James Fenimore Cooper
Die Monikins
James Fenimore Cooper

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Dreizehntes Kapitel.

Wichtigkeit der Beweggründe für einen Gesetzgeber, moralische Folgerungen, Kometen, Katzen und ein Obhutsmann, nebst etwas alltäglicher Gesetzgebung, zusammen mit Ursache und Wirkung.

Gesetzgebung während der Verdunklung des großen Moral-Grundsatzes durch den Vorübergang des Geldinteresses ist immer nur ein trauriges Geschäft. Es zeigte sich so bei uns ganz besonders in dieser Zeit; denn der Glanz des göttlichen Eigenthums war in beiden Häusern lange vorher durch die Dazwischenkunft verschiedner kleineren Trabanten um ein Bedeutendes gestört worden. In nichts that sich daher der klägliche Zustand der Dinge mehr kund, als in unsern legislativen Verhandlungen.

Da indeß Kapitän Poke und ich, trotz unsrer verschiednen Stellungen in der Politik, immer noch mit einander umgingen, hatte ich bessere Gelegenheit, die Einwirkungen der Verdunkelung auf den scharfsinnigen Geist meines Kollegen zu beobachten, als auf die meisten andern. Er begann bald, ein geregeltes Tagebuch über seine Ausgaben zu führen, und zog immer des Abends den Betrag derselben von den acht Thalern ab, indem er hernach die Bilanz als reinen Gewinn betrachtete. Seine Unterhaltung auch verrieth bald ein Hinneigen zu seinen persönlichen Interessen, statt den erhabenen Flug zu haben, der die Sprache eines Staatsmannes charakterisiren sollte. Er stellte ziemlich dogmatisch den Satz auf, daß die Gesetzgebung doch immer Arbeit sei, daß jeder Arbeiter seines Lohnes werth, und er nicht sehr geneigt sei, die Mühen und Beschwerden, Gesetze machen zu helfen, zu ertragen, wenn er nicht mit einiger Gewißheit sähe, daß etwas dadurch gewonnen werde. Er dachte, Springniedrig habe jetzt schon Gesetze genug, mehr, als es achte und ausführe; und wenn es deren noch mehr brauche, müsse es dafür bezahlen. Er würde die erste Gelegenheit ergreifen, vorzuschlagen, daß unser aller Sold, – oder auf jeden Fall der seinige; Andre mögten thun, was sie wollten, – wenigstens um zwei Thaler täglich erhöht würde, und zwar, wenn er im Hause säße; denn ich sollte dann als Amendement vorschlagen: noch ein Mal so viel sollte den Kommitteen verabreicht werden. Er halte es nicht für billig, von Jemand zu verlangen, er solle für Nichts Kommittee-Mitglied sein, wiewohl die Meisten es für Nichts wären, und wenn wir so zwei Wachen übernehmen sollten, sei das Geringste, was für uns geschehen könnte, doppelter Sold. Er sagte, aus dem günstigsten Gesichtspunkt betrachtet, sei doch immer viel Sinnen und Brüten bei der Gesetzgebung, und viel Kopfzerbrechen, und er werde nie wieder derselbe Mann sein, der er vor seinem Eingehen in dieses Geschäft gewesen; er versicherte mich, seine Gedanken seien manch Mal so verwirrt, daß er nicht wisse, wo gerade der zu finden, den er brauche, und er habe sich tausend Mal einen Schweif gewünscht, seit er im Hause wäre; denn wenn er dessen Ende in der Hand gehalten, gleich einem Stück Tau, habe er immer etwas Handgreifliches, sich daran zu halten, gehabt. Er sagte mir als ein großes Geheimniß, er sei wirklich müde, so in seinen Gedanken nach der nöthigen Kenntniß herumzusuchen, um zu verstehen, was vorginge, und er habe sich wirklich für die übrige Zeit der Session unter die Obhut eines Führers begeben. Er habe nach einem passenden Flügelmann dieser Art sich umgesehen, und er sei so ziemlich entschlossen, den Zeichen des Anführers der Perpendikularen, gleich den Uebrigen, zu folgen; denn es würde in den Reihen weniger Verwirrung hervorbringen und ihm viele Mühe, selbst zu einer Ansicht zu kommen, ersparen. Er wisse übrigens nicht anders, als acht Thaler mögten schon eine artige Pfründe abwerfen, besonders wenn er alles Denken seinem Führer anheim geben und seine Aufmerksamkeit auf etwas Anders richten könnte. Er gedächte, seine Reisen zu beschreiben; denn er sehe, Alles aus der Fremde laufe gleich einem Leuchtfeuer umher, und wenn es auch nicht gelinge, könne er immer zu seinem Lebens-Unterhalt Charten entwerfen.

Ich muß wohl erklären, was Noah unter einem solchen Führer, den er sich anwerben wollte, verstand. Ein solcher Führer oder Gottgleicher, wie ihn die Springniedriger Politik nennt, hat einige Aehnlichkeit mit einem Heiligen im katholischen Kalender; das heißt, er wird kanonisirt, nachdem er durch ein gewisses Maaß von Versuchung und Laster mit heiler Haut durchgekommen, nachdem seine Sache einige Jahre vor den obersten Autoritäten seiner Partei plaidirt worden, und gewöhnlich, nachdem er einen ziemlichen Vorgeschmack vom Fegfeuer hat. Ist indeß die Kanonisation erreicht, dann ist Alles bei ihm leichtes, ruhiges Hinsegeln; es wird ihm selbst, so sonderbar es auch erscheinen mag, ein großer Theil seines früheren Kopfbrechens, wie Noah es ausdrückte, erspart; denn nichts macht es Einem so leicht in dieser Hinsicht, als wenn man für Alle denken muß. Das Denken in Gesellschaft, wie das Reisen in Gesellschaft, verlangt, daß wir einige Rücksicht nehmen auf die Wünsche, auf die Ansichten der Andern; aber wer carte blanche für seine Gedanken erhält, gleicht dem befreiten Vogel und darf hinfliegen, in welcher Richtung es ihm gefällt, und darf vertrauen, daß, wie er auch verfährt, seine Ohren von des gewöhnlichen Reisenden Ruf begrüßt werden: »Es ist Alles wohl.« Ich kann am besten die Operation eines solchen Gottgleichen und seiner Anhänger mit der Wirkung der lokomotiven Kraft und ihres Anhangs auf einer Eisenbahn vergleichen. Wie jene geht, folgt dieser; schneller oder langsamer, – dem Impuls wird gefolgt; wenn der Dampf hoch ist, fliegen sie; wenn das Feuer aus ist, kriechen sie dahin, und zwar mit ziemlich ungleicher Bewegung. Bricht eine Klammer, dann müssen die, welche eben noch, ohne die geringste Bemühung ihrerseits, dahin gefahren sind, aussteigen und die Ladung vorwärts drücken, so gut sie können, häufig mit sehr reuevollen Gesichtern und auf sehr schmutzigen Wegen. Die Karren gehen dahin, ganz wie die lokomotive Kraft geht, alle Ausbiegungen werden nothwendig nachgemacht; es ist ganz, wie man nothwendig voraussehen kann, wenn zwei Körper an einander gekettet werden, und die ganze bewegende Kraft nur einem von ihnen gegeben wird. Ein Gottgleicher in Springniedrig ist ferner gewöhnlich ein Rathsherr. Einen solchen moralischen Fortschlepper wollte Noah aufsuchen, damit auch er, ohne Anstrengung für sich selbst, durch seine Amtsgeschäfte geschleppt würde; ein Mittel, wie der alte Robbenfänger es ausdrückte, das gewisser Maßen seinen natürlichen Mangel an einem Schweif gut machen würde, indem es ihn selbst nur zu einem Schweif machte.

»Ich denke, Sir John,« sagte er, »dies ist die Ursache, warum die Springniedriger sich abstümpfen; sie finden es passender, die Führung ihrer eignen Angelegenheiten einem dieser Gottgleichen zu überlassen und wie ein Kometenschweif seinem Impuls zu folgen, was es ganz unnöthig macht, einen andern Schweif noch zu haben.«

»Ich verstehe Euch; sie schneiden ab, die Tautologie zu vermeiden.«

Noah sprach selten von einem Plan, bis er sich gehörig entschieden hatte, und die Ausführung folgte gewöhnlich bald dem Vorsatz. Das nächste Mal, als ich daher wieder etwas von ihm hörte, war er schon unter der Obhut, wie er's nannte, eines der ausgezeichnetsten Rathsherrn. Begierig zu erfahren, wie ihm der Versuch gefalle, lenkte ich nach Verlauf einer Woche seine Aufmerksamkeit durch Fragen geradezu wieder auf den Gegenstand.

Er sagte mir, es sei die angenehmste Art der Gesetzgebung, die je erdacht worden. Er sei jetzt vollkommen Herr seiner Zeit, und in der That mache er jetzt eine Charte für die Springniedriger Marine, eine Arbeit, die ihm wohl eine gute runde Summe einbringen würde, da Kürbisse wohlfeil seien, und er in den Polar-Seen nur die Monikin'schen Gewährsmänner kopire, über diese hinaus aber ziemlich seinen eignen Weg gehe. Was die Große Allegorie betreffe, wenn er darüber oder sonst über einen zu entscheidenden Punkt einen Wink brauche, so frage er, nur, was sein Gottgleicher davon halte, und stimme dem gemäß. Auch spare er dadurch viel Athem in seinen Streitigkeiten außerhalb des Hauses; denn da er und die übrige Klientel dieses Rathsherrn officiell ihren Patron mit allen ihren eignen Patenten versehen, habe dieser eine solche Anhäufung von Einsicht erlangt, daß sie gewöhnlich jeden Gegner durch das bloße Anführen seiner Autorität zu Boden schlügen. Dies ist die Meinung von dem und dem Haupt, sei gewöhnlich hinreichend; sein Gottgleicher könne nullificiren, mollificiren und qualificiren, und diese drei iren halte er für die Haupterfordernisse eines Springniedriger Gesetzgebers. Doch gab er zu, einiger Schein von Unabhängigkeit sei nöthig, um selbst der Meinung eines Gottgleichen Werth zu geben; denn die Monikins-Natur empöre sich gegen Alles, was einer totalen geistigen Abhängigkeit ähnele, und er sei auch fest entschlossen, für sich über eine Frage zu denken, die gerade an diesem Tag entschieden werden sollte.

Der Fall, wovon der Kapitän sprach, war dieser. Die Stadt Bivouac war in drei ziemlich gleiche Theile eingetheilt, die von einander durch zwei Strecken Marschländer getrennt wurden. Der eine Stadttheil war eine Art Insel, die beiden andern befanden sich an den respektiven Gränzen des niedern Landes. Es war sehr wünschenswerth, daß diese verschiedenen Theile der Hauptstadt durch Landstraßen verbunden würden, und ein Gesetzesvorschlag war auch zu diesem Zweck vor das Haus gebracht worden. Jedermann in und außer dem Hause war dafür; denn die Landstraßen waren gewisser Maßen unentbehrlich geworden. Der einzige bestrittene Punkt war die Länge der fraglichen Arbeiten. Wer nur wenig mit gesetzgebenden Versammlungen bekannt ist, und wer nie die Wirkungen von einer Verdunklung des großen Moralprincips durch die Scheibe des pekuniären Interesses erfahren, würde wahrscheinlich voraussetzen, daß das Ganze deutlich vorlag, und daß wir nur ein Gesetz zu geben brauchten, das die Ausdehnung der Landstraßen so weit gebot, als das Staatswohl es nöthig machte. Aber das sind nur Abc-Schützen in den Monikin'schen Angelegenheiten. Die Sache war, es wirkten hier ganz eben so viele verschiedene Ansichten und Interessen, als Landeigenthümer in der Straßenlinie waren. Der große Plan war, in das so genannte Geschäftsquartier der Stadt vorzudringen, und dann mit den Arbeiten so weit vorzurücken, als die Umstände erlaubten. Wir hatten Vorschläge vor uns zu Gunsten von tausend Fuß bis zu zehn tausend. Jeder Zoll wurde mit eben so vieler Heftigkeit verfochten, als sei es eine wichtige zu vertheidigende Bresche, und Kombinationen und Konspirationen waren so reif, als wären wir mitten in einer Revolution. Lange blieb der Sieg zweifelhaft, doch siegte endlich die Ansicht der Horizontalen, das ganze Werk bis an die beiden Extreme fortzubauen, und hier schlug sich auch Noah zu uns. Den Ausschlag gab aber eigentlich, daß all die geschlagnen Interessen und Parteien zuletzt sich mit uns, die die schwächste Seite bildeten, vereinten, mit andern Worten, daß sie zur guten Sache übergingen, die hier, wie überall, die schwächste war, und so gab Springniedrig das seltene Beispiel, daß ein tüchtiges Gesetz während der Verfinsterung des so oft genannten Moralprincips erlassen ward. Dieses Princip, wie ich schon früher hätte sagen sollen, wurde auch Postulat genannt, wie denn dies gewöhnlich bei noch bestrittenen Sätzen ist.

Nicht sobald war der Erfolg bekannt, als mein würdiger Kollege zu der Horizontal-Seite des Hauses kam, um seine Zufriedenheit mit sich selbst über den eben eingeschlagenen Gang zu bezeugen. Er sagte, es sei freilich sehr bequem und Arbeit ersparend, einem Gottgleichen zu folgen, und er rücke mit seinen Charten nur um so besser voran, da er alle seine Aufmerksamkeit jetzt darauf verwenden könne; aber es sei doch etwas, er wisse nicht was, so ein Stoningtoner Gefühl, wenn man thäte, was man für recht halte, und das mache denn auch, daß er sich freue, für die ganze Straße gestimmt zu haben. Er kenne das Land von Springniedrig gar nicht, und daher schließe er, was er gethan, sei das Beste; auf jeden Fall, wenn er nichts dabei gewonnen, habe er auch nichts dabei verloren, und er hoffe, Alles werde gut enden. Die Leute auf der Insel freilich hätten schön gesprochen, was sie für die thun wollten, die ihre Interessen unterstützten; aber er sei einer Curant-Münze in Promessen überdrüssig, und schöne Worte, in seinem Alter, seien nicht viel werth, und so habe er wohl ganz recht gethan, wie er gethan. Er denke, Niemand könne seine Abstimmung in Frage stellen; denn er sei jetzt noch eben so arm und so übel daran, nun, da er gestimmt, als während seines Ueberlegens. Er werde sich jetzt nicht mehr scheuen, dem Dechanten Snort und auch dem Pfarrer offen in's Gesicht zu sehen, wenn er nach Hause käme, ja selbst der Mad. Poke. Er wisse, was das heiße, ein rein Gewissen haben; denn Niemand wisse so gut, was das sei, ohne Etwas sein, als die den Mangel durch Erfahrung empfunden hätten. Sein Führer sei ein sehr arbeitersparender Führer; aber er habe bei'm Nachforschen gefunden, er sei von einem andern Theile der Insel gekommen, und kümmere sich nicht im geringsten darum, auf welche Weise sein Katzenschweif (so nannte Noah die Klientel) stimme. Kurz, es solle jetzt ein Mal Jemand etwas gegen ihn sagen, und deßwegen sei er froh, eine Gelegenheit gehabt zu haben, seine Unabhängigkeit zu zeigen; denn seine Feinde hätten schnell bemerkt, daß seit einiger Zeit er wenig besser, als ein Sprachrohr gewesen, um alles, was sein Führer wünschte, auszuposaunen. Er schloß damit, er könne es nicht länger ohne Fleisch irgend einer Art aushalten, und bat, ich möchte einen Vorschlag unterstützen, den er zu machen gedenke, nach welchem geregelte substantielle Nahrung dem ganzen menschlichen Theile des Hauses ausgetheilt werden sollte. Seine Natur sei so ziemlich schweinen; die nicht menschlichen möchten noch immer von Nüssen leben, wenn es ihnen beliebte.

Ich sprach gegen das Projekt der Rationen; ich rief seinen Stolz auf, indem ich zeigte, daß wir für wenig besser als Thiere gehalten werden würden, wenn wir Fleisch äßen, und rieth ihm, der Abwechslung wegen einige seiner Nüsse rösten zu lassen. Nach langen Ueberredungen versprach er ferneres Fasten, wiewohl er mit einem seltsam fleischgierigen Blick um seinen Mund wegging, mit einem Auge, das in jedem seiner Blicke schweinen sprach.

Ich befand mich den folgenden Tag zu Hause, beschäftigt mit meinem Freunde, dem Brigadier, die große National-Allegorie durchzusehn, in der Absicht, jedes künftige unwillkürliche Versehen zu vermeiden, indem ich wieder etwas daraus anführte, – als Noah wüthig, wie ein Wolf, der von einer ganzen Meute Hunde gebissen worden, in's Zimmer stürzte. Dies war auch gewisser Maßen seine Lage; denn seiner Erzählung nach war er jenen Morgen selbst in den öffentlichen Straßen von jedem Monikin, jeder Monikina und jedem Monikino, von Hund und Bettler, herumgehetzt worden. Erstaunt, daß mein Kollege in diese Ungnade bei seinen Konstituenten gefallen sein sollte, war ich nicht langsam, ihn um nähere Erklärung zu bitten.

Der Kapitän versicherte, es sei über alle Erklärung hinaus, die er nur geben könnte. Er hätte in der Sache mit den Landstraßen ganz nach dem Eingeben seines Gewissens gestimmt, und doch klage ihn hier die ganze Bevölkerung der Bestechung an; ja selbst die Zeitungen hätten ihn wegen, wie sie es nannten, seiner frechstirnigen, augenscheinlichen Bestechlichkeit geschmäht. Hier legte uns der Kapitän sechs oder sieben der Hauptzeitungen von Bivouac vor, in denen allen seine letzte Abstimmung ganz mit eben so wenig Ceremonie behandelt ward, als wenn sie ein offenbarer Schafdiebstahl gewesen.

Ich blickte meinen Freund, den Brigadier, wegen einer Erklärung an. Nachdem dieser über die Zeitungsartikel hingeblickt, lächelte er und sah unsern Kollegen mitleidig an.

»Ihr habt da in der That einen großen Fehler begangen, mein Freund,« sagte er, »einen Fehler, der selten in Springniedrig vergeben wird, ja vielleicht niemals während der Verfinsterung des großen moralischen Postulats, wie dies jetzt der Fall ist.«

»Sagt mir mit einem Male meine Sünden heraus, Brigadier,« schrie Noah mit dem Blick eines Märtyrers, »und macht meiner Pein ein Ende!«

»Ihr habt vergessen, einen Beweggrund für Eure Stellung während der letzten heißen Verhandlung anzuführen, und so schreibt denn die Gemeinde Euch das Schlimmste zu, was nur Monikin'scher Scharfsinn erdenken kann. Solch ein Versehen würde selbst einen Gottgleichen verderben.«

»Aber, mein theurer Geradaus,« wandte ich begütigend ein, »von unserm Kollegen muß in diesem Fall angenommen werden, er habe nach Grundsätzen gehandelt.«

Der Brigadier sah auf, und fuhr mit der Nase in der Luft herum, wie ein junger Hund, der noch nicht die Augen geöffnet, und dann gab er zu verstehen, er könne die genannte Eigenschaft nicht sehen, da sie durch das Vorübergehen der Scheibe des pekuniären Interesses gänzlich verdunkelt werde.

Ich begann nun den Fall zu begreifen, der in der That weit wichtiger war, als ich im Anfang möglicher Weise hätte glauben können. Noah selbst schien bestürzt; denn er war wohl, denk' ich, auf das einfache und natürliche Mittel verfallen, sich zu fragen, was er selbst von dem Benehmen eines Kollegen gedacht hätte, der seine Stimme über einen so gewichtigen Punkt gegeben haben würde, ohne einen Beweggrund hinzuzufügen.

»Hätte der Kapitän wenigstens noch einen Fuß breit Land am Ende der Heerstraße besessen,« bemerkte der Brigadier traurig, »dann hätte man noch die Sache in's Reine bringen können; aber wie die Dinge jetzt sind, ist es ohne Zweifel ein sehr unglücklicher Fall.«

»Aber Sir John stimmte mit mir, und er ist eben so wenig ein Gutsbesitzer in Springniedrig, wie ich selbst.«

»Wahr, aber Sir John stimmte mit der Masse seiner politischen Freunde.«

»Nicht alle Horizontale waren in der Majorität; denn wenigstens zwanzig stimmten bei dieser Gelegenheit mit der Minorität.«

»Freilich, doch hatte jeder von ihnen einen in die Augen fallenden Beweggrund. Der hatte ein Stück an der Seite der Straße, der hatte Häuser auf der Insel, und ein Andrer war der Erbe eines großen Landeigenthümers an demselben Punkt der Straße. Jeder und Alle hatten ihre besondre und bestimmte Interessen dabei, und keiner machte sich so großer Schwäche schuldig, daß er seine Sache durch die extravagante Anmaßung bloser Grundsätze hätte vertheidigen wollen.«

»Mein Führer, der größte aller Ratsherren, verabschiedete sich, und stimmte gar nicht.«

»Blos, weil er keinen rechten Grund hatte, um irgend einen einzuschlagenden Weg zu rechtfertigen. Kein Monikin kann im Staatsdienst erwarten, dem Tadel zu entgehen, wenn er es nicht seinen Freunden möglich macht, einen annehmlichen und verständlichen Beweggrund für sein Betragen anzuführen.«

»Wie, Sir, kann man nicht ein Mal in seinem Leben eine Handlung thun, ohne wie ein Pferd oder Hund gekauft zu sein, und doch mit einem Zoll Charakter davonkommen?«

»Ich kann nicht sagen, was Menschen thun können,« entgegnete der Brigadier, »ohne Zweifel machen sie es darin besser, als es hier geschieht; aber so weit Monikins davon betroffen werden, gibt es keinen Weg, der sichrer den gänzlichen Verlust des Charakters nach sich zieht, – ja selbst für den Ruf des Verstandes so vernichtend ist, als ohne einen guten, in die Augen fallenden, substantiellen Beweggrund zu verfahren.

»Um's Himmels willen, was muß geschehen, Brigadier?«

»Ich sehe kein andres Mittel, als abzudanken. Eure Konstituenten müssen nothwendiger Weise alles Vertrauen auf Euch verloren haben; denn einer, der so offenbar seine eigne Interessen vernachlässigt, kann nicht wohl als sehr fest in Schützung der Interessen Andrer angesehen werden. Wenn Ihr noch mit dem wenigen Charakter, der Euch geblieben, davonkommen wollt, müßt Ihr ohne Weitres abdanken.«

Noah machte aus der Noth eine Tugend, und nach einigem weitern Besprechen zwischen uns, schrieb er seinen Namen unter folgenden Brief an den Präsidenten, wie er ihm auf der Stelle vom Brigadier aufgesetzt worden.

»Herr Präsident!«

»Der Zustand meiner Gesundheit nöthigt mich, das hohe politische Amt, das mir von den Bürgern von Bivouac anvertraut worden, in die Hände zurückzulegen, aus denen ich es empfangen. Indem ich meine Abdankung eingebe, wünsche ich, meine große Betrübniß zu bezeugen, mit der ich von Kollegen scheide, die in jeder Hinsicht der tiefsten Verehrung und Achtung würdig sind. Ich bitte, Sie versichern zu dürfen, daß, welches auch künftig mein Geschick sein wird, ich immer die tiefste Hochachtung vor jedem verehrlichen Mitglied haben werde, mit dem zu dienen ich das Glück gehabt. Die Emigranten-Sache besonders wird mir immer am nächsten am Herzen liegen.«

Unterzeichnet

Noah Poke.

Der Kapitän unterzeichnete diesen Brief nicht ohne manchen Seufzer und verschiedene Ausbrüche des Ehrgeizes; denn selbst ein irrender Politiker weicht der Nothwendigkeit nur mit Kummer. Nachdem er jedoch das Wort Emigranten-Sache in Immigrunten – (Robben-)Sache umgewandelt, machte er zu der Geschichte so gute Miene, wie möglich, und schrieb die verhängnißvolle Unterschrift. Er verließ dann das Haus und erklärte, er beneide nicht so gar sehr seinem Nachfolger den Sold, da man ja nur Nüsse für das Geld haben könnte, und er selbst fühle sich so darnieder, wie er glaube, es etwa mit Nebukadnezar der Fall gewesen sein müsse, als er genöthigt worden, auf allen Vieren zu gehen und Gras zu essen.


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