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Als die »Dronning Marie« an der Küste von Tunis fuhr und bleierne Hitze über den tiefblauen Wogen glomm, daß Mannschaft und Schiff zitternd ächzten vor trockener Fieberglut, da lachte Jens Lie, der Matrose war auf der dänischen Bark, lachte mit breiten, blitzenden Zähnen der Sonne zu und dem zackigen afrikanischen Land, das gelb und dunstig in Sehweite am Horizonte hing.
Es war ein glückliches, sorgloses Lachen, denn er dachte an Silke und an ihren Kuß, der heißer als Algiers sengender Wüstenwind auf seinem Munde brennen würde, wenn er Heimat und Braut in die Arme geschlossen.
Und hier geschah es zum erstenmal, daß Steuermann Tymme blaß ward vor Wut, blaß wie die Leinewand dort oben zwischen den Rahen, und fast das Ruder krumm bog unter seinen gewaltigen Fäusten. Auch er hatte einst um Silke geworben, bis jener Fuchs, der Jens Lie, sie ihm abgerungen im Kampf vor dem Tanzsaal des Strandbyer Wirtshauses.
Und war doch nichts weiter gewesen, als ein Sieg der Jugend über das Alter; denn Tymme war grau und hatte der Runzeln mehr im Gesicht, als die »Dronning Marie« Pechpflaster und Eisen auf ihrer Haut, während Jens Lie eine Wange von seidiger Weichheit besaß, goldbraun gefärbt durch Wasser und Wind, und ein Mann war in voller, blühender Kraft, der den Mädchen stets in die Augen stach.
Das alles sah Steuermann Tymme nicht. Er lebte dahin in finsterem Groll, und das Blut des Zorns trat in seine Schläfen, wenn ihm Jens Lie in die Quere kam, »dieser glatte Kerl mit dem Milchgesicht«. Den kümmerte wenig des anderen Haß, ruhig ging er seiner Wege, munter und guter Dinge. Meist sah man ihn an der Bordwand lehnen, wo er eifrig des Schiffes Fahrt verfolgte, Meter um Meter, Meile um Meile, und dazu sang er mit lauter Stimme, daß hell es über den Reling klang:
»König Christian steht am hohen Mast.«
Es war die alte Weise des Volks, die unermüdlich aus seiner Kehle stieg vom frühen Morgen bis spät in die Nacht während der ganzen Reise, und hatte er sich davon überzeugt, daß der Heimweg wiederum um ein paar Seemeilen kürzer geworden, dann begann er mit einer neuen Strophe, die herhalten mußte bis zu dem nächsten Hafen, den man zum Anlaufen vorgesehen.
So kamen sie in die Meerenge von Gibraltar.
Und hier geschah es zum zweitenmal, daß Steuermann Tymme die Herrschaft verlor über seine Sinne und heimlich nach der Handspeiche griff, die, aus Eichenholz mit Kupfer beschlagen, neben ihm hinten am Ruder lag. Denn als Jens Lie die Feste gesehen und darüber der Flaggen buntflatterndes Spiel, da rief er, ohne des Gegners zu denken, der in seinem Rücken das Steuer führte:
»So wehen die Bänder an Silkes Mieder, wenn sie im Sturm auf der Insel geht. Und ich bin es, der sie ihr lösen wird mit ihrem Willen am Hochzeitsabend!«
Das war zu viel für Steuermann Tymme. Schon holte er aus zu wuchtig trümmerndem Hieb, da fuhr Jens Lie wie ein Löwe herum, packte den Alten beim Handgelenk und preßte es eisern zusammen, daß klirrend die Waffe den Fingern entglitt. Verächtlich blitzte sein Auge den kalkweißen Steuermann an:
»Wahr dich!«
Und aufrecht schritt er davon über Deck, mit keinem Blick mehr seinen Rivalen würdigend, der ihm soeben den Tod zugedacht.
Dann jagten sie in den Atlantik hinein. Mit vollen Segeln warf sich das Schiff der gleichmäßig wogenden Dünung entgegen. Rings, unabsehbar rollte das Meer in wunderblau dämmernder Einsamkeit, und über den Köpfen der Wellenriesen flimmerten Helme von strahlendem Silber.