James Fenimore Cooper
Die Monikins
James Fenimore Cooper

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Siebentes Kapitel.

Von einem Amphibium; eine ganz besondre Einführung und ihre Folgen.

Ich hatte bald Interesse an meinem neuen Bekannten. Er war mittheilend, klug und eigen; und obwohl er sich manchmal seltsam ausdrückte, geschah es doch mit der Kraft eines Mannes, der viel von wenigstens einem Theil seiner Mitmenschen gesehen. Unter solchen Umständen stockte denn die Unterhaltung nicht, im Gegentheil sie ward interessanter, da der Fremde anfing, seine Privatinteressen zu berühren. Er sagte mir, er sei ein Seemann, der durch einen der Zufälle seines Berufs an's Land geworfen worden; und um ein Wort zu seinen Gunsten einfließen zu lassen, gab er mir zu verstehen, daß er viel, besonders von jener Klasse seiner Mitmenschen gesehen, die wie er auf der mächtigen Tiefe leben.

»Ich fühle mich glücklich,« sagte ich, »einen Mann getroffen zu haben, der mir Nachricht über eine ganze Classe von Menschen geben kann, mit denen ich bis jetzt nur wenig Verbindung gehabt. Um die Gelegenheit auf's Beste zu benutzen, schlage ich vor, uns mit einem Male mit einander bekannt zu machen, und eine ewige Freundschaft zu schwören, – oder wenigstens so lange, bis wir es für dienlich finden mögten, die Verbindung wieder aufzuheben.«

»Ich, meines Theils, bin ein Mann, der die Freundschaft eines Hundes lieber hat, als seine Feindschaft,« erwiederte mein Gefährte mit einer Einfachheit, die ihn nicht viel Complimente machen ließ. »Ich nehme daher von ganzem Herzen das Anerbieten an, und um so lieber, weil Ihr der Einzige seid, den ich seit einer Woche getroffen, der mich fragen kann, wie ich mich befinde, ohne zu sagen: Come on dong portez vous? Da ich jedoch die Stürme kenne, werd' ich Euer Anerbieten unter der besagten Bedingung annehmen.«

Mir gefiel die Vorsicht des Fremden; sie zeigte eine gehörige Rücksicht auf Charakter und gab einen Beweis von Verantwortlichkeit. Die Bedingung ward daher von meiner Seite so freimüthig angenommen, wie sie von seiner vorgeschlagen worden.

»Und nun, Sir,« fuhr ich fort, nachdem wir einander herzlich die Hand geschüttelt, »darf ich um Euren Namen bitten?«

»Ich heiße Noah, und jeder darf's wissen, ich schäme mich keines meiner Namen, wenn ich mich auch sonst zu schämen hätte.«

»Noah – –?«

»Poke, zu dienen.« Er sprach das Wort langsam und sehr deutlich aus, als ob, was er von seinem Selbstvertrauen gesagt, wahr gewesen. Da ich späterhin seine Unterschrift erfuhr, will ich sie hier in ihrer gehörigen Form geben: »Capitain Noah Poke.«

»Aus welchem Theil von England seid Ihr, Herr Poke?«

»Ich denke, ich kann sagen, aus den neuen Theilen.«

»Ich wußte nicht, daß ein Theil der Insel so genannt würde. Wollt Ihr Euch gütigst näher erklären?«

»Ich bin von Stonington im Staat Connekticut, in Alt-Neu-England. Nachdem meine Eltern gestorben, ward ich in See geschickt, vier Jahr alt, und nun wandere ich in Frankreich herum, ohne einen Centime in der Tasche, ein schiffbrüchiger Seemann. Indeß, die Wahrheit zu sagen, hart wie mein Loos ist, würd' ich lieber Hungers sterben, als ihr verd – –s Zeug sprechen.«

»Schiffbrüchig, Seemann, verhungernd und ein Yankee!«

»All das und vielleicht noch mehr, obwohl, mit Eurer Erlaubniß, Commodore, wir den letzten Titel weglassen wollen. Ich bin stolz genug, mich selbst einen Yankee zu nennen, aber der Kamm steigt mir, wenn ich einen Engländer das Wort gebrauchen höre. Wir sind noch Freunde und wir können es auch bleiben, bis etwas Gutes einem oder dem andern daraus entsteht.«

»Ich bitte Euch um Verzeihung, Herr Poke, und will Euch nicht wieder beleidigen; habt ihr die Welt umsegelt?«

Capitain Poke schnippte mit den Fingern aus purer Verachtung über die Einfalt der Frage.

»Hat der Mond je die Erd' umschifft? Seht ein wenig hierher, Commodore;« er nahm einen Apfel aus seiner Tasche, deren er auf dem Weg schon ein halbes Dutzend verzehrt, und hielt ihn mir vor die Augen. »Zieht eine Linie, wie Ihr wollt, auf dieser Kugel, kreuzweis oder in die Länge, auf oder nieder, Zig-Zag oder senkrecht, und Ihr werdet nicht mehr Kreise finden, als ich um den alten Ball gemacht.«

»Zu Land wie zur See?«

»Ei, zu Land hab' ich meinen Theil auch gemacht, denn mein hart Geschick ist's gewesen, auf es anzurennen, wenn ein sanfteres Bett einen ruhigeren Schlaf verschafft hätte. Das ist grad meine jetzige Noth, denn ich schlenkere jetzt unter diesen Franzosen herum, um wieder flott zu werden, wie ein Krokodill, das im Schlamm steckt. Ich verlor meinen Schoner an der Nordostküste von Rußland, so etwa hier herum,« er deutete gerade auf die Stelle auf dem Apfel, »wir handelten dort mit Häuten, und da ich keine Mittel fand, die Heimath auf dem Weg, den ich gekommen, zu erreichen, und ich hier herunter zu Salzwasser roch, hab ich meinen Lauf die letzten achtzehn Monate westlich gesteuert, so daß es so ziemlich quer durch Europa und Asien ging, und bin nun endlich hier, von Havre zwei Tagreisen, und wenn ich gute Yankee-Bretter noch ein Mal unter mich bekommen kann, etwa achtzehn oder zwanzig Tagreisen von Hause.«

»Die Bretter erlaubt Ihr mir denn doch Yankee zu nennen?«

»Nennt sie, wie Ihr wollt, Commodore, obwohl ich Debby und Dolly von Stonington jedem andern vorziehen würde; denn das war der Name des Schiffs, das ich verlor. Nun, die besten von uns sind schwach, und der langathmigste ist kein Delphin, daß er mit dem Kopf unterm Wasser schwimmen kann.«

»Bitte, Herr Poke, erlaubt mir die Frage, wo Ihr das Englische mit so viel Reinheit sprechen lerntet?«

»Zu Stonington – –Ich hatte nie auch nur eine Messerspitze voll Gelehrsamkeit, ausser was ich zu Haus lernte. Es ist alles hausmachend. Ich rühme mich nicht, ein Gelehrter zu sein; aber in der Schifffahrt – seinen Weg zu finden um die Erde, – ich will Niemanden den Rücken kehren, ausser um ihn hinter mir zu lassen. Da haben wir Leute unter uns, die halten viel auf Geometrie und Astronomie, aber ich hänge nicht an so schwachen Fäden; meine Art ist, wenn ich irgendwohin fahren soll, mir die Stelle recht in den Sinn zu nehmen und dann gerade darauf los zu machen, wie es die Natur erlaubt, wenig bekümmert um Charten, die Euch eben so leicht unrecht als recht führen, und wenn sie Euch in eine Falle führen, ist es ein Elend! Verlaßt Euch auf Euch selbst und die Menschennatur, das ist meine Regel; obwohl ich zugebe, daß einiger Nutzen am Kompaß ist, besonders bei kaltem Wetter.«

»Kaltes Wetter! Ich verstehe das nicht.«

»Ei, ich meine, der Geruch wird einem stumpf beim Frost; aber das mag nichts weiter als Einbildung sein; indeß die zwei Mal, wo ich Schiffbruch gelitten, waren im Sommer, bei sehr starkem Wind und hellem Tagslicht, wo nichts Menschliches ausser einer Veränderung des Windes uns hätte retten können.«

»Und Ihr zieht diese Schifffahrt vor?«

»Allen andern, besonders im Robbenfang, was mein eigentliches Geschäft ist; es ist das beste Mittel in der Welt, Inseln zu entdecken, und Jeder weiß, daß wir Seehundsjäger immer nach so etwas lugen.«

»Wollt Ihr mir die Frage erlauben, wie oft Ihr um das Cap Horn herum seid, Capitain Poke.« Mein Schiffer warf einen schnellen mistrauischen Blick auf mich, als wenn er der Frage nicht traute.

»Ei, das ist weder hier noch da; vielleicht kam ich herum, vielleicht nicht. Ich komme in die Südsee mit meinem Schiff, und es liegt wenig daran, wie? Eine Haut gilt ganz eben so viel auf dem Markt, wenn auch der Pelzhändler kein Verzeichniß über den Weg hat, den sie gemacht.«

»Ein Verzeichnis?«

»Was liegt an dem Wort, Commodore, wenn man sich versteht? Diese Landreise hat mich erfindrisch gemacht. Denn Ihr müßt wissen, daß ich unter Völkern gereist bin, die nicht eine Sylbe von dem Hausmachenden sprechen konnten. So nahm ich des Schooners Dictionnair wie einen Landalmanach mit, und da sie zigeunerisch mit mir sprachen, hielt ich's für's Beste, es ihnen so ziemlich in ihrer eignen Münze zurückzugeben, in der Hoffnung, auf etwas zu treffen, was ihnen anstehen würde. Dadurch habe ich eine etwas geläufigere Zunge als gewöhnlich bekommen.«

»Die Idee war glücklich.«

»Freilich, war sie es, wie eben gezeigt. Aber nachdem ich Euch eine ziemlich klare Einsicht in meine Natur und Beschäftigung gegeben, ist es Zeit, daß ich Euch auch ein wenig ausfrage. Das ist etwas, was wir häufig zu Stonington thun, und worin wir gemeiniglich für geschickt gehalten werden.«

»Thut Eure Fragen, Capitain Poke, ich hoffe, die Antworten werden befriedigend sein.«

»Euer Name?«

»John Goldenkalb, durch die Gnade Seiner Majestät Sir John Goldenkalb Baronet.«

»Sir John Goldenkalb, durch die Gnade Seiner Majestät Baronet! Ist Baronet ein Gewerbe? oder was für ein Geschöpf oder Ding ist es?«

»Es ist der Rang im Königreich, wozu ich gehöre.« »Ich fange an zu verstehen, was Ihr meint. Unter Eurem Volk sind die Menschen, was man nennt, in Reihen abgetheilt, wie eine Schiffsmannschaft, die beordert wird; jeder hat seine bestimmte BerthEin seemännischer Ausdruck; bedeutet Anstellung, Rangordnung im Schiff. d. Ü. in Eurem Reich, ganz wie in einem Schooner.«

»Ganz so, und ich denke, Ihr werdet zugeben, daß Ordnung, Schicklichkeit und Sicherheit aus dieser Methode unter den Seeleuten entspringt.«

»Freilich, freilich; wir machen jedoch die Eintheilung bei jeder Reise immer wieder anders, ich weiß nicht, ob es sich thun ließe, auch nur den Koch immer von Vater zu Sohn zu nehmen, das möchte ein schönes Gemengsel geben.«

Hier that der Seemann eine Reihe Fragen mit einer Kraft und Ausdauer, die, fürcht' ich, mir nicht eine einzige Thatsache meines Lebens verborgen ließ; nur was das heilige Gefühl, das mich an Anna band, betrifft, ausgenommen, und was viel zu hehr war, um mir selbst in der Feuerprobe unter einem Stoningtoner Inquisitor zu entschlüpfen. Kurz, da ich mich fast hilflos in solchen Händen fand, machte ich aus der Noth eine Tugend, und ließ meine Geheimnisse aus, wie das Holz unter einer Schraube das Wasser. Es war kaum möglich, daß meine Seele, der Wirkung eines solchen Paares moralischer Pressen unterworfen, nicht einige Winke über ihre vorherrschenden Neigungen hätte geben sollen. Der Capitain erhaschte diese Spur, und stürzte auf die Theorie los, wie ein Bullenbeißer nach dem Rüssel eines Ochsen.

Um mich ihm daher gefällig zu zeigen, ließ ich mich in einiger Länge in Erklärung meines Systems ein. Nach den allgemeinen Bemerkungen, die nöthig waren, um einem Fremden einen Blick in dessen Hauptgrundsätze zu geben, sagte ich ihm, daß ich mich lange nach einem solchen Mann umgesehen, zu einem Zweck, der jetzt dem Leser mitgetheilt werden soll. Ich hatte freilich einige Verbindungen mit Tamamaah unterhalten und war bei den Perlenfischereien und dem Wallfischfang interessirt, aber im Ganzen waren meine Verbindungen mit all jenem Theil der Menschheit, die die Insel des stillen Meers, die Nordwestküste von Amerika und die Nordostküste der alten Welt bewohnen, doch etwas lose und gemeiniglich in einem ungeordneten und wirren Zustand; und so schien ich mir denn ganz besonders dadurch begünstigt, daß mir die Vorsehung auf eine so ungewöhnliche Weise einen Mann gerade in den Weg geworfen, der so sehr zu deren Wiederbelebung und Herstellung geeignet war. Ich schlug ihm daher jetzt freimüthig vor, eine Expedition auszurüsten, theils zum Handel, theils zur Entdeckung, die meine Interessen in dieser neuen Richtung ausdehnen sollte, und meinen neuen Bekannten an ihrer Spitze hätte. Zehn Minuten ernster Darlegung meiner Seits waren hinreichend, meinem Gefährten die Hauptsache des Plans mitzutheilen. Als ich diesen direkten Aufruf an seinen Unternehmungsgeist beendet, antwortete er mir mit seinem Lieblingsausruf »König.«

»Ich wundre mich nicht, Kapitain Poke, daß Eure Verwunderung auf diese Weise ausbricht, denn ich denke, nur wenige gehen auf die Schönheit dieses wohlthätigen Systems ein, ohne gleichfalls von dessen Größe und Einfachheit betroffen zu werden. Aber ich rechne auf Euren Beistand.«

»Das ist eine neue Idee, Sir Goldenkalb!« –

»Sir John Goldenkalb, bitte Sir.«

»Eine neue Idee, Sir John Goldenkalb, und es braucht Umsicht. Umsicht bei einem Handel ist der sicherste Weg, gerade ohne Mißverständnisse durchzusteuern. Ihr wünscht einen Schiffer, Eure Ladung, welche es auch sei, in unbekannte See'n zu führen, und ich wünsche natürlicher Weise meinen Lauf gerade nach Stonington zu nehmen. Ihr seht, unser Handel ist gleich beim Anfang in der Erdferne!«

»Geld ist bei mir kein Hinderniß, Kapitain Poke.«

»Nun, das ist eine Idee, die manch schwierigen Contract mit einem Mal in die Erdnähe gebracht, Sir John Goldenkalb. Geld ist bei mir immer eine gar beträchtliche Rücksicht, und ich muß sagen, gerade jetzt weit mehr als gewöhnlich. Aber wenn ein Herr auf so schöne Art den Weg sauber macht, wie Ihr, kann man jeden Handel für mehr als halb zu Stande gekommen betrachten.« Einige nähere Verhandlungen brachten dieß in die Reihe, und Capitain Poke, nahm meine Bedingungen mit dem Geist der Freimüthigkeit an, indem sie ihm gemacht worden. Vielleicht ward sein Entschluß beschleunigt durch ein Anerbieten von zwanzig Napoleons, das ich nicht verfehlte auf der Stelle zu machen. Freundschaftliche und gewisser Maßen vertrauliche Verbindungen traten nun zwischen meinem neuen Bekannten und mir ein, und wir setzen unsern Weg fort, immer die zur Ausführung unsers Plans nöthigen Einzelheiten besprechend. Nachdem eine oder zwei Stunden auf diese Weise vergangen, lud ich meinen Gefährten in mein Hotel ein, da ich ihn an meiner Tafel haben wollte, bis wir beide nach England abreisen könnten, wo mein Plan war, ohne weitern Aufschub ein Schiff für die beabsichtigte Reise zu kaufen, auf dem ich mich auch in eigner Person einschiffen wollte.

Wir mußten uns durch den Haufen drängen, der gewöhnlich den untern Theil der Champs Elisées bei gutem Wetter und gegen Abend erfüllt. Das war beinahe vollbracht, als meine Aufmerksamkeit ganz besonders auf eine Gruppe gezogen ward, die eben in den Sammelplatz eintrat, offenbar um die Scene der Müßigkeit und Lust zu vermehren. Aber da ich jetzt an den wesentlichsten Theil dieses ausserordentlichen Werks komme, wird es gut sein, die Eröffnungen einem neuen Kapitel aufzubewahren.


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