James Fenimore Cooper
Die Monikins
James Fenimore Cooper

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Achtes Kapitel.

Einführung vier neuer Charaktere, einige philosophische Winke und Hauptgedanken über Staatsökonomie.

Die Gruppe, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog, bestand aus sechs Individuen, zwei waren Thiere von dem Genus »homo,« oder was gemeinlich genannt wird »Mensch« und die übrigen aus der Ordnung »primates,« Classe »mammalia« oder nach gewöhnlichem Sprachgebrauch »Affen« (Monikins.)

Die ersteren waren Savoyarden und können im Allgemeinen beschrieben werden als: »ungewaschen, zerlumpt und gefräßig,« in Farbe: »dunkelbraun,« in Zügen und Ausdruck: »habgierig und verschlagen,« und in Neigungen und Appetit: »alles verschlingend.« Die andern waren von der gewöhnlichen Art, gewöhnlichen Größe und erprobter Ernsthaftigkeit. Es waren zwei von jedem Geschlecht, ziemlich gleichgepaart nach Jahren und äußeren Vorzügen.

Die Affen waren alle mehr oder weniger in die gewöhnlichen Kleidungsstücke unsrer modernen Europäischen Civilisation gekleidet; aber besondre Sorgfalt war auf die Toilette des ältern der zwei Männchen verwandt worden. Dieß Individuum hatte einen Husaren-Wamms an, ein Umstand, der einem besondern Theil seines Körpers einen militairischeren Contour gegeben haben würde, als sein eigentlicher Charakter mit sich brachte, wäre nicht ein rother Weiberrock gewesen, der kürzer gemacht war als gewöhnlich, weniger jedoch, in der Absicht, einen seinen Fuß und Knöchel zu zeigen, als um den untern Gliedmaßen volle Freiheit zur Ausführung gewisser übertriebenen Anstrengungen zu lassen, die die Savoyarden unbarmherzig von seiner natürlichen Behendigkeit verlangten. Er hatte einen dreieckigen Hut, verziert mit einigen zerknitterten Federn, eine weiße Cocarde und ein hölzernes Schwert. Ausser diesem letztern führte er in der Hand einen kleinen Besen.

Als sie meine Aufmerksamkeit auf ihren Haufen bemerkten, begannen die übelberathenen Savoyarden alsbald eine Reihe von Vorstellungen im höheren Tanz, ohne allen Zweifel in der einzigen Absicht, meine Neugier auszubeuten. Die unschuldigen Opfer dieses Akts thierischer Tyrannei unterwarfen sich mit einer Geduld, die der tiefsten Philosophie würdig gewesen, und begegneten den Wünschen ihrer Herrn mit einer Bereitwilligkeit und einem Geschick, die ganz über alles Lob erhaben waren. Der eine kehrte den Boden, ein andrer sprang einem Hund auf den Rücken, ein dritter drehte sich um sich selbst herum, nochmals und nochmals, ohne auch nur ein Murren auszustoßen, und der vierte bewegte sich graziös hin und her wie ein junges Mädchen in einer Quadrille. All dieß hätte unbemerkt vorübergehen mögen (denn leider! sind solche Schauspiele nur zu häufig) wären nicht gewisse beredte Zusprüche gewesen, die mir das Individuum in der Husaren-Jacke mit den Augen machte; sein Blick war selten für einen Augenblick von mir gewandt, und so trat bald ein schweigender Verkehr zwischen uns ein. Ich bemerkte, daß sein Ernst unverwüstlich war. Nichts konnte ein Lächeln, eine Veränderung in seinem Antlitz hervorbringen; gehorsam der Peitsche seines brutalen Herrn, verweigerte er nie den verlangten Sprung, minutenlang auf ein Mal beschrieben seine Beine, sein Rock, wirre Kreise in der Luft, und schienen für immer von der Erde Abschied genommen zu haben; aber, die Anstrengung vollbracht, stieg er immer wieder zur Erde herab, mit einer ruhigen Würde, mit einer Haltung, welche zeigte, wie wenig der innere Affe Theil nahm an den wilden Sprüngen des äußeren Thiers. Ich zog meinen Gefährten ein wenig bei Seite, und wagte ihm einige Gedanken in dieser Hinsicht mitzutheilen.

»Wirklich, Capitain Poke, es scheint mir große Ungerechtigkeit, die armen Geschöpfe so zu behandeln,« sagte ich. »Welches Recht haben die zwei schelmisch aussehenden Schurken, für's Auge weit interessantere, und ich darf wohl sagen, verständigere Wesen, als sie selbst sind, aufzugreifen, und sie mit Schlägen und ohne Rücksicht auf ihr Gefühl oder ihre Geneigtheit zu zwingen, ihre Beine auf diese übertriebene Art herumzuwerfen? Ich sage Euch, dies Verfahren scheint mir unerträglich tyrannisch, und fordert schnelle Abhülfe.«

»König!«

»König oder Unterthan, es ändert nichts in der moralischen Häßlichkeit der Handlung. Was haben diese unschuldige Wesen gethan, sie dieser Noth zu unterwerfen? Sind sie nicht Fleisch und Blut wie wir? Nähern sie sich nicht am meisten unsrer Gestalt, und, denn was wissen wir vom Gegentheil, unsrer Vernunft? Ist es erträglich, daß unser nächstes Ebenbild, unsre wahren Vettern, so behandelt werden sollten? Sind sie Hunde, daß sie wie Hunde behandelt werden?«

»Ei, nach meiner Meinung, Sir John, gibt es keinen Hund auf der Erde, der solche Sprünge machen könnte. Ihre Purzelbäume sind wirklich ganz außerordentlich.«

»Ja, und mehr als außerordentlich; sie sind tyrannisch. Setzt Euch, Herr Poke, einen einzigen Augenblick an die Stelle eines dieser Individuen. Denkt, Ihr hättet eine Husarenjacke über Eure braunen Schultern gemuffelt, einen Weiberrock über Eure untern Theilen; einen dreieckigen Hut mit zerknitterten Federn auf dem Kopf, ein hölzernes Schwert an Eurer Seite und einen Besen in der Hand! Diese zwei Savoyarden drohten Euch mit Streichen, bis Ihr zur Belustigung Fremder Sprünge machtet. Ich bitte Euch nur, den Fall zu dem Euren zu machen, und dann zu sagen, wie Ihr Euch benehmen, was Ihr thun würdet?«

»Ich würde ohne Anstand diese jungen Schelme fegen, Sir John, das Schwert und den Besen an ihren Köpfen zerschlagen, ihnen die Sinne wecken, bis sie nicht mehr sehen könnten, und meinen Lauf nach Stonington richten, wohin ich gehöre.«

»Ja, Herr, das ginge mit den Savoyarden, die jung und schwach sind, –«

»Es würde nichts an der Sache ändern, wenn zwei von diesen Franzosen an ihrer Stelle wären,« fiel der Capitain ein und spähte wie ein Wolf um sich herum. »Euch's gerade herauszusagen, Sir John, als Mensch würde ich mich solchen Affenspässen nicht unterwerfen.«

»Gebraucht nicht, Herr Poke, diesen Ausdruck als Vorwurf, ich bitte; wir nennen diese Thiere zwar Affen, aber wir wissen nicht, wie sie sich selbst nennen. Der Mensch ist nur ein Thier, und Ihr müßt wissen –«

»Hört, Sir John,« fiel der Capitain ein, »ich bin kein Botaniker, und will nichts weiter von der Gelehrsamkeit wissen, als was ein Seemann braucht, um seinen Weg um die Welt zu finden; aber was das betrifft, daß der Mensch ein Thier wäre, will ich Euch jetzt nur fragen, ob nach Eurer Meinung ein Schwein auch ein Thier ist?«

»Ohne Zweifel, und Flöhe und Kröten und Seeschlangen und Eidechsen und Wasserteufel. Wir sind alle nicht mehr und nicht weniger als Thiere.«

»Nun, wenn ein Schwein ein Thier ist, will ich die Verwandtschaft anerkennen; denn bei meiner Erfahrung, die nicht gering ist, bin ich auf Menschen getroffen, die Ihr in jeder Hinsicht, nur Borsten, Schnauze und Schwanz ausgenommen, hättet für Schweine halten mögen. Ich will nicht läugnen, was ich mit eignen Augen gesehen, obwohl ich darunter leide, und deswegen, da Schweine Thiere sind, ist es mehr als wahrscheinlich, daß auch einige Menschen Thiere seyn müssen.«

»Wir nennen diese interessanten Wesen, Affen, aber woher wissen wir, daß sie das Compliment nicht wieder geben, und uns in ihrer eignen Sprache auf ganz ebenso beleidigende Art heißen? Es schickte sich für unser Geschlecht, billigere und philosophischere Gesinnungen zu zeigen, und diese interessanten Fremdlinge als eine unglückliche Familie zu betrachten, die Thieren in die Hände gefallen, und auf jede Weise auf unser Erbarmen und unsre thätige Verwendung ein Recht haben. Bis jetzt habe ich noch niemals meine Gefühle für die thierische Welt durch eine Actie auf Vierfüßler gehörig erregt, aber es ist meine Absicht, morgen meinem Englischen Agenten zu schreiben, einen Pack Hunde zu kaufen, und eine gehörige Masse Pferde, und um so lobenswerthe Entschlüsse zu beschleunigen, werde ich sogleich den Savoyarden wegen der schleunigen Emancipation dieser Familie liebenswürdiger Fremdlinge Anerbietungen machen. Der Sclavenhandel ist ein unschuldiger Zeitvertreib im Vergleich mit der grausamen Unterdrückung, die der Herr mit dem dreieckigen Hut besonders erleiden muß.«

»König!«

»Er mag freilich in seinem Lande, Capitain Poke, ein König sein; ein Umstand, der zehenfache Schmerzen zu seinem unverdienten Leiden hinzufügen würde.«

Hiermit schritt ich ohne viel Umstände zu Unterhandlungen mit den Savoyarden. Die vernünftige Anwendung von einigen Napoleons brachte bald ein glückliches Verständnis zwischen den contrahirenden Theilen hervor, wo denn die Savoyarden meinen Händen die Stränge, welche ihre Vasallen hielten, als das förmliche, gewöhnliche Anerkenntniß des Eigenthumsrechts, überlieferten. Die drei andern der Obhut des Herrn Poke überlassend, führte ich das Individuum in der Husaren-Jacke ein wenig bei Seite, und meinen Hut abnehmend, um ihm zu zeigen, daß ich über das gemeine Gefühl der Lehnsoberherrschaft hinaus wäre, redete ich ihn kurz mit folgenden Worten an:

»Obwohl ich dem Anschein nach das Recht erkauft habe, welches diese Savoyarden über Eure Personen und Dienste zu haben behaupteten, ergreife ich sogleich die Gelegenheit, Euch zu benachrichtigen, daß der Sache nach Ihr jetzt frei seid. Da wir uns jedoch unter einem Volke befinden, das Eure Raçe in Unterwürfigkeit zu sehen gewohnt ist, möchte es nicht klug seyn, das Wesen unsrer jetzigen Verhandlung bekannt zu machen, damit nicht eine neue Verschwörung gegen Eure natürlichen Rechte eintrete. Wir wollen uns daher sogleich in mein Hotel zurückziehen, wo Euer künftiges Glück der Gegenstand unsrer reiferen und vereinten Betrachtungen sein soll.«

Der ehrbare Fremde in der Husarenjacke hörte mich mit unnachahmbarem Ernste und Selbstbeherrschung an, bis in der Wärme des Gefühls ich einen Arm in ernster Gesticulation erhob, wo er denn, wahrscheinlich überwältigt von den Regungen des Entzückens, die in seinem Busen natürlich bei einem so plötzlichen Wechsel seines Schicksals erweckt wurden, drei Sprünge oder Purzelbäume, wie Capitain Poke seine Evolutionen recht passend genannt hatte, in so schneller Aufeinanderfolge machte, daß es für einen Augenblick zweifelhaft war, ob die Natur seinen Kopf oder seine Fersen obenhin gestellt.

Ich gab Capitain Poke ein Zeichen mir zu folgen, und wir nahmen nun gerade unsern Weg nach der Straße Rivoli. Wir wurden von einer beständig wachsenden Menge begleitet, bis das Thor des Hotels überschritten war; und ich war froh, meine Schutzbefohlenen sicher unter Obdach zu sehen, denn reichliche Anzeichen eines zweiten auf ihre Rechte abgesehenen Plans waren da in den Drohungen und Spöttereien der lebhaften Menge, die uns gleichsam auf den Fersen nachstürzte.

Als ich in mein Zimmer kam, legte ein Kourier, der auf meine Heimkunft gewartet hatte, und eben expreß von England angekommen war, ein Packet in meine Hand, mit der Nachricht, es käme von meinem Hauptagenten in England. Schnelle Befehle wurden gegeben, für die Bequemlichkeit und Bedürfnisse des Capitain Poke und der Fremden zu sorgen (Befehle, die nicht leicht vernachläßigt wurden, da Sir John Goldenkalb bei den bekannten Einkünften von drei Millionen Franken jährlich unbegrenzten Credit bei allen Bewohnern des Hotels hatte) und ich eilte in mein Kabinet und setzte mich eiligst hin, die verschiednen Mittheilungen zu lesen.

Ach, es war keine Zeile von Anna dabei. Das hartnäckige Mädchen spielte noch mit meinem Elend, und aus Rache faßte ich auf einen Augenblick den Entschluß, Mahmuds Lehre anzunehmen, um das Recht zu haben, einen Harem zu errichten.

Die Briefe waren von mancherlei Correspondenten, und unter ihnen viele von solchen, denen ich die Sorge für meine Interessen in sehr entgegengesetzten Theilen der Welt aufgetragen hatte. Eine halbe Stunde vorher verlangte mich's sterblich darnach, intimere Verbindungen mit den interessanten Fremden anzuknüpfen, aber meine Gedanken nahmen alsbald eine neue Richtung, und ich fand, daß die peinlichen Gefühle, die ich über ihre Wohlfahrt und Glück gehabt, sich ganz in dem eben erweckten Interesse verloren, das vor mir lag. Auf diese einfache Weise bringt ohne Zweifel das System, dessen Anhänger ich bin, keinen geringen Theil seiner großen Endzwecke hervor. Nicht sobald wird ein Interesse peinlich durch Uebermaaß, als schon ein neues sich erhebt, um die Gedanken zu zerstreuen, und eine neue Anforderung an die Gefühle gemacht wird; indem es nun so unsre Neigungen von der Heftigkeit der Selbstsucht zu dem linderen und gleichförmigeren Gefühl der Unparteilichkeit herabstimmt, bringt es gerade jenen richtigen und edlen Zustand des Geistes hervor, nach welchem die Staatsökonomen streben, wenn sie sich über die Glorie und Vortheile ihrer Lieblingstheorie vom gesellschaftlichen Anhaltpunkt auslassen.

In dieser glücklichen Gemüthsstimmung machte ich mich an's Lesen der Briefe mit Eifer und mit dem herrlichen Entschluß, die Vorsehung zu verehren und Recht zu thun – fiat justitia, ruat coelum!

Das erste Schreiben war von dem Agenten des vornehmsten Westindischen Landguts. Er benachrichtigte mich, daß alle Hoffnung einer zu erwartenden Ernte durch einen Orkan zerstört sei, und bat, ich möchte die nöthigen Mittel herbeischaffen, die Geschäfte der Pflanzung fortzuführen, bis die nächste Ernte den Verlust wieder ausgliche. Als Geschäftsmann bildete ich mir auf pünktliche Ordnung etwas ein, und ehe ich daher ein zweites Siegel erbrach, wurde ein Brief an einen Bankier in London geschrieben, mit dem Auftrag, den nöthigen Credit anzuschaffen, und den Agenten in West-Indien davon zu benachrichtigen. Da er Parlamentsmitglied war, ergriff ich die Gelegenheit, ihm auch die Notwendigkeit an's Herz zu legen, daß die Regierung schnelle Maßregeln zum Schutz der Zuckerpflanzer treffe, einer sehr verdienstvollen Classe von Unterthanen, deren Gefahren und wirkliche Verluste laut Hülfe dieser Art erheischten. Als ich den Brief schloß, konnte ich mich nicht erwehren, mit Wohlgefälligkeit bei dem Eifer und der Schnelligkeit zu verweilen, womit ich gehandelt hatte, – ein sichrer Beweis von dem Nutzen der Theorie der Kapitalanlegung.

Die zweite Mittheilung war von dem Verwalter eines Ostindischen Besitzthums, die sehr zum Glück mit ihrer Anerbietung kam, die durch den Verlust der eben erwähnten Ernte entstandne Lücke auszufüllen. Zucker würde wahrscheinlich ein Handelsartikel für die Halbinsel werden, und so sagte denn mein Correspondent, da die Transportkosten so viel größer wären als von den andern Kolonien, dieser Vortheil ganz verloren gehen würde, wenn nicht die Regierung etwas thäte, dem Ostindier wieder zu seiner natürlichen Gleichheit zu verhelfen. Ich schloß diesen Brief in einen an Lord Sagund- Thu, der ja im Ministerium war, und fragte ihn in sehr lakonischen und spitzen Worten, ob das Reich wohl gedeihen könne, wenn zum Nachtheil aller andern ein Theil davon im Besitz ausschließlicher Vortheile bliebe? Da diese Frage in wahrhaft englischem Geiste gestellt war, hoffe ich, trug sie etwas dazu bei, Seiner Majestät Ministern die Augen zu öffnen; denn kurz nachher wurde viel in den Journalen und im Parlament über die Notwendigkeit gesprochen, unsere Ostindischen Mitbürger zu schützen, und natürliche Gerechtigkeit durch Feststellung der Nationalwohlfahrt auf die einzige sichre Basis des freien Handels ergehen zu lassen.

Der nächste Brief war von dem das Geschäft betreibenden Associé einer großen Manufaktur, welchem ich die eine ganze Hälfte des Capitals vorgestreckt hatte, um in eine teilnehmende Verbindung mit den Baumwollespinnern zu treten. Der Correspondent beklagte sich bitter über den Eingangszoll auf den rohen Artikel, machte einige spitze Anspielungen auf die wachsende Concurrenz in Amerika und auf dem Continent, und gab ziemlich klar zu verstehen, daß der Inhaber des Fleckens Householder bei einer Frage von solcher Wichtigkeit für die Nation sich der Verwaltung fühlbar machen sollte. Bei diesem Wink sprach ich. Ich setzte mich auf der Stelle hin und schrieb meinem Freunde Lord Pledge einen langen Brief, worin ich auf die Gefahr hinwies, die unsrer Staatsökonomie drohte; wir ahmten die falschen Theorien der Amerikaner nach (der Landsleute des Capitain Poke), die Gewerbe aber gediehen gewiß nie so, als wenn sie erfolgreich wären, daß Erfolg von den Anstrengungen abhinge und die Anstrengungen am wirksamsten wären, wenn am wenigsten belastet, und mit einem Wort, daß wie es augenscheinlich sei, der Mensch würde weiter springen, wenn er nicht in Fußangeln wäre, und härter schlagen ohne Handfesseln, so es auch von selbst einleuchte, daß der Kaufmann bessere Geschäfte für sich machte, wenn er die Sachen alle nach seiner Weise und woher er wolle, bekäme, als wenn sein Unternehmungsgeist und Kunstfleiß durch die unbefugte und selbstische Einmischung der Interessen andrer beengt würde. Zum Schluß folgte eine beredte Beschreibung der demoralisirenden Folgen des Schmuggels und ein stechender Angriff auf die Tendenzen der Taxen im Allgemeinen. Ich habe zu meiner Zeit manches gute gesagt und geschrieben, wie mir selbst mehrere meiner Clienten beschworen haben, und zwar auf eine Weise, daß selbst angeborne Bescheidenheit es nicht abweisen kann, aber man wird mir die Schwachheit vergeben, wenn ich jetzt hinzufüge, daß dieser Brief an Lord Pledge so schöne Sachen enthielt, als ich mir nur etwas in dieser Hinsicht erinnern konnte. Der letzte Satz war offenbar die feinste und best turnirtste Moral, die ich je vorgebracht.

Der Brief, Nummer vier, war vom Verwalter der Besitzungen zu Householder. Er sprach von der Schwierigkeit, die Renten einzutreiben, eine Schwierigkeit, die er ganz allein dem niederen Preis des Getreides zuschrieb. Er sagte, es würde bald nöthig werden, einige Meiereien von neuem zu verpachten, und fürchtete, das gedankenlose Schreien gegen die Korngesetze möchte auf die Bedingungen dabei Einfluß haben. Es läge dem Interesse der Landeigenthümer ob, ein Auge auf die Volkstendenzen in Hinsicht dieses Punktes zu haben, denn jede wesentliche Abänderung des gegenwärtigen Systems würde mit einem Schlag wenigstens um 30 pCt. die Einkünfte von allen Getreide erzeugenden Grafschaften verringern. Er schloß mit einem sehr harten Tadel gegen die Agrarier, eine Parthei, die sich gerade damals ein wenig in Großbritannien bemerklich machte, und mit einer seinen Wendung bewies er vollständig, daß der Schutz des Landeigenthümers und die Aufrechthaltung der protestantischen Religion unauflöslich mit einander zusammenhingen. Auch ein kräftiger Aufruf an den gesunden Menschenverstand der Bürger über die vom Volk für sich selbst zu befürchtende Gefahr folgte; er behandelte dieß auf eine Weise, daß, ein wenig mehr ausgeführt, es eine herrliche Rede über die Rechte des Menschen gegeben haben würde.

Ich glaube, ich dachte über den Inhalt dieses Briefs eine volle Stunde nach. Der Verfasser davon, John Dobbs, war ein so ehrlicher, würdiger Bursche, als vielleicht je einer lebte; und ich konnte nicht anders als die erstaunliche Menschenkenntnis bewundern, die sich in jeder Zeile zeigte. Etwas mußte geschehen, das war klar; und zuletzt beschloß ich, den Ochsen bei den Hörnern zu nehmen, und mich mit einem Male an Herrn Huskisson zu wenden, als den kürzesten Weg, um an das Uebel zu kommen. Er war der politische Repräsentant aller neuen Ideen in Betreff unsrer ausländischen Handelspolitik; und indem ich auf eine feste Weise die schrecklichen Folgen seines bis auf's Aeußerste getriebenen Systems ihm vorlegte, hoffte ich, könnte noch etwas geschehen für die Eigentümer eines festen Besitzes, die Gebeine und Nerven des Landes.

Ich will nur noch hier hinzufügen, daß Herr Huskisson mir eine sehr höfliche und männliche Antwort zurückschickte, worin er sich gegen jede Absicht, auf irgend eine Weise ungehörig in Britische Interessen sich zu mischen, vertheidigte; Taxen seien unserm System nothwendig, und jedes Volk sei selbst der beste Richter über seine Mittel und Hülfsquellen, er aber strebe nur nach Aufstellung gerechter, edelmüthiger Grundsätze, wodurch Nationen, die mit Britischen Maßregeln nichts zu schaffen hätten, sie auch nicht auf ungehörige Weise anwenden möchten – gewisse ewige Wahrheiten sollten wie eben so viele wohlgebaute Fässer, jede auf ihrem eignen Boden stehen. Ich muß sagen, mir gefiel diese Aufmerksamkeit von einem allgemein als so tüchtig anerkannten Manne als Herr Huskisson, und von jener Zeit an ward ich ein Anhänger seiner meisten Ansichten.

Die nächste Mittheilung, die ich aufmachte, war vom Aufseher über meine Besitzungen in Louisiana; er benachrichtigte mich, der allgemeine Stand der Dinge in jenem Theil der Welt sei günstig, aber die Blattern hätten sich unter den Negern gezeigt, und die Arbeiten der Plantagen würden alsbald noch fünfzehn kräftige Männer mit dem gewöhnlichen Anhang von Weibern und Kindern verlangen. Er fügte hinzu, die Amerikaner hinderten die fernere Einbringung von Schwarzen aus irgend einem Lande ausserhalb der Union, aber ein sehr lebhafter und gewinnreicher Binnenhandel werde in diesem Artikel getrieben, und entweder von Carolina, von Virginien oder Maryland könnte man zu rechter Zeit den erforderlichen Zuschuß erhalten. Doch gab er zu, unter dem Vorrath dieser verschiedenen Staaten sei wieder eine Wahl zu treffen, und sie erfordere einige Umsicht. Der Neger aus Karolina sei mehr an's Baumwollenfeld gewöhnt, habe weniger Kleidung nöthig, und wie die Erfahrung gezeigt, könne mit Bückingen genährt werden, während dagegen der Neger weiter nördlich den feinsten Instinkt habe, manchmal denken könne, ja man ihn sogar hätte predigen hören, wenn er bis nach Philadelphia hinaufgekommen. Er liebe auch sehr Schinken und Geflügel. Vielleicht wäre es nicht übel, Exemplare von allen verschiedenen Vorräthen auf dem Markte zu kaufen.

In meiner Erwiederung stimmte ich dem letztern bei, und sprach von der Nützlichkeit, einen oder zwei von den höhern Casten aus dem Norden zu erhalten. Ich hätte nichts gegen das Predigen, wenn sie zur Arbeit predigten, aber ich warnte den Aufseher besonders vor Sektirern. Das Predigen an und für sich könnte keinen Schaden thun, alles hinge von der Lehre ab.

Dieser Rath ward als das Ergebniß vieler ernster Beobachtungen gegeben. Jene europäischen Staaten, die am hartnäckigsten der Einführung der Wissenschaften widerstanden, hätten, wie ich kürzlich bemerkt, ihr System geändert, und verführen nun nach dem Grund, »Feuer Feuer bekämpfen zu lassen.« Sie nähmen schnell ihre Zuflucht zum Schreiben von Schulbüchern, und zwar ohne andre Vorsicht, als daß sie sie selbst schrieben, durch diese sinnreiche Erfindung werde Gift in Nahrung verwandelt und die Wahrheiten für alle Classen mit Einem Male über die Gefahren des Disputirens und der Ketzerei hinausgesetzt.

Nachdem ich dem Louisianer geholfen, wandte ich mich mit Freuden zur Eröffnung des sechsten Siegels. Das Schreiben war von dem wirklichen Vorstand einer Gesellschaft, zu deren Fonds ich reichlich beigetragen, um mich nämlich auch für Wohlthätigkeitsanstalten zu interessiren. Es war mir, kurz ehe ich die Heimath verlassen, aufgefallen, daß so positive Interessen, wie ich sie größten Theils hatte, den Geist leicht weltlich machten, und ich sah kein andres Auskunftsmittel gegen solch ein Uebel, als eine Verbindung mit den Heiligen zu suchen, um der gefährlichen Neigung ein Gegengewicht zu halten. Eine glückliche Gelegenheit zeigte sich in den Bedürfnissen der »Philo-Africanischen-Anti-Correctionel-Frei-Arbeit-Gesellschaft,« deren verdienstvollen Bemühungen aus Mangel an der großen Wohlthätigkeits-Kraft, dem Geld, eben aufhören sollte. Ein Wechsel von 5000 Pfd. erwarb mir die Ehre eines Mitglieds und Patrons, und ich weiß nicht warum, aber sicher ist, er machte, daß ich mit weit größerm Interesse nach den Resultaten davon fragte, als ich sonst früher bei irgend einem andern Institut gethan hatte. Vielleicht entstand diese wohlthätige Aengstlichkeit aus jenem Prinzip in unsrer Natur, welche uns veranlaßt, nach allem zu sehen, was ein Mal unser gewesen, so lange wir noch einen Theil davon erblicken können.

Der Hauptvorstand nun dieser Gesellschaft schrieb, einige der Spekulationen, die pari passu mit der Wohlthätigkeit gegangen, seien glücklich gewesen, und daß die Actieninhaber nach den Grundbestimmungen der Association zu einer Dividende berechtigt seien, aber – wie oft steht dieses Wort zwischen Becher und Lippe, – aber er sei der Meinung, die Errichtung einer neuen Faktorei an einem Punkt, wo die Sklavenhändler sich am meisten einfänden und Goldstaub und Palmöl in den größten Mengen und folglich zu den niedrigsten Preisen zu haben wären, würde gleicher Maßen Handel und Menschenliebe begünstigen. Durch eine vernünftige Anwendung unsrer Mittel könnten diese beiden Interessen, wie Ursache und Wirkung, so als Wirkung und Ursache gar schön Hand in Hand gehen; den Schwarzen würde eine unberechenbare Menge von Noth erspart, den Weißen aber eine schwere Sündenlast abgenommen, und die besondere Agenten eines so augenscheinlichen Guts könnten mit allem Recht wenigstens 40 pCt. das Jahr von ihrem Geld berechnen, während sie noch als Zugabe ihre Seelen retteten. Ich stimmte natürlich einem an sich so vernünftigen Vorschlag, der noch ausserdem so offenbare Vortheile darbot, von ganzem Herzen bei.

Das nächste Schreiben war vom Chef eines großen Handlungshauses in Spanien, wo ich einige Actien genommen, und dessen Interessen für einige Zeit, durch die Unruhen im Volke, in Unordnung gekommen, das für wirkliche oder eingebildete Bedrückungen Abstellung verlangte. Mein Correspondent äußerte bei dieser Gelegenheit einen gehörigen Unwillen, und sparrte überhaupt die Ausdrücke nicht, wenn er von Volksauflauf sprechen mußte; »was wollen die Wichte,« fragte er mit vieler Kraft, »unser Leben und unser Eigenthum! Ach, mein theurer Herr, diese traurige Thatsache legt uns allen (unter uns meinte er die merkantilischen Interessen) die Wichtigkeit strenger Mittel auf. Wo wären wir gewesen ohne die Bayonette des Königs? Was wäre aus unsern Altären, unserm Heerd und Personen geworden, hätte es nicht Gott gefallen, uns einen Monarchen zu verleihen, unerschütterlich in seinem Willen, tapfer von Muth und schnell in der That?« Ich schrieb eine passende glückwünschende Antwort, und wandte mich zu dem nächsten Brief, der der letzte der Mittheilungen war.

Der achte Brief war von dem Chef eines andern Handlungshauses in Neu-York, V. St. von Amerika, aus dem Lande Capitains Poke, wo es scheinen wollte, als wenn der Präsident durch eine entschiedene Ausübung seiner Gewalt sich den Fluch eines großen Theils der handelnden Interessen des Landes zugezogen; da die Wirkung der Maßregel, sie mochte nun recht gewesen oder unrecht, als unmittelbare Folge oder nicht, mit Rumpf und Stumpf, das Geld rar gemacht hatte. Niemand ist so scharf in seinen Philippiken, so listig im Entdecken, so schnell im Auseinandersetzen der Thatsachen, so feurig in seiner Philosophie, so beredt in seinen Klagen, als der Schuldner, wenn das Geld plötzlich selten wird. Credit, Bequemlichkeit, Beine, Nerven, Mark und alles scheinen von dem Erfolg abzuhängen; und es ist kein Wunder, daß bei so lebhaften Eindrücken, Leute, die bisher zufrieden gewesen, in den geregelten und ruhigen Gewohnheiten des Handels fortzugehen, da auf einmal sich zu Logiker, Politiker, ja selbst zu Magiker erheben. Dies war mit meinem jetzigen Correspondenten der Fall gewesen, der im Allgemeinen so wenig von der Politik seines Landes zu verstehen und sich darum zu bekümmern schien, als wenn er nie darin gewesen, aber der nun mit einem Metaphysiker Haare gespaltet, und nicht mit mehr Liebe über die Constitution hätte schreiben können, wenn er sie gelesen hätte. Die Schranken dieses Buchs wollen mir nicht erlauben, den ganzen Brief hierherzusetzen, aber einige Sätze daraus sollen gegeben werden. »Ist es erträglich, Sir,« so hieß es, »daß die vollstreckende Gewalt, ich will nicht sagen nur in unserm Land, sondern in irgend einem, solche unerhörte Gewalten besitze, oder, selbst zugegeben, sie besäße sie, ausübe. Unsre Lage ist schlimmer als bei den Muselmännern, die mit dem Verlust ihres Geldes gewöhnlich ihren Kopf verlieren, und dadurch in einer glücklichen Unempfindlichkeit ihrer Leihen bleiben; aber ach! es hat ein Ende mit der viel gerühmten Freiheit von Amerika! Die vollstreckende Gewalt hat alle übrigen Zweige der Regierung verschlungen, und nächstens wird sie uns auch verschlingen; unsre Altäre, unser Heerd und unsre Personen werden bald angegriffen werden, und ich fürchte sehr, Sie werden meinen letzten Brief erhalten, nachdem schon lange alle Correspondenz verhindert, jedes Verbindungsmittel abgeschnitten, und wir selbst am Schreiben gehindert werden, gefesselt, wie wir sein werden, gleich Lastthieren an dem Karn eines blutigen Tyrannen!« Dann folgte eine so schöne Reihe von Beiwörtern, als ich deren nur immer aus dem Mund des größten Schelms zu Billingsgate vernommen.

Ich konnte nicht anders, ich mußte die Kraft des »gesellschaftlichen Anhaltspunkts-Systems« bewundern, das den Menschen so sehr lebhafte Aufmerksamkeit auf alle ihre Rechte gibt, mögen sie nun leben, wo sie wollen, und unter welcher Regierungsform es auch sei; das so wunderbar geeignet ist, die Wahrheit aufrecht zu erhalten und uns gerecht zu machen. Als Antwort sandte ich zurück Schimpfwort um Schimpfwort, wiederholte alle die Seufzer meines Correspondenten und spottete, wie es einem Manne zukam, der mit einem verlierenden Geschäfte in Verbindung stand.

Dieß schloß für jetzt meine Correspondenz, und ich erhob mich, müde von meinen Arbeiten, doch sehr erfreut über ihre Früchte. Es war spät, aber die Aufregung schloß den Schlaf aus, und eh' ich mich für die Nacht zurückzog, konnt' ich mich nicht enthalten, nach meinen Gästen zu sehen. Capitain Poke war in ein Zimmer in einem andern Theil des Hotels gegangen, aber die Familie der liebenswürdigen Fremdlinge schlief fest im Vorzimmer. Sie hatten, wie ich versichert war, herrlich zu Nacht gespeist, und überließen sich nun, einen erprobten Ausdruck zu gebrauchen, einem glücklichen aber vorüber gehenden Vergessen aller ihrer Leiden. Zufrieden mit diesem Zustand der Dinge, suchte ich nun auch mein Kissen, oder nach einem Lieblingsausdruck Noah Poke's ich auch »lief ein.«


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