Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

                        Meine Söhne?
Entmannen könnt' es mir das Herz; es würden
Die armen Kinder weinen; und was hab' ich
Zu ihrem Trost? nur hohle Hoffnungen
Und ein erzwungnes Lächeln!
Sardanapalus.

Mein Lord Howe erkannte uns zuerst nicht in unsern Jagdhemden. Mit Guert Ten Eyck jedoch war er während seines Aufenthalts in Albany so genau bekannt worden, daß er ihn an der Stimme wieder erkannte, und unsre Bewillkommnung war offen und herzlich. Wir erkundigten uns nach dem – ten Regiment, indem wir unsre Absicht aussprachen, diesem Corps uns anzuschließen, von dessen Commandanten wir Alle drei wiederholte und dringende Einladungen erhalten hatten, an seiner Tischgesellschaft Theil zu nehmen. Unser Vorhaben jedoch, unsern Freund unverzüglich aufzusuchen, erlitt eine Veränderung durch die Bemerkung unseres jetzigen Gastfreunds und Wirthes – wenn man eines solchen Ausdrucks sich anders bedienen darf von dem Commandeur einer Brigade von Booten.

»Bulstrode's Regiment ist in der Mitte und wird bald zum Schlagen kommen,« sagte er, »doch nicht sobald als die Vorhut. Wenn Ihr gutes Eßen wünscht, Gentlemen, so bin ich weit entfernt Euch abrathen zu wollen, die Fleischtöpfe des – ten Regiments aufzusuchen; denn es ist ein gewisser Mr. Villings bei jenem Corps, welcher ein außerordentliches Talent besitzt, wie man mir sagt, ein gutes Mittageßen aus fast Nichts zu machen; aber wenn es Euch um das Fechten zu thun ist, so sind wir gewiß die erste Brigade, die zum Schlagen kommt; und bei einer Kost, wie sie mir zu Gebote steht, seyd Ihr höchst willkommene Gäste. Alles Uebrige muß erst die Zeit lehren.«

Nach diesem war nicht mehr die Rede davon, Bulstrode aufzusuchen; doch gaben wir unserm edeln Commandanten zu verstehen, daß wir seine Gastlichkeit nicht länger in Anspruch zu nehmen gedächten, als bis wir ihn recht ins Feld rücken gesehen, nachdem die feindliche Abtheilung zurückgetrieben wäre, die, wie man erwartete, abgeschickt werden würde, um sich unsrer Landung zu widersetzen.

Sobald Susquesus unsern Entschluß erfahren, nahm er seinen Abschied und ruderte ruhig der östlichen Küste zu; und Niemand suchte ein Canoe aufzuhalten, welches man von dem Fahrzeug abstoßen sah, das, wie Jedermann wußte, den Befehlshaber der ersten Brigade trug.

Der Wind wurde frischer, sowie die Sonne an Himmel stieg, und da die meisten Boote irgend etwas Segelähnliches hatten, ging unsre Fahrt mit großer Schnelligkeit von Statten. Um neun Uhr befanden wir uns schon ganz im untern See und wir hatten alle Aussicht, unsern Bestimmungsort bis Mittag zu erreichen. Ich gestehe, die Expedition, auf welcher wir begriffen waren, die Neuheit meiner Lage, und die Gewißheit, daß wir an Montcalm einen erfahrenen und höchst tapfern Feind treffen würden, das Alles zusammen machte mich während der wenigen Stunden, die wir in dem Fahrzeug zubrachten, nachdenklich, doch, hoffe ich, nicht ängstlich. Es ist nicht zu verwundern, wenn bei völliger Unthätigkeit ein so junger Soldat sich etwas ernüchtert fühlte durch die ernsten Gedanken, welche sich so gerne des Gemüths bemächtigen bei dem möglichen Herannahen des Todes – wo nicht meines eignen, doch dessen von Vielen, die mich umgaben. Es lag auch gar nichts Prahlerisches oder Aufgeblasenes in dem Wesen oder im Gespräch unsers ausgezeichneten Führers, welcher, so jung er war, doch in den Kriegen seines angeblichen Großvaters und seines Oheims in Deutschland schon warme Kämpfe mitgefochten hatte. Im Gegentheil war mein Lord Howe an diesem Tage ernst und nachdenklich, wie einem Manne geziemte, welcher für das Leben von so Vielen verantwortlich war, obwohl er weder niedergeschlagen noch unzuversichtlich erschien. Es waren zwar Augenblicke, wo er heiter mit den ihn Umgebenden sprach; im Ganzen aber war seine Haltung, wie gesagt, ernst und nachdenklich. Einmal bemerkte ich, daß sein Auge mit einem trüben Ausdruck auf mir ruhte; und ich vermuthe, daß eine Frage, die er bald darauf an mich richtete, mit dem Gegenstande seiner Gedanken in jenem Augenblick zusammenhing.

»Was würde unsre treffliche, verehrungswürdige Freundin, Madame Schuyler, empfinden, wenn sie unsre Lage in diesem Augenblick ganz genau wüßte, Mr. Littlepage? Ich glaube diese treffliche Frau fühlt oft mehr Sorge und Unruhe um diejenigen, an welchen sie Antheil nimmt, als diese selbst für sich empfinden.«

»Ich glaube, mein Lord, daß uns in einem solchen Augenblick gewiß ihr Gebet zu Hülfe käme.«

»Ihr seyd ein einziges Kind, hat sie mir, glaube ich, gesagt, Littlepage?«

»So ist es, mein Lord, und ich danke dem Himmel, daß meine Mutter von dieser Szene keine Ahnung haben kann.«

»Auch ich habe Solche, die mich lieben, obwohl sie gewohnt sind, sich mich als Soldaten zu denken, und den Gefahren des Soldaten ausgesetzt. Glücklich ist der Militär, der im Augenblick der Gefahr die volle Heiterkeit des Geistes und Gemüths sich bewahren kann, frei von den ängstigenden, obwohl angenehmen und sonst so süßen Banden der Zärtlichkeit und Liebe. Aber wir nähern uns der Küste und müssen an die Pflicht des Dienstes denken.«

Das ist das letzte Gespräch, das ich mit diesem braven Soldaten gehabt; und dieß waren die letzten Worte nicht amtlicher Art, die ich ihn überhaupt sprechen hörte. Von diesem Augenblick an schien seine ganze Seele beschäftigt mit der Erfüllung seiner Pflicht, mit dem Erfolg unsrer Waffen und dem Wunsch, die Feinde zu schlagen.

Ich bin nicht Soldat genug um das, was nun folgte, in militärischer oder überhaupt in recht verständlicher und anschaulicher Weise zu schildern. Als die Brigade sich dem Ende des See's näherte, wo eine ziemliche Strecke niederen Landes, jedoch hauptsächlich Waldung sich hinzog, wurden einige Fahrzeuge voran gestellt, worauf sich eine Anzahl schwerer Geschütze befand. Die Franzosen hatten eine ziemlich ansehnliche Streitmacht, um sich unsrer Landung zu widersetzen; aber wie es schien hatten sie ihrer Seits nicht hinlänglich mit Geschütz sich versehen, um mit Erfolg zu kämpfen; und als unsre Kartäschen den Wald bestrichen, trafen wir auf wenig wirklichen Widerstand. Auch griffen wir sie nicht gerade an dem Punkt an, wo wir erwartet wurden, sondern etwas mehr rechts von ihrer Stellung. Auf das gegebne Signal steuerte die vorgerückte Brigade, von unserem tapferen Befehlshaber geführt, eilends auf das Ufer zu, und bald befanden wir uns Alle auf festem Grund und Boden, ohne einen nennenswerten Verlust zu erleiden. Wir Vier, das heißt Guert, Dirck, ich selbst und Jaap hielten uns dem edeln Brigadier so nahe als möglich, welcher alsbald vorzurücken befahl, um den sich zurückziehenden Feind zu drängen. Das Gefecht war jedoch nicht sehr hitzig, und wir gewannen rasch einigen Grund, indem sich der Feind in der Richtung von Tikonderoga zurückzog und wir seine Nachhut so rasch verfolgten, als die Vorsicht und unsre Vorbereitungen es gestatteten. Ich bemerkte, daß eine ganze Wolke von Indianern sich uns gegenüber befand und ich will gestehen, daß ich wegen eines Hinterhalts besorgt ward; denn die listige Kriegführung, welche bei diesen Geschöpfen der Wälder im Brauche war, mußte nothwendig, wenigstens durch Ueberlieferung, einem in den Colonien Geborenen und Aufgewachsenen wohlbekannt seyn. Wir hatten in einer Bucht gelandet, nicht eigentlich am Fuß oder Ausgang des See's, sondern etwas mehr westlich, und sobald genug Raum gewonnen war, so setzte General Abercrombie den größten Theil seiner Streitmacht ans Land und formirte sie so rasch als möglich in Colonnen. Dieser Colonnen hatten wir vier; die zwei in der Mitte bestanden ganz aus königlichen Truppen, sechs Regimentern im Ganzen, welche mehr als sechs tausend Mann zählten; während fünftausend Provinzialen auf den Flanken sich befanden, und volle viertausend der letztern bei den Booten zurückblieben, deren diese ungeheure Flottille in der That die große Zahl von eintausend und fünfundzwanzig in sich begriff. Jedoch hatten nicht alle unsre Boote den Landungsplatz erreicht; sondern die mit den Vorräthen, der Artillerie u. s. w. waren noch eine Strecke weit zurückgeblieben.

Unsere Gesellschaft befand sich jetzt bei der Colonne des rechten Centrums, an deren Spitze unser edler Bekannter marschirte. Der Feind hatte ein einziges Bataillon in einem Barackenlager in der Nähe des gewöhnlichen Landungsplatzes postirt; aber als dessen Befehlshaber erkannte, von welcher Streitmacht er angegriffen werden sollte, steckte er seine Hütten in Brand und zog sich zurück. Das Gefecht war jetzt sogar noch unbedeutender als es bei der Landung gewesen war, und wir Alle rückten mit freudigstem Muthe vor, obgleich der Mangel an Wegweisern, die Dichtigkeit der Wälder und die Schwierigkeiten des Terrains bald einige Verwirrung in unserm Marsch verursachten. Die Colonnen verwickelten sich in einander, und keine schien im Stande zu seyn, sich schnell aus dieser widrigen Klemme und Verlegenheit herauszuziehen. Der Mangel an Wegweisern war das Hauptübel, das uns zu schaffen machte, – ein Uebelstand, welchem abzuhelfen es jetzt zu spät war.

Trotzdem rückte unsre Colonne, oder vielmehr ihre Spitze fortwährend vor, und ihr tapferer Befehlshaber hielt gleichen Schritt mit ihrem vordersten Peloton. Wir vier Freiwillige leisteten Dienste als Plänkler und Späher, etwas seitwärts; und ich hoffe, es wird nicht als Prahlerei erscheinen, wenn ich sage, wir waren immer etwas voraus vor den ersten Gliedern. Während dieses Stands der Dinge wurden vor uns französische Uniformen sichtbar und wir stießen auf eine ziemlich starke feindliche Abtheilung, welche, wie wir, in einiger Unsicherheit der Route, die sie einschlagen sollte, um in kürzester Zeit ihre Verschanzungen zu erreichen, sich bewegte. Natürlich konnte diese Abtheilung nicht an der Spitze unserer Colonne vorbeiziehen, ohne daß es zu einem, obwohl nur augenblicklichen Zusammenstoß gekommen wäre. Welche Partei zuerst Feuer gab, kann ich nicht sagen, glaube aber, es waren die Franzosen. Die Salve war jedoch nicht sehr bedeutend und wurde beinahe im selben Augenblick erwiedert. Ich weiß, daß wir Alle vier unsere Büchsen abfeuerten, und unter einer Deckung Halt machten um wieder zu laden. Ich hatte eben die Kugel hinabgestoßen, als ich der Anzeichen von einiger Verwirrung an der Spitze der Colonne ansichtig wurde, und ich den Leichnam eines Offiziers zurücktragen sah. Es war der Leichnam Lord Howe's! Er war gefallen bei der ersten feindlichen Salve dieses Feldzuges! Der Fall ihres Führers, so unmittelbar vor ihren Augen schien in der Colonne das Gefühl von der Notwendigkeit zu beleben, etwas Nachdrückliches zu thun; sie griff die ihr gegenüber stehende Abtheilung mit der Wuth von Tigern an und zerstreute den Feind wie Spreu; es wurde eine ansehnliche Zahl von Gefangenen gemacht, und nicht Wenige getödtet und verwundet.

Nie habe ich einen Menschen heftiger aufgebracht gesehen, als Guert Ten Eyck es bei diesem kleinen Gefecht war. Er war von Lord Howe, während des Aufenthalts dieses unglücklichen Edelmannes in Albany, sehr ausgezeichnet worden; und der Verlust desselben schien Alles zu wecken, was in der Natur meines sonst so milden und sanftmüthigen albanischen Freundes Heftiges und Wildes lag. Er übernahm die Rolle unseres unmittelbaren Befehlshabers, und führte uns, den zurückziehenden Franzosen auf der Ferse, vorwärts, bis wir ihrer Verschanzungen ansichtig wurden. Jetzt sahen wir freilich Alle die Nothwendigkeit für uns ein, uns zurückzuziehen; und Guert verstand sich auch zur Umkehr, obwohl mit finsterem Unmuth, und wie ein gehetzter Löwe. Eine Abtheilung Indianer drängte uns hart bei diesem Rückzug, und wir schwebten in drohender Gefahr, unsere Skalpe zu verlieren; und ich bin immer überzeugt gewesen, sie wären alle verloren gewesen ohne Jaap's Entschlossenheit und herkulische Stärke. Der Zufall wollte, daß, während wir uns von Baum zu Baum drückten, unsere vier Büchsen alle zu gleicher Zeit abgeschossen waren, ein Umstand, den sich unsere Verfolger zu Nutze machten, um einen Angriff auf uns zu wagen. Zum Glück fiel die Wucht dieses Anfalls auf Jaap, welcher seine Büchse wie eine Keule schwang und die drei Indianer, die sich ihm zuerst näherten, im buchstäblichen Sinne der Reihe nach zu Boden schlug. Diese Unerschrockenheit und dieser Erfolg gab uns Zeit wieder zu laden; und Dirck, immer ein kaltblütiger, trefflicher Schütze, streckte den vierten Huronen, mittelst einer Kugel durchs Herz, zu Boden. Jetzt hielt Guert mit Feuern inne und rief Jaap zu, sich zurückzuziehen. Dieser gehorchte; und unter dem Schutz unserer zwei Büchsen kam unsere ganze Gesellschaft davon; denn die Rothhäute waren, nach der so eben empfangenen Probe, aus welchem Zeuge wir gemacht waren, zu sehr eingeschüchtert, als daß sie uns sehr scharf gedrängt hätten.

Wir verdankten jedoch unsere Rettung ebenso sehr einem andern Umstande, als dieser Entschlossenheit Jaap's und der Klugheit Guert's. Unter den Provinzialen befand sich ein sehr angesehener Soldat, mit Namen Rogers. Dieser Offizier führte eine Abtheilung Schützen auf unsere rechte Flanke und trieb rasch die Plänkler des Feindes zurück, wobei er ihnen beträchtlichen Verlust zufügte. Hiedurch wurden die Indianer vor uns im Schach gehalten, da zu besorgen war, Major Rogers Abtheilung könnte ihnen in den Rücken fallen, wenn sie den Versuch machten, uns zu verfolgen, und sie so von ihren Verbündeten abschneiden. Es war gut, daß es so ging; denn wir mußten uns über eine Meile zurückziehen, bis wir den Platz erreichten, wo Abercrombie seine Colonne Halt machen ließ und sich für die Nacht lagerte. Diese Stellung war etwa zwei Meilen von den Werken vor Tikonderoga, und demzufolge nicht sehr weit von der Ausmündung des George-See's entfernt. Hier wurde die Armee in gute Ordnung gebracht und nahm für eine kurze Zeit eine Stellung ein.

Es war nöthig die Ankunft der Vorräthe, der Munition und Artillerie zu erwarten. Da das Herbeischaffen dieses Materials in einer Gegend, welche nicht viel mehr als jungfräulicher Urwald war, eine nicht leichte Aufgabe darbot, beschäftigte es uns volle zwei Tage. Und melancholische Tage waren es; denn der Tod von Lord Howe wirkte auf das ganze Heer fast wie eine Niederlage. Er war der Abgott der königlichen Truppen, und er hatte sich bei uns Amerikanern ebenso beliebt gemacht, wie bei seinen Landsleuten. Eine Art unheilverkündender Traurigkeit herrschte unter uns; und jeder Gemeine schien seinen Verlust wie den eines Bruders zu empfinden.

Wir suchten das – te Regiment auf und begaben uns zu Bulstrode, sobald wir den Platz erreicht hatten, der für das neue Lager gewählt worden war. Der Empfang, den wir bei ihm fanden, war freundschaftlich und gütig, und er wurde noch wärmer, sobald er vernommen hatte, daß wir die kleine Truppe bildeten, welche so keck auf der Flanke der rechten Centrums-Colonne geplänkelt und scharmuzirt hatte, und von welcher man wußte, daß sie in dieser Gegend des Schlachtfeldes weiter vorgerückt war, als irgend sonst Jemand. So schloßen wir uns gleich beim Anfang mit einigem éclat an unser Corps an, und Alle bewillkommneten uns herzlich und mit anscheinender Aufrichtigkeit.

Dennoch herrschte auch beim – ten Regiment so gut wie bei allen andern Corps die allgemeine Niedergeschlagenheit. Lord Howe war bei diesem Regiment so beliebt wie bei irgend einem andern; und unsere Begrüßung und unser nachheriger Verkehr konnte nicht freudig heißen. Bulstrode hatte ein für seinen Rang und seine Jahre ausgedehntes und wichtiges Commando, und er war allerdings stolz auf seine Stellung; aber ich bemerkte wohl, daß selbst sein elastisches und gewöhnlich so munteres Gemüth von dem Vorgefallenen sehr ergriffen und erschüttert war. Wir machten in dieser Nacht miteinander, getrennt von unsern Genossen einen Gang, wo er denn von unserem Verlust zu reden anfing.

»Es mag Euch sonderbar scheinen, Corny,« sagte er, »solche Niedergeschlagenheit im Lager zu finden nach einer Landung, die doch gewiß glücklich gelang, und nach einem Gefecht, das uns, wie man versichert, ein paar hundert Gefangene eingebracht hat. Aber ich sage Euch, mein Freund, es wäre besser für dieß Heer, wenn es sein bestes Corps aufgerieben sehen müßte, als daß es diesen Mann gerade verlieren mußte. Howe war im buchstäblichen Sinne die Seele der ganzen Streitmacht. Er war ein geborner Soldat und machte Alle um ihn her zu Soldaten. Was den Oberbefehlshaber betrifft, so versteht er Euch Amerikaner nicht, und wird Euch nicht so behandeln und gebrauchen, wie er sollte; dann versteht er auch die Art und Weise des Kriegführens auf diesem Continent nicht und wird höchst wahrscheinlich Böcke schießen. Ich will Euch sagen, wie es ist, Corny. Howe hat so viel Einfluß auf Abercrombie gehabt wie auf jeden Andern; und es wird ein Versuch gemacht werden, seine Art den Krieg zu führen und zu fechten zu befolgen und in Anwendung zu bringen; aber um die Ideen eines solchen Mannes, wie Lord Howe war, in Ausführung zu bringen, braucht es eben wieder einen Lord Howe. Das ist der Punkt, an dem wir, fürchte ich, scheitern werden.«

All dieß klang mir sehr vernünftig, obwohl sehr wenig ermuthigend; ich fand jedoch, daß nicht Bulstrode allein diese Gesinnungen und Ansichten hegte, sondern daß die Meisten um mich herum ebenso dachten. Inzwischen gingen die Vorbereitungen ihren Gang fort; und man vernahm, daß der 8te der Tag seyn sollte, der über das Schicksal von Tikonderoga entscheiden würde. Das eigentliche Fort auf dieser berühmten Station steht auf einer Halbinsel und kann nur von Einer Seite angegriffen werden. Die Außenwerke waren auf dieser Seite sehr ausgedehnt und man wußte, daß die Garnison sehr stark war. Da jedoch diese Außenwerke hauptsächlich aus hölzernen Brustwehren bestanden und man sich ihnen durch offene Wälder nähern konnte, welche für sich schon einigen Schutz darboten, ward beschlossen, einen Sturm darauf zu unternehmen, und wo möglich mit dem zurückweichenden Feind in die Hauptwerke einzudringen. Hätten wir auf unsere Artillerie gewartet und Batterien aufgeführt, so wäre ein günstiger Erfolg wohl gewiß gewesen; aber der Ingenieur erstattete einen günstigen Bericht über den andern Plan; und vielleicht sagte es der Stimmung und Ungeduld des ganzen Heeres besser zu, rasch vorzudringen, als zu den langsamen Operationen einer regelmäßigen Belagerung zu schreiten.

Am Morgen des 8ten also wurden die Truppen gemustert und zum Sturm geordnet, und unsere Gesellschaft wurde, als Freiwillige, auf die Flanke des – ten Regiments gestellt. Das Terrain gestattete nicht, sich vieler Pferde zu bedienen, und Bulstrode marschirte mit uns zu Fuß. Ich kann nur Wenig von den Operationen und Bewegungen dieses denkwürdigen Tages im Allgemeinen berichten, da die Wälder so Vieles, was auf beiden Seiten geleistet wurde, dem Auge entzogen. Das jedoch weiß ich, daß der Kern Unserer Armee in die Kampflinie gezogen wurde und beim Sturme voran war, reguläre Soldaten und Provinzialen mit inbegriffen. Das 42ste Regiment, ein Hochländercorps, das in Amerika großes Interesse erregt hatte, sowohl durch die äußere Erscheinung als durch den Charakter seiner Leute, wurde auf einen Punkt gestellt, wo man glaubte, daß der Kampf am härtesten, die Gefahr am größten seyn werde. Das 55ste Regiment, ebenfalls ein Corps, zu welchem man großes Vertrauen hatte, wurde an die Spitze einer zweiten Colonne gestellt. Da sich ein Morast eine Strecke weit auf der allein einem Angriff ausgesetzten Vorderseite der Halbinsel hinzog, wurden diese beiden Corps dazu bestimmt, die hölzerne Brustwehr wegzunehmen, welche da anfing, wo der Morast aufhörte; bei weitem die schwierigste Aufgabe des zu erwartenden Kampfes, da dieß der einzige zugängliche Punkt zu der Feste selbst war. Um ihre Stellung noch mehr zu sichern, hatten die Franzosen in der Linie dieser Brustwehr mehrere Stücke Artillerie zu einer Batterie aufgestellt, während wir kein Stück Geschütz vorn hatten, um unser Vorrücken zu decken.

Man sagte, Abercrombie habe keinen der amerikanischen Offiziere in seiner Umgebung um Rath gefragt, ehe er den Angriff vom 8ten Juli beschloß. Er hatte seinen ersten Ingenieur beauftragt, Recognoscirungen anzustellen; und auf den Bericht dieses Gentleman hin, daß die Vertheidigungswerke nach wissenschaftlichen Grundsätzen keine ernsten Hindernisse darböten, wurde der Sturm beschlossen. Dieser Bericht war ohne Zweifel nach den Grundsätzen und Erfahrungen europäischer Kriegführung richtig; aber er stand nicht im Einklang mit der Kampfesweise auf diesem Kontinent. Zu bedauern jedoch war, daß die Erfahrung von 1755 und das Schicksal Braddock's den königlichen Befehlshabern die Pflicht der umfassendsten Vorsicht und Besonnenheit nicht nachdrücklicher eingeprägt hatte, als dieß der Fall war nach den Vorfällen dieses Tages zu urtheilen.

Das – ste Regiment war in Colonne aufgestellt unmittelbar hinter den Hochländern, welche bei dieser Gelegenheit angeführt wurden von Oberst Gordon Graham, einem altgedienten Offizier von großer Erfahrung und vom unerschrockensten Muthe. Die Annalen von Holmes besagen, Sir John Murray habe an diesem Tage das 42ste Regiment befehligt. Ich denke, da Mr. Littlepage dabei war und dem fraglichen Corps so nahe stand, konnte er sich nicht wohl irren. Mrs. Grant, von Laggan, welche damals in Albany verweilte und deren Vater die Schlacht mitmachte, stimmt mit Mr. Littlepage darin überein, daß Gordon Graham das 42ste Regiment anführte. Der Herausgeber. Natürlich sah ich diesen Offizier und dieß Regiment, da sie unmittelbar vor mir standen, aber sonst sah ich Wenig; zumal nachdem der Pulverrauch der ersten Salve zu den andern Hindernissen des Sehens hinzukam.

Eine ziemliche Zeit verstrich über den Vorbereitungen; aber sobald man Alles in Ordnung glaubte, setzten sich die Colonnen in Bewegung. Die allgemeine Voraussetzung war, daß die Truppen das feindliche Feuer aushalten, dann auf die Brustwehr sich stürzen, sie, wenn es nöthig wäre, mit dem Bajonett erstürmen, und in nächster Entfernung erst, oder auf die zurückziehenden Feinde feuern sollten. Uns Freiwilligen und verschiednen leichten Abtheilungen irregulärer Truppen wurde Erlaubniß ertheilt, auf die Franzosen ein Feuer zu eröffnen, wo wir ihrer ansichtig würden, da man von uns beim stürmenden Angriff wenig sich versprach.

Beinahe eine Stunde brauchte man dazu, sich dem Punkte des Angriffs zu nähern, wegen der Schwierigkeiten des Terrains und der Nothwendigkeit, häufig Halt zu machen, um die Ordnung wieder herzustellen. Endlich kam der wichtige Augenblick, wo die Spitze der Colonne im Begriff stand, sich zu demaskiren und folglich auch sich dem feindlichen Feuer auszusetzen. Ein kurzes Haltmachen genügte hier für die nöthigen Anordnungen, worauf die Sackpfeifen ihre aufregende Musik begannen, und wir aus unserm Versteck hervorbrachen, mit lautem Jauchzen einander ermuthigend. Wir müssen damals zweihundert Schritte von der Brustwehr entfernt gewesen seyn, und das erste Gewehr, welches abgefeuert wurde, war das Jaap's, der, in das Dickicht des Morastes vordringend, uns eine Strecke vorangeeilt war und jetzt in der That einen französischen Offizier niederschoß, welcher auf das Holzwerk seiner Schanzen gestiegen war, um zu recognosciren. Dieser tödtliche Schuß jedoch ward furchtbar gerächt! Die Hochländer rückten wie ein Wirbelwind heran, ernst, schweigend und fest, nur von ihrer Musik angefeuert, als ein flammender Blitz auf der feindlichen Linie hin zuckte, und die eisernen und bleiernen Boten des Todes wie ein Sturm auf uns herein sausten und pfiffen. Die Schotten wankten bei diesem entsetzlichen Gruß; aber sie faßten sich sogleich wieder und drangen vor. Das – ste Regiment kam keineswegs mit heiler Haut davon; während der wilde Lärm uns verrieth, daß der Kampf auf der ganzen Linie der Brustwehr gegen das Seeufer hin sich entsponnen hatte. Wie viele von unsrer Colonne bei dieser ersten Salve fielen, habe ich nie erfahren; aber das Blutbad war fürchterlich, und unter den Gefallenen war der Veteran Graham selbst. Mit Sicherheit jedoch kann ich sagen, daß der Angriffsplan von diesem ersten Feuern an vollkommen vereitelt war, indem die Colonnen sich ausbreiteten und sobald als möglich selbst auch zu feuern anfingen. Es war nicht möglich, sich besser zu halten, als Alle, die ich sehen konnte, thaten; wir Alle drangen vor nach den Brustwehren, bis wir auf gefällte Bäume stießen, welche als spanische Reiter gebraucht wurden. Diese Bäume waren, die Fronte der Brustwehre entlang, gefällt, ihre Zweige abgehauen und wie Pfähle gespitzt worden. Es war unmöglich, in einiger Ordnung vorzudringen, und die Truppen machten Halt, als sie sie erreichten, und feuerten fortwährend pelotonweise mit solcher Regelmäßigkeit wie bei einer Parade. Wenige Minuten dieses Gefechts jedoch nöthigten mehrere Corps zum Rückzug, und der unnütze Kampf ward vier Stunden lang fortgesetzt, von unserer Seite fast ganz mit einem stattlichen, aber wirkungslosen Musketenfeuer, während die Franzosen ihre Kartätschen in unsre Reihen schleuderten, beinahe so sicher und ungestraft, wie auf einer Parade. Es wäre weit besser für unsre Mannschaft gewesen, wenn sie weniger gut disciplinirt und dem Commando ihrer Offiziere gehorsam gewesen wäre; denn unter solchen Umständen ist die einzige Folge des festen Standhaltens die, daß tapfere und hingebungsvolle Truppen, welche nicht zurückweichen wollen, während sie außer Stand sind, vorzudringen, nur um so länger der Gefahr preisgegeben bleiben.

Guert hatte auch mit den Uebrigen gejauchzt; und ich merkte bald, daß wir, ihm als unserm Führer folgend, uns unverweilt mitten im Gefechte befinden würden. Wirklich führte er uns auch bis zu den gefällten Bäumen vor; und hier eine Art von Schirm findend, setzten wir uns zwischen ihnen als Schützen und Plänkler fest und thaten unsre volle Schuldigkeit. Als jedoch die Truppen zurückwichen, sahen wir uns so ziemlich alleingelassen, und es war eine gefährliche Sache, uns zurückzuziehen; und da wir uns ausserhalb der Linie des Feuers von unsren eignen Leuten sahen – ein nicht unwesentlicher Punkt bei einem solchen Gefecht! – behaupteten wir unsern Posten bis aufs Aeußerste. Nach langer Zeit endlich an die Notwendigkeit des Rückzugs gemahnt durch das Nachlassen des Feuerns von unsrer Linie her, kamen wir mit heiler Haut davon, obwohl Guert die ganze Strecke das Angesicht dem Feinde zugekehrt, und immer dazwischen feuernd, sich zurückzog. Letzteres thaten wir in der That Alle, indem wir uns zu einigem Schutz der Bäume bedienten. Gegen das Ende zogen wir die besondere Aufmerksamkeit des Feindes auf uns; und zwei oder drei Minuten lang konnten wirklich die um uns herumfliegenden Kugeln ohne sonderliche Uebertreibung mit einem Hagelsturm verglichen werden!

Jaap war nicht bei uns bei diesem Gefecht und Rückzug, und ich ging in den Morast hinein, um nach ihm zu sehen. Ich brauchte nicht lange zu suchen, denn ich fand den Burschen auch auf dem Rückzug begriffen, und er brachte einen stämmigen kanadischen Indianer als Gefangenen mit zurück. Er ließ seinen Gefangenen drei abgeschossene Büchsen und Decken schleppen, welche zuvor theils ihm selbst, theils zwei Männern seines Stammes gehört hatten, welche der Neger als blutige Trophäen seiner Thaten im Morast hatte liegen lassen. Ich kann mich auf die Philosophie der Sache nicht tiefer einlassen, aber es schien mir immer, dieser Neger kämpfe und fechte, wie wenn ihm dieß Geschäft Kurzweil und Freude machte.

Kaum hatte ich diese Thatsache erfahren, als wir die wichtige Nachricht erhielten, es sey Befehl zum allgemeinen Rückzug gegeben. Unsre stolze und gewaltige Armee war geschlagen, und das von einer um zwei Drittheile schwächern Streitmacht! Es ist nicht leicht, die jetzt folgende klägliche Scene zu schildern. Der Transport der Verwundeten hinter das Heer zurück hatte immer fortgedauert; und wie dieß gewöhnlich der Fall, wo es gestattet ist, hatte es stark dazu beigetragen, die Reihen dünner zu machen! Diese Unglücklichen wurden zu Hunderten in die Fahrzeuge gebracht, während man die meisten Todten auf dem Platze liegen ließ. So vollständig waren unsre Hoffnungen vereitelt und unser Muth niedergeschlagen, daß die meisten Boote noch in dieser Nacht abfuhren, und alle Uebrigen das Ufer des Sees früh am nächsten Tage verließen.

So endete die traurige Expedition von 1758 gegen Tikonderoga, und damit unsre Erwartungen, diesen Sommer Monteral oder Quebec zu sehen. Ich glaube gewiß, wir hatten an diesem blutigen Tage volle zehntausend Bajonette im Feld, und wenigstens fünftausend Mann kamen ins hitzige Gefecht. Der Fehler war, daß man versuchte, einen beinahe unzugänglichen Posten mit Sturm wegzunehmen, und dieß dazu noch ohne den Schutz und die Deckung von Artillerie. Der Feind, wurde behauptet, habe vier bis fünftausend Mann auf dem Platz gehabt; und dieß mag wahr seyn, wenn man Alle dazu rechnet, welche innerhalb der Festungswerke sich befanden; aber ich bezweifle, ob mehr als halb so Viele in diesem unglücklichen Gefecht den Hahnen gegen uns abdrückten. Es ist immer viele Übertreibung sowohl in den Prahlereien als in den Entschuldigungen im Kriege.

Unser Verlust bei diesem traurigen Gefecht ward zu 548 Todten und 4356 Verwundeten angegeben. Vermuthlich entsprachen diese Zahlen der Wahrheit; die Vermißten aber wurden zu einer erstaunlich kleinen Zahl, dreißig oder vierzig im Ganzen, angegeben, da die Leute nirgends sonst hin als nach den Booten sich flüchten konnten. Von den Hochländern wurde behauptet, beinahe die Hälfte der Gemeinen, und fünfundzwanzig, d. h. beinahe alle Offiziere seyen getödtet oder verwundet worden. Ein Bericht behauptete sogar sämmtliche Offiziere dieses Corps, welche auf dem Platz waren, seyen unter den Einen oder unter den Andern gewesen. Auch das 55ste Regiment war fürchterlich zugerichtet. Zehn seiner Offiziere lagen todt auf dem Platze und viele waren verwundet. Dem – sten war es etwas besser ergangen, weil es nicht an der Spitze einer Colonne gestanden, doch war auch sein Verlust furchtbar. Bulstrode wurde gleich zu Anfang des Gefechts ernstlich verwundet, obgleich man seine Verletzung nie für gefährlich hielt. Billings blieb todt auf dem Platze, und Harris bekam einen Kratz, der ihm im spätern Leben Anlaß zum Schwatzen gab.

Die Verwirrung war entsetzlich nach einem solchen Kampf und einer solchen Niederlage. Die Truppen schifften sich wieder ein, ohne viel auf die Corps und auf die Regelmäßigkeit der Bewegungen zu achten, und die Boote entfernten sich, sobald sie nur ihre traurigen Ladungen aufgenommen hatten. Ungeheuer viel Hab' und Gut ging verloren, obwohl die gewöhnlichen militärischen Trophäen, wie ich glaube, gerettet wurden. Da die Provinzialen am wenigsten am Kampf Theil genommen und im Verhältniß zur Zahl bei weitem am wenigsten gelitten hatten, so mußte eine große Masse von ihnen die Nachhut bilden, während die regulären Corps ihre Verwundeten und ihr Kriegsmaterial fortschafften.

Was uns drei, oder vier, Jaap mit eingerechnet, welcher seinen Gefangenen nicht fahren ließ, betrifft, so wußten wir kaum, was jetzt anfangen. Alle, die sich für uns interessirten, waren getödtet oder verwundet. Bulstrode konnten wir nicht zu Gesicht bekommen; nicht einmal das Regiment konnten wir auffinden. Wenn uns Letzteres auch am Ende gelang, so waren nur noch sehr Wenige übrig, welche lebhafte oder nur irgend einige Theilnahme für uns empfanden. Unter diesen Umständen hielten wir daher am Ufer des See's eine Berathung, ungewiß, ob wir um Aufnahme in eines der abfahrenden Boote bitten, oder bis zum andern Morgen bleiben sollten, damit unser Rückzug doch ein mannhafteres Ansehen habe.

»Ich will Euch sagen, wie es ist, Corny,« sagte Guert Ten Eyck in etwas nachdrücklichem Tone, »je weniger wir von diesem Feldzug und von unserm Antheil daran sprechen, um so besser. Wir sind keine reguläre Soldaten, und wenn wir uns still verhalten, wird kein Mensch erfahren, was für Schläge wir drei insbesondere bekommen haben. Mein Rath ist, daß wir von dieser Armee uns wegmachen, wie wir dazu gekommen sind, das heißt, mittelst einer Seitenbewegung, und in Zukunft immerdar reinen Mund darüber halten, daß wir irgend Etwas mit der Sache zu thun gehabt haben. Ich habe nie gesehen, daß Einer, dem es übel ergangen, wegen seines Mißgeschicks wäre höher geachtet worden; und ich will gestehen, daß ich, Schläge bekommen, als einen sehr widrigen Theil eines Kampfes betrachte.«

»Ganz gewiß, Guert, bin ich so wenig geneigt, mich meines Antheils an dieser Affaire zu rühmen, als Ihr oder irgend Jemand es seyn mag; aber es ist viel leichter davon zu schwatzen, aus diesem verworrenen Gewühl wegzukommen, als es wirklich auszuführen. Ich zweifle, ob eines dieser Boote uns aufnehmen wird; denn ein geschlagener Engländer ist in der Regel nicht sehr gutmüthig; und alle unsre Freunde sind, scheint es, getödtet oder verwundet.«

»Wollt gehen?« fragte eine leise indianische Stimme hart neben mir. »Genug bekommen, he?«

Ich wandte mich um und sah Susquesus nur einen Schritt von mir entfernt da stehen. Wir hielten notwendiger Weise unsre Berathung mitten unter einer sich drängenden Menschenmenge; und der Onondago mußte sich uns unbemerkt beim Beginn unserer Besprechung, genähert haben. Da stand er wirklich, obgleich ich damals nicht vermochte, mir zu erklären, woher er gekommen und wie er uns auffand, und es auch später nie habe erfahren können.

»Könnt Ihr uns helfen, von hier wegzukommen, Susquesus?« versetzte ich. »Wißt Ihr ein Mittel über den See zu kommen?«

»Canoe gebracht. Das gut. Canoe gehn, wenn auch Yengeese laufen.«

»Das, in welchem wir uns der Armee angeschlossen, meint Ihr?«

Der Indianer nickte mit dem Kopf und gab uns ein Zeichen, ihm zu folgen. Es bedurfte wenig Ueberredung und wir folgten ihm sämmtlich auf der Ferse in der Richtung, in welcher er uns führte. Ich will gestehen, daß, als ich unsern Führer östlich am Seeufer hin sich wenden sah, ich einiges Mißtrauen hegte hinsichtlich seiner Treue. Das war die Richtung, die uns dem Feind entgegen, statt von ihm weg, führen mußte; und es lag etwas so Geheimnißvolles in dem Benehmen dieses Mannes, daß es mich unruhig machte. Da stand er jetzt mitten unter der englischen Armee, als die Verwirrung derselben den höchsten Grad erreicht hatte, während er sich vor der Schlacht derselben nicht hatte anschließen wollen. Nichts war leichter, als sich unter die Menschenmasse, in ihrer gegenwärtigen Verwirrung zu mischen, und stundenlang unentdeckt sich unter ihr umzutreiben, wenn man die nöthigen Nerven zu dem Wagstück hatte; und an dieser Eigenschaft fehlte es, davon war ich überzeugt, dem Onondago nicht. Es lag eine Kaltblütigkeit in dem Wesen dieses Mannes, eine ruhige Beobachtung, vermischt mit der anscheinenden Gefühllosigkeit einer Rothhaut, welche jede Bürgschaft darboten, daß er einer solchen Aufgabe vollkommen gewachsen war.

Dennoch blieb uns keine andere Wahl, als unserm Führer zu folgen, oder auf der Stelle mit ihm zu brechen. Zum Letztern hatten wir keine Lust, obwohl wir uns mit einander darüber besprachen, sondern wir folgten ihm, die Hand am Schloß unserer Büchsen, bereit zum Kampfe, falls wir in Gefahr hineingeführt würden. Susquesus hatte jedoch keine solche verrätherische Absichten, und er hatte sein Canoe an einem Ort untergebracht, welcher von seiner Einsicht und Klugheit zeugte. Wir hatten eine volle Meile zu gehen, bis wir die kleine mit Buschwerk bewachsene Bucht erreichten, in welcher er es versteckt hatte. Ich habe immer gedacht, wir haben in großer Gefahr geschwebt, daß wir so weit in dieser Richtung vor gingen, da die feindlichen Indianer gewiß unsre Armee umschwärmten, um Skalpe zu gewinnen; aber ich erfuhr nachher das Geheimniß von der Zuversicht des Onondago, welcher erst von der Sache sprach, nachdem wir von der Küste abgestoßen hatten, und auch dann erst in Beantwortung einer Bemerkung Guert's.

»Keine Gefahr,« sagte er, »der rothe Mann Yengeese-Skalpe bekommt auf dem Kriegspfad. Zu Viele getödtet, jetzt, braucht keine mehr.«

Da beide Regierungen die schändliche Politik befolgten, Preise für menschliche Skalpe zu bezahlen, enthielt diese Andeutung vermuthlich die ganze Wahrheit.

Ehe wir jedoch die Bucht verließen, war noch eine Schwierigkeit zu beseitigen. Jaap hatte seinen Gefangenen, den Huronen, mit sich gebracht; und der Onondago erklärte jetzt, das Canoe könne nicht Sechs tragen. Dieß wußten wir in der That aus Erfahrung, obgleich Fünf ganz bequem hineingingen.

»Kein Platz,« sagte Susquesus, »für rothen Mann. Fünf gut – sechs schlecht.«

»Was sollen wir mit dem Burschen anfangen, Corny?« fragte Guert mit einiger Lebhaftigkeit. »Jaap sagt, es sey ein schlauer Teufelskerl beim Lichte besehen, und er habe mächtig viel Mühe gehabt ihn zu fangen und einzubringen. Fünf Minuten lang sey es auf der Wage gestanden, Wer unterliegen würde, und der Neger gewann nach seinem eignen Schlachtbericht nur dadurch die Oberhand, daß die Rothhaut die unbegreifliche Tollheit beging, Jaap das Hirn einschlagen zu wollen. Er hätte ebensogut den Felsen von Gibraltar zerschmettern können, wißt Ihr, als einen Negerschädel zerschlagen, und so trug Euer Bursche den Sieg davon. Was sollen wir mit dem Schurken anfangen?«

»Skalp nehmen!« sagte der Onondago kurz und bündig – »hat guten Skalp – Kriegslocke fertig – kriegerisch bemalt – kapitaler Skalp.«

»Ja, das mag sich besser für Euch schicken, Master Succetusch,« – so nannte Guert immer unsern Führer, »als es sich für uns Christen geziemt. Ich fürchte, wir werden den raubgierigen Teufel laufen lassen müssen, nachdem wir ihn entwaffnet.«

»Entwaffnet ist er schon; aber auf diesem Schlachtfeld kann es ihm nicht lang an einer Muskete fehlen. Ich bin Eurer Meinung, Guert; so laß denn sofort deinen Gefangnen los, Jaap, damit wir so schnell als möglich nach Ravensnest zurückkehren können.«

»Das sehr schlimm, Masser Corny, Sah!« rief Jaap, welchem der erhaltne Befehl ganz und gar nicht behagte.

»Kein Wort weiter, Bursche, sondern schneide seine Bande los,« – Jaap hatte dem Indianer die Arme auf den Rücken gebunden, als die bequemste Manier ihn zu transportiren. »Kennst du des Mannes Namen?«

»Ja, Sah – er sagen sein Name Muß,« – vermutlich ein indianisches Wort, das Jaap in seiner verstümmelten Weise aussprach, »und in ein schlimmes Muß er gerathen, Masser Corny, wie er versucht, Jaap bei der Wolle zu packen.«

Hier war ich genöthigt, mit der Hand plötzlich dem Schwarzen das Maul zuzuklappen, denn der Bursche war so entzückt in der Erinnerung an die Art und Weise, wie er seinen rothen Gegner überwältigt hatte, daß er in jenes unbezähmbare, schallende und wiehernde Gelächter ausbrach, welches seiner Raçe so gewöhnlich ist. Ich wiederholte meinen Befehl etwas finster, daß Jaap die Stricke durchschneiden und uns dann in das Canoe folgen solle, in welchem der Onondago und meine zwei Freunde schon ihre Plätze eingenommen hatten. Ich selbst hatte den Fuß aufgehoben um in das Canoe zu treten, als ich gewaltige Streiche auf einen Rücken, so schien es mir, fallen hörte. Ich eilte zurück nach dem Orte, wo ich Jaap und seinen Gefangnen, Muß, verlassen hatte, und fand den Erstern, wie er mit dem Ende des Seils, womit der Indianer noch an den Armen gebunden war, ihm auf den nackten Rücken grausame Streiche versetzte. Muß, wie Jaap ihn nannte, zuckte nicht und schrie nicht. Die Fichte steht nicht aufrechter und regungsloser da an einem Sommermittag, als er dastand unter dieser Marter. Entrüstet stieß ich den Neger weg, durchschnitt mit eigner Hand die Bande des Indianers, und trieb meinen Sklaven vor mir her nach dem Canoe.


 << zurück weiter >>