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XXXVII.

In Salamis beratschlagten während der noch dunklen Morgenröte von neuem die höheren und niederen Flottenführer. Themistokles sprach lächelnd, beinah spöttisch. Er wußte, daß Flucht nicht mehr möglich war nach dem, was geschehen, und ließ den, der fliehen wollte, in dem Wahn. An der Pforte des Ratssaals rief ihn eine Stimme an:

»Themistokles!«

Er sah sich um. Es war sein Feind Aristides, Sohn des Lysimachos. Ihn, den Athener, hatte das Volk verbannt durch das Scherbengericht. Jetzt kam er von Aigina.

»Was willst du?« fragte Themistokles hochmütig.

»Mit dir allein sprechen.«

Themistokles folgte ihm aus dem Saale.

»Du hassest mich«, sagte Aristides.

»Ja«, sagte Themistokles. »Ich hasse dich. Jeder preist dich, obwohl du verbannt bist.«

»Wir wollen unseren gegenseitigen Groll vergessen«, sagte Aristides. »Für persönliche Empfindlichkeiten ist jetzt kein Raum und keine Zeit. In diesen Tagen lastet das Schicksal schwer auf Athen. Die Peloponnesier wollen fliehen.«

»Ja«, sagte Themistokles.

»Sie können es nicht. Die persische Flotte umzingelt uns. Ich, der von Aigina kommt, sah es mit eigenen Augen. Sogar Eurybiades und die Korinther könnten diese Gewässer nicht verlassen, so sie es wünschten. Gehe zurück in den Ratssaal und sage es ihnen! Ich als Verbannter darf es nicht.«

»Ich vermutete schon, was du mir mitteilst.«

»Du vermutetest?«

»Ja. Die Perser folgten meinem eigenen Rat. Ich beging einen Scheinverrat, um uns dazu zu zwingen, die Seeschlacht zu liefern. Du hast gesehen, was ich wünschte: daß die persische Flotte die unsere umzingelt. Teile es selber dem Rate mit! Es ist die beste Kunde, die ein Verbannter bringen kann. Wenn ich es sage, werden sie glauben, ich hätte es erfunden. Tritt ein! Glauben sie es, dann ist es gut. Glauben sie es nicht, dann ist es auch gut. Denn wenn wir umzingelt sind, können wir nicht fliehen.«

Aristides betrat den Ratssaal. Er begann:

»Athener! Mit meinen eigenen Augen sah ich ...«

Die Flottenführer zweifelten noch. Allein eine Trireme war von Tenos gekommen, befehligt von Panaitios. Er bestätigte des Aristides Wort. Darauf sagte Themistokles hochmütig:

»Dies ist mein Werk.«

An Flucht war nicht mehr zu denken. Die Schiffsführer versammelten die Truppen. Themistokles sprach den Seinen zu in einer langen Rede voller Ruhmesdurst. Die Truppen schifften sich ein. Die griechische Flotte – dreihundertachtzig Schiffe – lichtete die Anker.

Die Sonne ging auf, golden und strahlend, als der hölzerne Wall in Bewegung kam. Die Frauen und Kinder standen auf den Ufermauern im Hafen und winkten mit ihren Tüchern und Schleiern den Verteidigern des Landes der hellenischen Götter nach.

Im rosigen Nebel des ersten Sonnenscheins im Osten tauchte die ungeheure persische Flotte auf. Sie bedeckte den ganzen Horizont. Es war der Tag von Salamis, es war die Sonne von Salamis. In der aufleuchtenden Strahlenflut dieser Sonne wimmelten dem Auge der Sterblichen unsichtbar die unsterblichen Niken, die aus der Hand des Zeus ausfliegen zu den Menschen, nun zu dem einen, dann zu dem anderen, so wie der Gott es weise will und fügt.


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