los! Barmherzigkeit!« Gefragt, oh Santo Peterlino der Taufe abgeschworen, gab sie zur Antwort: »Ich weiß es nicht; allein niemand kann mit dem Teufel an diese Orte kommen, der sich nicht davon losgesagt hat ... o Gott! ich weiß nichts anderes, laßt mich los! Die Consola willigte auch ein in die Verhexung der Tochter des Herrn Gerichtsschreibers hier.« Nachdem sie ungefähr eine halbe Viertelstunde auf der Folter gewesen, verordnete der Richter, die Gefolterte behutsam herunterzulassen, loszubinden, ihre Arme in die gehörige Lage zu bringen, sie wieder anzukleiden und in das Gefängnis zu führen. Nachdem sie vorher noch gefragt, ob sie, losgelassen, dasjenige bestätigen wolle, was sie auf der Folter ausgesagt, antwortete sie: »Ja, ich will alles bestätigen, wie ich in Wahrheit sage, daß alles wahr ist, was ich, am Stricke emporgezogen, eingestanden habe.« Alles dies geschah in Gegenwart des erlauchten Herrn Antonio Pizzini von Nogaredo und des Herrn Franz del Villi von Villa in Eigenschaft von Ehrenmännern und angenommen als Assessoren gemäß Kapitel 17 der Zivilstatuten usw., nachdem ihnen der Eid abgenommen war, darüber Stillschweigen zu beobachten.
Diesen 18. Dezember gab es im Gerichtshause zu Nogaredo viel zu tun. Auch Dominica Gratiadei wurde vor Verhör gezogen und gefoltert, und wir hören sie protestieren, bekennen, wehklagen, heulen, auf die nämliche Weise wie oben. Der Salat, an welchem Frisinghellos Tochter gestorben sein sollte, taucht nun wieder auf, und man darf wohl befürchten, daß dieses Übermaß von Folterqualen von Seiten Maderninos und des Kommissars Ropele den Zweck hatte, dem anwesenden Gerichtsschreiber Genugtuung zu schaffen, in betreff dessen diese Weiber unumwunden erklärt hatten, sein Weib und seine Tochter meuchlings umgebracht zu haben. Wir bemerken, daß die Gratiadei viermal so oft gefoltert wurde als Lucia, so daß ihre Tortur eine halbe Stunde gedauert hatte.
Das Verhör vom 20. Dezember zeigt uns eine neue Persönlichkeit, welche interessanter ist, als alle vorhergehenden, weil es nicht um verheiratete und meist schon alte Weiber, sondern um ein Mädchen sich handelt, das die erste Jugend kaum zurückgelegt hatte.
Benvenuta Gratiadei, gefragt, was für eine Meinung sie von ihrer Mutter habe, antwortete: »Ich habe sie immer für eine rechtschaffene Frau gehalten.« Auf die Frage, ob sie mit Menegota und Lucia auf vertrautem Fuße gestanden habe, antwortete sie: »Sie borgten dann und wann etwas von uns, wie z. B. den Bettwärmer.« Auf die Frage, ob ihr die Behexung der Rinder des Scarambea bekannt sei, antwortete sie verneinend; dann fügte sie ängstlich hinzu: »wenn nicht meine Mutter mir etwas getan hat, damit ich mich nicht mehr daran erinnere.« Es wurden ihr die Verhöre Lucias vom 15. und 17. vorgelesen. »Ich bin mir nicht bewußt, es getan zu haben, es müßte denn sein, daß ich von ihnen gesalbt worden, und daß mir alles wie ein Traum erschienen wäre; denn mir kam es vor, als befinde ich mich in Gesellschaft von Mädchen und lache und tanze.« Abermals und unter Drohungen gefragt, antwortete sie: »Wohl ist es wahr, daß in unserem Hause einige Male ein junger Mensch erschien, der wie ein Fremder aussah, daß dieser mich liebkoste, daß Spielleute kamen und daß man tanzte.« Über diesen Jüngling befragt, antwortete sie: »Es war derjenige, der mir auf einer Schulter mit einem glühenden Eisen ein Mal eingebrannt hat; meine Mutter setzte den Ring ohne Gepräge darauf und sagte mir, dieser junge Mensch sei der Teufel; ich solle nicht daran zweifeln, daß er mir immer helfen würde; allein es sind einige Jahre her, und ich kann mich dessen nicht gut erinnern; denn damals hatte ich meinen Verstand noch nicht ganz. Mir scheint auch, er habe mir Pfennige (quattrini) gegeben; ich könnte jedoch nicht sagen, wie viele; ich gab sie meiner Mutter, welche eine Verräterin gewesen ist, weil sie eines ihrer Kinder auf diese Weise getötet hat.« Auf die Frage, ob sie den Hexenzusammenkünften beigewohnt habe, antwortete sie: »Alles kommt mir, wie gesagt, wie ein Traum vor, und es schien mir, der Teufel sei immer zugegen gewesen in Gestalt eines jungen Menschen.« Gefragt, ob sie den bewußten Salat getragen habe, antwortete sie: »Ja, im Auftrage meiner Mutter; Lucia ging hinter mir her, um zu sehen, ob diese Eure Tochter ihn esse, und sie kehrte zurück, indem sie sagte, sie habe sie denselben essen sehen. Dann fingen wir alle zu lachen an. Menegota und Mercuria waren zugegen und schrien – sie hat ihn gegessen! – sie hat ihn gegessen!« Gefragt, wie der in sie verliebte Teufel heiße, antwortete sie, dessen erinnere sie sich nicht. Als man wissen wollte, oh sie an ihrem Leibe ein diabolisches Zeichen trage, antwortete sie: »Ja, Sie können es sehen.« Als der Richter dies gehört, befahl er, sie zu entblößen, damit er dieses diabolische Zeichen sehen könne. Nachdem sie entblößt und untersucht worden war, sah man das Zeichen auf der linken Schulter; es war von der Größe eines Linsenkornes.
(Unten auf dieser Seite im Manuskript Seite 137 ist zu lesen: »Bis hieher ein Summarium nach Salzburg geschickt.«)
Da die Geständnisse des Mädchens Benvenuta die Mitschuld der Brentegana von Villa sowie ihrer Tochter Polonia bestätigten, war man im Begriff, einen Verhaftsbefehl gegen sie ergehen zu lassen. Da ließ der oft erwähnte Gefängniswärter folgendes zu Protokoll nehmen:
»Joseph Goriziano, Angestellter des Gerichtshofes, erklärt, daß das untere Gefängnis unsicher und ohne Schloß ist: deshalb verwahrt er sich, daß, im Falle der Dominica Gratiadei, die im genannten Gefängnis sich befindet, etwas begegne, es ihm zur Last gelegt werde. Die übrigen Gefängnisse oberhalb seien von den in den Prozeß Verwickelten besetzt. Überdies erklärt er, daß Isabella Gratiadei, zubenannt die Brentegana, und Polonia ihre Tochter, sich nicht in Villa befänden, und daß er gehört habe, sie hätten sich entfernt und seien nach Verona gegangen.«
Den 23. Dezember erscheint Benvenuta zu einem zweiten Verhör, von welchem nur zu bemerken ist, daß sie sagt, sie habe sich erinnert, der Teufel, ihr Buhle, heiße Martinello, und daß sie als Mitschuldige an der Verhexung der Rinder Scarambeas die Zenevra (Ginevra) Chemola von Castellano und die Frau jenes Mannes denunziert, welcher eine Narbe im Gesicht habe und Augustin Fitola heiße.
Den 24. Dezember erklärt Lucia Magdalena, das Weib des Antonio Andrei, zubenannt die »Philosophin«, für eine Mitschuldige. Sie bestätigt, daß Santo Peterlino nicht nur ein Zauberer, sondern sogar ein Hexenmeister gewesen, weshalb er Häuptling (caporale) genannt worden; sie gibt die Worte der Dominica Gratiadei an, welche diese gesprochen habe, während sie die zur Verhexung Christophs bestimmte Salbe bereitete, und welche in einem verbrecherischen Fluchgebete bestehen; sie bekennt, Augustin Agostini gesalbt zu haben, um sich an ihm zu rächen, und gibt neue Mitschuldige an.
Hier stoßen wir auf ein Gesuch des Santo Peterlino, der, auf sein Alter von 70 Jahren und seine allbekannte Rechtschaffenheit hinweisend, aus der Haft befreit zu werden verlangt, in welche er wenige Tage vorher, zufolge eines Verhaftsbefehls, gebracht worden war. Ein zweiter Verhaftsbefehl kommt hier gegen die Philosophin vor; derselbe ist vom Protokoll über ihre Verhaftung begleitet.
Am 2. Januar 1647 legt Dominica Gratiadei folgendes Geständnis ab: »Die Ordnung, welche wir einhielten, wenn wir zu den Spielen gingen, war folgende: Alle Genannten erschienen. Ich ging mit Santo voran; die anderen folgten uns, sämtlich in Katzengestalt; der Teufel war immer an der Spitze. Bisweilen hatte es den Anschein, als wären wir bei großen Gastereien, Schauspielen, Bällen, Musiken und Gesängen, und dann stand der Teufel in Bocksgestalt aufrecht auf einem Gerüste; kaum kommt man in seine Nähe, so geht man tanzend auf ihn zu und macht vor ihm eine Verbeugung; dann geht man zu Tische, wo es den Schein hat, als gebe es viele Speisen; voran an der Spitze sind die ›Caporale‹;.«
Gefragt, wo sie diese Zusammenkünfte halten und wie lange sie dauern, antwortete sie: »Man kann solche Zusammenkünfte halten, wo man will. Man beobachtet jedoch diese Zeremonie nur einmal im Jahre. Wir nahmen sie auf den Wiesen vor, wo man gegen Piazza geht; allein sie erschienen nicht wie Wiesen, sondern vielmehr wie eine palastähnliche Wohnung, mit einem großen Saale. Die Gastereien dauern kurze Zeit, und dennoch scheint es, man verweile lange dabei. Bisweilen hatte es den Anschein, als sitze der Teufel auf einem schönen Sessel und als sei er ein großer Herr, auf welchen wir zugingen, um – – zu küssen.«
Den 7. Januar antwortet Santo Peterlino auf die Fragen, die an ihn gestellt werden, und zugleich auf die Vorlesung der ihn anklagenden Geständnisse nichts anderes als: »Es ist nicht wahr, ich weiß nichts, ich will deshalb nicht belästigt werden, ich bin frei davon wie das Vaterunser; ich weiß von diesem läppischen Zeug (baje) nichts.«
Er wird mit Lucia konfrontiert, und wir vernehmen ein wütendes Durcheinander von – Ja, es ist wahr! – Nein, es ist nicht wahr! –
Den 10. Januar wird die »Philosophin« (eine seltsame Person, welche, wie wir sehen werden, zu schnell verschwindet) zum Verhör gezogen. Anfangs leugnet sie alles; dann bekennt sie mehr, als um was man sie fragt. Der Taufe zu entsagen will sie von der Brentegana bewogen worden sein. »Der Teufel in Gestalt eines schönen Mannes war dabei zugegen. Er erschien als Hauptmann in roter Uniform; sein Schnurrbart war schwarz, und während Santo mir das Wasser über den Kopf goß und die Worte der Enttaufung aussprach, brüllte er wie ein Stier und schnob gleich einem Blasbalg.« Gefragt über die Verrichtungen, zu denen sie sich als Hexe verpflichtet, antwortete sie: »Man muß den Teufel anbeten. Wenn man kommuniziert, muß man die Hostie aus dem Munde speien; man nimmt sie auch mit sich, um Hexereien (furfanterie) damit zu treiben.« Gefragt über die Mischung der Salbe, mit welcher sie sich beschmierten, ehe sie zu den Zusammenkünften gingen, antwortete sie: »Man nimmt Teile der heiligen Hostie, etwas Blut von kleinen Kindern, Weihwasser, Fett von gestorbenen Kindern, mischt dann alles untereinander und spricht die geheimen Fluchworte darüber.«
Auf die Frage, wie sie ihre Zusammenkünfte abhielten, bestätigt sie die uns bereits bekannten Geständnisse der Dominica Gratiadei und fügt noch bei, sie (die Philosophin?) habe die Leichname einiger Kinder, deren Väter sie nennt, an den Ort der Versammlung gebracht. »Wir nahmen zur Nachtzeit einen (Leichnam) bei dem großen Tore und einen auf der Seite der Kapelle heraus, die und deren Kränze gleichfalls noch frisch waren. Bei diesem Spiele schneidet man ihnen zuerst den Kopf, dann Arme, Hände, Füße und die Knie weg; darauf nimmt man ihnen das Fett heraus, zur Bereitung der Salbe. Dies geschieht alles in der Synagoge (dem Versammlungsorte) der Hexen. Dort legt man diese Stücke in Pfannen, siedet sie, hernach bringt man sie auf den Tisch und ißt davon; einiges davon wird auch gebraten.« Im weiteren Verhör denunziert sie andere Hexen, deren Verhaftung wir bald erfolgen sehen, und schließt mit der Beschreibung der Hexenkünste, deren sich die Hexen zur Erregung von Ungewittern bedienten. Den 13. Januar widerruft die »Philosophin« und erklärt alles das für falsch, was sie am 10. bekannt hatte. Der Richter dringt unter Androhung der Folter in sie, sie solle erklären, wer ihr zu dieser Ausflucht geraten; sie antwortet: »Ich habe darüber nachgedacht und in Betracht gezogen, daß ich aus Überraschung und Furcht so viel albernes geschwatzt; gewiß, ich habe gesehen, daß ich unrecht getan, Euch jene Dinge zu sagen; denn wenn ich die Wahrheit gesagt hätte, so hättet ihr mich nun befreit und ich würde nach Hause kehren können. Statt dessen bin ich ein dummes Geschöpf gewesen, daß ich Euch Dinge gesagt, die nicht wahr sind.« Der Richter hält Wort und unterwirft sie der Folter, wo sie denn, in die Höhe gezogen, richtig ausruft: »O heiliger Gott! es ist alles wahr, was ich in meinem ersten Verhöre gesagt habe; ich bestätige es, daß ich eine Hexe bin; aber laßt mich los um Gottes willen!« Man ließ sie herunter, und während man ihr die Gebeine zurechtrückte, hörte sie nicht auf, zu jammern: »O Jesus! langsam, langsam! o meine Arme! o meine Hände! wie sind sie schwarz geworden! ...«
Im Verhör der Dominica Gratiadei am 18. Januar finden wir Einzelheiten von abstoßender Obszönität, in denen wir nicht die geringste Beziehung zur Sache selbst und zu ihren Umständen erblicken. Es genüge, zu bemerken, daß dies alles nur danach angetan ist, uns in der Meinung immer mehr zu bestärken, daß diese ekelhaften Weiber, von Schrecken übermannt, sich bestimmen ließen, was immer für ruchlose Ausschweifungen einzubekennen, die die Einbildungskraft ihnen eingab, in der Hoffnung, dadurch der Folter zu entgehen und den Richter sich geneigt zu machen.
Den 25. Januar wird bei Santo Peterlino die Folter gebraucht; er verharrt jedoch ungebeugt bei seinem Verneinen.
Den 27. Januar erklärt die junge Benvenuta, daß alles, was sie vorher bekannt, falsch und durch Überraschung ihr entlockt sei. Um eine Vorstellung von der Angst zu geben, von welcher die Angeklagten sich überwältigt fühlten, wodurch sie zu Geständnissen getrieben wurden, über die sie sich nachher selbst kaum Rechenschaft zu geben vermochten, wollen wir hier eine Seite dieses Verhöres anführen. Benvenuta gefragt, ob sie sich dessen erinnere, was sie vorher eingestanden, antwortet: »Ich weiß wohl, daß ich etwas gesagt; es ist jedoch nichts wahres daran; wenn ich es auch gesagt habe, habe ich es deshalb noch nicht getan.« Als man ihr vorstellte, wie sie es wagen könne, das zurückzunehmen, was sie in ihren vorhergehenden Verhören, die man ihr vorgelesen, welche sie vernommen und denen sie, einem nach dem anderen, aufmerksam zugehört habe, frei bekannt hätte, antwortete sie: »Wenngleich ich es gesagt habe, hab' ich solches dennoch nicht getan; ich habe es erzählt, weil ich es so habe sagen hören.« Gefragt, wer sie dazu bewogen habe, das bereits Eingestandene wieder zurückzunehmen, antwortete sie: »Ich bin nicht eines anderen belehrt worden, sondern ich nehme es zurück, weil es nicht wahr ist.« Auf die Frage, warum sie nicht von Anfang an so gesprochen habe, gab sie zur Antwort: »Ich antwortete, je nachdem man mich fragte.« Ermahnt, in betreff der Mitschuldigen die Wahrheit zu sagen, da der Fiskus durch die vorhergegangenen Bekenntnisse bereits Rechte erlangt habe, auf die der Richter nicht im geringsten verzichten wolle, antwortete sie: »Ich sage, daß dasjenige, was ich gesagt habe, nicht die Wahrheit ist; was wollt ihr, daß ich sage?« Gefragt, ob sie je der Sparamani irgendein Pulver gegeben, antwortete sie verneinend. Dann befahl der Richter, daß ihr das Verhör von gestern vorgelesen werde, in welchem Lucia Caveden erklärt hatte, der Benvenuta das Pulver gegeben zu haben, das der Maria Sparamani gereicht werden sollte. Als sie dies gehört, antwortete sie: »Nichts davon ist wahr.« Sie wurde ermahnt, die Wahrheit zu sagen, und um sie besser der Lüge überführen zu können, verordnete der Richter, Lucia mit Benvenuta zu konfrontieren. Als diese vorgeführt war, erfolgte ein Wortwechsel, der zu lang und zu widerlich ist, als daß man ihn ganz hier anführen könnte. Wir begnügen uns mit einer Probe davon. Lucia: »Ja, es ist wahr; in deinem Hause vor der Weinlese hast du es mir gesagt – weißt du, Lucia, ich habe jene Pulver der Maria unter die Nase gegeben, allein ich glaube, ihr zu wenig gereicht zu haben, so daß es keine Wirkung haben konnte.« Benvenuta: »Es ist nicht wahr und wird nie wahr sein, du lügst durch deine lügnerische Kehle, Plaudermaul, das du bist.« Lucia: »Ja, es ist wahr, Erzkupplerin, Galgenstrick von einer Hexe, und ich werde es dir gegenüber behaupten wie bis hieher und wäre es auch am Folterseile.«
Den 28. Januar wurde Menegota gefoltert, bloß um ihr die Namen anderer Mitschuldigen abzunötigen, und in der Tat gab sie einige an. Die Folter bestand aus Rücksicht auf ihr abgelebtes Alter nicht im Strick. Man wandte den Schraubenstock an. Audi hier hörte man die Gefolterte schreien: »O, meine Hände! Ich kann nichts anderes sagen! Ich weiß nichts anderes! Mein Gott.« Eine ähnliche Szene erneuerte sich am Abend des nämlichen Tages auf Kosten der Dominica Gratiadei, deren Tortur jedoch nicht gemildert ward, vielmehr im Anziehen des Seiles bestand.
In betreff der Folter muß man vermuten, daß der Benvenuta ihre 17 Jahre zugute gekommen sind, d. h. daß sie ihrer Jugendlichkeit wegen vom strengen Verhör noch ausgenommen war.
Eine Bittschrift vom 28. Januar verlangt die Freilassung Santo Peterlinos, in Betracht, daß er keine anderen Indizien gegen sich habe, als die Denunziationen anerkannt ehrloser und unglaubwürdiger Weiber.
Den 29. wird Valentia, die Tochter der »Philosophin«, durch Goriziano verhaftet.
Am 7. Februar erscheint Pasqua Bernardini freiwillig vor dem Richter, um sich vom Makel der Hexerei zu reinigen, der ihr, wie sie sagt, von bösen Zungen angeworfen worden sei und wird ins Gefängnis gebracht. Tags darauf überreicht der Advokat Noame dem Gericht ihre Verteidigung. Folgendes ist das Exordium davon:
»Der Brudermörder Kain traute keinem Orte und hielt sich nirgends für sicher, denn er kannte sein schlechtes Gewissen und wußte, daß er seinen eigenen Bruder Abel getötet habe; allein Pasqua Bernardini, auf ihre Unschuld und auf die Reinheit ihres Gewissens vertrauend, hat nicht nur nicht das böse Gerede der Böswilligen gefürchtet, sondern sie hat sogar, damit der Gerechtigkeit und der Welt der Sachverhalt bekannt werde, keinen Anstand genommen, vor Gericht zu erscheinen, versichert, daß – cantabit vacuus coram latrone viator!«
Doch Goriziano ist rührig; am 10. Februar ergreift er Katharina Fitola oder Pedersina und führt sie ins Gefängnis sowie Junipara (d. i. die jüngstgeborene) Chemola oder Zenevra. Es folgen lange Verhöre, aus denen wir nichts Neues entnehmen.
Pasqua wird ins Verhör gerufen. Man liest ihr Anzeigen vor, welche sie als Hexe bezeichnen. Sie läßt sich vom Zorn hinreißen. Gefragt, ob sie an ihrem Körper irgendein verdächtiges Zeichen trage, antwortete sie: »Ich habe kein Zeichen von dieser Art, wenn es nicht Kanonen und Mörser sind, die mir ein Malzeichen zurückgelassen haben; auch ist mir einst ein Splitter zwischen den Arm und die linke Schulter geflogen ... Ha! Verfluchte Mörderinnen, die ihr wohl des Teufels seid, Gott wird euch nicht verzeihen, wenn ihr denen die Ehre nicht wiedergebt, denen ihr sie genommen, ihr Verräterinnen!« Es liegt auch eine Konfrontierung zwischen Pasqua und Lucia vor, ganz nach dem Geschmack der oben erwähnten mit Benvenuta. Der Richter, überzeugt von der Unschuld der Bernardini oder von dem Donner der biblischen Beredsamkeit des Advokaten Noame erschüttert, spricht sie los und setzt sie in Freiheit.
Goriziano überreicht das Inventar der Gegenstände, welche im Hause der verhafteten Fitola gefunden worden, Büchschen, Gefäße, Sämereien und namentlich »ein grünes irdenes Töpfchen mit Fett darin, einen Lärchenschwamm, ein Schnupftuch mit Salbe und ein kleines Fläschchen mit etwas wenig Festem darin.«
Den 19. Februar bekennt sich Katharina Fitola als eine Hexe. Sie habe der Taufe entsagt und der zum Nachteil Augustin Agostinis vorgenommenen Salbung beigewohnt.
Den 20. Februar bekennt auch Junipara oder Zenevra nach langem Leugnen sich als Hexe. Es kommen hier verschiedene Verhöre, die sich auf Erregung von Ungewittern beziehen, welche von einer der Inquisitinnen bereitet worden sein sollen.
Den 1. März verkündigt Frisinghello der Dominica Camello, der Lucia Caveden und der »Philosophin« den Beschluß vom 26. Februar, welcher sie als überwiesen und schuldig erklärt und die Frage an sie stellt, ob sie sich zu verteidigen gedächten. Dominica und Lucia antworteten: »Wir sind hier und wissen nicht, was tun; wir täten es gern, wissen aber nicht wie. Im Falle uns jedoch von Amts wegen ein Verteidiger zugewiesen werden sollte, wäre uns der Herr Dr. Passerini am genehmsten, zu dem wir Vertrauen haben.« Die »Philosophin« sagte: »Ich weiß nicht, um was für eine Verteidigung es sich handelt und wer soll mich denn verteidigen? Welcher Doktor wird meine Sache gut vertreten?«
Den 9. März erklärte Goriziano, daß er die »Philosophin«, als er bei Sonnenaufgang wie gewöhnlich ins Gefängnis hinabgestiegen sei, darin tot angetroffen habe. Frisinghello erschien ebenfalls und bezeugte, daß die Tote auf dem Boden ausgestreckt liege und schon kalt sei. Wie hierauf der Erzpriester von Villa Dr. Johann Bragliardi wegen starken Verdachtes stattgefundenen Selbstmordes der »Philosophin« die kirchliche Bestattung derselben verweigerte, befahl der Richter, sie im Sande zu verscharren.
Den 13. März, als Dominica Gratiadei und Benvenuta, ihre Tochter, befragt wurden, ob sie sich einen Verteidiger wählen wollten, antworteten sie: »Wir werfen uns in die Arme der guten Gerechtigkeit, im Vertrauen, es werde uns kein Unrecht geschehen.« Ebenfalls am 13. März erklärte Katharina Fitola: »Die Ursache meines Verderbens war Don Rinaldo, der mich immer verfolgte, seit er mich genötigt hatte, nach Villa zu gehen und 14 Tage bei Antonia, meiner Tochter, in seinem Hause zu bleiben.«
Hier springt das Verhör mit seltsamer Übergehung zu anderen Gegenständen über, ohne in die Sache tiefer einzudringen. Fast möchte man annehmen, die Rücksicht des Richters für diesen Don Rinaldo sei soweit gegangen, daß er es unterließ, auf Erklärungen zu dringen, die diesen Mann hätten kompromittieren können.
Der Sohn des alten Santo Peterlino richtet eine Bittschrift in Form eines Briefes an den Grafen Paris von Lodron, Fürsterzbischof von Salzburg, damit er den Vater in Freiheit setzen lasse. Dieser Erzbischof war der Lehensherr, in dessen Namen die Kriminalgerichtsbehörde von Nogaredo handele.
Den 14. März bestanden Katharina Fitola und Zenevra die Tortur, ohne jedoch etwas zu ihren früheren Aussagen hinzuzufügen. Zum Verteidiger wurde für diese beiden und für alle übrigen insgesamt der Advokat Bertelli gewählt, den man die Abschriften der Verhöre übersandte.
Den 18. März verlangte der Advokat zum Behufe der Verteidigung eine Fristverlängerung, damit er den ihm überschickten voluminösen Aktenstoß studieren könne. Auch gab man ihm die Erlaubnis, mit den Gefangenen zu sprechen.
Die Doktoren der Medizin, Betta und Bosini, die gerichtlich um ihre Meinung in betreff der an den Leibern verschiedener Inquirierten gefundenen Zeichen befragt wurden, gaben ihr Gutachten dahin ab, daß sie natürliche sein könnten. Gefragt, ob sie glaubten, daß der Teufel Mädchen der Jungfrauschaft zu berauben vermöge, antworteten sie, daß es sich hierbei um einen Lebensakt handle, und daß das Leben eine Mischung von Seele und Körper sei. Da nun aber die Engel keine Körper hätten, folgt daraus, daß die Zeugungsfähigkeit beim Teufel nicht vorhanden sei, weil er ein gefallener Engel sei. Den Fall ausgenommen, daß er vom Leibe eines Verstorbenen Besitz nehme und sich desselben bediene, jenes entsetzliche Wesen, Alp genannt, zu erzeugen. Auf dem Blatte, das mit dergleichen medizinisch-theologischen Erörterungen bedeckt ist, finden wir ein fliegendes Billett angefügt, auf dem zu lesen ist: »Für die Mühwaltung bei Erstattung des Gutachtens über Beschaffenheit und Wesen der Zeichen sowie über andere Zweifel der Verhafteten, wie aus dem bereits gegebenen Ratschlage erhellt, fordern wir zwei Dukatoni für die Person, ohne dabei die Schwierigkeit der uns vorgelegten Materie in Anschlag gebracht zu haben.«
Die Verhöre sind geschlossen; wir sind endlich bei der Verteidigung angelangt. Sie umfaßt im Manuskript 36 Seiten und ist niedlich geschrieben. Der Text ist mit endlosen Zitaten, Gesetzparagraphen, Bibelstellen, philosophischen und literarischen Sentenzen gespickt, was dem Advokaten Bertelli sonder Zweifel große Ehre gemacht haben wird. Wir wissen ihm besseren Dank ob des gesunden Sinnes und Mutes, durch den er sich ausgezeichnet hat.
Er schickt einige Sätze voraus: 1. Er habe nicht Muße gehabt, sich vorzubereiten und die Verteidigung hinlänglich zu studieren – impossibilium nulla datur obligatio. 2. Es seien ihm nicht genügende Mitteilungen gemacht worden – sicuti non entis nullae dicuntur qualitates. 3. Viele von den Fragen, welche an die Verhörten gestellt worden, seien augenscheinlich Suggestivfragen gewesen. 4. Die ihnen zugeschriebenen Antworten seien der Art, daß sie im Munde ganz ungebildeter Leute ganz sonderbar klängen; weshalb sie ihm auf den Gedanken gebracht hätten, daß, was er in dem ihm mitgeteilten Prozeß gelesen, früher geschrieben als gesprochen worden sei. 5. Er könne trotz der zwischen ihm und dem Gerichtsschreiber Frisinghello bestehenden Freundschaft nicht verschweigen, daß ersterer gegen Weiber, denen man den Tod seiner Frau und seiner Tochter zugeschrieben, von Haß und Argwohn nicht gänzlich frei gewesen sein möchte. Er hätte mithin jedenfalls seiner tätigen Mitwirkung bei diesem Prozesse sich enthalten sollen, in Gemäßheit des Rechtsgrundsatzes – judex debet abstinere a judicando in causa propria. 6. In den Bekenntnissen der Inquirierten würde er, wenn ihm nicht die Zeit fehlte, bedeutenden und vielfachen Stoff finden, die Nichtigkeit des Prozesses darzutun. 7. Er begreife nicht, wie jene Elenden, die ja wegen derselben Verbrechen angeklagt wären, auf gesetzmäßige Weise wechselseitig gegeneinander zu Zeugen aufgerufen werden könnten, indem das römische Recht verbiete, den Aussagen solcher Zeugen Gültigkeit beizulegen. 8. Die Gesetze räumten den Richtern zwar in ausgedehntem Maße die Befugnis ein, auch peinliche Verhöre vorzunehmen; jedoch sei diese Vollmacht, die Folter anzuwenden, nicht gänzlich ihrer Willkür anheimgegeben, wie im gegenwärtigen Prozeß der Fall gewesen, sondern sie sei dem Gesetz gemäß und im Einklang mit dem eigenen Gewissen vorzunehmen. 9. Wenn die Richter im Interesse des Fiskus vorgingen, so wollten die Rechtsformen, welche die Inquirierten schützen, mit um so größerer Sorgfalt beobachtet sein. 10. Im vorliegenden Falle, wo das Verbrechen nicht evident gewesen, habe der Richter die Gesetze und Statuten nicht gehörig beobachtet, indem er ein Rechtsverfahren eingeschlagen habe, welches bloß in Fällen der Evidenz des Verbrechens angewendet werden dürfe. 11. Es sei ein allgemein gültiger Rechtsgrundsatz, daß man, um zu verurteilen, wenn daraus ein unersetzlicher Schaden hervorgehe, klarere Beweise haben müsse als der Mittag. 12. Der Richter müsse den Vorwurf der Strenge vermeiden, denn, wie die Barmherzigkeit zu Gott erhebe, so stürze die Strenge in die Hölle.
Nachdem der Verteidiger diese allgemeinen Bemerkungen vorausgeschickt, beginnt er mit der Anführung, wie dieses ganze Zaubergebäude einer ins Unerhörte gehenden Untersuchung einzig und allein auf der Grundlage der Denunziationen Mercurias gegen Menegota und Lucia beruhe und fügt bei, daß, wenn der Magistrat den Worten eines böswilligen Weibes die Geltung beigelegt hätte, welche sie verdienten, dieser Spuk nicht die ganze Provinz in Schrecken versetzt haben würde. Nichtsdestoweniger stellt er folgende Punkte auf: 1. Die Untersuchung, um die es sich hier handle, sei null und nichtig wegen Unzuständigkeit; sie sei nämlich von einem weltlichen Richter eröffnet und geleitet worden in Dingen, die wegen beständig vorkommender Entheiligung von Sakramenten durchaus geistlicher Natur seien. 2. Vorhergegangene heftige Lästerung genüge an und für sich, um eine Untersuchung nichtig zu machen, da eine solche die angerufenen Zeugenschaften zuungunsten der Inquirierten präjudiziere. 3. Das Weib, das zuerst allein Zeugnis abgelegt habe, hätte nicht zugelassen werden sollen, weil sie häretisch, ehrlos, niederträchtig und meineidig sei, lauter Eigenschaften, die der Prozeß erhärtet habe; dann weil sie Mitgenossin im Anklagezustand gewesen und sich selbst für eine persönliche Feindin der Angeklagten erklärt hätte. Passend sei dieses Weib Mercuria genannt worden – conveniunt rebus nomina saepe suis da Merkur der Gott aller Ränke und Lügen sei. 4. Damit ein vor Gericht gemachtes Geständnis Gültigkeit habe, müsse es von vorhergegangenen rechtmäßigen Indizien hervorgerufen und ebenso vor dem zuständigen Richter abgelegt worden sein: die Worte der Mercuria lieferten aber keineswegs solche Indizien, und daß der Richter unzuständig gewesen, sei bereits dargetan worden. 5. Damit das Geständnis gültig und glaubwürdig sei, werde erfordert, daß es nicht während der Folter oder etwa um derselben zu entgehen, gemacht werde; daß der Richter sich vor allem mit der Untersuchung befasse, ob es wahrscheinlich oder ob es absurd sei; daß dem Verhörten die Antworten vom Verhörenden nicht untergelegt (suggeriert) würden, und endlich, daß der Angeklagte mit aller Freiheit und ohne irgendeiner Drohung ausgesetzt zu sein, das bereits gemachte Bekenntnis bestätige. Nun sucht der Verteidiger zu zeigen, wie im vorliegenden Falle alle diese Gesetzesvorschriften verletzt und ein großer Teil dieser wechselseitigen Anklagen durch nichts anderes als durch Furcht und Verwirrung erzwungen worden sei. Denn sobald das Gemüt wieder ruhig geworden, seien sie widerrufen worden. Ein wichtiger Punkt, sage der heilige Thomas, seien die Suggestionen in Kriminalsachen und furchtbar ihre Folgen, wo sich diese mit Schrecken verbänden und bei leichtsinnigen und einfältigen Weibern angewendet würden. 6. Man dürfe auf die Zeichen, welche nach Angabe jener Unglücklichen vom Teufel ihren Leibern eingedrückt worden sein sollen, kein großes Gewicht legen, denn da sie, wie die Ärzte erklären, natürliche sein könnten, so sei es nicht recht, sie als diabolische zu bezeichnen. 7. Es sei offenbar gesetzwidrig, in einer Sache, wo es sich um das Leben handle, die Tochter gegen die Mutter, das Weib gegen den Gatten, Schwester gegen Schwester zur Zeugenschaft aufzurufen. 8. Alle ausgesagten Dinge seien durchaus unwahrscheinlich. 9. Gesetzt, aber nicht zugegeben, daß die Inquirierten schuldig gewesen seien, so walte doch kein Zweifel darüber ob, daß die Schuld durch die Schwäche des Geschlechtes, die Ohnmacht des Geistes, den Drang der Armut und durch natürliche Leichtgläubigkeit der Weiber bedeutend gemildert werde. 10. Wenn zur Eröffnung einer peinlichen Untersuchung auch leichte Indizien hinreichend seien, so müßten doch zur Einkerkerung gegründete, zur Folter dringende, zur Verurteilung sonnenklare Indizien vorhanden sein. Jeder von den obigen Punkten ist von zahlreichen Erweiterungen, Erklärungen und Zitaten behufs seiner Bekräftigung begleitet.
Als ein widerliches Gegenstück zu dieser edlen und geistvollen Verteidigung erscheint das nachfolgende peinliche Urteil.
Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit.
»Wir Paris Madernino, bevollmächtigter Richter der Gerichtsbarkeit zu Castellano, sowohl in Rechts- als in peinlichen Angelegenheiten, im Namen des gnädigsten, hochwürdigsten Moisignor Paris, Fürsterzbischofs von Salzburg, und der erlauchten Herren Christoph und Gebrüder Grafen von Lodron und Castel-Romano, Herren der genannten Gerichtsbarkeit. In der Absicht und im Vorhaben, zur Bereinigung dieses peinlichen Prozesses zu gelangen, welcher vor diesem Gerichtshof eingeleitet wurde, auf Grundlage der Indizien, die uns die Obrigkeit der Gerichtsbarkeit zu Castelnuovo zuschickte und die dem von diesem Gerichte gegen die verstorbene Maria Salvatori von Nogaredo, zubenannt die »Mercuria«, aufgenommenen peinlichen Prozesse, da sie als Hexe dort eingekerkert wurde, entnommen sind, gegen Dominica, des seligen Thomas Camelli Witwe, Lucia ihre Tochter, Gattin des Antonio Caveden, Dominica, des seligen Valentin Gratiadei Witwe, Elisabeth, des seligen Gratiadei Witwe, Polonia, ihre Tochter, zubenannt die »Brentegana', Magdalena, Frau des Antonio Andrei, zubenannt die »Philosophin«, und Valentina, ihre Tochter, alle von Villa, Katharina, Ehefrau des Augustin Baroni, genannt »Fitola«, und Zinevra, des seligen Valentin Chemola Witwe, beide von Castellano, Hexen, die zum Teil in diesem Gerichtshause in Haft gehalten wurden, teils abwesend sind. In diesem, von diesem und über dieses, das sie weder Gott noch die Gebote der heiligen Mutter Kirche vor Augen hatten, sondern vom höllischen Geist verführt waren und wie im Prozeß, aus dem klar hervorgeht, daß sie und jedwede von ihnen unseren allmächtigen Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde, den Dreieinigen verleugnet haben, indem sie sich vom Sakramente der Taufe losgesagt und diese Lossagung vor dem Teufel in Menschengestalt vollzogen, indem eine die andere zu diesem Vergehen verführte und indem sie zur größeren Verdammnis ihrer Seelen sich voneinander in Gegenwart des Teufels, welcher bei diesem Akte immer gleich einem Löwen brüllend zugegen war, durch Begießung des Kopfes mit Wasser wiedertaufen ließen und ihren wahren Namen, den sie in ihrer ersten Taufe erhalten, in einen erdichteten umänderten, mit welchem sie genannt zu werden wünschten, sowie vom Teufel an irgendeinem Teile des Körpers mit einem glühenden Eisen bezeichnet zu werden begehrten, indem sie ihm hinwiederum bzw. als Zeichen ihrer Treue gegen ihn ein Stück ihres eigenen Kleides gaben, damit sie ausgestrichen würden aus dem Buche des ewigen Lebens und eingeschrieben in das der ewigen Verdammnis, da sie zu so großer Treulosigkeit, Unmenschlichkeit und Gottlosigkeit gelangten, daß sie nicht nur sich selbst dem Teufel geweiht, sondern auch andere Personen und sogar ihre eigenen Töchter verleitet haben, sich vom genannten Sakramente der Taufe loszusagen und ihm versprachen, daß diese demselben Teufel, dem Vater der Lüge, geweiht sein sollten. Da sie unter erdichteten und eitlen Versprechungen, die er ihnen machte, in jeder Not zu ihrer Hilfe zu kommen, in welcher sie seiner begehrten, sie samt und sonders sich dem Band und Gehorsam gegen einen solchen Feind des Menschengeschlechtes unterworfen und sich verpflichtet haben, auf seinen Befehl jede Art von Sünde und Verbrechen zu begehen, was sie auch wirklich taten. Da sie mit fluchwürdiger Salbe auf Befehl desselben Teufels an einem Teil des Körpers zu geeigneter Stunde sich beschmierten und dem Bösen geneigt, vom Teufel unsichtbarer Weise durch die Luft getragen bzw. an Orte und Stätten (synagoge) gebracht wurden, wo Zusammenkünfte verschiedener Personen des nämlichen Gelichters und eine Masse von Verzauberungen, Zeichendeutereien, bestialischen Spielen und ketzerischen Verhexungen zur Ehre und zum Dienst des leibhaften Beizebub, des Fürsten aller Teufel, stattfanden. Da sie in genannte Stätten und verfluchte Zusammenkünfte Leichen von kleinen Kindern brachten, die sie zur Nachtzeit heimlich auf den Friedhöfen ausgruben und da sie vor dem Teufel, ihrem Herrn, der in Gestalt eines Bockes auf erhöhtem Thron saß, jubilierten und tanzten und sich vor ihm auf die Knie zur Erde warfen und ihn anbeteten und da sie ihm in aller Ehrfurcht und Ergebenheit genannte Leichen darbrachten ... da sie ihn unter dem wahren Namen ihres Gottes anriefen und ihn baten, er möge ihnen gegen jede Person seine Rachehilfe gewähren und so verführt zu allem Hexenwerk und zu jeder Art von Zauberei, Vergaukelung, Verfluchung, Verwünschung, Meuchelei und ketzerischer Gotteslästerung und zu vielen anderen Lastertaten, diese Greuel und Unmenschlichkeiten sowohl an Menschen selbst als auch an unvernünftigen Wesen mit Tötung von Personen verübten. Überdies nach Art heißhungriger Wölfe Kinderleichen verzehrten und aßen, welche sie heimlich aus geweihter Stätte ausgruben und dem Teufel in ihren verfluchten Sammelplätzen darbrachten, teils gesotten, teils gebraten, zur größeren Verhöhnung des hochheiligen Gottes. Einiges Fett und gewisse Kopfteile zur Verrichtung von Gewalttaten, Vergiftungen und Verheerungen behielten und damit endlosen Schaden und unheilbare Krankheiten verursachten, die von den besten Ärzten, trotz Anwendung allermöglichen Sorgfalt und Heilmittel, nicht erkannt werden können. Hierdurch auch Verlust an Geld und Geldeswert, ja sogar den Untergang von Personen und Sachen verursachen, während sie Feste und Lustbarkeiten, verbunden mit allen erdenklichen Greueln, begingen. Da sie mit ihren sakrilegischen und ketzerischen Zungen den heiligen Namen Gottes, der heiligen, immer unbefleckten Jungfrau Maria und aller Heiligen des Himmels verfluchten, so oft sie die diabolischen Salben zu Verhexungen und die Pulver zu ähnlichen Greueln bereiteten, wobei sie verschiedene Kräuter, Fettarten und andere Dinge mit dem allerheiligsten Sakramente des Altars vermischten, welches sie mit gottesräuberischen Händen aus dem Munde genommen hatten, wenn sie in der heiligen Kirche Gottes unwürdigerweise unter dem äußeren Schein der Frömmigkeit und Reinheit, aber im Innern als reißende Wölfe sich ihm näherten. Da sie diabolische Zusammenkünfte und Beratungen hielten, dabei mitsammen bei Tag und bei Nacht, unsichtbar, bald an diesen, bald an jenen Ort in Tiergestalt sich begaben und Tiere und Menschen beschädigten und verschiedene Feldfrüchte durch Zauberei, Ungewitter und Stürme zugrunde richteten; da sie auch verschiedenen Personen heimlich eine Masse Wein und Speisevorrat raubten und verzehrten. Sie hielten Feste, Lustbarkeiten und Bälle vor den Kirchen zur Verhöhnung von Gottes großer und heiliger Majestät und dem Teufel, ihrem Herrn, zu Ehren. Da sie immer1 Verbrechen auf Verbrechen häuften, Hurerei bzw. Sodomiterei sogar mit dem Teufel selbst trieben, der in menschlicher Gestalt und Form auf jeden, auch den geringsten Wink ihnen erschien. Alles dieses, wie es klarer zutage liegt im Prozeß und in den Bekenntnissen besonders von ... (hier folgen der Reihe nach die Namen der oben bezeichneten Verurteilten und jedem zur Seite das Register der Sünden, deren sie der Prozeß auf Grundlage ihres eigenen Geständnisses oder der Aussagen von Seiten der übrigen überführt zu haben wähnte). Da sie diese und ähnliche Dinge unter Mitwirkung anderer, von denen man für diesmal schweigt, wissentlich, geflissentlich und vorbedacht gegen göttliches und menschliches Gesetz begangen haben, durch gegenseitige Hilfeleistung und Unterstützung Personen und Gut und Blut anderer diabolisch verfolgten, da wir hierüber sorgsame Untersuchung gepflogen und sowohl aus den de piano abgelegten Bekenntnissen, die durch die Mitschuldigungen in tormentis bestätigt wurden, als auch aus der Untersuchung der Gegenstände, deren sie sich zur Ausübung ihrer Greuel bedienten, ihre Missetaten erkannt haben, so wie sie vorgefallen sind. Da wir den Prozeß nebst den Zeugnissen der Verhörten in Betracht gezogen haben, in welchem das corpus der verschiedenen von ihnen begangenen delicta erwiesen wird und wie weitläufiger aus dem Prozeß erhellt und wir überdies genannten Angeklagten eine angemessene Frist zur Verteidigung eingeräumt und Elisabeth Gratiadei und Polonia, ihre Tochter, sowie auch Valentina Andrei, die abwesend waren, vor Gericht geladen und vorgerufen hatten, sie sollten erscheinen und sich reinigen, sie aber nicht erschienen und in ihrer Hartnäckigkeit verharrten, ein Umstand, der sie in ihren Verbrechen noch strafwürdiger macht. Da wir in Betracht gezogen hatten die sehr gelehrten Verteidigungen samt den von den Genannten gemachten Bemerkungen und endlich nach Erwägung aller Dinge, die in Betracht zu ziehen sind und nach Berücksichtigung alles dessen, was zu berücksichtigen ist: haben wir – nach vorher eingeholtem Gutachten und entschiedenem Gutheißen vieler angesehener und berühmter Herren – Johann Ropele, Kommissar dieser Gerichtsbarkeit, und Johann Baptista Partini von Roverè, Abgeordneter der erlauchten Schutzherren, beide Doktoren beider Rechte, nach wiederholter Anrufung der allerheiligsten Dreifaltigkeit, von welcher jedes rechte und gerechte Urteil ausgeht, von diesem Richterstuhl aus, auf daß sie sich nimmermehr ihrer gottlosen Werke rühmen sowie anderen zum lehrreichen Exempel, durch dieses unser endgültiges Urteil verurteilt und verurteilen und verdammen wir die genannten Dominica Camella, Lucia Cavedena, Dominica Gratiadei, Katharina Baroni, Zinevra Chemola, Elisabeth und Polonia Gratiadei und Valentina Andrei, daß ihnen durch den Diener der Gerechtigkeit samt und sonders auf den »Giarre«, einem hiezu bestimmten Ort, der Kopf vom Rumpf getrennt werde, dergestalt, daß sie sterben und ihre Seelen von den Körpern sich trennen; überdies daß die Leichen verbrannt und die Überreste bei genannten »Giarre« vergraben werden. Da Magdalena Andrei, zubenannt die »Philosophin«, eine andere Mitschuldige in genannten Verbrechen, unbußfertig in diesem Kerker gestorben und bereits »alle Giarre« als Hexe vergraben worden ist: so verdammen wir, damit der Welt keine Spur von ihren Missetaten mehr übrigbleibe, ihren Namen samt ihren Gedächtnis und verordnen, daß ihre Güter, die in dieser Gerichtsbarkeit liegen, samt und sonders als konfisziert dem Fiskus zu Castellano angehören sollen. Und in betreff der Flucht, welche von Elisabeth und Polonia Gratiadei sowie von Valentina Andrei ergriffen wurde, verbannen wir diese auf ewige Zeiten aus dieser Gerichtsbarkeit und auf 15 italienische Meilen in der Runde unter den gesetzlichen und statutarischen Strafen, so daß sie im Falle Dawiderhandelns ungestraft von jedermann ergriffen und getötet werden dürfen und verurteilen sie zu den Gerichtskosten in solidum. Und zwar mit dem Vorbehalte, gegen andere Mitschuldige gerichtlich Verhör und Prozeß einzuleiten an seinem Ort und zu seiner Zeit, nach Recht und Gesetz: und so sagen, urteilen und verdammen wir und auf jede andere beste Weise.
Paris Madernino, bevollmächtigter Richter.«
Dieses von Herrn Paris Madernino vom Tribunal aus gesprochene Urteil wurde von mir Gerichtsschreiber unterschrieben, gelesen und bekanntgemacht auf der Stiege des Gerichtshauses von Nogaredo, nachdem zuvor, wie üblich, die Glocken geläutet worden. Zugegen waren die Herren Anton de Benvenuti und Bernard und Philipp auch de Benvenuti, sowie die Herren Jakob Pizzini von Nogaredo und Anton de Benvenuti von Villa als taugliche Zeugen und mit ihnen eine große Schar ebendort zusammengeströmten Volkes.
Endlich, es ist wohl an der Zeit, sind wir bei der Katastrophe angelangt. Der unvermeidliche Goriziano, der die Szene eröffnet, tut die Wirkung des Chores in der griechischen Tragödie als der unerbittliche Repräsentant des Schicksals. Diesmal hat er keine Verhaftungen zu Protokoll zu bringen, sondern einfach den Scharfrichter hereinzuführen und vorzustellen, welcher zu tun verlangt, was seines Amtes ist. Den 14. April 1647 erschien der Gefängniswart Josef Goriziano mit Leonhard Oberdorfer, Scharfrichter von Meran, der sich zur Vollstreckung des vorn angeführten Todesurteiles gegen Dominica Chemola, Lucia Cavedena, Dominica Gratiadei, Katharina Fitola und Junipara Chemola, in allem und jedem nach dem Wortlaute des genannten Urteils erbot. Das Urteil wird ohne Verschub vollzogen; der Scharfrichter, der mit geringen Kosten aus der Ferne herberufen wurde, hat keine Zeit zu verlieren. Sein Gebaren ist bloß gegen die Hexen brutal, und im Fürstentum Salzburg; hat er keine Mitarbeiter. Frisinghello verfaßt in Eile die Bekanntmachung, die nach dem sonntäglichen Hochamte auf dem Platze verkündet werden soll.
»Im Auftrag des erlauchten Herrn Dr. Johann Ropele, Kommissars der Gerichtsbarkeit zu Castellano, da durch die Scharfrichter das Todesurteil vollzogen werden muß an Dominica Camello, Lucia Cavedena, Dominica Gratiadei (hier treffen wir eine halbe Zeile durchgestrichen, unter welcher wir, wenn wir sie aufmerksam gegen das Licht halten, lesen = Benvenuta sua figlia = die Arme ist glücklich davongekommen. Vielleicht daß ihr Alter von 17 Jahren, welches sie vor der Folter bewahrte, ihr nun auch den anderen, noch wichtigeren Dienst getan, sie von dem letzten Gange nach den Giarre zu befreien. – Man schaudert bei dem Gedanken, daß ohne Radierung dieser Zeile ein sechster, u.zw. der jüngste Kopf von allen den im Prozesse Verurteilten abgeschnitten sein würde) –, Katharina d'Agostin Baroni und Zenevra Chemola, Hexen, welche wegen Verübung von Missetaten in diesem Gefängnisse verhaftet sind, wie in dem bereits veröffentlichten Urteil schon erwähnt wurde. Mit dem Gegenwärtigen verordnet und befiehlt man allen der Gerichtsbarkeit von Castellano Unterworfenen, mit ihren Waffen zu erscheinen zum Beistand, zur Begleitung und zum Schutze der Gerechtigkeit, damit sie gegen genannte Übeltäterinnen vollzogen werden könne, u.zw. unter Strafe von 25 Dukaten für jeden Dawiderhandelnden, der nicht erscheinen, Schutz und Beistand leisten will, bis die Vollziehung des Urteils zu Ende sein wird. Überdies befiehlt und verordnet man, daß keiner, von welchem Stand oder Berufe er immer sei, gleichviel ob ein Fremder oder Einheimischer, auf irgendeine Weise es wagen solle, die Vollstrecker der Gerechtigkeit weder vor, noch nach der Vollziehung, selbst wenn er (der Scharfrichter) einen Fehlstreich tun sollte, zu beleidigen, unter Strafe der Einziehung ihrer Güter und noch überdies unter anderen, dem freien Ermessen der erlauchten Schutzherren vorbehaltenen, selbst auch körperlichen Strafen.
Constantinus Frisinghellus.«
Der Stil dieser Bekanntmachung zeigt Spuren einer Nachlässigkeit, an welche Gerichtsschreiber Frisinghellus uns noch nicht gewöhnt hat, vielleicht weil sie keine so strenge literarische Kritik, wie sonst üblich, über sich ergehen lassen zu müssen bestimmt war, da sie nur auf dem Platze ausgerufen werden sollte.
Die letzte Seite der Handschrift, welche gerade S. 880 des Bandes ist, läßt uns eine Art Stimme von jenseits des Grabes her vernehmen; sie lautet:
Ȇberreicht den 2. Mai 1647.
»Einem Jeden usw.
»Nachdem vom gerechten Richter der Katharina Fitola gemeldet worden, daß sie durch Henkershände sterben müsse, zeigte sie sich innerlich gesammelt, ganz reumütig und bereit, mit unerschütterlichem Gemüte hinzunehmen, was gerechter Weise über sie verhängt worden. Um daher ihrem eigenen Gewissen um so eher genugtun zu können, ersuchte sie mich Gefertigten, der ich bei ihrem Ende ihr beistand, ich möchte in ihrem Namen für die Verletzung der Ehre und des guten Rufes, die sie sich ungerechterweise gegen den hochwürdigen Don Rinaldo Rinaldi zu Schulden kommen lassen, Genugtuung leisten und jedes Geständnis, das von ihr gegen vorgenannten Don Rinaldo abgegeben worden sei, zurücknehmen und widerrufen; ja, sie erkläre sogar hiermit, daß sie ihn immer als einen ehrenwerten Priester gekannt und auch für solchen gehalten habe und nichts anderes. Zur Bekräftigung dessen habe ich auf Bitten der obengenannten Katharina, die bereits, wie wir hoffen möchten, in ein besseres Leben übergegangen ist, sowie nicht minder zur eigenen größeren Beruhigung meines Gewissens diese Erklärung niedergeschrieben.
Jakob Gentili, Kaplan.«
Der Band des Manuskriptes enthält noch viele unbeschriebene Seiten, als wäre er in der Erwartung weiterer Entwicklungen angelegt. An solchen hätte es auch nicht gemangelt, wäre nur der Prozedur ihr freier, natürlicher Lauf gelassen worden. Es hätte genügt, die zuletzt Angezeigten zu verhaften, um weitere Denunziationen von ihnen zu erzwingen, und es würde schwer halten, sich einen Begriff davon zu machen, was für riesenhafte Dimensionen dies schaudervolle Schauspiel bei dem Einfluß und Antrieb eines unbeugsamen Willens hätte annehmen können. Vielleicht daß die Räder dieses verfluchten Wagens gehemmt wurden, sobald man zur Einsicht kam, daß er zu hastig davonrollen wollte. Ein geheimer, wahrscheinlich mündlicher Befehl von Seiten des Erzbischofs von Salzburg mag an den Richter Madernino gelangt sein, mit der Weisung, sein inquisitorisches Ungestüm zu mäßigen. In einem Lande, wo es erleuchtete Männer gab, wie jener Rechtsgelehrte Bertelli, wäre es nicht rätlich gewesen, die Verfolgung noch weiter auszudehnen. Man bedenke, wie in der Tat die Verurteilten sieh als höchst elende, verachtenswerte, gefürchtete und verabscheute Vetteln darstellten, denen es, neben dem Unsinn in ihrem Kopfe, sichtlich auch nicht an vielfacher Bosheit gebrach. Solange es sich nur um solchen Abschaum der Gesellschaft handelte, konnte man versichert sein, hinsichtlich des Verfahrens nur billigende Stimmen zu vernehmen. Allein man durfte den Bogen nicht zu straff spannen, sonst konnte er brechen. Hieran erinnerten sich jene Obrigkeiten und Würdenträger von Tirol noch beizeiten. Sie mögen wohl, wie man mit Fug annehmen kann, die Flucht der Brentegane und der Tochter der »Philosophin« begünstigt haben und ließen Santo Peterlino, Pasqua und Benvenuta frei. Die Anfänge des Prozesses und seine letzten Phasen zeigen bemerkenswerte Ungleichheiten. Im Anfang unerbittliches Ungestüm, gegen das Ende zu nachgiebige Schlaffheit, und doch war das Verfahren nicht lässiger geworden. Von den Verhören der Mercuria im November bis zur Hinrichtung im April, waren nicht mehr als fünf Monate verflossen. Bei einer näheren Betrachtung der Bestandteile der Untersuchung, deren Gang wir entwickelten, stellt sich heraus, daß zwei Anschuldigungen den ersten Platz darin einnehmen. Um sie herum vermehren sich die Verhöre dermaßen, daß sie beinahe die Hälfte des Bandes füllen. Jene Hauptanschuldigungen sind: die Behexung der Person Christophs Sparamani und die der Rinder Scarambeas. Allein das Gewicht der Dinge läßt sich nicht nach ihrem Umfange bemessen und es gehört wohl nicht gerade viel Scharfsinn dazu, um einzusehen, daß die Haupttriebfeder dieser ganzen diabolischen Maschine die von der Mercuria angezeigte Behexung war, welche die Abtreibung der Leibesfrucht der jungen Marquise Bevilacqua, der Gastfreundin des Lehngrafen von Lodron, bezweckt haben sollte. Diese Anzeige mußte in Betracht des Standes der Personen, denen man nachstellte, den Zorn des Lehnsherrn und den Eifer der Gerichtsbehörden rege machen. Die Prozedur wurde mit dem Ungestüm eines persönlichen Hasses, mit der Hast eines zu erfüllenden Racheaktes eröffnet. Kaum aber hatte man in das Wespennest gestochen, als die erbitternde Denunziation an Bedeutung verlor, sekundär wurde, bloß hie und da noch einen schwachen Nachhall fand und endlich in jenem Meer von Anklagen unterging, die sich bei jedem Verhör, bei jeder Anwendung der Folter vervielfältigten und verwickelten. Wir müssen jedoch eingestehen, daß im Hintergrunde alles dessen auch das Rechtsgefühl noch waltete, und daß jene infamen Weiber allerdings dringenden Verdacht auf sich luden, daß sie auf nichts geringeres, als auf Meuchelmord ausgegangen waren, was sie, bei vollem Beweise, in der Tat ihres Schicksals würdig gemacht hätte. Die abscheulichste von allen ist die Dominica Gratiadei, welche ihre eigene Tochter, die kaum aus den Jahren der Kindheit herausgetreten ist, dem Verderben überlieferte, indem sie ihr vorspiegelte, daß derjenige, dem sie sich preisgab, der Teufel sei, der die Gestalt bald dieses, bald jenes jungen Menschen angenommen habe. Sie ist die Einzige, welche die Wirklichkeit dieses ganzen Hexenskandals in allen seinen ausschweifendsten Einzelheiten fortwährend behauptete. Die »Philosophin« gestand auf der Folter ähnliche Dinge; allein kaum von ihr befreit, nahm sie alsbald ihre Anklage zurück. Kam sie wieder auf die Folter, so machte sie dieselben Geständnisse abermals, jedoch nur um sie von neuem zu widerrufen, ein Schwanken, dem sie durch Selbstmord ein Ende machte. Will man diese ganze Hexengeschichte vom Standpunkt des außerordentlichen und wunderbaren betrachten, so erweist sie sich als eitel Traum und Hirngespinst und weiter nichts. Die ekelhaften Weiber selbst scheinen jedoch zum Teil wirklich geglaubt zu haben, mit übernatürlicher Macht ausgestattet zu sein, und sich ihrer zu den abscheulichsten Dingen zu bedienen gesucht zu haben, sei es um Geld zu gewinnen, sei es aus Rache oder um der infernalischen Freude willen, Böses, weil es eben bös ist, zu verüben. Traurige Verirrungen des menschlichen Geistes! Und doch gibt es kein Land, das diesen unheilvollen Einflüssen nicht unterworfen gewesen wäre. Es ist eines der größten Verdienste der Naturwissenschaften um die geistige Kultur der Menschheit, daß sie vermöge der scharfen Klarheit ihres Lichtes diese Nachtgebilde einer im wüsten und grauenhaften lustwandelnden Phantasie aufgelöst und diesen Alp, der drückend auf dem Bewußtsein mehrerer Jahrhunderte gelegen, endlich bei allen zivilisierten Völkern vernichtet haben. Mögen ähnliche dunkle Stellen in der Kulturgeschichte der Völker nie und nimmermehr wiederkehren!