Raphael Kühner
Cicero's drei Bücher von den Pflichten
Raphael Kühner

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Drittes Buch.

I. 1. Von Publius ScipioPublius Cornelius Scipio Africanus, der Aeltere. S. zu I. 33, 121. Anm. 252 [?]., mein lieber Sohn Marcus, ich meine den, der zuerst den Beinamen Africanus erhielt, erzählt CatoMarcus Porcius Cato, der Aeltere. S. zu I. 23, 79. Anm. 176., der mit ihm so ziemlich gleichen Alters war, er habe öfters geäußert, nie sei er weniger müssig, als wenn er müssig, nie weniger einsam, als wenn er einsam sei. In Wahrheit ein herrliches Wort, eines großen Mannes und eines Weisen würdig. Denn es zeigt, daß er die Gewohnheit hatte, wenn er ohne Geschäfte war, über GeschäfteEin Wortspiel: illum et in otio de negotio cogitare. nachzudenken, und wenn er sich in der Einsamkeit befand, sich mit sich selbst zu unterreden, so daß er niemals unthätig war und zuweilen die Unterredung mit einem Anderen nicht entbehrte. So dienten zwei Dinge, Muße und Einsamkeit, die sonst bei Anderen Schlaffheit hervorrufen, ihm zur Schärfung seiner Thätigkeit.

Ich wünschte ein Gleiches auch von mir in Wahrheit rühmen zu dürfen; doch kann ich auch eine so hohe Vortrefflichkeit des Geistes durch Nachahmung nicht erreichen, so trete ich ihr doch wenigstens dem Willen nach ganz nahe. Denn von der Staatsverwaltung und den gerichtlichen Geschäften durch frevelnde Waffengewaltdes Marcus Antonius. ausgeschlossen, suche ich Muße, und da ich aus diesem Grunde die Stadt verlassen habe, schweife ich auf meinen LandgüternCicero hatte vierzehn Villen und Landgüter in Italien. umher und bin oft allein. 2. Aber weder meine Muße läßt sich mit der Muße des Africanus, noch meine Einsamkeit mit der seinigen vergleichen. Denn er, ausruhend von den schönsten Staatsdiensten, nahm sich manchmal Muße und zog sich aus der Gesellschaft und dem Gedränge der Menschen zuweilen in die Einsamkeit, wie in einen Hafen, zurück. Unsere Muße hingegen ist durch Mangel an Geschäften und nicht durch das Verlangen nach Ruhe herbeigeführt worden. Denn nach Erlöschung des SenatesEs bestand zwar noch ein Senat, aber er war durch Antonius alles Ansehens und aller Freiheit der Rede beraubt worden. und Vernichtung der GerichteDie Gerichte waren vernichtet, da die Prätoren, die den Gerichten vorstanden, Marcus Brutus und Cassius, Rom hatten verlassen müssen. was könnte ich noch mit Ehren in der Curie oder auf dem Forum treiben? 3. Während ich daher ehemals in dem größten Gewühle der Menschen und unter den Augen meiner Mitbürger lebte, fliehe ich jetzt den Anblick der Verbrecher, von denen Alles voll ist, und verberge mich, so gut es geht, und bin oft allein. Allein weil ich von gelehrten Männern gelernt habe, man müsse nicht allein unter mehreren Uebeln die kleinsten auswählen, sondern auch selbst aus diesen das Gute, das etwa darin liegen könnte, herauslesen: so suche ich deshalb meine Muße zu genießen, die freilich nicht eine Ruhe ist, wie sie der verdient hätte, der einst seinem Vaterlande Ruhe verschaffte, und lasse diese Einsamkeit, die mir die Nothwendigkeit auferlegt und nicht der freie Wille, nicht unthätig dahinschwinden.

4. Gleichwol erwarb sich Africanus nach meinem Urtheile ein größeres Lob. Denn kein schriftliches Denkmal seines Geistes, keine Frucht seiner Einsamkeit ist vorhanden: woraus man einsehen muß, daß er bei seiner geistigen Beschäftigung und bei der Erforschung der Dinge, die er zum Gegenstande seines Nachdenkens machte, niemals müssig und allein gewesen ist. Ich dagegen, der ich nicht so viel Stärke besitze, daß ich durch stilles Nachdenken das Gefühl der Einsamkeit zerstreuen kann, verwende meinen ganzen Fleiß und meine ganze Sorge auf Ausarbeitung von Schriftwerken, wie das gegenwärtige ist. Daher habe ich in der kurzen Zeit seit dem Umsturze des Staates mehr geschriebenCicero schrieb damals in dem kurzen Zeitraume von Einem Jahre und einigen Monaten seine sämmtlichen philosophischen Schriften mit Ausnahme der Bücher über den Staat, der Bücher über die Gesetze und des Hortensius, außerdem auch mehrere rhetorische Werke. als in den vielen Jahren zur Zeit seines Bestehens.

II. 5. Die Philosophie ist nun zwar, mein Cicero, in ihrem ganzen Umfange fruchtbar und gewinnreich, und keine Stelle derselben ist unbebaut und öde; aber kein Theil ist in ihr ergiebiger und reicher als der von den Pflichten; denn hierausIn den Handschriften steht: locus ... uberior, quam de officiis, a quibus constanter honesteque vivendi praecepta ducuntur. Man erwartet: a quo in Beziehung auf locus, wie auch Unger liest. Hat Cicero wirklich a quibus geschrieben, so ist es ein offenbarer Flüchtigkeitsfehler; denn, wie Unger richtig bemerkt, sind die praecepta constanter honesteque vivendi eben die praecepta officiorum (I. §. 7.), und die officia werden vielmehr von jenen praeceptis vivendi abgeleitet, nicht die praecepta von den officiis. lassen sich die Vorschriften zu einem gleichmäßigen und sittlichguten Leben ableiten. Obwol ich nun das feste Vertrauen habe, daß du von unserem KratippusUeber Kratippus s. zu I. 1, 1. Anm. 56., einem der ersten Philosophen unserer Zeit, Vorträge über diesen Gegenstand fleißig hörst und in dich aufnimmst; so finde ich es doch nützlich, wenn solche Stimmen deine Ohren von allen Seiten umtönen und sie, wo möglich, nichts Anderes hören lassen. 6. Dieß müssen zwar Alle thun, die den Weg der Tugend zu betreten gedenken; doch vielleicht Niemand mehr als du gerade. Denn eine nicht geringe Erwartung ruht auf dir, du werdest meiner Thätigkeit nacheifern; eine große, du werdest, wie ich, Staatsämter bekleiden; einige vielleicht auch, du werdest meinen Namen behaupten. Außerdem hast du eine schwere Last übernommen, welche dir Athen und Kratippus auferlegen. Denn da du dich zu ihnen wie zu einem Markte der edlen Wissenschaften begeben hast, so würde es für dich sehr schimpflich sein, wenn du leer von da zurückkehrtest und dem Ansehen der Stadt und des Lehrers Schande machtest. So viel du daher durch geistige Anstrengung, so viel du durch anhaltende Arbeit – wenn Lernen Arbeit ist und nicht vielmehr Vergnügen – zu leisten vermagst, das suche auszuführen und laß es nicht dahin kommen, daß man von dir sage, dein Vater habe dich mit allen Hülfsmitteln zur Ausbildung versehen, du aber habest es an dir selbst fehlen lassen. Doch genug hiervon. Denn manches Wort der Ermahnung habe ich schon oft an dich geschrieben. Jetzt laß mich zu dem noch übrigen Theile der aufgestellten EintheilungS. I. Kap. 3. zurückkehren.

7. PanätiusS. zu I. 2, 7. Anm. 71. also, der über die Pflichten unstreitig am Sorgfältigsten gesprochen hat, und den ich mit einigen Berichtigungen hauptsächlich zum Führer gewählt habe, hat drei Fälle aufgestellt, wo die Menschen über das, was Pflicht ist, zu überlegen und mit sich zu Rathe zu gehen pflegen. Der erste ist, wenn sie in Ungewißheit sind, ob das, um was es sich handelt, sittlichgut oder unsittlich sei; der zweite, ob es nützlich oder schädlich sei; der dritte, wie man bei einem Streite des anscheinend Sittlichguten mit dem anscheinend Nützlichen zu entscheiden habe. Ueber die beiden ersten Fälle hat er sich in drei Büchern erklärt; über den dritten aber, schreibt er, wolle er demnächst reden, hat jedoch sein Versprechen nicht erfüllt. 8. Worüber ich mich um so mehr wundern muß, weil sein Schüler PosidoniusUeber Posidonius s. zu I. 45, 159. Anm. 298. schreibt, daß Panätius noch dreißig Jahre nach der Herausgabe seiner Bücher gelebt habe. Aber auch darüber muß ich mich wundern, daß Posidonius diesen Punkt nur kurz in einer Abhandlung berührt hat, zumal da er schreibt, in der ganzen Philosophie sei kein Punkt so nothwendig. 9. Keineswegs aber kann ich denen beipflichten, die behaupten, Panätius habe diesen Punkt nicht übersehen, sondern absichtlich unbeachtet gelassen, überhaupt hätte er ihn gar nicht schreiben dürfen, weil niemals das Nützliche mit dem Sittlichguten streiten könne. Ueber das Letztere läßt sich zweifeln, ob dieser Fall, der in der Eintheilung des Panätius die dritte Stelle einnimmt, habe hineingezogen oder ganz weggelassen werden müssen; aber das Andere unterliegt keinem Zweifel, daß er von Panätius aufgenommen, aber unbeachtet gelassen worden ist. Denn wer nach einer dreitheiligen Anordnung zwei Theile abgehandelt hat, der ist mit dem dritten nothwendig im Rückstande. Ueberdieß verspricht er am Ende des dritten Buches über diesen Theil demnächst reden zu wollen. 10. Hierzu tritt auch noch das gültige Zeugniß des Posidonius, der auch in einem Briefe schreibt, Publius Rutilius RufusUeber Publ. Rut. Ruf. s. zu II. 13, 47. Anm. 249., ein ehemaliger Zuhörer des Panätius, pflege zu sagen, sowie sich kein Maler gefunden habe, der an der Koischen Venus den Theil, den ApellesApelles aus der Stadt Kos auf der Insel Kos, einer der Sporaden im Aegäischen Meere, ein Zeitgenosse Alexander's des Großen, war der größte Maler des Altertums. Sein berühmtestes Werk war die Aphrodite Anadyomene, d. h. die aus dem Meere hervorsteigende Aphrodite (Venus), die später Augustus für 400 Talente ankaufte. Apelles hatte dieses Werk für seine Vaterstadt Kos gemalt, und wollte für sie ein zweites noch vollendeteres Bild der Aphrodite malen; allein er starb, ehe er es zu Stande bringen konnte. Nur Kopf und Hals hatte er vollendet. Plin. 35, 36: nec qui succederet operi ad praescripta lineamenta inventus est. angefangen zurückgelassen habe, vollendete; – (die Schönheit des Gesichtes benahm Jedem die Hoffnung den übrigen Körper gleich schön zu malen;) – ebenso habe Niemand das, was Panätius übergangen und nicht vollendet habe, wegen der Vortrefflichkeit der von ihm vollendeten Theile ausgeführt.

III. 11. Aus diesem Grunde kann man über die Meinung des Panätius nicht zweifelhaft sein; ob er aber mit Recht diesen dritten Theil zu der Untersuchung über die Pflichten hinzugefügt habe oder nicht, darüber läßt sich vielleicht zweifelnKlotz liest disputari; ich habe die andere Lesart dubitari vorgezogen, da disputare nicht streiten bedeutet, sondern, wie disserere, von wissenschaftlichen Erörterungen gebraucht, hier aber ein Verb des Streites oder Zweifels erwartet wird. Nicht unwahrscheinlich ist die Ansicht Unger's, man müsse mit einer Handschrift de eo fortasse potest lesen und dubitari aus dem Vorhergehenden ergänzen.. Denn mag nun das Sittlichgute das einzige Gut sein, wie die StoikerNach der Ansicht der Stoiker ist die Tugend das einzige Gut, das Laster das einzige Uebel; alles Uebrige nannten sie αδιάφορα, res indifferentes, gleichgültige Dinge, die weder auf Glückseligkeit noch auf Elend Einfluß haben. Die Peripatetiker nahmen außer der Tugend auch noch Güter des Körpers und des Schicksals, und außer dem Laster auch noch Uebel des Körpers und des Schicksals an. urtheilen, oder mag das Sittlichgute nach der Ansicht euerer Peripatetiker zwar nur das höchste Gut sein, doch so, daß alle anderen Güter, auf die andere Wagschale gelegt, kaum das geringste Gewicht haben: so ist es jedenfalls unzweifelhaft, daß der Nutzen nie mit der Sittlichkeit in Streit gerathen kann. Daher pflegte, wie uns berichtet wird, Sokrates diejenigen zu verwünschen, welche zuerst die ihrem Wesen nach zusammenhängenden Begriffe in verkehrter Ansicht auseinander gerissen haben. Ihm stimmten die Stoiker insofern bei, als sie einerseits alles Sittlichgute für nützlich erklärten, andererseits Nichts für nützlich hielten, was nicht sittlichgut sei. 12. Hätte nun Panätius die Ansicht, die Tugend müsse nur deßhalb geübt werden, weil sie den Nutzen bewirke, gleich denen, welche sinnliche Lustwie Aristippus aus Cyrene in Afrika, ein Schüler des Sokrates, Gründer der Cyrenaischen Schule, die die sinnliche Lust für das höchste Gut, den Schmerz für das höchste Uebel erklärte. oder Schmerzlosigkeitwie Hieronymus aus Rhodus, ein Peripatetiker, der die Schmerzlosigkeit (idolentia, αναλγησία) für das höchste Gut erklärte. zum Maßstabe der zu erstrebenden Dinge machen; so dürfte er behaupten, der Nutzen gerathe zuweilen mit der Sittlichkeit in Streit. Allein da er das Sittlichgute für das einzige Gut erklärt und behauptet, was diesem unter einem Scheine des Nutzens widerstreite, das könne weder durch seinen Hinzutritt das Leben verbessern noch durch seinen Abgang verschlechtern: so hätte er, wie es scheint, eine solche Berathung nicht aufstellen sollen, in welcher das anscheinend Nützliche mit dem Sittlichguten zur Vergleichung kommt. 13. Denn was von den Stoikern für das höchste Gut erklärt wird, der Natur gemäß leben’Ισοδυναμει̃ τὸ κατὰ φύσιν ζη̃ν καὶ τὸ καλω̃ς ζη̃ν καὶ τὸ ευ̃ ζη̃ν Stobaeus Ecl. Eth. p. 138., das hat, wie ich glaube, den Sinn: mit der Tugend immer übereinstimmen, alles Uebrige aber, was der Natur gemäß istcetrera autem, quae secundum naturam essent, alles Andere außer der Tugend, was der Natur gemäß ist, τὰ κατὰ φύσιν. Die Stoiker verstehen darunter die commoda externa und corporis, welche von anderen Philosophen, z. B. den Peripatetikern bona externa und corporis, äußere und körperliche Güter, genannt werden, wie Gesundheit, Reichtum u. dgl., nur insoweit wählen, als es mit der Tugend nicht in Widerspruch steht. Aus diesem Grunde glauben Einige, diese Vergleichung sei nicht mit Recht aufgestellt, und überhaupt hätten über diesen Punkt keine Vorschriften gegeben werden dürfen.

Allein das Sittlichgute in der eigentlichen und wahren Bedeutung des Wortes findet sich bei den Weisen allein und läßt sich nie von der Tugend trennen; bei denen hingegen, welche die vollkommene Weisheit nicht besitzen, kann sich jene vollkommene Sittlichkeit auf keine Weise finden, wohl aber Aehnlichkeiten dieser Sittlichkeit. 14. Denn alleKlotz hat das Wort omnia, das in einigen Handschriften fehlt, in Klammern eingeschlossen. diese Pflichten, von denen ich in diesen Büchern rede, nennen die Stoiker mittlereS. I. 3, 7 und 8. Pflichten; dieselben sind allgemein und haben einen weiten Umfang, und Viele erfüllen sie theils durch eine glückliche Naturanlage theils durch Fortschritte in der Erkenntniß. Jene Pflichten hingegen, welche sie die rechte nennen, ist etwas Vollkommenes und Vollendetes und, wie sie sich ausdrücken, etwas Vollzähligeset, ut iidem dicunt, omnes numeros habet, Stob. Ecl. eth. p. 184: Κατόρθωμα (rectum officium) δ' ει̃ναι λέγουσι καθη̃κον πάντας επέχον τοὺς αριθμούς.; sie kann außer dem Weisen Niemandem zukommen. 15. Eine Handlung aber, in der die mittleren Pflichten zum Vorscheine kommen, gilt für reichlich vollkommen, deßhalb weil die große Menge nicht leicht einsieht, wie viel zur Vollkommenheit fehlt; soweit aber ihre Einsicht reicht, glaubt sie, es sei Nichts darin verabsäumt. Ebenso geht es auch bei Gedichten, bei Gemälden und mehreren anderen Dingen der Art: die Nichtkenner finden Gefallen daran und loben, was kein Lob verdient, aus dem Grunde, glaub' ich, weil Etwas darin liegt, was die Unkundigen einnimmt, da sie das Fehlerhafte in den Dingen nicht beurtheilen können. Daher geben sie auch gern ihre Ansicht auf, wenn sie von Kennern belehrt werden.

IV. Diese Pflichten nun, von denen wir in diesen Büchern reden, sind nach dem Ausdrucke der Stoiker Tugenden des zweiten Ranges; sie sind nicht nur den Weisen eigen, sondern dem ganzen Menschengeschlechte gemeinsam. 16. Daher fühlen sich durch dieselben Alle, die eine Anlage zur Tugend besitzen, angesprochen. Wenn aber die beiden Decier oder die beiden ScipionenUeber die beiden Decier und die beiden Scipionen s. zu I. 18, 61. Anm. 147> u. 148. als tapfere Männer erwähnt, oder wenn FabriciusGajus Fabricius Luscinus, ein höchst genügsamer und rechtschaffener Römer, sowie auch ein tapferer Heerführer. Obgleich arm, verschmähte er doch die ihm von den Samniten dargebotenen Geschenke, und in dem Kriege gegen den Epirotischen König Pyrrhus ließ er sich weder durch dessen Geld noch durch dessen Versprechungen bestechen. Er war 282 und 278 v. Chr. Consul. oder AristidesAristides, Sohn des Lysimachus, der berühmte Athenische Feldherr, dem man den Beinamen des Gerechten gab. Uebrigens sind wahrscheinlich die Worte aut Aristides unächt. Denn höchst auffallend muß der Singular nominatur sein, da kurz vorher commemorantur steht. Streicht man nun die Worte aut Aristides, so muß man in der folgenden Zeile mit Lactrant. VI. 6, 26 ab hoc statt ab his lesen. gerecht genannt werden; so wird von ihnen nicht, wie von einem Weisen, das Musterbild der Tapferkeit oder Gerechtigkeit abgeleitet. Denn keiner von ihnen war in dem Sinne weise, den wir von dem Weisen haben; auch Marcus CatoS. zu I. 23, 79 Anm. 176. Vgl. Cicer. Divinat. in Caecil. 20, 66: Marcum Catonem illnm sapientem. und Gajus LäliusS. zu I. 26, 90. Anm. 193. Vgl. Cicer. de Amic. 2, 6., wo Fannius zu Laelius sagt: Existimare debes omnium oculos in te conjectos esso unum; te sapientem et appellant et existimant., welche für Weise gehalten und so genannt wurden, waren keine Weisen, ja nicht einmal jene SiebenDie sogenannten sieben Weisen Griechenlands (600–550 v. Chr.): Bias aus Priene in Kleinasien, Chilon aus Sparta, Kleobolus aus Knidus, einer Stadt der Insel Rhodus, Periander aus Korinth, Pittakus aus Lesbos, Solon aus Athen, Thales aus Milet., sondern nur die häufige Ausübung der mittleren Pflichten war es, wodurch sie eine Aehnlichkeit mit den Weisen und einen Anschein derselben hatten. 17. Darum darf weder das wahrhaft Sittlichgute mit dem ihm widerstreitenden Nutzen verglichen werden, noch soll man das gewöhnlich sogenannte Sittlichgute, das diejenigen üben, welche für brave Männer gelten wollen, je mit den äußeren Vortheilen vergleichen, und das Sittlichgute, das unser gewöhnlicher Verstand begreifen kann, muß ebenso sehr von uns gepflegt und bewahrt werden, wie jenes eigentlich so genannte und wahre Sittlichgute von den Weisen. Denn auf andere Weise kann der Fortschritt, den man auf der Bahn der Tugend gemacht hat, nicht behauptet werden.

Doch so viel von denen, welche wegen Beobachtung der Pflichten für rechtschaffen gelten. 18. Diejenigen hingegen, welche bei allen Dingen den Maßstab äußerer Vortheile und Bequemlichkeiten anlegen und dem Sittlichguten kein Uebergewicht über dieselben einräumen, pflegen bei ihren Berathungen das Sittlichgute mit dem, was sie für nützlich halten, zu vergleichen. Rechtschaffene Männer thun dieß nicht. Daher glaube ich, daß, wenn Panätius sagt, die Menschen pflegten bei dieser Vergleichung in Zweifel zu gerathen, er gerade so dachte, wie er sich ausdrückte, man pflege nur dieses zu thun, nicht man solle auch dieses thun. Denn es ist äußerst schimpflich, wenn man nicht nur das anscheinend Nützliche höher achtet als das Sittlichgute, sondern sie auch nur unter einander vergleicht und dabei unschlüssig ist.

Was ist es nun, was bisweilen Ungewißheit hervorruft und Gegenstand der Ueberlegung werden zu müssen scheint? Ich glaube, es ist der Fall, wenn Ungewißheit über die Beschaffenheit dessen eintritt, was in Ueberlegung gezogen wird. 19. Oft bringen es nämlich die Zeitumstände mit sich, daß eine Handlung, die man gemeiniglich für unsittlich hält, als nicht unsittlich befunden wird. Als Beispiel möge ein Fall gesetzt werden, der dann Anwendung auf viele andere zuläßt. Kann es eine größere Frevelthat geben als die Ermordung eines Menschen oder wol gar eines befreundeten Menschen? Hat sich nun wol der einer Frevelthat schuldig gemacht, der einen auch noch so befreundeten Gewaltherrscher ermordete?Cicero deutet auf Marcus Brutus, einen der Mörder Cäsars, den dieser wie einen Sohn liebte. – Das Römische Volk meint es nicht; denn unter allen herrlichen Thaten hält es diese für die schönste. – So siegte also der Nutzen über die Sittlichkeit? – Nein, im Gegentheil, die Sittlichkeit siegte über den Nutzen, und der Nutzen war Folge der SittlichkeitKlotz liest: Immo vero honestas utilitatem [ et utilitas honestatem] secuta est. In den meisten Handschriften steht: Immo vero honestas utilitatem secuta est. Ich lese mit Unger: Immo vero honestas uitilitatem (scil. vicit), et utilitas honestatem secuta est, wie höchst wahrscheinlich Ambrosius de offic. cler. III. 9, 60. gelesen hat: Itaque et honestas utilitati praelata est (= utilitatem vicit) et utilitas secuta honestatem est..

Um daher in Fällen, wo das sogenannte Nützliche mit dem, was wir als sittlichgut erkennen, in Streit zu kommen scheint, ohne allen Fehlgriff zu entscheiden, muß man eine Vorschrift aufstellen, deren Befolgung uns bei der Vergleichung der Dinge vor jeder Abweichung von der Pflicht bewahrt. 20. Diese Vorschrift soll vorzüglich den Grundsätzen und dem Lehrgebäude der Stoiker entsprechen, denen ich in diesen Büchern folge. Denn obwol die alten Akademiker und euere Peripatetiker, die ehemals mit den Akademikern gänzlich übereinstimmtenCicer. Legg. I. 13, 38: Aristotelem et Theophrastum cum Speusippo, Xenocrate, Polemone (die alte Akademiker waren) congruentes re, genere docendi paulum differentes., das Sittlichgute dem anscheinend Nützlichen vorziehen; so tritt doch die sittliche Würde in den Vorträgen der Philosophen, die alles Sittlichgute auch für nützlich und Nichts für nützlich halten, was nicht sittlichgut ist, in einem glänzenderen Lichte hervor als in den Vorträgen der Philosophen, die der Ansicht sind, etwas Sittlichgutes könne nicht nützlich oder etwas Nützliches könne nicht sittlichgut sein. Mir aber gestattet unsere AkademieDie neuere Akademie, deren Gründer Arcesilas war. Sie behauptete, weder durch die Sinne noch durch die Vernunft könne die Wahrheit der Dinge erkannt werden; man müsse daher Alles bezweifeln und könne bei der Untersuchung eines Gegenstandes durch Prüfung aller einzelnen Momente für und gegen denselben nur der Wahrheit nahekommen. Vgl. zu II. 2, 8. eine große Freiheit, indem sie mir die Befugniß ertheilt Alles, was mir als das Wahrscheinlichste entgegentritt, zu vertheidigen. Doch ich kehre zu unserer Vorschrift zurück.

V. 21.  Einem Anderen also Etwas entziehen und mit dem Nachtheile des Anderen seinen eigenen Vortheil fördern ist mehr gegen die Natur als Tod, Armut, Schmerz und alle sonstigen Uebel, die unseren Körper oder unsere äußeren Verhältnisse treffen können.

ZuerstDem zuerst entspricht »zweitens« im §. 26. nämlich wird hierdurch das Zusammenleben und die Gesellschaft der Menschen aufgehoben. Denn wenn wir die Gesinnung hegen, Jeder dürfe um seines Vortheiles willen den Anderen berauben oder mißhandeln; so muß sich nothwendiger Weise die Gesellschaft des Menschengeschlechtes, die so ganz naturgemäß ist, auflösen. 22. Sowie wenn ein jedes Glied unseres Körpers dächte, es könne sich wohl befinden, wenn es das Wohlbefinden des nächsten Gliedes an sich ziehe, der ganze Körper nothwendig geschwächt werden und untergehen müßte; ebenso würde, wenn jeder Einzelne von uns die Vortheile Anderer an sich raffte und Jedem um seines Vortheiles willen so viel als möglich entzöge, die Vernichtung der menschlichen Gesellschaft und Gemeinschaft unvermeidlich sein. Daß Jeder für sich selbst lieber als für Andere die Lebensbedürfnisse erwerbe, ist allerdings gestattet, und die Natur streitet nicht dagegen; das aber läßt die Natur nicht zu, daß wir durch die Beraubung Anderer unser Vermögen, unseren Wohlstand und Einfluß vergrößern.

23. Und nicht allein in der Natur, das heißt in dem Naturrechtejus gentium, das Naturrecht, das dem Menschengeschlechte angeborene Gefühl für das, was recht und gut ist. Vgl. Kap. 17, §. 69., sondern auch in den Gesetzen der Völker, auf denen in den einzelnen Staaten die Verfassung beruht, ist es auf gleiche Weise begründet, daß man um des eigenen Vortheiles willen dem Anderen nicht schaden darf. Denn die Erhaltung der bürgerlichen Verbindung ist der Zweck der Gesetze, ist ihre Absicht. Wer dieselbe zu trennen sucht, den bestrafen sie mit Tod, Verbannung, Gefängniß, Geldbußen. Noch deutlicher beweist dieß die Vernunft der Naturipsa naturae ratio. Die Uebersetzer drücken diese Worte aus durch: die Einrichtung der Natur selbst; aber gewiß nicht richtig. Unter der ratio naturae, der Vernunft der Natur, ist nach der Meinung der Stoiker die Gottheit selbst zu verstehen, die göttliche Vernunft, die in der Natur liegt; daher gleich darauf die Worte: die das göttliche und menschliche Gesetz ist., die das göttliche und menschliche Gesetz ist. Wer ihr gehorchen will, – und alle werden ihr gehorchen, die der Natur gemäß leben wollen – wird sich niemals erlauben fremdes Gut zu begehren und sich das anzueignen, was er einem Anderen entzogen hat. 24. Denn ungleich naturgemäßer sind Erhabenheit und Größe der Seele, desgleichen Menschenfreundlichkeit, Gerechtigkeit, Freigebigkeit, als sinnliche Vergnügen, Leben, Reichtum. Diese Dingen verschmähen und für Nichts achten im Vergleiche mit dem allgemeinen Nutzen zeugt von einem großen und erhabenen Geiste. Einem Anderen hingegen um seines Vortheiles willen Etwas entziehen ist mehr gegen die Natur als Tod, als Schmerz, als alle anderen Uebel der Art.

25. Ferner ist es naturgemäßer für die Erhaltung und Unterstützung, wo möglich, aller Völker sich den größten Anstrengungen und Beschwerden zu unterziehen nach dem Beispiele jenes Herkules, den die Sage der Menschen im Andenken an seine Wohlthaten in die Versammlung der Himmelsbewohner versetzt hat, als wenn man in der Einsamkeit lebt nicht nur ohne alle Beschwerden, sondern auch im Genusse der größten Vergnügungen und im Ueberflusse aller Dinge, ja auch ausgerüstet mit den Vorzügen der Schönheit und Körperkraft. Darum geben die mit dem edelsten und glänzendsten Geiste begabten Menschen jenem Leben bei Weitem den Vorzug vor diesem letzteren. Hieraus ergibt sich, daß ein Mensch, der auf die Stimme der Natur hört, seinem Nebenmenschen nicht schaden kann.

26. Zweitens wer einen Anderen mißhandelt, um selbst einigen Vortheil zu gewinnen, der glaubt entweder hiermit nicht gegen die Natur zu handeln, oder er meint, der Tod, die Armut, der Schmerz, auch der Verlust seiner Kinder, seiner Anverwandten, seiner Freunde sei mehr zu meiden als das Begehen eines Unrechtes gegen Andere. Glaubt er durch Mißhandlung Anderer nicht gegen die Natur zu handeln, was soll man da mit Vernunftgründen gegen ihn auftreten, da er ganz und gar den Menschen im Menschen aufhebt?qui omnino hominem ex homine tollat. Wer durch Mißhandlung der Menschen nicht gegen die Natur zu handeln glaubt, hört auf ein Mensch zu sein. da er den dem Menschengeschlechte angeborenen Trieb der Geselligkeit verleugnet. Meint er aber, dieß sei zwar zu meiden, aber ungleich größere Uebel seien Tod, Armut, Schmerz; so irrt er darin, daß er einen Schaden seines Körpers oder seiner äußeren Verhältnisse für ein schwereres Uebel hält als Schäden seiner Seele.

VI. 27. Also muß das Eine als allgemein gültiger Grundsatz gelten, daß der Nutzen jedes Einzelnen und der ganzen Menschheit ein und dasselbe ist; denn wenn der Einzelne den allgemeinen Nutzen an sich reißt, so muß eine Auflösung der ganzen menschlichen Gemeinschaft folgen. Schreibt uns ferner die Natur vor, daß ein Mensch für den anderen, wer er auch sein mag, bloß aus dem Grunde, weil er Mensch ist, sorgen soll: so liegt gleichfalls nothwendig in der Natur, daß der Nutzen Aller etwas Allen Gemeinsames ist. Verhält sich dieß nun so, so werden wir alle durch ein und dasselbe Naturgesetz zusammengehalten, und ist dieses so, so verbietet uns das Naturgesetz gewiß unsere Nebenmenschen zu mißhandeln. Wahr ist der Vordersatz, wahr ist also auch der Folgesatz. 28. Denn ungereimt ist es, wenn Einige sagen, ihrem Vater oder Bruder würden sie Nichts um des eigenen Vortheiles willen entziehen; ein anderes Verhältniß finde aber in Beziehung auf die übrigen Mitbürger statt. Solche Leute urtheilen, sie hätten zu ihren Mitbürgern für den allgemeinen Nutzen keine Verpflichtung, keine Gemeinschaft: ein Grundsatz, der alle bürgerliche Gesellschaft zerreißen muß. Wer ferner sagt, auf seine Mitbürger müsse man Rücksicht nehmen, auf die Auswärtigen aber nicht; der trennt die gemeinsame Gesellschaft des Menschengeschlechtes. Ist aber diese aufgehoben, so werden auch die Wohlthätigkeit, die Freigebigkeit, die Güte, die Gerechtigkeit von Grund aus aufgehoben. Und wer diese Tugenden aufhebt, den muß man auch für einen Frevler gegen die unsterblichen Götter erklären. Denn er vernichtet die von diesen unter den Menschen eingerichtete Gesellschaft, und das festeste Band dieser Gesellschaft ist die Ueberzeugung, es streite mehr gegen die Natur, wenn ein Mensch dem anderen Etwas um des eigenen Vortheiles willen entzieht, als wenn er alle Nachtheile in seinen äußeren Verhältnissen oder an seinem Körper oder selbst an seiner Seele erleidet, falls die Gerechtigkeit nicht bei Seite gesetzt wirdIch habe nach der Lesart einer Handschrift: vel etiam ipsius animi, quae non vacent justitia übersetzt. Die übrigen Handschriften haben fast alle: vel etiam ipsius animi, quae vacent justitia, was auch Klotz, jedoch mit einem Zeichen der Verderbniß aufgenommen hat. Allein diese Lesart ist sinnlos. Ubaldinus liest nach Muthmaßung: quae vacent injustitia, so auch Zumpt; aber justitia ist die richtige Lesart, da gleich darauf folgt: Haec enim una virtus. Andere Versuche die offenbar verderbte Stelle wieder herzustellen anzuführen ist hier nicht der Ort.. Denn diese Tugend ist die Gebieterin und Königin aller Tugenden.

29. Vielleicht könnte man einwenden: Soll also der Weise, wenn er selbst von Hunger gequält wird, nicht einem Anderen die Speise entziehen, der ein durchaus unnützer Mensch ist? – KeineswegsUnger hält die Worte: »Minime vero. Non enim mihi est vita mea utilior quam animi talis affectio, neminem ut violem commodi mei gratia« für unächt.; denn mir ist mein Leben nicht nützlicher als die Gesinnung, nach der ich Niemanden um des eigenen Vortheiles willen mißhandeln darf. – Wie? Wenn einen PhalarisS. zu II. 7, 25. Anm. 338., einen grausamen und unmenschlichen Gewaltherrscher ein rechtschaffener Mann, um nicht selbst zu erfrieren, der Kleidung berauben könnte, sollte er es nicht thun? 30. Die Beurtheilung dieser Fälle ist sehr leicht. Entziehst du nämlich einem durchaus unnützen Menschen Etwas um des eigenen Vortheiles willen, so handelst du unmenschlich und gegen das Naturgesetz. Bist du hingegen ein Mann, der durch die Erhaltung seines Lebens dem Staate und der menschlichen Gesellschaft einen wesentlichen Nutzen verschaffen kann; so würde es keinen Tadel verdienen, wenn du aus diesem Grunde deinem Nebenmenschen Etwas entzögest. Verhält sich aber die Sache nicht so, so muß Jeder seinen Nachtheil lieber ertragen als dem Anderen Etwas von seinen Vortheilen entziehen. Nicht sind also Krankheit oder Dürftigkeit oder sonst ein Uebel der Art mehr gegen die Natur als die Entziehung fremden Eigentums und die Begierde danach, sondern wenn man den allgemeinen Nutzen aufgibt, das ist gegen die Natur; denn es ist ungerecht. 31. Daher wird in der That das Naturgesetz selbst, das den Nutzen der Menschen bewahrt und erhält, so entscheiden, daß von einem trägen und unnützen Menschen die unentbehrlichen Lebensbedürfnisse auf einen weisen, rechtschaffenen und tapferen Mann übergehen sollen, wenn durch seinen Tod dem allgemeinen Nutzen Viel entzogen wird; nur muß er sich hüten aus Ueberschätzung seiner Person und aus Eigenliebe dieß für eine Berechtigung zur Ungerechtigkeit zu halten. So wird er immer die Pflicht erfüllen, wenn er für den Nutzen der Menschen und für diese, von mir erwähnte, menschliche Gesellschaft sorgt.

32. Was nun aber den Fall mit Phalaris anlangt, so ist die Beurtheilung sehr leicht. Denn wir leben mit den Zwingherren in keiner Gesellschaft, sondern vielmehr in dem höchsten Zerwürfniß, und nicht streitet es gegen die Natur den zu berauben, wenn man kann, welchen zu tödten rühmlich ist. Ueberhaupt müßte diese ganze unheilbringende und verbrecherische Rotte aus der menschlichen Gesellschaft fortgejagt werden. Denn sowie man Glieder abschneidet, wenn ihnen das Blut und gewissermaßen das Leben zu fehlen anfängt, und sie den übrigen Theilen des Körpers schaden; ebenso sind diese in Menschengestalt gekleideten wilden und grausamen Ungeheuer von der menschlichen GesellschaftDie Handschriften lesen: humanitate corporis. Klotz und Andere halten mit Recht das Wort corporis für unächt; es ist gewiß aus einer Verirrung des Abschreibers in die vorangehende Zeile entstanden. Muret muthmaßt humanitatis corpore; aber dieser Sinn liegt auch in den Worten: communi tanquam humanitate. auszuscheiden.

Die Fragen dieser Art sind lauter solche, bei welchen die Pflicht nach den Umständen bestimmt wird.

VII. 33. Solche Untersuchungen würde nun, wie ich glaube, Panätius abgehandelt haben, wenn nicht irgend ein Zufall oder eine andere Beschäftigung sein Vorhaben vereitelt hätte. Für diese Berathungen selbst können aus den vorhergehenden Büchern ziemlich viele Vorschriften genommen werden, aus denen sich deutlich erkennen läßt, welche Handlungen ihrer Unsittlichkeit wegen zu vermeiden, und welche darum, weil sie durchaus nicht unsittlich sind, nicht zu vermeiden seien. Doch weil ich jetzt dem von mir angelegten und doch beinahe aufgeführtenWie Cicero kurz vorher bemerkte, enthalten die vorhergehenden Bücher Lehren, die uns zeigen, wie wir uns in dem Falle, wo ein scheinbarer Streit zwischen dem Sittlichguten und dem Nützlichen eintritt, zu benehmen haben; dann hatte er im fünften Kapitel eine allgemeine Regel für diesen Streit angeführt. Also konnte Cicero diese Untersuchung zwar als erst in diesem Buche begonnen und doch beinahe zu Ende geführt bezeichnen. Lehrgebäude, um mich so auszudrücken, den Giebel aufzusetzen gedenke; so will ich mich des Verfahrens der Mathematiker bedienen. Sowie diese nicht alle Sätze zu beweisen pflegen, sondern fordern, daß man ihnen einige als erwiesen einräume, um auf diese Weise leichter die Sätze, die sie beweisen wollen, zu entwickeln; so verlange ich von dir, mein Cicero, daß du mir, wo möglich, den Satz einräumest, daß außer dem Sittlichguten Nichts um seiner selbst willen wünschenswerth sei. Ist dir dieß aber wegen des Kratippus nicht erlaubt, so wirst du wenigstens das einräumen, daß das Sittlichgute am Meisten um seiner selbst willen wünschenswerth sei. Mir genügen beide SätzeD. h. sowol die Ansicht der Stoiker, die nur das Sittlichgute (die Tugend) als ein Gut annehmen, als auch die Ansicht der Peripatetiker, die drei Güter annehmen, die der Seele, des Körpers und der äußeren Verhältnisse., und bald erscheint mir der eine bald der andere beifallswerther, aber außer ihnen keiner beifallswerth.

34.Und zuvörderst muß ich hier insofern den Panätius in Schutz nehmen, als er nicht behauptet hat, das Nützliche könne bisweilen mit dem Sittlichguten in Streit gerathen, – denn dieß war ihm nicht erlaubtals einem Stoiker, dem das Sittlichgute das einzige Gut war. – sondern nur das anscheinend Nützliche. Daß aber Nichts nützlich sei, was nicht zugleich sittlichgut sei, und daß Nichts sittlichgut sei, was nicht zugleich nützlich sei, versichert er oft, und er sagt, kein schlimmeres Verderben sei in das menschliche Leben eingedrungen als die Meinung derer, welche diese Begriffe von einander gerissen hätten. Nicht also, als ob wir zuweilen das Nützliche dem Sittlichguten vorziehen sollten, sondern damit wir in dem Falle, daß ein Widerstreit des Einen gegen das Andere vorkommen sollte, ohne Fehlgriff entscheiden könnten, nahm er den scheinbaren, aber nicht wirklichen Widerstreit an. Diesen Theil nun, den er schuldig geblieben ist, wollen wir ergänzen, und zwar ohne fremde Beihülfe auf eigene Faust, wie man sagt. Denn in den Schriften, die mir in die Hände gekommen sind, findet sich seit Panätius keine Erörterung dieses Gegenstandes, der ich meinen Beifall schenken könnte.

VIII. 35. Wenn uns Etwas mit dem Scheine des Nutzens entgegentritt, so ist es ganz natürlich, daß wir uns davon ergreifen lassen. Finden wir aber bei näherer Betrachtung, daß mit der Sache, die den Schein des Nutzens darbietet, Unsittlichkeit verbunden ist; so ist es nicht die Aufopferung des Nutzens, welche gefordert wird, sondern die Einsicht, daß da, wo Unsittlichkeit sich findet, kein Nutzen sein könne. Streitet aber Nichts so sehr gegen die Natur als Unsittlichkeit, – denn die Natur will nur Geradheit, Uebereinstimmung und Folgerichtigkeit und verschmäht das Gegentheil davon – und ist Nichts der Natur so sehr angemessen als der Nutzen; so kann sicherlich in eben derselben Sache nicht Nutzen und Unsittlichkeit vereint sein. Ferner wenn Sittlichkeit unsere Bestimmung ist und diese entweder allein wünschenswerth ist, wie ZenoUeber Zeno's Lehre s. zu I. 2, 6. Anm. 68. meint, oder wenigstens alles Uebrige unverhältnißmäßig überwiegt, wie AristotelesUeber Aristoteles, den Gründer der Peripatetischen Schule, welche außer der Tugend auch noch Güter des Körpers und der äußeren Verhältnisse annahm, s. zu I. 1, 3. Anm. 64. urtheilt: so muß nothwendiger Weise das Sittlichgute entweder das einzige oder das höchste Gut sein; was aber gut ist, das ist gewiß nützlich; also ist Alles, was sittlichgut ist, nützlich.

36. Daher ist es der Irrwahn nicht redlicher Menschen, der, sobald er Etwas ergreift, was nützlich erscheint, dieses sofort von dem Sittlichguten trennt. Hieraus geht Meuchelmord hervor, hieraus Giftmischerei, hieraus Fälschung der Vermächtnisse, hieraus Diebstahl, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Ausplünderungen und Beraubungen der Bundesgenossen und Mitbürger; hieraus die Begierde nach allzu großem Einflusse, nach unerträglicher Uebermacht, ja zuletzt – und das ist das Abscheulichste und Schmählichste, was sich nur denken läßt – selbst in Freistaaten das Gelüste nach königlicher Herrschaft. Denn nur die Vortheile der Dinge sehen sie in ihren trügerischen Vorstellungen; die Strafe, ich will nicht sagen, der Gesetze, die sie oft zunichte machen, sondern die der Unsittlichkeit selbst, welche die empfindlichste ist, sehen sie nicht. 37. Hinweg also mit dieser ganzen frevelhaften und ruchlosen Brut von Menschen, welche überlegen, ob sie dem, was sie als sittlichgut erkennen, folgen oder sich wissentlich mit Frevel beflecken sollen. Denn schon in dem Zweifel liegt eine Schandthat, wenn es auch nicht wirklich dazu kommt. Also sind überhaupt solche Dinge gar nicht in Berathung zu ziehen, bei welchen schon die Berathung unsittlich ist.

Auch muß man von jeder Berathung die Hoffnung und Einbildung verborgen und unentdeckt zu bleiben entfernen. Denn wenn wir nur einige Fortschritte in der Philosophie gemacht haben, so müssen wir zur Genüge die Ueberzeugung gewonnen haben, daß, wenn wir es auch allen Göttern und Menschen verbergen könnten, mir doch keine Handlung der Habsucht, der Ungerechtigkeit, der Willkür, der Unenthaltsamkeit uns erlauben dürfen.

IX. 38. Um dieß zu veranschaulichen, führt PlatoPlat. de Republ. II. p. 359. jenen berühmten GygesGyges wurde nach Ermordung des Königs Kandaules, des letzten Herakliden, König von Lydien (720 v. Chr.) und Stammvater eines neuen Hauses, der Meremnaden, deren letzter Krösus ist. Die eigentliche Geschichte des Gyges findet sich bei Herodot I, 8–12. an. Als einst die Erde sich durch große Regengüsse aufgethan hatte, stieg er in diese Kluft hinab und bemerkte, wie die Sage erzählt, ein ehernes Roß, an dessen Seiten sich Thüren befanden. Er öffnete dieselben und sah einen menschlichen Leichnam von ungewöhnlicher Größe, der am Finger einen goldenen Ring hatte. Diesen zog er ab und steckte sich ihn an. Darauf begab er sich – er war nämlich ein Hirt des Königs – wieder in die Versammlung der Hirten. Als er daselbst den Ringkasten gegen die flache Hand drehte, wurde er von Niemandem gesehen, er selbst aber sah Alles; hingegen wurde er wieder sichtbar, wenn er ihn wieder an seine gewöhnliche Stelle drehte. Diese Wunderkraft des Ringes benutzte er nun, um die Königin zu verführen, unter ihrem Beistande seinen Herrn, den König, zu ermorden und die Personen, von denen er glaubte, daß sie ihm feindlich entgegenständen, aus dem Wege zu räumen, und bei allen diesen Verbrechen konnte ihn Niemand sehen. So gelang es ihm mittelst des Ringes sich in ganz kurzer Zeit zum König von Lydien emporzuschwingen.

Gesetzt nun, ein Weiser besäße diesen Ring; so würde er sich ebenso wenig zu einer Sünde berechtigt halten, als wenn er ihn nicht besäße. Denn um Sittlichkeit ist es rechtschaffenen Männern zu thun und nicht um Verborgenheit.

39. Hier machen nun gewisse PhilosophenDie Epikureer. Clemens Alexandr. Strom. IV, 629: καὶ ό γε ’Επίκουρος αδικει̃ν επὶ κέρδει τινὶ ου βούλεσθαι φησι τὸν κατ' αυτὸν σοφόν· πίστιν γὰρ λαβει̃ν περὶ του̃ λαθει̃ν ου δύνασθαι. ‘Ώστε (d. h. hieraus folgt also, daß) ει επιστήσεται λήσειν, αδικήσει κατ' αυτόν., keineswegs bösartige, aber nicht eben sehr scharfsinnige Menschen, die Bemerkung, diese Erzählung sei von Plato erdichtet und ersonnen, gleichsam als ob er behauptete, die Sache sei wirklich geschehen oder habe geschehen können. Die Bedeutung dieses Ringes und dieses Beispieles ist die: wenn es Niemand erführe, Niemand auch nur einen Argwohn schöpfen könnte, daß du zur Befriedigung deiner Begierde nach Reichtum, Macht, Alleinherrschaft und Willkür eine schlechte Handlung begingest, wenn es Göttern und Menschen in Ewigkeit unbekannt bliebe; würdest du sie begehen? – Sie sagen, der Fall sei nicht möglich. – Allerdings ist er nichtIch habe nach der Muthmaßung Muret's: nequaquam potest id quidem übersetzt. Die Lesart der Handschriften, die auch Klotz beibehalten hat, ist: quanquam potest id quidem. Aber da vorher auch die Götter erwähnt werden, so kann diese Lesart auf keinen Fall richtig sein. möglich; aber ich frage, was sie denn thun würden, wenn das möglich wäre, was sie für unmöglich erklären. Auf gut bäuerisch beharren sie bei ihrer Behauptung, der Fall sei nicht möglich. Sie verstehen den Sinn meiner Worte nicht. Denn wenn ich frage, was sie thun würden, wenn sie es verheimlichen könnten; so frage ich nicht, ob sie es verheimlichen können, sondern es ist eine Art peinliche Frage, die ich an sie richte. Denn antworten sie, im Falle der Straflosigkeit würden sie das thun, was ihnen vortheilhaft sei; so bekennen sie sich für Verbrecher. Sagen sie aber das Gegentheil, so räumen sie ein, daß alle unsittlichen Handlungen um ihrer selbst willen zu vermeiden seien. Doch kehren wir jetzt wieder zu unserem Gegenstande zurück.

X. 40. Es treten oft Fälle ein, in denen ein scheinbarer Nutzen unser Gemüth in Verlegenheit setzt, zwar nicht durch die Ueberlegung, ob die Sittlichkeit wegen der Größe des Nutzens aufgeopfert werden müsse, – dieß wäre ja eine Schlechtigkeit – wohl aber, ob eine anscheinend nützliche Handlung ohne Verletzung der Sittlichkeit geschehen könne.

Brutus entsetzte seinen Amtsgenossen CollatinusLucius Junius Brutus, der die königliche Herrschaft in Rom abschaffte, und Lucius Tarquinius Collatinus, ein Anverwandter der vertriebenen Tarquinier, Gemahl der Lucretia, waren die ersten Consuln nach der Abschaffung des Königtums (509 v. Chr.). Vgl. Livius II. 2. des Consulates, und es konnte scheinen, als ob er hierin eine Ungerechtigkeit begehe. Da aber die Häupter des Staates den Beschluß gefaßt hatten, die ganze Verwandtschaft des Superbus und der Name der Tarquinier und jede Erinnerung an die königliche Herrschaft müsse hinweggeschafft werden; so stimmte dieses für das Vaterland nützliche Verfahren so mit der Sittlichkeit überein, daß sogar Collatinus selbst dasselbe billigen mußte. So erhielt der Nutzen durch die Sittlichkeit Geltung, ohne welche gar kein Nutzen möglich gewesen wäre.

Hingegen bei dem Könige, der unsere Stadt erbaut hat, ist der Fall nicht so. 41. Denn der Scheinvortheil hatte sein Gemüth eingenommen. Es dünkte ihm vortheilhafter allein als mit einem Anderen König zu sein, und deßhalb erschlug er seinen Bruder. Er setzte sowol die brüderliche Liebe als auch die Menschlichkeit bei Seite, um einen scheinbaren, nicht wirklichen Vortheil zu erreichen, und doch stellte er den Vorfall mit der MauerRomulus und Remus, Zwillingssöhne der Vestalin Rhea Sylvia, hatten gemeinsam die Stadt Rom erbaut (754 v. Chr.); allein Romulus erschlug den Remus, weil dieser in jugendlichem Leichtsinne die eben erbauten Stadtmauern verletzt hatte. Vgl. Livius I. 7. als Entschuldigungsgrund auf, einen bloßen Schein der Sittlichkeit, der weder zu billigen noch wahrlich zureichend war. Er beging also eine Sünde – QuirinusRomulus wurde nach seinem Tode von den Römern göttlich verehrt und erhielt den Namen Quirinus. oder Romulus mag mir dieses Wort verzeihen. –

42. Uebrigens sollen wir nicht auf unseren eigenen Vortheil verzichten und ihn Anderen überlassen, wenn wir ihn selbst bedürfen; vielmehr soll Jeder auf seinen Vortheil Bedacht nehmen, soweit es ohne Beeinträchtigung unserer Nebenmenschen möglich ist. Treffend, wie so vieles Andere, sagt ChrysippusChrysippus aus Soli in Cilicien, geb. 280 v. Chr., gestorb. 206, Schüler des Zeno und Kleanthes, ein sehr scharfsinniger und gelehrter Stoiker.: »Wer auf der Rennbahn läuft, soll mit aller Kraftanstrengung nach dem Siege streben; keineswegs aber darf er seinem Mitkämpfer ein Bein unterstellen oder ihn mit der Hand auf die Seite stoßen. Ebenso ist es im Leben nicht unbillig, wenn Jeder nach dem trachtet, was sein Bedarf nöthig hat; aber es einem Anderen entreißen ist nicht Recht.«

43. Eine Verwirrung der Pflichten kommt besonders in der Freundschaft vor. Denn sowol dem Freunde nicht gewähren, was man rechtlich kann, als auch ihm gewähren, was die Billigkeit nicht zuläßt, ist pflichtwidrig. Doch für alle Fälle dieser Art gibt es eine kurze und nicht schwierige Vorschrift. Die anscheinend nützlichen Dinge nämlich, wie Ehrenstellen, Reichtum, sinnliche Genüsse und Anderes dergleichen, dürfen nie der Freundschaft vorgezogen werden. Hingegen gegen den Staat, gegen Eid und gegebenes Wort wird ein rechtschaffener Mann dem Freunde zu Liebe nie handeln, selbst auch dann nicht, wenn er als Richter über seinen Freund auftreten soll. Denn er legt den Charakter des Freundes ab, wenn er den des Richters annimmt. Nur so viel wird er der Freundschaft einräumen, daß er wünscht, die Sache des Freundes möge Recht haben, daß er die ZeitNach der lex Pompeia vom J. 55 mußte in einem und demselben Tage sowol die Anklage als auch die Vertheidigung zu Ende geführt werden; dem Ankläger waren zwei, dem Angeklagten drei Stunden eingeräumt. zur Führung seiner Rechtsverhandlung, soweit es die Gesetze gestatten, bequem legt. 44. Da er aber nach abgelegtem EideDie Richter mußten schwören, daß sie nur nach Recht und Gerechtigkeit ihr Urtheil fällen wollten. sein Urtheil fällen soll, so muß er sich erinnern, daß er die Gottheit zum Zeugen genommen habe, das heißt nach meinem Dafürhalten seinen GeistDie Stoiker und andere Philosophen sahen die menschliche Seele als etwas Göttliches an. Plat. Legg. X. p. 897, B.: πα̃σιν, οι̃ς ψυχὴ χρωμένη νου̃ν μὲν προσλαμβάνουσα αεὶ θεόν, θεὸς ου̃σα, όρθὰ καὶ ευδαίμονα παιδαγωγει̃ πάντα., das Göttlichste, das die Gottheit selbst dem Menschen geschenkt hat. Es ist daher eine vortreffliche Sitte, die wir von unseren Vorfahren erhalten haben, – nur müßten wir sie auch beobachten – daß man den Richter bittet zu thun, was er ohne Verletzung seiner Pflicht thun kann. Diese Sitte bezieht sich auf die Bewilligungen, welche, wie ich kurz zuvor bemerkte, die Sittlichkeit einem Richter gegen seinen Freund erlaubt. Denn wenn man Alles thun müßte, was die Freunde verlangen; so wäre dieß nicht für Freundschaft zu halten, sondern für eine Verschwörung. 45. Ich rede aber hier von den gewöhnlichen Freundschaften; denn unter weisen und vollkommenen Männern kann Etwas der Art nicht vorkommen.

Damon und PhintiasDamon und Phintias werden auch von Diodorus (Exc. p. 554 Wessel.) und Plutarchus (περὶ πολυφιλίας 2, 4) genannt. Erst Hyginus Fab. 257. nennt die Freunde Mörus und Selinuntius, und ihm ist Schiller in seiner bekannten Ballade »die Bürgschaft« gefolgt. Der hier erwähnte Dionysius ist nach Cicer. Tuscul. V. 22, 76. der ältere; aber nach Arisioxenus, einem Zeitgenossen, war es der jüngere., so erzählt man, hegten eine so zärtliche Liebe zu einander, daß, als dem Einen von ihnen der Gewaltherrscher Dionysius den Tag seiner Hinrichtung bestimmt, und der dem Tode Geweihte sich die Frist weniger Tage erbeten hatte, um die Seinigen der Fürsorge treuer Freunde zu empfehlen, der Andere sich für seine Rückkehr unter der Bedingung verbürgte, daß, wenn jener sich nicht stellte, er selbst sterben müsse. Allein er kam auf den Tag zurück, und der Herrscher, verstummt über ihre Treue, bat sie ihn als den Dritten in ihre Freundschaft aufzunehmen.

46.Wird also in der Freundschaft das anscheinend Nützliche mit dem Sittlichguten verglichen, so muß der Scheinnutzen unterliegen und die Sittlichkeit obsiegen. Streiten hingegen die Forderungen, die man in der Freundschaft macht, gegen die Sittlichkeit; so muß man Gewissenhaftigkeit und Rechtschaffenheit der Freundschaft vorziehen. Auf diese Weise werden wir, was der Gegenstand unserer Untersuchung ist, die Wahl der Pflicht zu treffen haben.


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