Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXVI. Kapitel.

Der zweite Winter am Nordpol.

Wie nun den Riesenvogel unterbringen? Robinson hatte, als er einen Ort für seine Lama's herrichtete, junge Bäume ausgegraben und diese in dichten Reihen um den passenden Platz gepflanzt. Das war allerdings sehr praktisch und auch in diesem Falle hätten sie es thun können, wenn es nicht so viel Zeit in Anspruch genommen hätte; deshalb beschlossen sie, einen dichten, hohen Zaun aus jungen Fichtenstämmen herzustellen, was jedenfalls schneller ging.

Vier Tage mußte der unglückliche Vogel mit gefesselten Beinen daliegen, während welcher Zeit er keine Nahrung zu sich nahm.

Am Abend des vierten Tages war eine provisorische Einzäunung fertig und dem Gefangenen wurde der freie Gebrauch der Glieder wiedergegeben.

Dieser Vogelkäfig war kreisrund und bestand aus jungen Fichtenstangen, die in kleinen Zwischenräumen nebeneinander in den Boden eingegraben waren. Allerdings war dieser Raum für die Dauer etwas zu klein, doch einstweilen genügte er.

Während dieser Zeit hatten sie auch die am Baume hängenden Überreste des von Wonström geschossenen Riesenmoa geholt und eingesalzen; desgleichen das Fleisch von einer der seltsamen Antilopen, von denen Wonström ein Stück hat schießen können. Auch hier kamen welche vor, aber nicht so häufig, als solche langschwänzige Esel.

Ihr neuer Hausfreund Hans, wie sie ihn zum Andenken an den armen Eisbärenhans nannten, legte bald seine Scheu ab. Er wurde zutraulich und fraß Beeren, Früchte, sowie trockenes Grünzeug aus der Hand. Nach einiger Zeit bekam er auch eine größere Behausung, in welcher er herumspazieren konnte.

Bei einer Jagdgelegenheit hatten beide auch den Leichnam des Riesentieres, das Wonström in der Schlucht getötete hatte, aufgesucht, und Eduard hatte in diesem Koloß ein Riesenfaultier, 'Megatherium Cuvieri', erkannt.

Die mächtigen Krallen schlugen sie sämmtlich ab und befestigten sie später im Innerin ihres Hauses, wo sie dieselben zum Aufhängen von Kleidungsstücken verwendeten.

Das Gürteltier, das Eduard mit einer Kugel in den Kopf geschossen hatte, war in seiner zusammengerollten Stellung verendet. Nach einigen Tagen, als die Todesstarre gewichen war, fiel es von selbst auseinander. Das Fleisch, welches sehr schmackhaft war, wurde eingesalzen und der Panzer als Salzwasserschale verwendet.

Es war den beiden Abenteurern auch geglückt, noch verschiedenes Wild zu erlegen. Da es ihnen nun aber an Aufbewahrungsgefäßen mangelte, so gruben sie Löcher in die Erde, legten diese mit Steinen aus und schichteten das gut mit Salz eingeriebene Fleisch von den erlegten Tieren hinein und deckten Erde darüber.

Am 14. November fiel der erste Schnee, welcher aber wieder wegging. Am 26. November fiel hoher Schnee, der auch den ganzen Winter liegen blieb.

Für Hans hatten sie genug Nahrungsvorräte gesammelt und in einer Ecke seiner Behausung eine Portion salzhaltigen Thon gelegt; desgleichen ein Quantum glatt gewaschener Bachsteine, denn Steine müssen fast alle Vögel zu sich nehmen, da sie diese zu ihrer Verdauung nötig haben.

Um Hans möglichst vor dem Unwetter zu schützen, war ein Teil seiner Behausung überdeckt und mit Heu ausgefüllt. Dahinein verkroch er sich sehr häufig, denn obgleich er an den Winter gewöhnt war, anders, wie seine jetzt nur noch in den warmen Gegenden von Afrika, Amerika und Australien lebenden Verwandten, so suchte er sich doch auch soviel als möglich von der Kälte zu schützen.

Den langweiligen finsteren Winter verlebten die beiden Freunde meist in ihrem Ziegelsteinhause und wenn es draußen stürmte und wetterte, dann saßen sie bei der Thranlampe und unterhielten sich von der Welt und ihren Wundern.

Eduard hatte in seinen 'Naturschatz' alles hier Gefundene und Erlebte sorgfältigst niedergeschrieben.

Der 'Naturschatz' sollte einst in der gebildeten Welt eine der ersten Stellen unter den Büchern einnehmen.

Eduard verfehlte nicht, Wonström das und jenes zu erklären und dieser brachte den Vorträgen seines Freundes viel Interesse entgegen.

Wollen wir einem dieser Vorträge lauschen, die auf streng wissenschaftlicher Basis ruhten; denn Eduard suchte eine Ehre darin, alles streng wissenschaftlich, ohne Übertreibung zu behandeln.

»Siehst du Wonström,« begann er eines Tages, »hier hast du die unumstößlichen Beweise, daß wir wirklich in einer Epoche der Urzeit leben. Von allen den Tieren, die wir hier erlegt haben, sind Überreste in den betreffenden Erdschichten gefunden worden und aus diesen haben die Gelehrten mit großer Sicherheit die einstigen Gestalten gebildet.

Hier hast du eine getreue Abbildung von unseren Rehen oder Gazellen, es ist der in der Eocänzeit lebende Degenzahn oder 'Xiphodon gracile'. Hier ein Zeitgenosse von ihm, das 'Anaplotherium commune'. Es ist unser langschwänziger Esel.

In dieser Abbildung erkennst du ein Exemplar von unsern Schweinen, welchen Cuvier den Namen 'Choeropotamus' gegeben hat.

Die Wölfe oder Schakale mögen wohl mit dem Höhlenwolf oder 'Canis spelacus' gleich sein, von welchen hier ein Schädel abgebildet ist.

Die Überreste aller dieser Tiere sind in den Erdschichten der Tertiärperiode gefunden worden, also leben wir jetzt in dieser alten Zeit, wenn auch die Eocän- oder Miocänzeit etwas ineinander geht, so ist das nicht auffällig, weil es gerade die Übergangsperiode sein kann.«

»Ja, das ist möglich,« warf Wonström ein, »in der Übergangsperiode müssen die Tiere von beiden Zeiten nebeneinander gelebt haben, denn mit einem Messerschnitt lassen sich die Erdperioden nicht trennen. Aber wie steht es denn mit dem Eidechsenvogel, der, wie du sagst, nur in der Jurazeit gelebt hat?«

»Das kann ich auch noch nicht erklären und müssen wir die Antwort der Zeit anheimstellen, vielleicht gibt diese später Aufschluß.«

»Du wolltest mir ja einmal beweisen, daß die Gelehrten bezüglich der Feststellung der Urzeiten nicht irren können; jetzt hätten wir Zeit dazu, dies zu besprechen.«

»Jawohl,« ließ sich Eduard hören, »den ganzen Beweis kann ich in einige Worte fassen.

Stets wurde die Tertiärformation unter der Diluvialschicht gefunden. Nach der Pliocänschicht kam man auf die Miocänschicht; unter dieser lag wieder die Eocänschicht, dann noch tiefer stieß man auf die Kreideformation und unter dieser wieder auf die Juraperiode und so fort.

Niemals fand man z. B. die Juraformation über der Kreide und diese wieder über der Tertiärformation.

Es ist doch sehr einleuchtend, daß die tieferliegenden Schichten älter sind, als die sich darüber befindenden und so konnten die Gelehrten mit Recht behaupten, daß die Tiere der Eocänzeit jünger waren als die der Kreide-, und die der Miocänzeit jünger als die der Eocänzeit.«

»Allerdings ist das sehr selbstverständilich,« nickte Wonström, »aber wenn du von dem Übergangsstadium sprichst, daß die Tiere zweier Epochen zusammen gelebt haben können, so wäre es ja gar nicht weiter merkwürdig, daß wir hier Altvögel getroffen haben.«

»O das ist sehr merkwürdig, weil zwischen der Eocän- und Juraperiode die Kreidezeit war.«

»Hm, ja, kannst recht haben, aber liegen dann die genannten Erdschichten alle so richtig übereinander?«

»Nein, überall nicht. Es kommt sogar sehr häufig vor, daß die oder jene Erdschicht ausgelassen ist, ja sogar, daß z. B. die Kreidezeit ganz obenauf liegt, wie in Frankreich in der Champagne, zwischen Rouen und Havre; und in Südengland, wo sich die Kreidefelsen zu Gebirgen erhoben haben und deren hohe weiße Küste ihm den Namen Albion gegeben hat.«

Wenn Eduard so recht erklären und belehren konnte, dann war er glücklich, und Wonström, dessen wissenschaftliche Bildung nach einer anderen Richtung hin geführt worden war, hörte mit großem Interesse Eduard's Weisheit zu.


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