Charles Dickens
Schwere Zeiten
Charles Dickens

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Elftes Kapitel.

Noch vor Morgengrauen standen die »Feenpaläste« alle zugleich in voller Beleuchtung, und man konnte die monströsen Rauchschlangen sehen, die sich über Coketown hinwälzten. Klappern von Holzschuhen auf dem Straßenpflaster, hastiges Schellen der Glocken und all die melancholisch-wahnsinnigen Elefanten, die für die Monotonie des Tages poliert und geölt waren, alle Maschinen stampften wieder in ihrer schwerfälligen Tätigkeit.

Stephen neigte sich über seinen Webstuhl, ruhig, wachsam und anhaltend. Er bildete wie jeder, der in diesem Wald von Webstühlen gleich ihm arbeitete, einen scharfen Kontrast zu dem rasselnden, ratternden und aufreibenden Mechanismus, mit dem er beschäftigt war. Fürchtet nicht, ihr guten Leute mit einem ängstlichen Gemüt, daß die Natur von der Kunst in Vergessenheit gestoßen werden könnte. Stellet Gottes Werk und Menschenwerk nebeneinander, und das erste wird, wenn es auch nur aus einer Truppe »Hände« von sehr geringer Bedeutung besteht, im Vergleich als das weitaus Würdigere erscheinen.

Vierhundert und noch mehr »Hände« in diesem Mühlwerk – zweihundertundfünfzig Pferdekräfte. Man weiß bis zum letzten Pfund anzugeben, wieviel die Maschine zu leisten vermag. Sämtliche Berechner der Nationalschuld aber können nicht die Fähigkeit zum Guten oder Bösen, zur Liebe oder zum Haß, zum Patriotismus oder zur Rebellion, zur Verwandlung der Tugend in Laster oder zum Gegenteil, in der Seele eines dieser stillen Arbeiter mit den gesetzten Mienen und den sicheren Bewegungen, auch nur für einen einzigen Augenblick angeben. In der Maschine liegt kein Geheimnis, in diesen aber – selbst in den Geringsten von ihnen – ruht ein ewiges, undurchdringliches Mysterium. – Wie wäre es, wenn wir die Arithmetik für materielle Gegenstände reservierten und bei diesen hehren unbekannten Größen andere Hilfsmittel in Anwendung brächten?

Der Tag ward heller und zeigte sich draußen, trotz der drinnen schimmernden Lichter. Diese wurden gelöscht und die Arbeit ward fortgesetzt. Der Regen fiel und die Rauchschlangen wälzten sich, dem Fluche dieses ganzen Stammes sich unterwerfend, über die Erde. Im Hofe draußen aber war der Dampf aus dem Abzugsrohr, das Durcheinander von Fässern und altem Eisen, die glitzernden Kohlenhaufen und selbst die herumgestreute Asche von einem Regen- und Nebelschleier umhüllt.

Die Arbeit ward fortgesetzt, bis die Mittagsglocke ertönte. Vermehrtes Klappern auf dem Straßenpflaster. Der Webstuhl, die Räder und Hände wurden sämtlich für eine Stunde außer Tätigkeit gesetzt.

Stephen kam aus dem heißen Mühlwerk, verstört und erschöpft, in den feuchten Wind und in die naßkalten Straßen. Er verließ seine Kameraden und sein eigenes Viertel. Er nahm nur ein Stück Brot auf dem Weg zu sich und wandte sich gegen einen Hügel, wo sein Prinzipal in einem roten Haus lebte. Das Haus hatte schwarze Fensterläden von außen, grüne Jalousien von innen, eine schwarze Haustür, zu der zwei weiße Stufen führten. »Bounderby« (mit Buchstaben, die ihm sehr ähnelten) stand auf dem Metallschild zu lesen, und unter diesen befand sich ein runder, metallener Türgriff, der wie ein ehernes »Punktum« aussah.

Mr. Bounderby befand sich beim Gabelfrühstück. Stephen hatte das erwartet. Ob sein Diener ihm ankündigen wollte, daß einer der »Hände« um die Erlaubnis bäte, ihn zu sprechen? Als Antwort die Anfrage, wie der Name dieser »Hand« laute. Stephen Blackpool. Gegen Stephen Blackpool lag nichts Mißliebiges vor – ja, er dürfte kommen.

Stephen Blackpool im Sprechzimmer. Mr. Bounderby (den er bloß vom Ansehen kannte) beim Gabelfrühstück mit Hammelkotelett und Sherry beschäftigt. Mrs. Sparsit am Kamin mit einer Stickerei beschäftigt. Sie sitzt wie eine Dame zu Pferde, mit einem Fuß in einem Bügel von Baumwollgarn. Es gehörte zu Mrs. Sparsits Würde und dienstlicher Stellung, selbst kein Gabelfrühstück zu nehmen. Sie beaufsichtigte das Mahl offizieller Weise, gab jedoch vor, daß sie bei der Vornehmheit ihrer Person dieses zweite Frühstück für eine Schwäche halte.

»Nun, Stephen«, sagte Mr. Bounderby, »was gibt's mit Euch?«

Stephen machte eine Verbeugung. Keine knechtische – diese »Hände« werden sich nimmer dazu verstehen! Gott bewahre, mein Herr, Sie werden sie nie darauf ertappen, wenn sie auch zwanzig Jahre um Sie gewesen sind! – Und um sich für Mrs. Sparsit artig-angemessen zu verbeugen, stopfte er die Enden seines Halstuches in die Weste.

»Nun, Ihr wißt«, sagte Mr. Bounderby, indem er etwas Sherry nahm, »wir hatten nie Schwierigkeiten mit Euch und Ihr gehörtet nie zu denen, die unbillige Forderungen stellten. Ihr erwartet nicht, in einem sechsspännigen Wagen zu stolzieren und Schildkrötensuppe und Wildbret mit goldenen Löffeln zu essen, wie es so viele andere treiben.« Mr. Bounderby stellte das immer als das einzige, unmittelbare und direkte Streben einer »Hand« dar, die nicht vollständig zufrieden war, »und deshalb bin ich auch überzeugt, daß Ihr nicht gekommen seid, um eine Klage vorzubringen. Nun wißt Ihr, daß ich dessen im voraus gewiß bin.«

»Nein, Sir, ich bin gewiß wegen so etwas nicht gekommen.«

Mr. Bounderby schien, trotz seiner früheren festen Überzeugung, angenehm davon überzeugt zu sein. »Sehr gut«, entgegnete er, »Ihr seid eine solide ›Hand‹, ich habe mich also nicht getäuscht. Nun, laßt mich alles hören, was es gibt. Da es nicht jenes ist, so laßt mich hören, was es gibt. Was habt Ihr zu sagen? Heraus damit, Stephen!«

Stephen warf zufällig einen Blick auf Mrs. Sparsit. »Ich kann mich entfernen, Mr. Bounderby, wenn Sie es wünschen«, sagte diese sich aufopfernde Lady, und tat so, als ob sie den Fuß aus dem Steigbügel nehmen wollte.

Mr. Bounderby hielt sie zurück, indem er einen Mundvoll Hammelkotelette in der Schwebe hielt, ehe er ihn verschluckte, und dabei seine linke Hand ausstreckte. Nachdem er seine Hand zurückgezogen und den Bissen verschluckt hatte, sagte er zu Stephen:

»Nun, Ihr müßt wissen, daß diese gute Lady eine geborene Lady ist, eine hochgestellte Lady. Ihr müßt nicht glauben, daß sie, weil sie jetzt meinen Haushalt beaufsichtigt, nicht hoch auf dem Baume sich befunden – ach, auf dem Gipfel des Baumes! Wenn Ihr nun etwas zu sagen habt, das nicht vor einer Lady von Geburt gesagt werden kann, so wird diese Lady das Zimmer verlassen. Habt Ihr jedoch etwas zu sagen, das vor einer Lady von Geburt wirklich gesagt werden kann, so wird diese Lady bleiben, wo sie ist.«

»Sir, ich glaub', ich hab' nie nichts zu sagen gehabt, das nicht vor einer Lady von Geburt gesagt werden kann, seit ich selbst geboren bin«, lautete die Antwort mit einem leichten Erröten.

»Sehr gut«, sagte Mr. Bounderby, indem er den Teller von sich stieß und sich zurücklehnte. »Also los!«

»Ich bin gekommen«, fing Stephen nach kurzem Nachdenken an, indem er seine Augen erhob, »um mir bei Ihnen Rat zu holen. Brauche nicht gar zu viel. Neunzehn Jahre sind es her, seit ich an einem Ostermontag bin verheiratet worden. Sie war ein junges Mädchen, ziemlich hübsch und hatte guten Ruf. Gut! Fing bald an umzuschlagen. War nicht meine Schuld. Weiß Gott, bin kein schlechter Ehemann für sie gewesen.«

»Ich habe das alles schon früher gehört«, sagte Mr. Bounderby. »Sie geriet in fremde Gesellschaft, ergab sich dem Trunk, verließ die Arbeit, verkaufte die Möbel, versetzte die Kleider und gebärdete sich ganz rechthaberisch.«

»Ich hatte Geduld mit ihr.«

»Desto dummer von Euch«, meinte Mr. Bounderby vertraulich zu seinem Weinglas.

»Ich hatte viel Geduld mit ihr. Ich suchte sie davon abzubringen – nochmals und nochmals. Probierte dies, probierte jenes und probierte was anderes. Kam oft nach Hause und fand alles verschwunden, was ich in der lieben Welt besaß, und sie selbst ohne einen leisen Gedanken bewusstlos am Boden liegen. Das passierte nicht einmal – nicht zweimal – sondern zwanzigmal.«

Jeder Zug seines Gesichts vertiefte sich, wie er so sprach, und spiegelte auf rührende Weise die Leiden ab, die er ertragen.

»Vom Regen in die Traufe und immer schlimmer als je. Sie verließ mich. Sie machte sich überall zuschanden, ganz entsetzlich. Sie kam zurück, kam wieder und wieder. Was konnt ich tun, um sie daran zu hindern? Ich bin ganze Nächte durch die Straßen gerannt, nur um nicht nach Hause zu gehen. Bin zur Brücke gegangen, um darüber zu springen und alles los zu sein. Ich habe gar so vieles ertragen, woran ich nicht dachte, als ich jung war.«

Mrs. Sparsit, die die Stricknadeln leicht hin und her bewegte, erhob die römischen Augenbrauen und schüttelte mit dem Kopfe, als wollte sie sagen: »Die vornehmen Leute kennen Beschwerden sowohl wie die kleinen. Sehen Sie doch – natürlich in aller Bescheidenheit! – mich an.«

»Ich gab ihr Geld, um sie von mir fernzuhalten. Fünf Jahre lang hab' ich ihr Geld gegeben. Ich habe mir wieder anständiges Hausgerät angeschafft. Ich habe ein schweres und trübes Leben geführt, brauch mich aber keiner einzigen Minute zu schämen. Vorige Nacht ging ich nach Hause. Da lag sie auf dem Fußboden. Da ist sie nun!«

In der Gewalt seines Unglücks und in der Stärke seines Elends loderte er für einen Augenblick einem stolzen Manne gleich auf. Im nächsten Augenblick stand er da, wie er bisher dagestanden – in seiner gewöhnlichen gebückten Stellung. Sein nachdenkliches Gesicht war gegen Mr. Bounderby mit einem sonderbaren Ausdruck gerichtet, der halb klug und halb verlegen war, als ob er etwas höchst Schwieriges hätte enträtseln wollen. Den Hut hielt er fest in seiner linken Hand und stützte diese in seine Hüfte. Sein rechter Arm gab seinen Worten durch eine rauhe Eigentümlichkeit und Kraft in seinem Gebärdenspiel ernsthaften Nachdruck, was nicht weniger geschah; nicht am wenigsten, wenn er ihn etwas gebogen hielt, sobald er im Reden pausierte.

»Ich habe das alles, wie Ihr wisst«, sagte Mr. Bounderby, »mit Ausnahme des letzten Vorfalles, schon längst gewusst. Es ist eine schlimme Geschichte – ja, das ist es. Ihr hättet lieber mit Eurem Stand zufrieden sein und nicht heiraten sollen. Es ist indessen zu spät, das zu sagen.«

»War es hinsichtlich des Alters eine ungleiche Heirat, Sir?« fragte Mrs. Sparsit.

»Ihr hört, was diese Lady fragt. War diese schlimme Angelegenheit eine ungleiche Heirat hinsichtlich des Alters?« sagte Bounderby.

»Nicht so ganz. Ich selbst war einundzwanzig und sie noch nicht ganz zwanzig.«

»Wirklich, Sir«, sagte Mrs. Sparsit mit großer Gelassenheit zu ihrem Obern. »Ich schloss daraus – daß es eine so unglückliche Heirat ist, daß eine Altersverschiedenheit dabei obgewaltet haben müsse.«

Mr. Bounderby blickte die gute Lady scharf von der Seite an mit einem komisch-dummen Mienenspiel. Er stärkte sich hierauf mit etwas Sherry.

»Nun? Warum fahrt Ihr nicht fort?« fragte er, etwas ärgerlich gegen Stephen Blackpool gewendet.

»Ich habe Sie fragen wollen, Sir, wie ich mir das Weib vom Hals schaffen kann.« Stephen verlieh dem vermischten Ausdruck seines aufmerksamen Gesichtes einen noch tieferen Ernst. Mrs. Sparsit stieß einen leisen Ausruf aus, als hätte sie einen moralischen Stoß erlitten.

»Was meint Ihr?« fragte Mr. Bounderby, der aufgestanden war, um sich mit dem Rücken gegen den Kamin zu lehnen. »Wovon sprecht Ihr? Ihr habt sie aufs Geratewohl genommen?«

»Ich muß sie loswerden. Ich kann es nicht länger mehr ertragen. Ich hab' nur darum so lange dabei existieren können, weil ich das Mitleid und den Trost eines Mädchens hatte, des besten unter den lebenden oder toten. Vielleicht hab' ich es nur ihr zu verdanken, daß ich nicht verrückt geworden bin.«

»Er will frei werden, um, wie ich fürchte, das Frauenzimmer zu heiraten, von dem er spricht, Sir!« bemerkte Mrs. Sparsit mit gedämpfter Stimme, höchst betrübt über die Sittenlosigkeit dieser Leute.

»Das will ich. Die Lady hat richtig gesprochen. Das will ich. Ich wollte das selbst noch sagen. Ich hab' in den Zeitungen gelesen, daß die Großen (denen es wohl ergehen möge – ich wünsche ihnen nichts Schlimmes) nicht aufs Geratewohl so fest miteinander verbunden sind, daß sie ihre unglücklichen Ehen nicht wieder auflösen könnten, um nochmals zu heiraten. Wenn sie sich nicht gut vertragen, weil sie ein ungleiches Temperament haben, so haben sie allerhand verschiedene Zimmer in ihren Häusern, und sie können abgesondert leben. Wir armen Leute haben nur ein Zimmer, und wir können das nicht. Wenn das nicht geht, so haben sie Gold und anderes Geld, und sie können sagen: ›Dies ist für mich und das für dich.‹ Dann kann ein jeder seine Wege gehen. Wir können das nicht. Trotz alledem können sie sich wegen kleinerer Ungerechtigkeiten freimachen, während Hunderte und aber Hunderte leiden müssen, und zwar mehr noch die Frauen als die Männer – sie können sich wegen kleinerer Unbilden, als die meinen sind, freimachen. Ich will nun mein Weib loswerden und möchte nun gern wissen, auf welche Weise?«

»Auf keine Weise!« erwiderte Mr. Bounderby.

»Wenn ich ihr etwas antue, gibt's ein Gesetz, um mich zu bestrafen?«

»Freilich gibt's eins.«

»Wenn ich von ihr fortlaufe, gibt's ein Gesetz, um mich zu bestrafen?«

»Freilich gibt's eins.«

»Wenn ich das andere liebe Mädchen heirate, gibt's ein Gesetz, um mich zu bestrafen?«

»Freilich gibt's eins.«

»Wenn ich mit ihr lebte, ohne sie zu heiraten – den Fall angenommen, daß so etwas sein könnte, was eigentlich nie geschehen würde oder könnte, da sie so gut ist – gibt es ein Gesetz, mich in jedem unschuldigen Kinde zu bestrafen, das mir gehören würde?«

»Freilich gibt's eins.«

»Zeigt mir nun, um Gottes willen«, rief Stephen Blackpool, »das Gesetz, womit mir zu helfen wäre.«

»Dieses Lebensverhältnis«, sagte Mr. Bounderby, »ist geheiligt und – und – muß aufrechterhalten werden.«

»Nein, nein – sagen Sie das nicht, Sir. In dieser Weise kann es nicht aufrechterhalten werden. Nicht in dieser Weise. In dieser Weise muß es zugrunde gehen. Ich bin ein Weber und kam schon als Kind in die Fabrik, aber ich habe Augen, um zu sehen, und Ohren, um zu hören. Ich lese die Zeitungen – jede Gerichtsperiode, jede Sessionszeit – und Sie lesen sie auch – ich weiß es! – mit banger Besorgnis, wie die Unmöglichkeit, auf irgendeine Art von einander loszukommen, Blut über unser Land bringt und viele Ehepaare (ich sage aber, noch mehr die Frauen als die Männer) zu Kampf, Mord und Totschlag führt. Räumt uns doch dieses Recht ein. Mein Fall ist ein sehr trauriger, und ich möchte von Ihnen – wenn Sie so gut sein wollten – erfahren, welches Gesetz mir helfen könnte.«

»Ich will Euch nun was sagen«, bemerkte Bounderby, indem er die Hände in die Tasche steckte. »Es gibt ein solches Gesetz.«

Stephen nickte mit dem Kopf, indem er in seine frühere Ruhe versank und aufmerksam hinhorchte.

»Aber es ist durchaus nichts für Euch. Es kostet Geld. Kostet eine ungeheure Summe.«

»Wie viel würde das sein?« fragte Stephen ruhig.

»Nun, Ihr müsstet zu dem Gerichtshof für Ehesachen mit dem Prozess gehen, dann müsstet Ihr zu dem Common Law mit einem Prozess gehen, und Ihr müsstet zum Oberhaus mit einem Prozess gehen – dann müsstet Ihr einen Berechtigungsschein des Parlaments zu erlangen suchen, daß ihr wieder heiraten dürft. Das würde Euch (wenn der Wind günstig bläst), wie ich glaube, an tausend bis fünfzehnhundert Pfund kosten«, sagte Mr. Bounderby. »Vielleicht die doppelte Summe.«

»Gibt's kein anderes Gesetz?«

»Auf keinen Fall.«

»Nun denn, Sir«, sagte Stephen erblassend und machte mit der rechten Hand eine Bewegung, als gäbe er alles den vier Wänden preis. »Es ist alles Hokuspokus. Es ist alles zusammen nichts als Hokuspokus, und je früher ich sterbe, desto besser ist's.«

(Mrs. Sparsit war jetzt von neuem über die Gottlosigkeit dieser Leute in Betrübnis versetzt.)

»Ach was! sprecht keinen Unsinn, mein Lieber«, sagte Mr. Bounderby, »von Dingen, die Ihr nicht versteht, und nennt die Institutionen Eures Landes nicht Hokuspokus, oder Ihr werdet eines schönen Morgens selbst in ein Hokuspokus geraten. Die Institutionen Eures Landes sind nicht Eure Angelegenheit, und das einzige, worum Ihr Euch zu kümmern habt, ist, Eure Arbeit zu besorgen. Eure Frau ist Euch nicht durch ein betrügerisches Spiel zugefallen, sondern Ihr habt sie aus freien Willen genommen. Wenn sie sich schlecht bewährt – nun, alles was uns zu sagen übrig bleibt, ist, daß sie sich eben besser hätte bewähren sollen.«

»Hokuspokus«, sagte Stephen mit einem Kopfschütteln, als er sich der Tür näherte – »es ist alles Hokuspokus.«

»Ich will Euch nun was sagen«, fuhr Mr. Bounderby in einer Abschiedsermahnung fort. »Mit Euren Gesinnungen, die ich als ruchlos bezeichnen muß, habt Ihr diese Lady vollständig empört, die, wie ich Euch bereits gesagt habe, eine Lady von Geburt ist, und die, wie ich Euch noch nicht gesagt habe, ihre eigenen Unglücksfälle in der Ehe gehabt hat, die sich auf zehntausend Pfund beliefen – auf, sage und schreibe zehntausend Pfund (er wiederholte es mit großem Behagen). Bis jetzt seid Ihr nun eine solide ›Hand‹ gewesen, meine Meinung ist aber, und das will ich Euch geradezu sagen, daß Ihr anfangt, eine schlechte Bahn einzuschlagen. Ihr habt irgendeinem boshaften Fremden oder sonst jemandem Gehör geschenkt – sie sind immer dabei – und das beste, was Ihr tun könnt, ist, Euch das alles aus dem Kopf zu schlagen. Nun, Ihr wisst nun«; hier nahm sein Gesicht einen Ausdruck besonderer Schläue an, »ich kann ebenso tief in einen Schleifstein gucken wie jeder andere – ja, noch tiefer als viele andere Leute, weil mir die Nase in meiner Jugend tüchtig gerieben wurde. Ich wittere etwas von Schildkrötensuppe, Wildbret und goldenen Löffeln. Ja, das tue ich«, rief Mr. Bounderby, den Kopf in seiner hartnäckigen Schlauheit schüttelnd. »Weiß der Himmel, das tue ich.«

Mit einem ganz andern Kopfschütteln und tiefem Seufzer sagte Stephen: »Ich danke Ihnen, Sir. Guten Tag.«

So verließ er Mr. Bounderby, der sich vor seinem Bilde an der Wand aufblähte, als wollte er sich hineinexplodieren. Mrs. Sparsit aber strickte weiter, mit ihrem Fuß im Steigbügel und ganz betrübt über die Laster des Volkes.



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