Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XI. Kapitel.

Ein Kampf um's Leben.

Als Wonström mit seiner Bürde in bessere Luft kam, atmete er hoch auf. Sein Blut, das in fieberhafte Wallung gekommen war und heftig zum Kopf drängte, beruhigte sich; das beängstigende Gefühl, das sich seiner infolge der giftigen Gase bemächtigt hatte, schwand, und er fühlte, daß er einer schrecklichen Gefahr eben entronnen war.

Aber Eduard, das einzige ihm gleichgestellte Wesen in dieser schrecklichen Einöde, er lag da ohne Atem, mit verbrannten Gesicht, die Augenbrauen und Haare waren versengt, das Gesicht rot und blau aufgedunsen. Mit Schrecken dachte er daran, daß Eduard verloren sei und er ganz allein. Eine Todesangst ergriff ihn, er rief Eduard's Namen, blies ihm seinen Atem ein, rüttelte und schüttelte ihn.

Es vergingen bange Minuten; endlich ein tiefer Atemzug, dann noch einer und schließlich schlug Eduard die Augen auf. Wonström wußte sich vor Freude kaum zu fassen; er herzte und küßte Eduard auf das verbrannte Gesicht und war überglücklich, daß die Augen seines Freundes gesund und heil waren.

Wonström hatte unterdessen bemerkt, daß aus dem Eruptionskegel die Dampfstöße immer schneller aufeinander folgten und stärker wurden, er sah, daß etwas vorging, was ihnen bei längeren Verweilen in dem Krater Verderben bringen mußte. Eduard fühlte sich sehr schwach und sein Gesicht glühte wie höllisches Feuer; nichtsdestoweniger trieb Wonström, den Krater so schnell als möglich zu verlassen. Er stellte Eduard vor, daß jede Minute Verzug ihnen den Tod bringen könne und beschwor ihn, seinen ganzen Mannesmut zusammen zu nehmen, um aus dem Krater zu steigen; zugleich machte Wonström sich auf, an dem Strick hinauf bis an die Strickleiter zu klettern; jetzt stand er auf der ersten Sprosse und zog den Strick an, mit dem er an Eduard gebunden war.

Dieser mußte wohl oder übel sich bequemen, den Marsch ebenfalls anzutreten, obgleich er zum Sterben müde war und gräßliche Schmerzen in seinem Gesicht empfand.

Von Wonström halb gezogen, ging es denn langsam aufwärts und glücklich war die erste Strickleiter erstiegen, also über die Hälfte. Ein Blick in die Tiefe belehrte sie, daß der Krater jetzt fast ganz mit Dampf angefüllt war, dabei hörten sie ein prasselndes Geräusch und mit Schrecken bemerkte Wonström, daß die Lava übergelaufen war und sich auf dem Boden des Krater verbreitete. Eine fürchterliche Hitze strömte zu ihnen herauf und sie merkten auch, daß die Gase bis zu ihnen drangen.

»Eduard komm, wir sind sonst verloren,« schrie Wonström vor Angst, denn er bemerkte, daß Eduard stecken blieb und nicht weiter konnte.

»Um Gotteswillen, ermanne dich, steig zu, wir sind sonst verloren.«

Eduard aber, den die Gase einzunehmen schienen, war stumpf gegen alles Reden; er lallte nur »ich kann nicht mehr, rette dich, schneide den Strick durch. O das Feuer, das Feuer!« – Da taumelte er zurück, seine Hände griffen statt in die nächste Sprosse in die Luft und er stürzte rücklings in den Abgrund.

Wonström, der mit Entsetzen Eduard's Schwäche bemerkt hatte, standen vor Todesangst die Haare zu Berge und dicke Schweißtropfen fielen ihm von der Stirne. Da stürzte Eduard in die Tiefe – krampfhaft hielt er sich an die schwache Strickleiter fest – es gab ihm einen fürchterlichen Ruck, Eduard hing an dem Stick, den Wonström um seine Hüfte geschlungen hatte. Durch den schrecklichen Ruck hatte Wonström die Leiter nicht losgelassen, der Strick war nicht gerissen, ebenso hat die Strickleiter nicht nachgegeben.

Eduard war unten an einer vorstehenden Felskante aufgeschlagen, dies brachte ihn wieder zur Besinnung; er faßte nach der Strickleiter und hielt sich daran fest.

Jetzt faßte Wonström einen anderen Plan. Er schrie hinunter »halte dich fest, ich komme zu dir und werde uns beide retten.« Instinktiv, halb geistesabwesend, hielt sich Eduard fest und Wonström stieg zu ihm hinab. Es war die Stelle, wo die beiden Strickleitern aneinander befestigt waren und erinnern wir uns noch der Felsplatte, auf der Wonström stand, als er die beiden Strickleitern zusammenband.

Er stieg auf die Felsplatte, veranlaßte Eduard mit seiner Hilfe ein Gleiches zu thun und band ihn dann sich auf den Rücken.

Mittlerweile waren die Gase aber immer intensiver geworden, Eduard war wieder in Ohnmacht gefallen und hing wie ein Mehlsack auf Wonströms Rücken.

Diesem wurde das Atmen auch recht beschwerlich, und häufig mußte er husten.

Jetzt galt es kurze Entschlossenheit. Wonström, ein starker Mann mit großer Energie und Willenskraft, griff in die Leitersprossen und langsam, aber sicher trug er seine teuere Last immer höher und höher. Wohl drohten ihn oft die Kräfte zu verlassen, aber seine eiserne Willenskraft überwand solche Schwächen.

Nach unsäglicher Anstrengung erreichte er das Ende der Strickleiter und stieg gerettet mit dem ohnmächtigen Eduard in die Schlucht. Dort hielt er sich nicht lange auf. Er nahm die beiden Flinten, die sie in der Schlucht zurück gelassen hatten, und trat sofort die Wanderung nach Hause an; denn diese Gegend schien ihm unheimlich und die ausgestandenen Schrecken schwebten noch immer vor seinem geistigen Auge.

Unterwegs, als er den Berg herabstieg, kam Eduard wieder zu sich, jedoch war er nicht fähig zu gehen; deshalb trug ihn Wonström bis an das Zelt bei der Hasen-Bai.


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