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Drittes Kapitel.

»Glaube mir, du schwatzest von einem bewundernswerth einge-
    bildeten Gesellen. Hat er irgend welche glatte Waaren?«
»Ich bitte dich, bring ihn herein; und laß ihn singend sich
    nähern.«
Wintermährchen.

Ich habe nicht die Absicht, mich vom Leser durch das Collegium begleiten zu lassen, wo ich die gewöhnliche Zeit von vier Jahren blieb. Diese vier Jahre wurden nicht im Müssiggang vertändelt, wie dieß manchmal geschieht, sondern zu wirklichem Fortschreiten benützt. Ich las das ganze Neue Testament im Griechischen; einige von Cicero's Reden, jede Zeile von Horaz's Satiren und Oden; vier Bücher von der Ilias; den ganzen Tullius de Oratore; und außerdem widmete ich die gebührende Aufmerksamkeit der Geographie, der Mathematik und andern gewöhnlichen Fächern. Besonders die Moral-Philosophie studirte ich fleißig in meinem letzten Jahre, so wie auch Astronomie. Wir hatten ein Teleskop, welches uns alle vier Monde des Jupiter zeigte. In andern Beziehungen konnte Nassau der Sitz der Gelehrsamkeit heißen. Einer von unserer Klasse kaufte in der Hauptstadt ein Exemplar des Euripides aus zweiter Hand, und wir hatten es ganze sechs Monate im Collegium, obgleich mir nie das Glück zu Theil ward, es zu sehen, da der junge Mann, dem es gehörte, nicht sehr geneigt war, seinen Schatz von profanen Augen beschauen zu lassen. Dennoch bin ich überzeugt, daß das Exemplar jenes Werkes wirklich im Kollegium sich befand; und wir trugen Sorge, die Leute zu Yale mehr als einmal davon hören zu lassen. Ich glaube, sie haben nie einen Euripides auch nur von außen gesehen. Was das Teleskop betrifft, so kann ich von diesem aus eigener Anschauung und Kenntniß zeugen; denn ich habe mit meinen eigenen Augen, mittelst seiner Vergrößerungsgläser, die Monde des Jupiter wohl zehnmal gesehen. Wir hatten einen Lehrer, der in der Sternkunde sehr bewandert war, und der, wie man allgemein glaubte, im Stande gewesen seyn würde, den Ring des Saturn zu sehen, wenn er nur den Planeten selbst gefunden hätte; aber das gelang ihm eben nicht.

Meine vier Jahre im Collegium waren glückliche Jahre. Die Ferien kamen oft, und ich ging jedesmal in meine Heimath, und auf dem Hin- oder Herweg brachte ich einen oder zwei Tage bei meiner Tante Legge zu. Die Erwerbung von Kenntnissen war mir jederzeit angenehm; und ich darf es jetzt, hoffe ich, ohne Eitelkeit sagen, ich errang den dritten Ehrengrad in meiner Klasse. Wir würden unserer Viere graduirt worden seyn, aber Einer von unsrer Klasse war gegen das Ende des ersten Cursus genöthigt, uns wegen leidender Gesundheit zu verlassen. Er studirte mit ungewöhnlichem Eifer und Fleiß, und man anerkannte allgemein, daß er, wäre er geblieben, den ersten Platz behauptet haben würde. Es herrschte anfänglich die Ansicht, daß wir unsere Sachen recht löblich gemacht hätten; doch hörte ich nachher meinen Großvater gegen Mr. Worden äußern, er sey der Ansicht: die Vorträge würden männlicher und preiswürdiger gewesen seyn, wenn weniger von dem erstaunlichen Wachsthum, dem Gedeihen und der Macht der Colonieen gesprochen worden wäre. Er habe Nichts einzuwenden gegen die Ermunterung einer tüchtigen, gesunden patriotischen Gesinnung; aber ihm scheine, etwas mehr Neues würde den Zuhörern besser gefallen haben. Das mochte wahr seyn, da wir drei Alle Etwas über diesen Gegenstand zu sagen hatten, und es ist ein Beweis, wie gleich unsre Denkweise war, daß unsre Sprache sich beinahe ebenso glich wie unsre Ideen.

Was die Fähre von Powles' Hook betrifft, so war das eine unangenehme Sache, wie ich zugeben muß; aber so lang ich jünger war, dachte ich nicht daran. Meine Mutter jedoch war froh, als ich sie zum letzten Male hinter mir hatte. Ich erinnere mich noch der allerersten Worte, die ihr entschlüpften, als sie mich nach meiner endlichen Rückkehr vom Collegium geküßt hatte: »Nun, Gott sey gedankt, Corny, jetzt wirst Du nicht mehr in den Fall kommen, auf dieser entsetzlichen Fähre übersetzen zu müssen, nachdem du mit dem Collegium fertig bist!« Meine arme Mutter ahnte nicht, wie viel größeren Gefahren ich mich später in einer anderen Richtung aussetzen sollte. Auch hatte sie mit ihren Erwartungen in diesem bestimmten Punkte nicht einmal Recht, da ich im spätern Leben noch verschiedene Male auf der fraglichen Fähre übergesetzt bin; aber in den spätern Jahren erschienen auch die Entfernungen nicht mehr so groß, als sie allerdings in meiner Jugend zu seyn schienen.

Es war gleichsam eine Feder auf der Mütze eines jungen Mannes, durch das Collegium gegangen zu seyn, im Jahr 1755, in welchem ich promovirte. Es ist wahr, die Universitäts-Männer, welche ihre Bildung und Gelehrsamkeit im Mutterlande geholt hatten, waren mehr oder minder zahlreich vorhanden; aber sie gehörten einer Classe an, welche sich von der niedern Gentry entfernt hielt, und die meisten von ihnen wurden bald in ein Amt eingesetzt, wodurch dann die Würde eines öffentlichen Charakters zu ihren geistigen Erwerbnissen kam, und zwar wurden letztere von jenem so ziemlich in Schatten gestellt. Ich aber stand dem Gemeinwesen näher, und meine Stellung machte ganz natürlich möglich, Vorzüge zu unterscheiden und zu vergleichen. Niemand denkt viel an gewisse Gewohnheiten und Ansichten, an gewisse Eigenthümlichkeiten des Benehmens und des Geschmacks in dem Kreise, wo man sie als von sich selbst verstehend voraussetzt; etwas ganz anderes aber ist es da, wo alle solche Eigenthümlichkeiten oder diese und jene die Ausnahme bilden. Ich fürchte, man versprach sich mehr von meiner Bildung im Collegium, als je in Erfüllung ging; aber das will ich doch zu Gunsten meiner Alma mater sagen, daß ich mir nicht bewußt bin, meine im Collegium erworbenen Kenntnisse seyen mir je nachtheilig gewesen, und ich glaube vielmehr, sie haben einigermaßen wenigstens zu dem kleinen Erfolg beigetragen, der mich auf meiner bescheidnen Laufbahn begleitet hat.

Ich hielt fortwährend Freundschaft mit Dirck Follock so lange ich im Collegium blieb. Er setzte die Lektüre der Classiker unter Anleitung Mr. Worden's fort, zwei Jahre nachdem ich die Schule verlassen hatte; aber ich konnte keine irgend der Erwähnung werthen Fortschritte bei ihm entdecken. Sein Lehrer pflegte dem Oberst zu sagen: »Dircks Fortschritte seyen langsam aber sicher«; und dieß befriedigte immer einen Mann, der von Haus aus eine Abneigung hatte gegen die Alles überstürzende Art und Weise, die Sachen zu betreiben, welche unter der englischen Bevölkerung herrschte. Oberst Follock, wie wir ihn immer nannten, außer wenn mein Vater oder Großvater ihn aufforderten, ein Glas Wein mit ihnen zu trinken, oder seine Gesundheit in dem ersten Glase tranken, nachdem das Tischtuch weggenommen war, wo er unabänderlich Oberst Van Valkenburgh, in ganzer Länge seines Namens, betitelt wurde – Oberst Follock war ganz zufrieden damit, daß sein Sohn und Erbe nicht Mehr wissen sollte, als er wußte, den Unterschied an Jahren und an Erfahrung gebührend in Rechnung genommen. Bis zu der Zeit jedoch, wo ich nach Hause zurückkehrte, war eine wesentliche Veränderung in der Schule eingetreten. Mr. Worden ward Erbe eines mäßigen Vermögens in seinem Heimathlande, und in Folge hievon gab er das Unterrichten auf, als eine Beschäftigung, woran er nie Freude gehabt hatte. Man wollte sogar finden, er sey um einen Grad minder eifrig in Erfüllung seiner seelsorgerlichen Pflichten, als er es früher gewesen, seitdem er diese fünfzig Pfund Sterling jährlich besaß; doch bin ich weit entfernt, dieß als entschiedene Thatsache behaupten zu wollen. Jedenfalls vermochten fünfzig Pfund jährlich den Mr. Worden nicht gleichgültig zu machen in Betreff der Kirche, denn er blieb fortwährend ein höchst eifriger Kirchenmann bis auf die Stunde seines Todes; und dieß war schon Etwas, selbst zugegeben, daß er nicht ganz ebenso eifrig gewesen wäre als Christ. Da die Kirche die Inhaberin und Trägerin des Glaubens ist, wenn auch nicht der Glaube selbst, so folgt daraus, daß ihre Freunde der Religion nahe stehen, wenn sie auch nicht eigentlich religiös sind. Ich habe immer einen Mann um so mehr leiden mögen, wenn er war, was ich einen tüchtigen, warmen Kirchenmann nenne, mochten auch seine Lebensgewohnheiten etwas frei seyn.

Es war nöthig, die Stelle wieder zu besetzen, welche durch den Rücktritt Mr. Worden's erledigt worden war, oder eine Schule aufzugeben, welche der Kern der gelehrten Kenntnisse in West Chester geworden war. Zuerst machte sich der natürliche Wunsch geltend, wieder einen Gelehrten aus dem alten Heimathlande dafür zu gewinnen; aber da sich kein geeigneter Mann darbot, wurde ein Graduirter aus dem Collegium von Yale angenommen, jedoch nicht ohne vielfaches Widerstreben und großes Mißtrauen. Im Augenblick, wo er erschien, zogen Oberst Follock und Major Nicholas Oothout, ein anderer achtbarer, holländischer Nachbar, ihre Söhne aus der Schule zurück; und von dieser Stunde an besuchte Dirck die Schule nicht mehr. Es ist wahr, West Chester war nicht eigentlich eine holländische Grafschaft, wie Rockland, Albany und Orange, und einige andere dem Fluß entlang, aber es enthielt manche achtbare, von Holland her kommende Familien, ohne solcher gewichtigen Leute zu gedenken, wie die Van Cortlandts, Felipses, Beekmanns und zwei oder drei andere Familien dieses Schlages. Die meisten unsrer angesehenen Familien auf dem Lande hatten eine andere Abkunft, wie dieß der Fall war bei den Morrises von Morrisania und von dem Herrenhause Fredham, den Pells von Pelham, den Heathcotes von Mamaroneck, dem Zweige der de Lanceys zu Westfarms, den Jays von Rye u. s. w. Alle diese waren von englischer oder hugenottischer Abstammung. Unter den Letztern jedoch fand sich mehr oder weniger holländisch Blut; obgleich die holländischen Vorurtheile bei ihnen nicht wenig erschüttert und vermindert waren. Obgleich Wenige von diesen Familien ihre Knaben in die Schule schickten, wurden sie doch bei der Wahl eines Lehrers zu Rathe gezogen; und ich bin immer der Meinung gewesen, daß ihre Gleichgültigkeit die Schuld davon getragen habe, daß die Grafschaft am Ende mit den Diensten eines Yankee von Yale sich begnügen mußte.

Der Name des neuen Pädagogen war Jason Newcome, oder wie er selbst ihn aussprach Noocome. Da er sich einer pedantischen Art befliß, die letzte Sylbe lang auszusprechen, so wie sie der Schrift nach ausgesprochen werden mußte, nannte er sich Noo-comb, statt Newcum, wie nach englischer Aussprache das Wort gesprochen werden müßte, woher er bald den Spottnamen Jason Old-Comb Comb heißt Kamm; New neu, Old alt. unter den Knaben bekam; und seine glattgestrichenen, kohlschwarzen und etwas fett und schmierig aussehenden langen Haare trugen auch Etwas dazu bei, ihm dieß sobriquet zu verschaffen, wie die Franzosen, glaube ich, den Spitznamen bezeichnen. Da dieser Mr. Newcome in der folgenden Erzählung eine wesentliche Rolle spielen wird, so ist es wohl passend, etwas näher auf die Schilderung desselben einzugehen.

Ich fand bei meiner Rückkehr vom Collegium Jason schon ganz festgesessen in der Schule. Ich erinnere mich, unsere Begegnung war ganz wie die zweier fremden Vögel, welche sich zum ersten Mal auf demselben Düngerhaufen sehen; oder wie die zweier Thiere bei ihrem ersten Zusammentreffen in derselben Herde. Es war der Gegensatz von New Haven gegen Newark; obgleich die Anstalt, nachdem sie so viele Wanderungen gemacht, wie das Haus von Loretto, endlich eine feste Stätte im Princeton gewann, kurze Zeit ehe ich meinen Grad davontrug. Ich war demzufolge berechtigt, mich einen Graduirten von Newark zu nennen, und ein solcher Gelehrter ist auf dem Lande eine ebenso große Merkwürdigkeit, als ein Heller aus der Königin Anna Zeit, oder ein Druck aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Ich erinnere mich des ersten Abends, den wir mit einander in Gesellschaft zubrachten, so gut, als wenn es erst gestern Nacht gewesen wäre. Es war zu Satanstoe, und Mr. Worden war auch anwesend. Jason hatte einen reichlichen Schatz von puritanischen Begriffen, mit welchen sein moralisches, und ich hätte beinahe gesagt, sein physisches System ganz getränkt war; doch war er auch im Stande aufzuthauen; und ich bemerkte wirklich gleich an diesem Abend einen Schimmer von halbverdeckter Freude in seinem düstern Gesicht, als ein paar Stunden vor dem Abendessen – welche Mahlzeit wir immer warm und recht behaglich einnahmen, – das warme Getränke, die Karten und die Pfeifen gebracht wurden. Diese halb verdeckte Zufriedenheit gab sich jedoch nicht ohne gewisse mißtrauische Mienen kund, wie wenn der Neophyte bei diesen unschuldigen Genüssen immer an seinem Rechte zweifelte, sich seinen Theil davon zuzueignen. Ich erinnere mich, namentlich als meine Mutter zwei oder drei neue saubere Spiele Karten auf den Tisch legte, daß Jason einen verstohlenen Blick über die Achsel warf, als wollte er sich vergewissern, daß die Sache nicht von dem Geistlichen oder von den Nachbarn bemerkt worden sey. – Den Nachbarn! – Welch ein verächtliches Wesen wird doch der Mensch, der in beständiger Furcht vor den Glossen und Urtheilen dieser gesellschaftlichen Beobachter und Spione lebt! und zu welchem Elenden hat die Gewohnheit, nach keinem bessern Prinzip, als nach ihrer Entscheidung sich zu richten, Manchen gemacht, der ursprünglich den Stoff zu etwas Besserem in sich hatte, als was durch die Beaufsichtigung und Bevormundung der Unwissenheit, des Neides, der Gemeinheit, der Klatscherei und Lüge entwickelt worden ist! In den Fällen, wo Erziehung, gesellschaftliche Stellung, Gelegenheit und Erfahrung einen wesentlichen Unterschied bei den Parteien begründet haben, gibt Derjenige, welcher einer solchen Beherrschung sich unterwirft, das Bild eines Riesen, der von einem Zwerg in Banden gehalten wird. Ich habe auch immer bemerkt, daß diejenigen, welche am meisten berechtigt wären, in diesem Nachbarschaftstribunal zu sitzen, sich am entferntesten davon halten, weil es ihrem Geschmack und ihren Lebensgewohnheiten widerstrebt, und so die Fällung der Entscheidungen dem Theile des Gemeinwesens überlassen, welcher am wenigsten geeignet ist, ein gerechtes oder aufgeklärtes Urtheil zu fällen.

Ich fühlte eine Neigung überlaut zu lachen über die Art und Weise, wie Jason das ängstliche Bewußtsein eines halben Verbrechens verrieth, als er meine sanfte, unschuldige, harmlose, gerechte und warmfühlende Mutter an diesem Abend die Karten auf den Tisch legen sah. Sein Schuldbewußtsein war rein konventionell, während meiner Mutter Unschuldbewußtsein auf dem Nichtvorhandensein falscher Ansichten und beigebrachter Vorurtheile und auf der Reinheit ihrer Gesinnung beruhte. Man hatte ihr keine überspannten und falschen Begriffe von der Sünde beigebracht, – Begriffe, die sogar gottlos sind, da es offenbar gottlos vom Menschen ist, Handlungen, die an sich betrachtet, vollkommen unschuldig sind, zu förmlichen Uebertretungen des Gesetzes Gottes zu stempeln und zu verdrehen, – während er erzogen worden war in den engen und übertriebenen Begriffen einer provinziellen Sekte, und eine Art von Gewissen sich angeeignet hatte, welches ganz abhängig war von seiner erbärmlichen Unterweisung. Ich habe meinen Großvater sagen hören, Jason habe wirklich die Augen aufgerissen, daß man das Weiße daran gesehen, als er das erste Mal den Mr. Worden die Karten ausgeben gesehen, und er machte auch die ganze Zeit, so lange wir beim Whist saßen, ein Gesicht, als wenn er erwartete, es werde Jemand eintreten und aller Welt seine Sünde verkündigen. Ich entdeckte bald, daß Jason weit größere Scheue davor hatte, wegen solcher Dinge in's Geschrei zu kommen, als sie wirklich zu thun, wie ein Spielchen Whist oder das Trinken eines Glases Punsch sind; und daraus folgerte ich, daß sein eigentliches und wahres Gewissen einen deutlichen Unterschied machte zwischen den Handlungen und den Strafen, welche er gewohnt gewesen, darauf folgen zu sehen. Er hatte eine große Neigung zu einer gewissen Art von Schwachheit; aber es blieb bis an's Ende eine feige und schüchtern sich verkriechende Neigung.

Das Belustigendste aber an diesem ersten Abend unserer Bekanntschaft war die Art und Weise, wie Mr. Worden die vertraute Bekanntschaft seines Nachfolgers mit den Classikern bemerklich zu machen wußte. Jason hatte nicht den mindesten Begriff von der Quantität der Sylben; und er sprach das Lateinische ungefähr so aus, wie Einer die Mohawk-Sprache lesen würde nach einem Wörterbuch, das ein Jäger gefertigt, oder ein Gelehrter von der französischen Akademie. Da ich Mr. Worden's eignen Unterricht genossen, verstand ich mich besser darauf, und überhaupt übertraf meine Bekanntschaft mit den Classikern die Jason's weit. Auch des Letztern Englisch war lange für uns Alle eine Quelle der Ergötzlichkeit, obgleich mein Großvater oft lebhaften Verdruß darüber kund gab. Selbst Oberst Follock trug kein Bedenken, über Newcome's Englisch zu lachen, das, wie er häufig zu bemerken Gelegenheit nahm, ihm gar wunderbarlich laute. Da diese Eigenthümlichkeit Jason's sich ziemlich tief in die Anglo-Sächsische Raçe hinein erstreckte, in der Gegend des Landes, wo er geboren war, ist es vielleicht am Platze, das, was ich meine, etwas ausführlicher zu entwickeln.

Jason war der Sohn eines gemeinen Landwirthes von Konnektikut, aus der ganz alltäglichen Sphäre, mit seinen weitern Ansprüchen auf Erziehung und Bildung, als sofern er deren in einer gewöhnlichen Schule theilhaft geworden war, und ohne weitere Lektüre, außer der Schrift, einem Halbdutzend Bände Predigten und polemischer Werke, welche Letztere insgesammt so kräftig und derb als einseitig waren, und einigen wenigen Büchern, die ausdrücklich in der Absicht geschrieben waren, Neu-England zu verherrlichen, und die ganze übrige Erde herabzusetzen. Da die Familie Nichts von der Welt jenseits der Grenzmarken ihrer Stadtgenossenschaft wußte, einen gelegentlichen Besuch in Hartford ausgenommen, an einem sogenannten Wahltag, war Jason's früheres Leben nothwendig sehr arm an Erfahrung. Sein Englisch war, wie natürlich, eben das seiner Nachbarschaft und der Classe, der er im Leben angehörte, und daher keineswegs weder sehr elegant noch sehr dorisch. Aber auf der ländlichen, provinzialen oder vielmehr dörflichen Unterlage hatte Jason einen Oberbau von New Havener Verhältnissen und Zierlichkeit aufgeführt. Da er Unterricht gab, ehe er ins Collegium kam, während er im Collegium verweilte, und nachdem er es verließ, richtete sich die ganze Energie seiner Natur in seltsamer Weise gerade auf solche Reformen in der Sprache, wie sie die Einbildungskraft eines Pädagogen von seinem Schrot und Korn reizen konnten. Erstlich hatte er von Haus eine große Menge von Lauten mitgebracht, welche entschieden gemein und fehlerhaft waren; und während diese bei ihm selbst in kräftigster Blüthe standen, begann er sein Reformsystem an andern Leuten. Wie es bei allen Anfängern und Dilettanten der Fall zu seyn pflegt, er glaubte, sehr wenige Kenntnisse geben schon eine genügende Berechtigung zu sehr großartigen Theorieen. Sein erster Schritt war, die Sprache dadurch zu verbessern, daß er den Laut in Uebereinstimmung brachte mit der Art wie man buchstabirt und schreibt; und so sprach er beharrlich an-gel, weil a-n, buchstabirt, an geben, chamber, cham-ber, aus demselben Grunde; und so durch ein langes Verzeichniß ähnlicher Wörter hindurch. English sprach er nicht aus wie Inglish, sondern wie English; und nothing (im Englischen nuthing lautend) wie noth-ing; oder vielleicht würde ich richtiger sagen nawthin'. Während er so gezierterweise none (nun) aussprach wie known, trug er kein Bedenken stone wie stun und home wie hum auszusprechen. Der Gedanke clerk auszusprechen, wie es sich gehört, clark, war ihm sehr anstößig und ebenso hearth wie h'arth; obwohl er sich nicht besann, statt earth zu sagen 'arth, been sprach er natürlich wie ben aus, und roof – ruff, trotz all seines Purismus.

Aus diesen Proben, einem Halbdutzend unter tausend, kann sich der Leser eine genaue Vorstellung machen von dieser Schwäche in Jason's Charakter. Sie ward noch gesteigert durch den Umstand, daß der junge Mann den Anfang mit seiner Bildung – wie sie nun war – erst ziemlich spät machte, und es ist in der That selten, daß Kenntnisse oder Geschmack, in solcher Art angeeignet, ganz frei von Uebertreibungen bleiben. Obgleich Jason mehrere Jahre älter war als ich, hatte er doch auch wie ich erst jüngst promovirt, und man wird sich sehr leicht die zahllosen Erörterungen vorstellen können, welche zwischen uns stattfanden, über unsre beiderseitigen erworbenen Kenntnisse. Ich dürfte nicht sagen, unsre gemeinsamen Kenntnisse, denn es war daran in der That gar nichts Gemeinsames. Weder unsre classischen Kenntnisse, unsre Philosophie, noch auch unsre Mathematik schienen Eines und dasselbe zu seyn, sondern Jeder hatte, dem Anschein nach, seine eigene besondere Wissenschaft und Sprache, die er aus der Anstalt geschöpft, worin er gebildet worden war. In der klassischen Bildung war ich weit der Stärkere, namentlich in der Quantität (Prosodie), aber Jason war in der Mathematik weiter voran. Trotz seiner Einbildung, seiner Gemeinheit, seinem Englisch, seinen Provinzialismen, und dem linkischen Wesen, womit er sein mühsam erworbenes Wissen an Mann brachte, hatte dieser Mensch doch auch seine starken Seiten, und besaß eine natürliche Schlauheit, die aber mehr zu seinen Gunsten gesprochen haben würde, wäre sie nicht gepaart gewesen mit einem gewissen ausweichenden Wesen, das Einem beständiges Mißtrauen gegen seine Aufrichtigkeit einflößte, und oft diejenigen, welche viel mit ihm verkehrten, auf den Glauben brachte, er habe einen geheimen, sündhaften Hang, der ihn zum Heuchler mache.

Jason hegte eine große Verachtung gegen New York; ein Gefühl, das er nicht immer geneigt war, zu verhehlen, und natürlich stellte er gewöhnlich Vergleichungen an mit dem Zustand der Dinge in Connektikut, und zwar sehr zum Vortheil von diesem. Vor Einem jedoch hatte er die größte Achtung, vor dem Gelde New Yorks nämlich. Connektikut hatte damals und hat auch wohl jetzt nicht Einen Mann, der in New York reich genannt würde, und Jason, trotz seiner Provinzialeinbildung, trotz seiner überschwänglichen Begriffe von moralischer und intellektueller Überlegenheit, konnte so wenig seines tiefen Respekts vor dem Gelde sich entschlagen, als er an die Stelle einer in Gemeinheit und Verwahrlosung verlebten Kindheit die Feinheit, den Wohlanstand und die Kenntnisse setzen konnte, welche die Knaben von den glücklicheren Classen im Leben sich gleichsam, ohne es zu wissen, aneignen. Ja, Jason beugte sich vor dem goldenen Kalbe, trotz seines Puritanismus, trotz seiner Freiheitsliebe, seiner Ansprüche auf allgemeine Gleichheit und trotz seines ganzen gespreizten und hoffärtigen Wesens und Benehmens.

Dieß ist die Skizze des Charakters und der Eigenschaften eines Mannes, den ich bei meiner Rückkehr vom Collegium an der Spitze von Mr. Worden's Schule fand. Wir wurden bald bekannt, und ich weiß nicht, Wer im Laufe der ersten vierzehn Tage vom Andern die meisten Ideen überkam. Unsere Unterhaltung und unsere Argumente waren ungezwungen und frei, beinahe bis zur Grobheit, und gegenseitig zeigten wir wenig Schonung gegen unsere beiderseitigen Vorurtheile. Jason war ultra-gleichmacherisch gesinnt in seinen Ansichten von der Gesellschaft, während ich die Ansichten meiner Colonie hegte, in welchen die Unterschiede der Classen weit stärker bezeichnet sind, als es in Neu-England, über die Grenze von Boston und der nächsten Umgegend hinaus, gewöhnlich ist. Dennoch hatte Jason Respekt auch vor Namen, ebenso wie vor dem Geld, obwohl in einer ganz andern Art und Weise als ich. Neu-England war und ist loyal gegen die Krone; aber da es das Recht hat, viele von seinen Gouverneurs zu ernennen, und manche andere politische Vorrechte besitzt in Kraft der seinem Volke bewilligten Freibriefe, um es zu vermögen, auf diesem Theil des Continents sich niederzulassen; zeigt es diese seine Gesinnungen nicht immer in einer Art, welche denen behagt, die eine eigentlich geziemende Ehrfurcht vor der Krone haben. Jason und ich hatten verschiedene Erörterungen über das Thema der Professionen, Gewerbe und Berufsarten. Es war unverkennbar, daß er den Beruf eines Schulmeisters der Ehre nach zunächst an den eines Geistlichen anreihte. Die Geistlichkeit bildete nach seinen Begriffen eine Art Aristokratie; aber kein Mensch konnte das Leben unter günstigeren Auspicien anfangen, als indem er Schulunterricht ertheilte. Folgendes Gespräch hatten wir einmal über diesen Gegenstand; und ich war so betroffen von der Neuheit der Begriffe meines Genossen, daß ich es aufzeichnete, sobald wir uns getrennt hatten.

»Ich muß mich wundern, daß Eure Leute nicht daran denken, Euch Etwas zu thun zu geben, Corny«, begann Jason eines Tages, nachdem unsere Bekanntschaft zu einer Art kriegführender Vertraulichkeit herangereift war. »Ihr seid nahezu neunzehn Jahre alt jetzt, und solltet nachgerade darauf denken, Etwas einzubringen, zum Ersatz für all die Auslagen.«

Unter »Eure Leute« verstand Jason die Familie Littlepage; und das Blut dieser Familie empörte sich ein wenig in mir bei dem Gedanken, in der von ihm angedeuteten Weise nutzbar verwendet zu werden, weil ich das reife und nutzbare Alter von neunzehn Jahren erreicht hätte.

»Ich verstehe Euch nicht recht, Mr. Newcome, was das Einbringen heißen soll,« antwortete ich mit hinlänglichem, würdevollem Ernst, um einen Menschen von gewöhnlichem Zartgefühl vorsichtig zu machen in seinen Aeußerungen.

»Etwas einzubringen ist doch wohl ein verständlicher, guter Ausdruck, hoffe ich, Mr. Littlepage. Ich meine, Eure Erziehung hat Eure Leute genug gekostet, um sie zu berechtigen, von Euch nunmehr auch ein kleines Interesse zu fordern. Wie Viel meint Ihr denn wohl, daß auf Eure Erziehung verwendet worden sey, von der Zeit an, wo Ihr zuerst zu Mr. Worden kamet, bis zu dem Tage, wo Ihr Newark verließet?«

»In der That, ich habe davon nicht den mindesten Begriff; ich habe an die Sache gar nie gedacht.«

»Haben die alten Leute nie mit Euch darüber gesprochen? nie die Totalsumme zusammen addirt?«

»Gewiß, ich sehe gar nicht ein, wie dieß hätte geschehen können, denn ich konnte ihnen nicht im Mindesten dabei helfen.«

»Aber Eures Vaters Bücher müßten darüber Aufschluß geben, da ohne Zweifel Alles Euch zu Lasten eingetragen darin steht.«

»Mir zu Lasten eingetragen darin steht! – Wie, Sir, meint Ihr denn, mein Vater führe in einem Buch eine Rechnung zu meinen Lasten, und trage es ein, so oft er ein paar Pfund für meine Erziehung bezahlt?«

»Gewiß! wie könnte er sonst wissen, wie Viel Ihr empfangen habt? – Jedoch, wenn ich es näher überlege, da Ihr ein einziges Kind seid, macht es keinen so großen Unterschied. Wahrscheinlich bekommt Ihr doch am Ende Alles.«

»Und wenn ich einen Bruder oder eine Schwester hätte, Mr. Newcome, meint Ihr dann, es würde jeder Shilling, den wir ausgäben, in ein Buch eingetragen werden, zu unsern Lasten?«

»Wie denn sonst, um's Himmels willen, könnte man wissen, Welches Mehr gehabt hat; oder wie könnte irgend Gerechtigkeit zwischen Euch beobachtet werden?«

»Gerechtigkeit würde geübt und beobachtet werden dadurch, daß unser gemeinschaftlicher Vater Jedem gerade so Viel von seinem Gelde gäbe, als ihm angemessen schiene. Was ginge es mich an, wenn ihm beliebte, meinem Bruder ein paar hundert Pfund mehr zu geben, als er mir geben wollte? das Geld ist sein, und er kann damit thun, was ihm gefällt.«

»Hundert Pfund ist ein entsetzliches Geld!« rief Jason, und sein Gesicht verrieth, wie tief er von dieser Wahrheit durchdrungen war. »Wenn Ihr das Geld in solchen großen Summen bekommen habt, so habt Ihr um so mehr Grund und Aufforderung, Etwas zu ergreifen, um es dem alten Gentleman wieder hereinzubringen. Warum nicht eine Schule aufthun?«

»Sir?«

»Warum nicht eine Schule aufthun, sage ich? Ihr hättet meine Stelle bekommen können, wenn Ihr etwas älter wäret; aber einmal darin, fest darin, ist mein Spruch. Aber es fehlt immer noch an Schulen, und Ihr könntet eine ganz erträgliche Empfehlung bekommen. Ich glaube gewiß, Euer Lehrer würde Euch ein Certifikat ausstellen.«

»Und meint Ihr wirklich, daß Einer, der Satanstoe erben soll, klug daran thäte, Schullehrer zu werden? Erinnert Euch, Mr. Newcome, daß mein Vater und mein Großvater Beide Offiziere des Königs gewesen sind, und daß der letztere es in diesem Augenblick noch ist, durch seinen Stellvertreter, den Gouverneur.«

»Was soll das Alles? Was gibt es für eine bessere Beschäftigung als eine Schule halten? Wenn Ihr in Euren Begriffen und Wünschen hoch hinauf wollt, so bemüht Euch, Tutor an dem Collegium zu New Jersey zu werden. Bedenkt, daß ein Tutor in einem Collegium doch Etwas heißen will. Ich hoffte für mich auf eine solche Stelle, aber da ich den Sohn eines Gouverneurs als Candidaten gegen mich hatte, blieb mir keine Aussicht.«

»Eines Gouverneurs Sohn Candidat um die Stelle eines Tutors bei einem Collegium! Es beliebt Euch, mit mir zu spaßen, Mr. Newcome!«

»Es ist so wahr wie das Evangelium. Ihr meint, ein kleinerer Fisch habe mich ausgestochen, aber es war der Sohn des Gouverneurs. Aber warum gebt ihr dem Bauernhof Eures Vaters diesen gemeinen Namen? – Satanstoe ist nicht anständig, und doch, Corny, habe ich Euch vor Eurer eigenen Mutter diesen Namen aussprechen hören.«

»Das könnt Ihr jeden Tag hören, und meine Mutter selbst gebraucht ihn auch vor ihrem eigenen Sohn. Was findet Ihr für Fehler an dem Namen Satanstoe?«

»Fehler! – erstlich ist er irreligiös und profan; sodann ist er unnobel und gemein, und nur geeignet in schlechter Gesellschaft gebraucht zu werden. Ueberdieß ist er auch der Geschichte und der Offenbarung entgegen, da der Böse einen Huf hat, wenn Ihr wollt, aber keine Zehen. Ein solcher Name könnte sich nicht vierzehn Tage vor der öffentlichen Meinung in Neu-England behaupten.«

»Ja, das mag ganz wahr seyn, aber wir kümmern uns hier in der Colonie New York nicht so viel um Seine Satanische Majestät, daß wir ihn mit so viel Respekt behandelten. Was dann die Hufe betrifft –« und hier führte die Verschiedenheit in der Art, wie wir dies Wort aussprachen, zu einer kleinen abschweifenden Erörterung über die Sprache von New York und Neu England, in deren Verlauf Jason sagte: »Ich kümmere mich Nichts um die Aussprache von York, von welcher Jedermann weiß, daß sie ganz holländisch und voll Entartungen ist. Ihr werdet in dieser Colonie niemals etwas der Rede Werthes leisten, Corny, als bis Ihr auf Eure Schulen mehr Aufmerksamkeit verwendet.«

»Ich weiß nicht, was Ihr Aufmerksamkeit nennt, Mr. Jason, wenn wir sie nicht schon in vollem Maße bewiesen haben. Hier habe ich die Einleitung zu einem Gesetz gerade über diesen Gegenstand, die ich aus dem Statutenbuch abgeschrieben, um sie Euch zu zeigen, und die ich Euch jetzt vorlesen will, zum Beweise, wie die Sachen in der Colonie in Wahrheit stehen.«

»Lest nur,« versetzte Jason, mit der Miene selbstgefälliger Verachtung.

Und ich las folgende bündige und inhaltsreiche Worte: »Da die Jugend in dieser Colonie, nach vielfältigen Erfahrungen, bewiesen hat, daß sie in ihren natürlichen Anlagen der Jugend keines andern Landes auf der Welt nachsteht, deßwegen wird verfügt und verordnet Diese Anführung scheint ganz genau zu seyn, und es ist wohl von Interesse, den Gründen nachzugehen, warum dem Gesetz ein so eigenthümlicher Eingang voran geschickt ist. Sollte es nicht herrühren von den oft vorgebrachten, kecken Behauptungen der Europäer, daß der Mensch in dieser Hemisphäre ausarte? Jeder Amerikaner, welcher die Ansichten von Europa in der Nähe betrachtet und kennen gelernt bat, selbst noch in unsern Tagen, muß nicht selten belustigt worden seyn durch die Kundgebung von Ueberraschung und Zweifel, welche den Bewohnern der alten Welt so oft entschlüpft, wenn sie etwas entdecken, was von einem besondern, der neuen Welt entstammenden Talente zeugt. Ich zweifle kaum daran, daß dieser außergewöhnliche Eingang eine Art von indirekter Antwort seyn soll auf eine Anschuldigung, von der man in jener Zeit wußte, daß sie ebenso allgemein war, als man ihre Ungerechtigkeit fühlte. Meine eigene Erfahrung würde mich zu der Annahme führen, daß angeborenes Talent in Amerika häufiger vorkomme, als in den mittlern Ländern Europa's, und ganz ebenso häufig als selbst in Italien; und ich habe oft englische und französische Lehrer anerkennen hören, daß ihre Schüler aus Amerika und Westindien im Durchschnitt die willigsten und gescheutesten in ihren Schulen seien. Das große Uebel, unter welchem unser Land in dieser Hinsicht leidet, ist die Herrschaft der Zahl und Masse, welche immer die Mittelmäßigkeit und das unächte Talent zu hohen Stellen emporhebt. In Amerika haben wir einen höhern Durchschnitt des Talents, während wir weit weniger Talent von der höhern Gattung besitzen; und ich schreibe diesen letztern Umstand dem überwiegenden Einfluß solcher Leute zu, welche nie im Besitz der Mittel gewesen sind, die Trefflichkeit zu würdigen. Der Herausgeber. u. s. w.« »Da, Sir,« sagte ich im Triumph, »habt Ihr Capitel und Vers zum Zeugniß für den wahren Charakter der heranwachsenden Generation in der Colonie New York.«

»Und wozu führt diese Einleitung?« fragte Jason, etwas betroffen darüber, daß er die Gleichheit unserer New Yorker Köpfe mit andern so klar und deutlich in einer legislativen Akte ausgesprochen fand.

»Es ist die Einleitung zu einer Akte, welche die Freischulen von New York organisirt, in welchen die gelehrten Sprachen jetzt schon seit zwanzig Jahren gelehrt werden; und Ihr werdet Euch gefälligst erinnern, daß vor nicht langer Zeit ein Gesetz erlassen worden ist, welches in der Hauptstadt ein Collegium organisirt.«

»Nun, es kommen manchmal seltsame Gesetze in das Statutenbuch, und man muß sie dann eben nehmen, wie man sie findet. Ich glaube gewiß, Connektikut hätte wohl auch ein Wort zu sagen über denselben Gegenstand, wenn man ihm Gelegenheit gäbe. Habt Ihr die wundervollen Neuigkeiten aus Philadelphia gehört, Corny, welche vor Kurzem eingelaufen sind?«

»Ich habe neuerlich Nichts gehört; denn Ihr wißt ja, ich bin drüben gewesen in Rockland, mit Dirck Follock, während der letzten vierzehn Tage, und Neuigkeiten kommen nie in jene Familie, ja nicht einmal in jene Grafschaft.«

»Nein, das ist ganz wahr,« antwortete Jason trocken. »Neuigkeiten und ein Holländer haben keine Verwandtschaft, oder Anziehungskraft, wie wir in der Philosophie sagen würden; obwohl auf einer Seite Gravitation genug ist, he, Junge?«

Hier lachte Jason überlaut, denn er hatte immer eine große Freude, so oft er den Kindern Hollands einen Seitenhieb versetzen konnte, welche er als eine Raçe zu betrachten schien, die den Platz zwischen der menschlichen Gattung und der höchsten Classe der vernunftlosen Thiere einnehme. Aber es ist unnöthig, länger bei diesem Gespräch zu verweilen, da meine Absicht nur war, im Allgemeinen die Gesinnung und Denkweise Jasons zu zeigen, um besser verstanden zu werden, wenn ich dazu komme, seine Ansichten in Verbindung zu setzen mit seinen Handlungen.

Dirck und ich waren nach meiner Rückkehr vom Collegium viel zusammen. Ich brachte ganze Wochen bei ihm zu, und er erwiederte meine Besuche mit der größten Bereitwilligkeit und Freiheit. Wir Beide waren jetzt vollkommen erwachsen, und es hätte das Herz Friedrichs von Preußen erfreuen müssen, meinen jungen Freund zu sehen, nachdem er sein neunzehntes Jahr vollendet hatte. Seiner Größe nach maß er genau sechs Fuß drei Zoll und er versprach vollkommen eine damit im Verhältniß stehende Breite und Stärke zu erreichen. Dirck war keiner von den zierlich gerundeten Apollo-mäßig gewachsenen Burschen, sondern er hatte Schultern, die seine kleine, kurze, solide aber etwas trüb aussehende Mutter, die von der ächten Raçe war, kaum umspannen konnte, wenn sie seinen Kopf zu sich niederzog, um ihm einen Kuß zu geben, was sie, wie Dirck selbst mir sagte, jedes Jahr regelmäßig zwei Mal that, an Weihnachten nämlich und zu Neujahr. Seine Gesichtsfarbe war hell, seine Glieder groß und wohl proportionirt, seine Haare blond, seine Augen blau, und die meisten Leute würden sein Gesicht für hübsch erklärt haben. Ich will jedoch nicht läugnen, daß mein Freund eine gewisse Schwerfälligkeit von Körper und Geist an sich hatte, welche sich mit den gewöhnlichen Begriffen von Anmuth und Lebendigkeit nicht vertrug. Dennoch war Dirck ein gediegener Bursch, so treu wie Stahl, so muthig wie ein Kampfhahn und so ehrlich wie das Mittagslicht. Jason war in vielen wesentlichen Punkten eine ganz andre Art Mensch. Von Wuchs war auch er groß, aber er war eckig und seine Gliedmaßen hingen locker zusammen und waren schlenkerig oder schlotterig. Doch war er nicht ohne Leibesstärke, da er bis beinahe in sein zwanzigstes Jahr auf einem Bauernhofe gearbeitet hatte, und er war so beweglich wie eine Katze, was den, der ihn nicht kannte, einigermaßen überraschte, wenn man nur seinen schlottrigen Körperbau ins Auge faßte. Was das Denken betrifft, so machte Jason hierin wohl zwei Schritte, bis Dirck einen machte, aber ich bin ganz und gar nicht überzeugt, ob immer auch so richtig und sicher. Ließ man dem Holländer Zeit, so war er ganz der Mann dazu, am Ende das Rechte zu finden, während Jason, wie ich bald entdeckte, sehr dem ausgesetzt war, auf falsche Ergebnisse und Schlüsse zu kommen, und dieß ganz besonders in allen Dingen, welche ihm ein wenig gegen den Mann gingen und welche seine eigenen offenbaren Interessen berührten. Dirck war überdieß einer der gutmüthigsten Menschen, welche es auf der Welt gab, und es war beinahe unmöglich, ihn zum Zorn zu reizen; wenn es jedoch dazu kam, so konnte kaum ein Erdbeben fürchterlicher seyn. Ich habe ihn in Wuth gesehen, und ich wollte eben so gerne einem wilden Eber auf offnem Feld begegnen, als mich ihm in einem solchen Ausbruch gegenüber stellen.

Die Bescheidenheit erlaubt mir nicht wohl, Viel von mir selbst zu sagen. Ich war gut gewachsen, thätig, rüstig und stark für meine Jahre, und, so bin ich geneigt zu glauben, sah erträglich gut aus, obgleich mir lieber wäre, wenn dieß von irgend einem Andern und nicht von mir selbst gesagt und bezeugt würde. Dirck und ich versuchten oft als Knaben unsre Mannhaftigkeit gegen einander, und ich war der Stärkere, bis mein Freund sein achtzehntes Jahr erreichte, wo das schwere Metall des jungen holländischen Riesen bei unsern Kämpfen sich geltend machte. Nach dieser Periode fand ich Dirck zu stark für mich im Ringkampf von Mann gegen Mann, obgleich meine außerordentliche Behendigkeit die Ungleichheit weniger augenfällig machte, als sie sonst wohl gewesen wäre. Ich hätte den Ausdruck außerordentlich in keiner Beziehung von mir selbst gebrauchen sollen, aber das Wort entschlüpfte mir unbewußt, und ich will es stehen lassen. Eines jedoch will ich doch noch bemerken, mag der Leser davon denken, was er will: ich war gutmüthig und wohlwollend gegen meine Mitgeschöpfe, und hatte keine größere Liebe zum Geld, als nöthig war, um mich zu einem in solchen Dingen vernünftigen Menschen zu machen.

Dieß ist der Umriß des Charakters und des äußern Wesens von dreien der Hauptpersonen bei den nun zu erzählenden Scenen, welche einiges Interesse für Solche haben werden, die gerne die Erzählung von Begebenheiten und Abenteuern in einem neuen Lande lesen, wie wenig sie auch die Theilnahme Anderer in Anspruch nehmen mögen, wenn ich von dem Zustand und den Begebnissen des civilisirteren Zustands der Gesellschaft spreche, dessen man selbst schon in meiner Jugend in solchen alten Grafschaften, wie West Chester, und in solchen Städten wie York, sich erfreute.


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