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Die Denkschrift über die Revolution vom 12./23. März 1801, die uns im folgenden mitzuteilen vergönnt wird, ist im Dezember 1804 von einem Staatsmanne verfaßt worden, der während eines mehr als dreijährigen Aufenthaltes an dem russischen Hofe die zuverlässigsten Nachrichten, die er sich über das fragliche Ereignis verschaffen konnte, gesammelt hatte. Diese Denkschrift ruhte lange Zeit in seinem Portefeuille, als ein glückliches Ungefähr ihm neue Materialien verschaffte, durch die er seine Darstellung bereichern, weiter ausführen und bestätigen konnte. Diese Materialien bestanden 1. in der Abschrift eines Berichtes, den der in Rußland fungierende Gesandte einer großen Macht im Juni 1801 an seine Regierung gerichtet hatte und der hauptsächlich aus Mitteilungen geschöpft war, die dem gedachten Gesandten von dem General Bennigsen gemacht worden waren; 2. in gewissen Aufzeichnungen, die jemand, gegen das Ende des Lebens des Generals Bennigsen infolge von vertraulichen Unterredungen mit diesem gemacht hat, als der General, zu einem hohen Alter gelangt, mehr als 20 Jahre nach dem Ereignis, sich nach Deutschland zurückgezogen hatte, wo er seine Tage beschlossen hat. Diese beiden Schriften gewährten dem Verfasser der Denkschrift die Genugtuung, daß sie in nichts Wesentlichem seiner früheren eigenen Aufzeichnung widersprachen. Die Denkschrift selbst geben wir in folgender Übertragung aus dem französisch gefaßten Original.
»Die Katastrophe, welche die Regierung und das Leben des Kaisers Paul I. beendigt hat, ist von so außerordentlichen Umständen begleitet und es sind mehrere, noch heute (1804) im Amt befindliche Individuen so schwer in dieselbe verwickelt, daß ein gewisser Widerwille, sich mit den Einzelheiten eines anscheinenden Verbrechens zu beschäftigen, und die Besorgnis, bei mächtigen Männern anzustoßen, bisher fast nur ungenaue und unzusammenhängende Nachrichten über dieses Ereignis aus Rußland herausdringen ließen. Der Verfasser der gegenwärtigen Denkschrift, welcher sich mehrere Jahre in jenem Lande aufgehalten hat, kann sich nicht schmeicheln, alle der Aufzeichnung würdige Fakta gesammelt zu haben; aber er getraut sich, zu versichern, daß unter denen, die er erlangt, sich keines befindet, was nicht der Wahrheit entspräche, und er hat bei dieser Darstellung die ganze Unterscheidungskraft und Kritik angewendet, deren er fähig ist.
Paul I. verdankte der Natur eine sehr ausgezeichnete Begabung, und wie sehr sich auch die Verhältnisse zwischen seiner Mutter und ihm in der Folge verrückten, muß man der Kaiserin Katharina II. doch die Gerechtigkeit widerfahren lassen, anzuerkennen, daß sie kein Mittel verabsäumte, seine Talente durch eine sorgfältige Erziehung zu entwickeln. Der Graf Nikita Panin war noch unter der Regierung der Kaiserin Elisabeth auserlesen worden, der Erziehung des jungen Großfürsten als Oberhofmeister vorzustehen. Dieser allgemein geachtete Minister konnte sich schmeicheln, daß ihm sein Werk gelungen sei; ein Glück, was die Erzieher von Thronerben nicht zu häufig genießen.
Als die Ausbildung des Großfürsten vollendet war, fand man in ihm einen liebenswürdigen, geistreichen Prinzen, an glücklichen Witzfunken reich, unterrichtet, voll feinen Gefühls, großmütig, wie jeder Souverän es sein sollte, bereit, das Unrecht gutzumachen, was ein hitziges Temperament ihn zuweilen begehen ließ, und ebenso bereit, das Unrecht anderer zu vergessen. Er war bis zu seiner Thronbesteigung ein zärtlicher Gatte und ein liebevoller Vater. Welche Vereinigung bewundernswerter Eigenschaften! und welche in Erstaunen setzende Umwandlung brachte der Gebrauch und Mißbrauch der höchsten Gewalt bei diesem Monarchen hervor!
Man hatte jedoch seit seiner Jugend zwei Fehler in ihm bemerkt, welche sich mit dem Alter in steigendem Verhältnisse vergrößert hatten. Der eine war die höchste Unbeständigkeit in seinem Geschmack und seinen Neigungen; der andere das vollständige Mißtrauen gegen die Menschen. Die Lebhaftigkeit seines Geistes war vielleicht die Ursache des ersten Übels; das andere war wahrscheinlich durch die Erfahrungen bestärkt worden, welche seine erhabene Stellung häufiger darbot, als jede andere. Es scheint auch, daß das Aufhören des guten Einverständnisses zwischen dem Kaiser Paul als Großfürst und der Kaiserin Katharina, das sein Oberhofmeister, Graf Panin, der sich die Freundschaft seines Zöglings verdient und zugleich das Vertrauen der Mutter desselben bewahrt hatte, zu erhalten gewußt, auf seinen Charakter von Einfluß war. Es scheint, daß der Großfürst, seit dem Tode dieses Ministers, sich in gereiftem Alter fühlend, seine Abhängigkeit schmerzlich beklagte, daß ihm seine Bedeutungslosigkeit in betreff der öffentlichen Angelegenheiten peinlicher wurde, und daß er über den überwiegenden Einfluß, den sich die Kaiserin auf die Erziehung seiner Kinder und später auch auf deren weitere Einrichtung anmaßte, einen Kummer empfand, der sich zu bitterem Unmut verschlimmerte und endlich seinem Charakter eine scharfe Gereiztheit verlieh. Beständig von den Agenten seiner Mutter überwacht, hatte der Großfürst Freunde gesucht und nur Angeber gefunden; er war endlich dahin gekommen, die tiefste Verachtung für die Nation zu fassen, die zu regieren er bestimmt war. Diese Verachtung, in Verbindung mit seiner natürlichen Neigung zur Veränderung, hatte es bewirkt, daß man aus der großen Anzahl von Personen, denen er nach und nach den lebendigsten Anteil gewidmet hatte, von da an nur den Fürsten Alexander Kurakin und seinen Kammerdiener Paul Petrowitsch, späteren Grafen Kutaizow, als solche anführte, die sein Vertrauen bewahrt hätten.
Der Zweck und die Grenzen, die man sich bei Abfassung dieser Denkschrift vorgesteckt hatte, erlauben eine Verbreitung über die Geschichte Paul I. von 1796 – 1801 nicht. Die Wechselwirkung der zwei seinem Charakter eigenen Fehler, seiner Unbeständigkeit und seines Mißtrauens, können vielleicht die außerordentlichen Erscheinungen zum Teil erklären, die er in innerer und äußerer Politik hervorgerufen hat. Man hat in viereinhalb Jahren den russischen Hof mit fast allen europäischen Mächten Bündnisse abschließen und sich wieder in Kriegsstand mit ihnen befinden sehen; die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten wechselte viermal in diesem Zeitraume, und man sah nacheinander fünf Generalprokureure oder Minister des Innern.
Die längste Regierung hat keinen größeren Wechsel der Systeme und der höheren Beamten dargeboten, als die Paul I. Auch hatte dieses Verfahren in dem Auslande alles Vertrauen und in jedem rechtschaffenen Manne den Wunsch nach einer Anstellung erstickt. Die steigende Entwicklung der Fehler Pauls ging seit seiner Thronbesteigung in erschreckender Schnelligkeit vor sich. Jede Erfahrung von der Schlechtigkeit der Menschen vermehrte seine Strenge. Statt das Laster zu verfolgen, fing er an, die Lasterhaften zu verfolgen. Seine Umgebungen, die sich jeder Absetzung freuten, die zur Beförderung eines ihrer Günstlinge diente, beförderten die Ausbrüche der bizarren Laune des Kaisers. In der Tat wäre man längst geneigt gewesen, an eine Geisteskrankheit des Monarchen zu glauben, wenn nicht Zwischenzeiten, wo er ausgezeichneten Geist entfaltete und zur Billigkeit und Gerechtigkeit zurückkehrte, für das Gegenteil gesprochen hätten. Im letzten Regierungsjahre des Kaisers wurden die guten Augenblicke seltener; er überließ sich Handlungen der Strenge, die bis dahin nicht in seiner Gewohnheit gelegen hatten. Er war ausschließlich von einigen Personen umgeben, die kein anderes Gesetz als das ihres eigenen Interesses kannten, und der wohltätige Einfluß der Kaiserin war auf Null reduziert. Der Graf Rostopschin stand an der Spitze der äußeren Politik und atmete nur den maßlosesten Egoismus. Abalyanow war Generalprokureur, und ihn haben seine Käuflichkeit und Habgier in die äußerste Verachtung selbst in einem Lande fallen lassen, wo das Zartgefühl bei der Wahl der Mittel nicht immer allgemein gewürdigt wird. Der Graf Kutaizow, der vom Barbier des Kaisers Oberstallmeister und Inhaber des blauen Bandes geworden war, teilte sich mit dem Oberhofmarschall Alexander Narischkin in die Sorge für die Vergnügungen des Monarchen und beide trugen vielleicht durch den Mißbrauch seiner Kräfte, zu dem sie ihn anregten, dazu bei, die Ruhe seines Geistes noch mehr zu stören.
Dies war die Zeit, wo es dem Grafen Pahlen gelang, Einfluß in den Geschäften zu erhalten. Vom Generalinspektor der Kavallerie zum Militärgouverneur von Petersburg erhoben, erlangte er mehr und mehr das Vertrauen Pauls, ohne die Eifersucht der anderen Günstlinge desselben zu erwecken. Dieser gewandte Mensch, der unter den Formen eines freimütigen Polterers den verschlagensten Geist verbarg, wußte sich nützlich und selbst notwendig zu machen, ohne daß irgend jemand Mißtrauen in ihn gesetzt hätte.
Die sinnlichen und selbstsüchtigen Menschen, welche die Angelegenheiten leiteten, bedurften zu ihrer Besorgung der Talente eines tätigen und entschlossenen Mannes. Als der Graf Rostopschin den Grafen Panin beseitigt hatte, trat Herr von Pahlen als Mitglied des Departements der auswärtigen Angelegenheiten ein, und als Herr von Rostopschin bald darauf als ein Opfer seiner Schlechtigkeiten fiel, erhielt Graf Pahlen die Leitung dieses Departements. Der Kaiser verband damit einige Zeit darauf die Oberleitung des Postwesens, ein Geschäft, das in allen Ländern ein wichtiges, von der höchsten Bedeutung aber in denen ist, wo man die höchste Gewalt durch Überwachung und Spionieren zu sichern glaubt. Zuletzt vereinigte Pahlen in jener Zeit die Stellung des Generalgouverneurs von Ingermanland und Liefland mit denen des leitenden Ministers des Departements der auswärtigen Angelegenheiten und des Generaldirektors der Post.
Niemals hatte in Rußland ein Untertan gesetzlich einen ausgedehnteren Machtkreis, als den, welchen Pahlen während der letzten Monate, die der Regierungsveränderung vorhergingen, innehatte. Da man nicht umhin kann, ihn als das Haupt der Verschwörung zu betrachten, durch welche Paul den Thron mit dem Leben verlor, so wird es am Orte sein, seine Herkunft und den Gang seines Schicksals anzugeben.
Pahlen stammte aus einem alten und edlen liefländischen Hause und kam sehr jung als Gefreiter in die Reitergarde, von wo er als Major in ein Kavallerieregiment überging. Er rückte in der Linie während der zwei Türkenkriege bis zum Grad eines Generalmajors auf. Er galt für einen tapferen, tätigen und entschlossenen Offizier, aber für sehr verschwenderisch. Seine Passion fürs Spiel und höchst ansehnliche Gewinne erweckten später Zweifel an seiner Redlichkeit. Pahlen würde niemals daran gedacht haben, zu einem Regierungswechsel beizutragen, wenn nicht die Unbeständigkeit des Souveräns, an den er gefesselt war, zu oft erprobt worden wäre, als er sich hätte schmeicheln können, nicht früher oder später einen um so tieferen Sturz zu erfahren, je höher ihn die Posten, die er bekleidete, erhoben hatten, und wenn er sich nicht in der Lage befunden hätte, mehr als jeder andere zu bemerken, daß der Kaiser Anfälle von Wut hatte, die nicht daran zweifeln ließen, daß seine Vernunft zeitweilig irreging. Man kann als gewiß versichern, daß er, der Admiral Rivas, der Graf Panin, Neffe des alten Ministers und damals Vizekanzler des Reiches, und der Generalleutnant Talizin, Kommandeur der Preobratzschenskoy-Garde, seit dem Herbste 1800 den Plan gefaßt hatten, den Kaiser zu entthronen und ihm den Großfürsten Alexander zum Nachfolger zu geben. Es handelte sich darum, diesen für das Gelingen des Planes zu interessieren. Wir glauben, versichern zu können, daß der Graf Panin mit dieser Unterhandlung beauftragt ward und daß sie ihm gelang.
Der Charakter des jungen Prinzen und des Ministers (Panin) verstatten keinen Zweifel, daß niemals davon die Rede war, Paul I. das Leben zu nehmen. Der Graf Panin wurde bei der Untersuchung von einem reinen und uneigennützigen Patriotismus geleitet, der bei einer längeren Dauer der Regierung Paul I. den Untergang Rußlands besorgte und unter der Alexanders das Glück dieses Reiches weissagte. Er ließ die Entsetzung des Vaters nur zu, um den Sohn zu krönen.
Die Eigenschaften, welche Alexander seit seinem Regierungsantritte entfaltet hat, beweisen, daß er sich nur ungern in eine so wagnisvolle Unternehmung einließ. Auch ist es gewiß, daß man ihn nur durch die Hoffnung für das Gemeinwohl und durch die Furcht vor Gewalttätigkeiten seines Vaters bestimmte, daran Anteil zu nehmen. Seine unverstellte Verzweiflung bei der Nachricht von dem Tode Paul I., die Abnahme seiner körperlichen Gesundheit, der man ihn, auf Anlaß jener Katastrophe, welche vielleicht im ganzen Reiche niemand Tränen kostete, als ihm, für längere Zeit ausgesetzt sah, sind unbezweifelbare Zeugnisse, daß er dem letzten blutigen Akte dieser Tage fremd war.
Die Ungnade des Grafen Panin verzögerte die Ausführung des noch nicht hinlänglich gereiften Planes. Dieser Minister wurde aus Gründen, die dieser Frage fremd waren, auf seine Güter verwiesen. Die anderen Häupter glaubten sich wahrscheinlich nicht imstande, für sich allein etwas zu unternehmen, und der Verfasser dieser Denkschrift hat dieses Projekts nur gedacht, um die wichtige Frage nicht im Zweifel zu lassen, ob der Kaiser Alexander von den gegen seinen Vater gerichteten Plänen Kenntnis gehabt hat.
Als der Plan, von welchem eben gesprochen worden, gescheitert war, bedurfte es der Vereinigung einiger anderer Umstände, um die Wiederaufnahme der Verschwörung herbeizuführen.
Der Kaiser verfügte zu Ende des Jahres 1800, daß es allen verabschiedeten und verwiesenen Beamten, von Militär und Zivil, erlaubt sein solle, sich nach St. Petersburg zu begeben, um ihren Wiedereintritt in den Dienst nachzusuchen. Die von dem Souverän im ganzen Laufe seiner Regierung schwer mißhandelte Familie Zubow war unter dieser Zahl und wurde wieder in die Hauptstadt gelassen.
Ihre Rückkehr scheint der Zeitpunkt, von wo man von neuem an das dachte, was seit dem Rücktritt des Grafen Panin aufgegeben worden war. Ein männlicher und fester Charakter, wie der dieses Ministers, fehlte in der Partei, die den Verschwörungsplan hegte. Man glaubte mit Grund, einen solchen in dem Grafen Valerian Zubow gefunden zu haben, der unter drei Brüdern, dem Fürsten Platon, dem Grafen Nikolaus und ihm selbst, der einzige war, der ein sehr gesundes Urteil mit den Eigenschaften der Kraft und des Unternehmungsgeistes vereinigte. Auch war er ein ausgezeichneter Offizier, Mann von Geist und Charakter und sehr geliebt in der Armee. Der Fürst Platon besaß wenig Befähigung, übte aber einen beträchtlichen Einfluß teils durch sein Vermögen, teils deshalb aus, weil er während der letzten Regierungsjahre der Kaiserin Katharina der offizielle Favorit gewesen war, was er benutzt hatte, um Hof und Armee mit seinen Kreaturen zu füllen. Die Schwester der Zubow, Madame Scherebzow, erhielt die Erlaubnis, im Auslande zu reisen. Sie begab sich nach Berlin, wie man behauptet, mit sehr beträchtlichen Geldsummen und Kostbarkeiten versehen, um ihren Brüdern für den Fall, daß das Projekt fehlschlüge und es ihnen gelänge, sich zu retten, Hilfsquellen zu sichern.
Der General Bennigsen schloß sich dem Projekt an. Dieser braunschweigische Edelmann war nach Rußland gekommen, um Dienste zu suchen, und dem Oberhofmeister Grafen Panin von einem seiner vertrauten Freunde empfohlen worden. Nachdem er mit Auszeichnung in den zwei vorhergehenden Türkenkriegen gedient, hatte er in Persien eine Division unter dem Grafen Valerian Zubow befehligt. Der General Bennigsen hatte soeben ein Kommando in einer Provinzialstadt erhalten; eine Art Exil, wozu ihn der Kaiser verdammt hatte, weil er ihn, der früher in Hannover gelebt, in Verdacht hatte, den Interessen Englands, mit welchen der Kaiser eben gebrochen, geneigt zu sein.
Der General Pahlen schickte ihm einen Kurier, mit dem Befehle, nach St. Petersburg zu kommen, und sich, bevor er mit irgend jemand gesprochen, bei ihm einzufinden. Bennigsen wurde von seinem alten Freunde und Kameraden, dem Grafen Pahlen, mit offenen Armen empfangen und von ihm in das Geheimnis des Komplottes eingeweiht, an welchem man ihn teilzunehmen beredete. Es ward beschlossen, daß er das Kommando desjenigen Detachments übernehmen sollte, was bestimmt war, das Innere des Palais anzugreifen, ein Auftrag, dem sich der Graf von Pahlen selbst hatte unterziehen wollen, hinsichtlich dessen er sich aber freute, ihn einem Mann überlassen zu können, dessen Befähigung, Kaltblütigkeit und Mut so anerkannt und dem die Garden so ergeben waren, während Pahlens eigene Dienste nützlicher zu dem Kommando eines beträchtlichen Infanteriekorps angewendet werden konnten, welches das Palais zu dem doppelten Zwecke zernieren sollte, die Flucht des Kaisers zu verhindern und jede Bewegung zu seinen Gunsten von Seiten des Gardereiterregiments zu hindern, dessen größter Teil allen Verführungsversuchen widerstanden hatte. Bennigsen hielt sich drei oder vier Tage lang, bis zum Augenblicke der Ausführung des Projektes in St. Petersburg verborgen.
Die Zahl der Personen, die man als die Seele der Verschwörung bildend betrachten kann, reduziert sich daher auf den Grafen Pahlen, den General Talizin, die drei Brüder Zubow und den General Bennigsen. Der Admiral Rivas war wenige Wochen, bevor dieses Projekt zu seiner Reife gediehen war, gestorben. In betreff der persönlichen Eigenschaften der Verschworenen konnte man nicht in Abrede stellen, daß sie, mit Ausnahme des Fürsten Piaton Zubow, aus den entschlossensten Männern in Rußland bestanden und sich untereinander gut genug kannten, um mit gegenseitigem Vertrauen handeln zu können.
Es kam nunmehr darauf an, eine Partei unter den bei den Garden und dem Elitekorps angestellten Offizieren zu werben. Jeder der Hauptleiter suchte unter der Zahl seiner Freunde Gehilfen des Planes zu finden. In diese Klasse muß man Taratinow und Tschitscherin, zwei verabschiedete Generale, reihen; ferner Mansurow, Obersten bei dem Garderegiment Ismailow, den Artillerieoberst Yeschwel Talbanow, der ein Bataillon der Preobratzschenskoy-Garde befehligte, einen Leutnant desselben Korps, namens Marin, endlich fünfzig Personen, von denen nur die genannt werden, die bei einigen besonderen Umständen in der Entwicklung der Verschwörung hervortreten.
Der nachherige Kaiser Alexander war, nach sicheren Angaben, noch von dem Plane unterrichtet. Die Brüder Piaton und Valerian Zubow waren, an Stelle des Grafen Panin, die Vertrauten des Großfürsten geworden. Indessen war man noch weit davon entfernt, die ganze Verschwörung organisiert zu haben, als persönliche Dispositionen Pauls I. deren Ausbruch beschleunigten.
Das Mißtrauen des Kaisers verstärkte sich täglich. War es Voraussicht, war es Ahnung, er träumte von nichts als Komplotten gegen sein Leben und seine Person. Bloßer Verdacht reichte hin, um Verbannungen und Einkerkerungen zu motivieren. Gleichwohl schwankte sein Sohn noch, und ohne dessen Einwilligung wagten die Verschworenen nichts zu unternehmen. Um den Großfürsten Alexander dazu zu bestimmen, griff Pahlen zu folgendem Mittel.
Er schürte den Verdacht, den der Kaiser gegen seine Söhne hegte, und trieb ihn so weit, daß der Monarch ihm als Militärgouverneur die schriftliche Vollmacht vertraute, die Großfürsten zur Sicherung seiner geheiligten Person zu verhaften. Pahlen zeigte dem Großfürsten diesen Befehl und entriß ihm dadurch seine Einwilligung.
Man versichert, daß der Kaiser auch die Kaiserin einzukerkern, seinen dritten Sohn, den Großfürsten Nikolaus (geb. 7. Juli 1796), zu seinem Nachfolger zu erklären und dessen Erziehung selbst zu leiten beabsichtigte. So drängte sich dieser unglückliche Fürst zu seinem Untergange hin, indem er sich durch seine menschenfeindliche Laune der Zuneigung seiner Kinder und seiner Gemahlin beraubte.
Alles vereinigte sich, eine Katastrophe zu beschleunigen. Der Kaiser trug in die Maßregeln der äußeren Politik dieselbe Heftigkeit, dasselbe Aufbrausen über, was er in der inneren Verwaltung zeigte. Er war im Krieg mit England; gegen Preußen und Dänemark sollten feindliche Manifeste geschleudert werden, und seine Gesandten in Berlin und Kopenhagen hatten Befehl, diese beiden Höfe zu verlassen. Das russische Reich, mit einem in reißender Schnelle sinkenden Kredit, mit einem vernichteten Handel, der Quellen seines Wohlstandes beraubt, sollte in Krieg mit friedlichen Nachbarn treten, ohne einen einzigen Alliierten in Europa zu besitzen, und dabei hatte es kein Motiv, keinen Vorwand zum Kriege, und der Kaiser selbst würde sich keine vernünftige Rechenschaft darüber haben geben können, was zu solchem Ergebnis geführt habe. Nach allen menschlichen Wahrscheinlichkeitsberechnungen hätte der Staat in kurzem zusammenstürzen müssen, wenn nicht ein scheinbar zufälliger Umstand die Krisis beschleunigt hätte.
Der Kaiser hatte (früher) als Generalgouverneur seiner Residenz einen Artilleriegeneral namens Araktschejew gebraucht und hatte ihn wegen der Härte seines Charakters verabschiedet. Er hielt in jenem Augenblicke diesen Mann für geeignet, seinen Absichten zu dienen, und sei es, daß er, wie einige vermuten, Verdacht gegen Pahlen hatte, oder daß er, wie andere annehmen, Araktschejew für geeigneter als jeden anderen hielt, die strengen Maßregeln auszuführen, die er gegen seine Familie vorhatte, er ließ einen Kurier an ihn abschicken, um ihn zurückkommen zu lassen. Pahlen begann mit Aufhaltung des Kuriers, der diesen Befehl zu besorgen hatte, und ließ ihn nicht eher abgehen, als wie er gewiß war, daß man, auch wenn man die Ereignisse noch so wenig beeilte, Araktschejew zu spät ankommen sehen würde. Erst jetzt teilte er den Häuptern der Verschwörung die Nachrichten mit, die er über die Absichten des Kaisers, ihm den Posten als Generalgouverneur der Residenz zu entziehen, erhalten hatte. Er stellte ihnen vor, daß seine Entlassung nicht bloß das Projekt scheitern machen, sondern wahrscheinlich auch zu dessen Entdeckung führen würde. Endlich machte er ihnen begreiflich, daß die Ankunft Araktschejews ihnen weder die Wahl, die Unternehmung aufzuschieben, noch die, sie aufzugeben, lasse, und in gemeinschaftlichem Einverständnis ward die Nacht vom 11./23. zum 12.24. März zu Ausführung des Planes bestimmt.
Bevor wir die Schilderung der Katastrophe beginnen, welche die Krisis, in der sich Rußland befand, beendigte, wird es nötig sein, die Örtlichkeit dieser Tragödie und die Lage des von dem Kaiser bewohnten Schlosses kennenzulernen.
Paul I. hatte in den ersten Monaten seiner Regierung angefangen, ein neues Palais zu errichten, das er zu seiner Wohnung bestimmte. Sei es, daß dieser Monarch der Erbauung dieses Gebäudes auch einen religiösen Beweggrund unterlegen und dadurch seine Entstehung heiligen wollte, oder daß er ernstlich an die Vision glaubte, welche eine in den Umgebungen des Gartens aufgestellte Schildwache während des Sommers von 1797 gehabt zu haben versicherte, jedenfalls ist es gewiß, daß der Kaiser in derselben Stunde den Befehl erteilte, an diesem Platz den Grund einer Sankt Michael geweihten Kapelle zu legen, und daß er damit den Plan eines als Sankt Michaelspalast bezeichneten Schlosses verband.
Dort, im Hintergrunde des Sommergartens auf dem rechten Ufer des Fontanckakanals, an derselben Stelle, wo sich ehedem das alte, von der Kaiserin Elisabeth bewohnte Sommerpalais befand, wurde in weniger als dreieinhalb Jahren dies riesige Gebäude errichtet. Ein ausgemauerter Graben und leichte, mit Geschützen besetzte Befestigungen stellten der Annäherung einige Hindernisse entgegen; aber der Winter, der die Gräben mit Eis bedeckte, machte die Wirksamkeit der Zugbrücken, auf welche die Hauptzugänge des Schlosses ausliefen, zunichte.
Die Fassade des St. Michaelpalais war von der lichtroten Farbe der Handschuhe, welche die Mätresse des Kaisers, die Fürstin Gagarin, an dem Tage trug, wo man über die Wahl der Farbe des Schlosses sprach.
Das Innere war überaus reich und übertraf in der verschwenderischen Fülle des Marmors und der Bronze alles, was man von Pracht in Rußland gesehen hatte.
So hatte dieser bizarre Fürst in diesem Palais das Heilige und das Weltliche vereinigt, daß es einem Heiligen geweiht war, während es die Farbe seiner Mätresse trug, und daß, während das Äußere den Anschein einer Festung hatte, das Innere allen Luxus und alles Erlesene einer kaiserlichen Wohnung einschloß.
Paul I. bezog dieses Palais gegen Ende des Jahres 1800 mit seiner ganzen Familie. Der Monarch zeigte die größte Begier, das Gebäude zu bewohnen, welches sein Grab werden sollte und der Zukunft gewissermaßen als sein Mausoleum und als ein Denkmal der an Extravaganzen reichen Regierung und des tragischen Endes dieses Souveräns dienen wird.
Die Verschworenen speisten am Abend des 11./23. März bei einigen ihrer Führer, wobei die starken Getränke zur Auffrischung des Mutes einiger Personen nicht gespart wurden. Alle kamen später bei dem Generalleutnant Talizin zusammen, wo Pallien zuletzt erschien und einige Worte voll Kraft und Überzeugung an seine Genossen richtete, worauf man sich trennte, um der Verabredung gemäß zu handeln.
Der General Talizin begab sich in die Kasernen der Preobratzschenskoy-Garde und befahl hier unter dem Vorwande von Unruhen in der Stadt einem von Talbanow befehligten Bataillone unter Waffen zu treten. Das Bataillon rückte geräuschlos auf der Nordseite des Marsfeldes vor und über die dem Hotel Rivas gegenüberliegende Brücke in den Sommergarten, durch den es durchmarschierte, um den St. Michaelspalast einzuschließen. Hier aber kann man erkennen, wie die unbedeutendsten Umstände zuweilen das Geschick von Reichen entscheiden können. Die alten Linden des Sommergartens dienen während der Nacht Tausenden von Krähen zur Zufluchtstätte. Als zu dieser ungewohnten Stunde eine Truppe heranrückte, wachten diese unheilverkündenden Vögel auf und erfüllten die Luft mit ihrem Geschrei. Der Lärm ward so groß, daß die Offiziere, welche die Truppen führten, von der Besorgnis beunruhigt wurden, der Kaiser möge darüber aufwachen. Das Projekt wäre verfehlt gewesen, wenn es ihm geglückt wäre, seine Person in Sicherheit zu bringen, und die Krähen des Sommergartens hätten in der Geschichte die Berühmtheit der Gänse des Kapitols erlangt. Pahlen hatte inzwischen seine Verfügungen in betreff der Zugänge des Palais von der Seite der Perspektive aus getroffen; er ließ dort Reiterdetachements marschieren, die sich daselbst mit dem erwähnten Bataillon der Preobratzschenskoy-Garde vereinigten. Er selbst kam nicht in das Palais, als bis alles vorüber war. Die anderen Verschworenen beschuldigten ihn später, geflissentlich gezögert zu haben, um, wenn die Sache gelang, den Augenblick zu nützen, wenn sie aber fehlschlug, als der Befreier Pauls I. zu erscheinen.
Das Palais war an diesem Tage von einem Bataillon der Ssemenowskoy-Garde bewacht, was die Außenteile und die große Wache besetzt hielt, während die Bewachung des Inneren und der Person Seiner Majestät einem Detachement der Preobratzschenskoy-Garde, das ein Leutnant namens Marin befehligte, anvertraut war. Als das Bataillon des Talbanow in die Nähe des Palais kam, redete dieser Offizier seine Truppe an und fragte sie, ob sie ihn auf einer gefährlichen Expedition begleiten wolle, die er zur Rettung des Reiches und der Nation unternehme. Sie antwortete ohne Zögern bejahend. Man überschritt darauf die Gräben auf dem Eise, entwaffnete die äußeren Schildwachen des Bataillons der Ssemenowskoy, ohne daß sie Widerstand geleistet hätten, und die Truppe, welche in die Zimmer des Kaisers zu dringen bestimmt war, ging in seine Gemächer über die kleine Wendeltreppe a, die ihren Eingang auf der Fassade hat, welche gegen den gemeiniglich dritter Garten genannten Garten gerichtet ist.
Diese Abteilung bestand aus den drei Brüdern Zubow, dem General Bennigsen, dem General Tschitscherin und einer Menge unbekannter Menschen, wie die Mansurow, Tatarinow, Yeschwel, die sich im Laufe dieser grausigen Nacht durch ihre Wut bemerkbar machten.
Der Fürst Platon Zubow und der General Bennigsen begaben sich nach dem Schlafzimmer des Kaisers, ohne bei dem Durchschreiten des Vorzimmers, das sich zwischen der Wendeltreppe und diesem Zimmer befand, ein Hindernis zu treffen Das, was der Kaiser innehatte, hatte keinen anderen Ausgang als den auf dem vorstehenden Plane mit b bezeichneten, Der Architekt Brenna, der das St. Michaelspalais erbaut hatte, hatte in dem Schlafzimmer des Kaisers eine Verbindungstüre zu den mit c bezeichneten Appartements Ihrer Majestät der Kaiserin eingesenkt. Zu dieser Zeit war die Kälte des Kaisers gegen seine Gemahlin auf ihrem Gipfel; er befahl daher Brenna, diese Türe zumauern zu lassen, und da Brenna die Befolgung dieses Befehles verzögert hatte, so ließ ihn der Kaiser einige Stunden in Arrest bringen, um ihn für seine Nachlässigkeit zu strafen.
Am Eingang des Schlafzimmers, wo auf der Schwelle der Türe selbst auf dem mit b bezeichneten Platz ein Kammerhusar des Kaisers schlief, war es, wo dieser treue Diener sich entgegenstellte und einigen Widerstand leistete. Er mußte der Gewalt weichen und lief mit einigen Beulen bedeckt, um Hilfe zu rufen.
Ein Flügeladjutant des Kaisers, dessen Namen wir nicht kennen, war der Führer der Eindringenden und trat in ihrem Gefolge in das Schlafzimmer. Der Fürst Zubow und der General Bennigsen waren in großer Uniform, den Hut auf dem Kopfe, den Degen in der Hand. Sie stellten sich vor das Bett des Kaisers und sagten ihm: »Sire, Sie sind verhaftet.« Der Kaiser setzte sich auf und fragte ganz bestürzt, was sie wollten, worauf sie die frühere Rede wiederholten und ihm erklärten, daß er die Krone niederlegen müsse, und daß er sich ruhig zu verhalten habe. Der Fürst Zubow und der Flügeladjutant gingen zur Türe, um die anderen Verschworenen herzuzurufen, und Bennigsen war eine gute Weile allein bei dem Kaiser, der sich schweigend verhielt und vor Zorn blaß und rot ward. Bennigsen sagte ihm: »Sire, es handelt sich um Ihr Leben; Sie müssen sich darein fügen, eine Abdankungsurkunde zu unterzeichnen.« In diesem Augenblick drangen mehrere Offiziere in das Zimmer. Bennigsen sagte ihnen, sie sollten den Kaiser im Auge behalten und wendete sich nach der Türe, um sie zuzuschließen. Paul benutztet diesen Augenblick, um aus dem Bette zu springen. Einer der Offiziere faßte ihn bei der Kehle; der Kaiser machte sich los, sprang hinter einen großen Ofenschirm und fiel. Bennigsen rief ihm zum letzten Male zu: »Sire, tun Sie nichts, es handelt sich um Ihr Leben.« Aber der Kaiser erhob sich wieder und wendete sich einem Tische zu, auf welchem er mehrere geladene Pistolen hatte.
In dem Augenblick, wo die Masse der Verschworenen sich auf ihn stürzte, hörte man Geräusch an der Türe. Es war ein Offizier mit einem Detachement, der die Befehle Bennigsens einholen wollte und von diesem die Weisung empfing, den Eingang zu bewachen und zu verteidigen. Mittlerweile ward der Kaiser von den Verschworenen, die ihre ruchlosen Hände an ihren Souverän zu legen wagten, zu Boden geworfen. Man versichert, daß ein gewisser Yeschwel, ein geborener Tartar, der erste war, der mit seinem königsmörderischen Arme den Monarchen traf, der dann unverzüglich nach einem ziemlich kräftigen Widerstande zu Boden geworfen und mit der Militärschärpe eines Offiziers vom Regiment der Ssemenowskoy-Garde namens Scariatin, der die Wachmannschaft des Sankt Michaelspalais kommandierte, erdrosselt ward. Die Schärpe hatte ursprünglich, wie man behauptet, dazu dienen sollen, dem Kaiser die Füße zu binden.
So starb Paul I. in seinem 46. Jahre. Ein merkwürdiges Beispiel eines Souveräns, der, mit allen Talenten geboren, mit allen Tugenden begabt und sie bis zu einem Alter übend, wo man des öfteren glaubt, daß die Menschen gegen den Einfluß der Leidenschaften gesichert sind, in so vorgerückter Lebenszeit Gewohnheiten, Sitten und Charakter änderte und zum grausamen und ausschweifenden Tyrannen ausartete.
Es ist schwer, die Namen aller Mörder richtig anzugeben und der Verwünschung der kommenden Jahrhunderte das Andenken aller derer zu überliefern, die ihre ruchlosen Hände in das Blut ihres Souveräns tauchten. Die Zahl der Verschworenen war groß und, wie man zur Schande der Zeit bekennen muß, die Wirkung des Hasses gegen jenen Fürsten und die Ruchlosigkeit seiner Feinde war so arg, daß man noch 1801 eine Menge Offiziere fand, die sich rühmten, bei jenem Meuchelmord mitgewirkt zu haben, ohne daß sie doch in der Tat daran teilgenommen hätten.
Die Namen des Oberstallmeisters Grafen Nikolaus Zubow, des Generals Tschitscherin, dann der Mansurow, Tatarinow und Yeschwel gehen indes als die der Haupttäter in dieser Katastrophe auf die Nachwelt über. Man kann mit Bestimmtheit versichern, daß der Graf Pahlen, der Fürst Zubow, der Graf Valerian Zubow, die Generale Bennigsen und Talizin keinen persönlichen Anteil daran hatten und vielleicht ist man es jetzt dem Andenken des 1804 verstorbenen Grafen Valerian Zubow schuldig, zu sagen, daß seine Tränen über diesen tragischen und unerwarteten Ausgang sich in die des Sohnes Pauls I. mischten.
Alexander erwartete in seiner Wohnung eingeschlossen das Ergebnis der Unternehmung. Der General Uwarow und der Oberst Nikolaus Borosdin waren bei ihm geblieben, um ihn im Falle der Not zu verteidigen und so mit ihm die Gefahren des Fehlschlagens zu teilen. Der Graf Valerian Zubow begab sich zu dem Großfürsten Alexander und hatte einige Mühe, zu ihm zu gelangen. Er traf ihn mit seiner Uniform bekleidet auf einem Ruhebett ausgestreckt und kündigte ihm die Absetzung seines Vaters, den Beginn seiner Regierung und den Tod Pauls I. an. Man weiß, daß diese letztere Nachricht ihn in die heftigste Verzweiflung stürzte. Er erkannte erst jetzt die unseligen Folgen des Absetzungsplanes und beklagte zu spät und fruchtlos die Verbindung einer wilden und zügellosen Jugend, die eine vielleicht für die Rettung des Staates unerläßliche Unternehmung mit einer Missetat befleckt hatte.
Die Kaiserin Marie hatte Lärm im Schlosse gehört und war benachrichtigt worden, daß eine Bewegung gegen den Kaiser, ihren Gemahl, stattfinde. Sie versuchte zu ihm zu gelangen, aber man hatte bereits auf allen Verbindungsgängen Posten mit der Order ausgestellt, ihr mit gekreuzten Waffen den Zugang zu verwehren. Ein Offizier, an den sich die Kaiserin wendete, schickte zu dem General Bennigsen, um neue Order zu erholen; dieser verbot ihm aber bei seinem Leben, die Kaiserin nicht aus ihren Gemächern herauszulassen. Ein Versuch, den sie machte, auf einer anderen Seite zu den Großfürsten Alexander und Konstantin zu dringen, war gleichfalls fruchtlos.
Nachdem der Großfürst Alexander von den Garden zum Kaiser ausgerufen worden war, verließen die Zubows und der General Pahlen das Palais, um ihre Anstalten in der Stadt zu treffen. Bennigsen blieb im St. Michaelspalais und hatte für dessen Bewachung und für die kaiserliche Familie zu stehen. Er erhielt (wahrscheinlich vom Kaiser Alexander) den Auftrag, zu der Kaiserin zu gehen und sie zu bitten, sich ruhig zu halten. Als er vor ihr erschien, fragte sie ihn, ob sie jetzt ihre Freiheit hätte. Der General antwortete mit nein, verschloß die Tür und steckte den Schlüssel in die Tasche. Darauf befahl ihm die Kaiserin, aufzumachen und die Anordnung zu geben, daß man sie überallhin, wohin sie wolle, frei gehen lasse. Er antwortete, daß er dazu nicht ermächtigt sei und setzte sogleich hinzu: »Der Kaiser Alexander.« Hier hob sie die Hände zum Himmel und rief: »Alexander – wer hat ihn zum Kaiser gemacht?« »Die Nation, Madame; die Garden haben ihn ausgerufen.« »Aber wer hat die Verschwörung gebildet?« »Es waren von allem dabei, vom Militär, vom Zivil, vom Hofe.« »Lassen Sie mich zum Kaiser Alexander gehen.« »Nein, Madame, das ist mir verboten. Sie werden nicht von hier fortgehen.« »Ah, General, ich werde Sie das bereuen machen.« Auf die wiederholten Forderungen der Kaiserin, sich zu ihrem Sohne begeben zu dürfen, sagte ihr Bennigsen: »Ich will es unter zwei Bedingungen tun: daß Sie sich unterwegs nicht aufhalten, und daß Sie mit niemandem sprechen.« »Ich verspreche Ihnen das.«
Bennigsen besetzte nun alle Gänge mit Posten, indem er befahl, daß niemand, wer es auch sei, sich der Kaiserin nähere, und daß niemand ihr antworte. So gelangte sie zu dem Kaiser Alexander, der ihr entgegenging, sie umarmte und bei dem sie noch eine große Zahl der Hauptverschworenen traf.
Die Kaiserin kam zu ihrem Gemahl erst, nachdem man ihn bereits in seine Uniform gekleidet und in dem Zimmer, in dem er verschieden war, auf ein Feldbett gelegt hatte. Aber indem sie ihn erblickte, täuschte sie sich keineswegs über die Todesart, die er erfahren hatte und ward von einem so heftigen Schmerz befallen, daß man sie nur mit Gewalt entfernen konnte.
Wenn man das rasche und leichte Gelingen dieser Revolution mit den ernsten Schwierigkeiten vergleicht, die sich ihr entgegenzusetzen schienen, so ist man versucht zu glauben, daß ein unbesiegbares Verhängnis das Ziel der Tages des unglücklichen Souveräns bezeichnet hatte. Unter mehreren Umständen, die die Entdeckung der Verschwörung hätten bewirken müssen, führt man zwei an, welche zu merkwürdig sind, als daß wir sie mit Stillschweigen übergehen könnten. Am Morgen des Tages, der sich mit der Revolution schloß, näherte sich ein Mann aus dem Volke dem ausreitenden Kaiser, um ihm ein verschlossenes Billett zu überreichen. Der Kaiser gab es dem Grafen Kutaizow, seinem Oberstallmeister, der ihn begleitete, und dieser behielt es, ohne es eher zu öffnen, als am folgenden Morgen. Es fand sich da, daß dieses Schreiben die Denunziation der Verschwörung und die Namen der Verschworenen enthielt. Der General Talizin hatte sich an demselben Tage für unpäßlich ausgegeben, um die verschiedenen Vorkehrungen, die man noch zu treffen hatte, besser besorgen zu können. Der Kaiser schickte seinen Arzt, den Dr. Grive, einen geborenen Engländer und noch 1804 Arzt des Kaisers Alexander und dieser drang auf Befehl des Souveräns zu Talizin, während ein Komitee der Verschworenen bei diesem beratschlagte. Ihre erste Absicht war, Grive zu töten, um jede Anzeige zu hindern. Der General Talizin nahm es aber auf sich, ihn zur Verschwiegenheit zu bestimmen und er wurde die wenigen Stunden hindurch, die noch bis zur Ausführung blieben, überwacht.
Sobald der Tod des Kaisers Paul bekannt war, schrien die Truppen, die das Palais umgaben, ihr Hurra und riefen den Kaiser Alexander aus. Man sendete Adjutanten in die Kasernen der verschiedenen Korps, um diese dem neuen Souverän schwören zu lassen. Die kaiserliche Familie zog vor Tagesanbruch in das alte Winterpalais über. Zwischen 8 und 9 Uhr des Morgens hatte der Kaiser die Huldigung der ganzen Garnison, seines Hofes und der vornehmsten Zivilbeamten empfangen.
Zwei Bemerkungen drängen sich unwillkürlich auf, welche dieser Revolution einen von den meisten anderen Militärrevolutionen verschiedenen Charakter geben. Erstens, daß sie mit der mäßigen Macht von höchstens zwei Bataillonen und weniger Reiterei ausgeführt wurde, daß diese Truppe in vollständiger Unkenntnis ihrer Bestimmung war, und daß 100 Offiziere, die im Geheimnis waren, die Revolution für sich allein angesponnen und durchgeführt hatten. Aus diesem Grunde würde das Entrinnen des Kaisers alles haben fehlschlagen machen und würde der Monarch bei denselben Truppen, die zu seiner Entthronung mitwirkten, Hilfe gefunden haben.
Die andere Bemerkung bezieht sich darauf, daß mit alleiniger Ausnahme des erlauchten Opfers der plötzliche Wechsel der höchsten Gewalt nach einer Regierung, wo die Autorität diese Macht so sehr mißbraucht und in so willkürlicher Weise regiert hatte, keine Rachehandlungen, keine Verfolgungen mit sich geführt hat.
Möge der philosophische Geschichtschreiber über diese Bemerkungen nachdenken; es wird ihm nicht schwer fallen, uns zu erklären, warum die Revolutionen bei den aufgeklärten Nationen soviel Übel nach sich ziehen und warum sie bei einem Volke, dessen Zivilisation erst ein Jahrhundert alt ist, einen so verschiedenen Charakter darlegen.
Paul I. wurde den zweiten Tag nach seinem Tode auf einem prächtigen Katafalk ausgestellt. Sein Kopf war durch einen großen Militärhut bedeckt; seine rechte Hand, die durch Säbelhiebe verstümmelt worden, war gegen die Sitte des Landes mit einem Handschuh versehen. Sein Gesicht war nicht sehr entstellt; aber der Chirurg Wylie war von Stunde zu Stunde beschäftigt, ihn zu schminken und nachzuhelfen, um die Spuren eines gewaltsamen Todes, die sich immer wieder erneuerten, verschwinden zu machen.
Am Fuße dieses Katafalks sah man einen tief bekümmerten Sohn, der den Vater beweinte, dessen Verlust er verursacht und der durch aufrichtige Tränen das Verbrechen seiner neuen Untertanen zu sühnen versuchte.
Die Bestattung des Kaisers fand am 28. März (9. April) mit Pomp statt. Er wurde in der kaiserlichen Gruft in der St. Petersburger Festungskirche beigesetzt, und die Reste Pauls I. ruhen dort an der Seite der Asche Peters III.