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Achtes Kapitel.


Doppelkränze muß das Schicksal winden,
Hier den Hochzeits- dort den Todtenkranz,
Licht vom Himmel sich in's Leben finden,
Hier der Freude, dort der Thräne Glanz.
Hoffe, fürchte, zweifle nicht zu viel –
So gewinnst du nur das schwere Spiel.

Mehrere Stunden des jungen Tages waren verflossen, als Gustav Wasa am Ufer des Meeres stand und mit Blicken, aus denen Hoffnung und Ahnung des nahen Sieges strahlten, die Flotte der Lübecker betrachtete, die im Laufe der Nacht, von einer Veränderung des Windes begünstigt, sich einer vorragenden Erdzunge genähert hatte und nun hier vor Anker lag. An seiner Seite befand sich Roland von Bremen, ein Theil der dalekarlischen Leibwache weilte in der Nähe. Mehr entfernt zeigten sich die dänischen Gefangenen, welche man in der verwichenen Nacht gemacht hatte, von schwedischen Kriegern bewacht. Unter ihnen bemerkte man den Erasmus Fontanus, der mit finstern, störrischen Blicken zur Erde sah, die er nur von Zeit zu Zeit mit dem Ausdrucke des tödtlichsten Hasses nach Roland Doneldey erhob. Arndt Ornflykt war nicht zugegen. Ihn traf, als einen geborenen Schweden und überwiesenen Verräther, ein eigenes Gericht. Ein stark bemanntes Boot, das am Ufer bereit lag, nahm jetzt auf den Befehl des Reichsvorstehers die Gefangenen auf, die Wachen gesellten sich zu diesen, auch Roland Doneldey stieg, nachdem er von Gustav Wasa eine Pergamentrolle mit dem Reichssiegel in Empfang genommen, ein und unter Ausübung meiner weißen Flagge näherte sich nun, von kräftigen Ruderschlägen fortbewegt, das Fahrzeug der ruhig im Hafen der Stadt ankernden Flotte Norby's. Als man ungefähr die Hälfte des Weges dahin zurückgelegt hatte, bemerkte man ein andres Boot, das, die Farben der Hanse führend, von den Schiffen der Lübecker herkam und allem Anscheine nach beabsichtigte, an der Stelle zu landen, wo auch Gustav Wasa mit seinen Dalekarlen verweilte. Rolands scharfes Auge entdeckte unter den Männern, welche dieses Boot enthielt, mehrere in vornehmer kriegerischer Kleidung, einen aber in der ihm wohlbekannten Amtstracht der Senatoren. Unwillkürlich fielen seine Gedanken auf Herrn Bernhard Böchower, allein das Geschäft, das ihn an Bord der Flotte des feindlichen Admirals führte, nahm seine Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch, als daß er diesen Gedanken weiter verfolgt hätte.

Von dem Hauptschiffe, auf welchem, wie Roland wußte, der Admiral residirte, erhielt das Parlamentarboot, als es noch auf eine Schiffslänge von diesem entfernt war, ein Signal, seinen Lauf zu hemmen. Ein dänischer Offizier in einem leicht über die Wellen tanzenden Nachen näherte sich, und nahm, nach einer kurzen Unterredung, Roland, der im Auftrage des Reichsvorstehers den Admiral zu sprechen verlangte, an Bord. Als der schwedische Hauptmann das Riesengebäude des Hauptschiffes, des stattlichen Meisters von Gothland betrat, erstaunte er über die Pracht, über die Reinlichkeit und Ordnung, welche hier herrschten. Der Dienst auf dem Schiffe wurde fast lautlos versehen, nach den Winken der Offiziere, die Mannschaft zeigte sich in goldgestickten, dem Auge wohlgefälligen Kleidungen, Masten und Raen glänzten, als kämen sie eben erst aus der Werkstatt, die aufgewundenen Segel waren von blendender Weise, ein großer vergoldeter Adler, sich mit weit ausgebreiteten Fittichen zum Fluge aufwärts erhebend, schmückte das Vordertheil des Schiffes. In symetrischer Ordnung lehnten die Waffen an den Wänden, die Geschütze strahlten, wie hellglänzende Spiegel, das Licht des Tages zurück. Während der Offizier, der unsern jungen Freund an Bord des Meisters von Gothland begleitet, die ihn von diesem eingehändigte Pergamentrolle in die Kajüte des Admirale besorgte, hatte Roland hinlängliche Zeit, diese Gegenstände zu beobachten und mit kriegserfahrenem Auge zu prüfen. Bald sah er sich selbst zu Severin Norby berufen, der in einer kleinen aber glänzenden Umgebung, dem engern Hofstaate eines Königs ähnlich, ihn empfing. Roland fühlte sich diesem merkwürdigen Manne gegenüber, der so viele rühmliche Thaten zur See vollbracht, dem niemand die Bewunderung, welche einem der größten Männer seiner Zeit gebührte, bei aller Zweideutigkeit seines Benehmens, versagen konnte, von einer augenblicklichen Verlegenheit befallen. Er suchte sich zu sammeln, und die Gegenwart der schönen Clara Norby, die in einiger Entfernung von ihrem Vater an einem Fenster der Kajüte saß, und in ihrem ganzen Wesen jene Anmuth an den Tag legte, die er schon einst in Drontheim anerkannt, und welche den Ignotus bezaubert, diente, indem er sich vor ihr seiner Verwirrung schämte, seinen Muth zu erheben, seine Besonnenheit zurückzuführen.

Die Gestalt des Admirals trug jenes Gepräge, mit dem die Natur nur außerordentliche und auserwählte Menschen zu bezeichnen pflegt. Er war nicht groß, von mehr feinem, als starkem Körperbau, aber in jeder seiner Bewegungen zeigte sich Entschlossenheit und Festigkeit, in einer leichten Erhebung seiner Hand sprach sich ein unwiderstehliches Gebot aus. Um die seinen Lippen schwebte ein spöttisches Lächeln, die Adlernase erhob sich stolz unter den tief liegenden schwarzen Augen, aus denen ein durchdringendes, geistvolles Feuer blitzte, die hohe Stirn, die nur wenige Haare noch umgaben, schien weitaussehende Pläne des Ehrgeizes, einen kühnen Sinn, der das höchste zu erstreben wagt, zu bergen. Von seinen Umgebungen zeichnete er sich durch die höchste Einfachheit in der Kleidung aus, aber jedermann erkannte auf den ersten Blick in ihm den Gebieter. Roland fühlte jetzt, da er Norby vor sich sah, die feste Ueberzeugung in sich, daß man nicht irre, wenn man ihn selbst für einen Werber um die Krone Schwedens hielt.

»Der edle Wasa,« unterbrach nach einiger Zeit, indem er nachläßig die Hand mit der Pergamentrolle sinken ließ, der Admiral das herrschende Schweigen, »hat ganz recht, wenn er in Vinzenz Norby einen Mann sieht, der nicht zu Verrath und Meuchelmord greift, um seinen Gegner zu bekämpfen. Glaubt mir, junger Mann, ich ehre in Wasa einen Helden, und bedauere, daß wir unsere Kräfte nicht für eine und dieselbe Sache vereinigen können.«

Er sprach diese Worte in einem gewichtigen Tone, der Roland anzudeuten schien, daß sie nicht verloren gehen sollten. Dann fuhr er, indem seine Stirn einen Zorn voll Hoheit zeigte, aufgebracht fort:

»Diese Buben haben ohne meinen Willen, ohne meine Vollmacht gehandelt. Die ganze Strenge des Kriegsgesetzes soll sie treffen. Ehe Ihr das Bord des Meisters von Gothland verlaßt, werdet Ihr selbst Euch überzeugen, wie Vinzenz Norby solche Verbrechen bestraft.«

Er winkte einige Offiziere aus seiner Umgebung heran, und gab ihnen mit leiser Stimme seine Befehle. Diese entfernten sich sogleich, und die Uebrigen wurden mit einer leichten Bewegung der Hand entlassen.

Jetzt war Roland mit dem Admiral und seiner schönen Tochter allein. Norby führte ihn zu Claren, setzte sich traulich mit ihm neben dieser nieder, und begann nun in einem Tone und in einer Weise, welche die nicht zu bezweifelnde Absicht an den Tag legten, den schwedischen Gast für seine Plane zu gewinnen.

»Gustav Wasa hat Euch als seinen Freund, als einen Freund Arwed Oxe's, der noch immer den Namen Ignotus zu bewahren gute Gründe hat, bezeichnet. Darum sehe ich Euch auch als meinen Freund an, denn Ihr könnt mir glauben, daß, so wenig auch der Anschein dafür spricht, der edle Gustav keinen aufrichtigern Freund und Verehrer besitzt, als Vinzenz Norby. Ich weiß, daß Wasa Euch ein eben so großes, als verdientes Vertrauen schenkt. Erinnert Ihr Euch noch der Vorschläge, die ich ihm einst durch Ignotus machen ließ? Wie vieles Blut von beiden Seiten wäre erspart worden, wenn er ihnen damals Gehör gegeben hätte!«

Er hielt einige Augenblicke inne, und schien eine Antwort zu erwarten; als aber Roland in der Stellung eines ehrfurchtsvollen Zuhörers schweigend verharrte, fuhr er fort:

»Doch diese Zeit ist vorüber und Alles hat sich seitdem anders gestaltet. Ich hatte damals Plane, die ich nun schon längst aufgegeben, ich unterweise meinen Stern nun gern dem hellglänzenden Gustavs. Aber warum sollte das kleinere Gestirn nicht neben dem größern bestehen können? Warum sollte, wenn Gustav Wasa die Krone Schwedens auf sein Haupt setzt, nicht auch Vinzenz Norby nach einem bescheidenen Scepter greifen können, ohne daß dadurch eine Feindschaft unterhalten würde?«

Der Admiral sah mit lauerndem Blicke auf seinen Gast. Dieser, ohne auf die nähern Bestimmungen der Rede einzugehn, erwiederte:

»Ich weiß nicht, ob Gustavs Hand sich nach einer Krone erhebt. Aber wenn jemand verdient, den Thron Schwedens zu besteigen, so ist er es. Wer hat für sein Vaterland mehr erlitten, geduldet und gewagt, als er? Wer härtere Entbehrungen ertragen, wer ihm größere Opfer gebracht, wer sich kühner jeder Gefahr blosgestellt, wer ruhmwürdigere Thaten vollbracht, als er? Glaubt mir, Herr Admiral, ganz Schweden wird dankbar diesem Könige entgegenjauchzen.«

»Ganz recht!« erwiederte mit einem feinen beifälligen Lächeln Vinzenz Norby. »Ich gönne ihm sein Glück, allein warum sollte er nicht auch mir den unbedeutenden Gewinn, der aus der kriegerischen Verwirrung dieser Zeiten für mich hervorgehen kann, ungestört zufließen lassen? Ich will Euch offen meine Wünsche, meine Hoffnungen enthüllen. Mitten im Meere, zwischen Dänemark und Schweden, liegt die Insel Gothland, nicht groß an Umfang, aber ergiebig genug in ihren Erzeugnissen, ein bescheidenes Verlangen zu befriedigen. Dort wünscht Severin Norby sein Panier aufzupflanzen, dort wünscht er zu gebieten, während er gern dem edeln Gustav das mächtige Schwedenreich mit seinen fruchtbaren Thälern, mit seinen reichhaltigen Silbergruben überläßt. Was könnte ein friedliches Einverständniß dann stören? Christian von Dänemark ist ohnmächtig ohne mich, schon schwankt die dänische Krone auf seinem Haupte, und Friedrich von Holstein ist sein mächtiger Nebenbuhler, den Alles, der unerträglichen Tyrannei, der Herrschaft der Sigbrit müde, begünstigt. Auf die Hansestädte soll Gustav nicht zu große Hoffnungen setzen, sie wollen nur ihren Vortheil, und es ist gut, wenn sie in mir einen Nachbarn haben, der ihre Anmaßungen zügelt. Sagt das Alles Euerm edlen Freunde, setzt es ihm auseinander, wie ich es Euch hier vorlegte, und ein Wort der Einwilligung von ihm, und morgen ist Stockholm in seiner Gewalt, ich begrüße ihn zuerst als den mächtigsten Monarchen des Nordens.«

Norby glaubte genug gesagt zu haben. Er war versichert, daß keines der Worte, welche er zu Roland gesprochen, für Gustav Wasa verloren gehe. Während einige reichgekleidete Edelknaben in silbernen Gefäßen ein Frühstück hereinbrachten und seine Bestandtheile mit der Ehrerbietung, welche man einem Könige erzeigt, darboten, lenkte der Admiral das Gespräch auf minder wichtige, aber darum nicht weniger anziehende Gegenstände. Er sprach von seinen Kriegsthaten zur See, er wußte Allem, was er vorbrachte, einen Zauber des Geistvollen beizumischen, der Roland unwiderstehlich fesselte und Stunden zu Minuten beflügelte. Während er sich so auf eine Weise, die seines Gastes Bewunderung von Augenblick zu Augenblick steigerte, mit diesem unterhielt, traten von Zeit zu Zeit Offiziere herein, die den Wink des Admirals demuthsvoll erwartend, ihm ihre Meldungen zuflüsterten. Bei einer dieser Gelegenheiten erinnerte Clara Norby unsern jungen Freund an ihre frühere Begegnung in Drontheim und als Roland Doneldey nun wagte, den Namen Ignotus laut werden zu lassen, schlug sie die schönen Augen zu Boden, und erröthete bis hoch in die Lockenfülle der Stirn.

Mittag war nahe, als Vinzenz Norby seinen Gast auf das Verdeck begleitete. Da fielen Rolands Blicke auf die Raen des Hauptmastes, eine Reihe bleicher Todtenhäupter grinste ihm hier entgegen, unter diesen das des Erasmus Fontanus. Norby's strenges Gericht war vollzogen, der Henker hatte sein Amt verwaltet.

»Berichtet auch das Euerm edlen Gebieter;« sagte im ernsten Tone der Admiral. »Die Sonne dieses Tages, sagt ihm, habe sich nicht zu ihrer Mittagshöhe erhoben, ohne die Bestrafung der Frevler zu erschauen.« Dann führte er ihn mit einem bedeutungsvollen Lächeln zum Vordertheile des Schiffes, wo eben ein von der Stadt mit vollen Segeln herkommendes Boot anlegte, und fuhr fort: »hier mag Euch ein willkommener Anblick erfreuen! Ihr habt Euern Vertrauten nicht übel gewählt, als Ihr dem edeln Gustav die Neigungen Eures Herzens offenbartet.«

Mit ritterlichem Anstande bot Severin Norby einer verschleierten Dame, die eben im Begriff stand, das Schiffsverdeck zu betreten, die Hand. Indem sie hier anlangte, stieß sie einen halblauten Ruf der Ueberraschung aus, und schlug, mit einer unwillkührlichen Bewegung rasch auf Roland zutretend, den Schleier zurück. Es war Margaretha Böchower, die, auf Norby's Gebot befreit, in der Begleitung des Ignotus die belagerte Stadt verlassen hatte, um, ohne daß auch sie es ahnete, dem Freunde und Geliebten zugeführt zu werden. Lächelnd stand Ignotus, und weidete sich an der freudigen Verwirrung des ehemaligen Reisegefährten. Dann trat er diesem näher und flüsterte ihm fragend zu:

»Nicht wahr, der Admiral ist doch nicht so schlimm, als Ihr ihn glaubtet?«

Severin Norby aber führte die beiden Glücklichen an die Seite des Schiffes, wo indessen das schwedische Boot angelegt hatte. Mit einem vertraulichen Lächeln, mit bedeutungsvollem Ausdrucke, sprach er hier Abschied nehmend zu Roland:

»Betrachtet diesen kleinen Dienst, wenn ihn auch der Zufall herbeiführte, als einen Beweis der Freundschaft, die ich Euch gern in einem weitern Umfange bethätigen möchte. Eine Entdeckung kann ich Euch auch mit auf den Weg geben, die für Euch vielleicht von Wichtigkeit ist. Seht dort die Flotte der stolzen Hansestadt! Wie sie trotzig daliegt, nicht allein gegen mich, sondern auch gegen Wasa Uebermuth zeigend! Nichts ist mir verborgen von dem, was sie enthält, woraus sie besteht. Ich kenne die Anzahl der Geschütze, die sie führt, die Beschaffenheit jedes einzelnen Schiffes, die Männer, die sie befehligen, die Krieger, die sie vertheidigen. Mein Auge wacht überall in den Freunden, die ich überall besitze. Habt Ihr das Boot bemerkt, das von der Flotte dem Lande zusegelte? Es führte einen Mann in das schwedische Hauptquartier, dessen Nähe Ihr nicht ahntet, dessen Ankunft Euch und diese edle Jungfrau mehr noch überraschen wird, als das Wiedersehn auf Norby's Schiffe. Es ist Euer Vater, Jungfrau Böchower, Euer Oheim, Roland Doneldey! Ihr staunt, Ihr blickt mich zweifelnd an? Eilt nur zu Wasa's Gezelten, dort findet Ihr in dem Rathsherrn Bernhard Böchower den Vertreter der stolzen Hansestadt, den die Sorge um das Schicksal der Tochter, der Auftrag des klugen Senats, seinen Beistand zu Gustavs Gunsten nicht wirksamer werden zu lassen, als es sich mit dem Vortheile der Republik vertrage, zu der Reise über das Meer bewogen hat. Zögert nicht länger, Ihr raubt diese Augenblicke Euerm Glücke; denn wenn Euer Gustav Wasa in dem Gesandten Lübecks einen so wahren Freund besitzt, wie in Vinzenz Norby, so steht nichts Euerm Bündniß im Wege.«

Noch einmal reichte Roland dem froh bewegten Ignotus die Hand. Der Admiral selbst war Margarethen behülflich, in das schwedische Boot hinabzusteigen. Dann winkte er den Scheidenden lächelnd den letzten Gruß zu, mit sich selbst zufrieden, in Roland Doneldey, wie er hoffte, einen eifrigen Verfechter seiner Angelegenheiten bei Gustav Wasa gewonnen zu haben. Das Boot stieß ab. Roland suchte die Aufmerksamkeit der Geliebten von dem gräßlichen Schauspiele an den Raen des Admiralschiffs abzulenken, allein bei einer Wendung des Bootes fiel ihr doch das im Todeskampfe verzerrte Antlitz des Erasmus Fontanus in's Auge, und erschrocken zusammenbebend schmiegte sie sich näher an den Freund und Beschützer.

Wie Vinzenz Norby vorausgesagt, so begab es sich im Hauptquartier des Reichsvorstehers. Herr Bernhard Böchower schien durch diesen auf Alles vorbereitet zu seyn. Er empfing die Tochter mit aller Freude eines glücklichen Vaters, er erhob gegen Roland Doneldey mit freundlicher Drohung nur die Hand, indem er sagte:

»Sehn wir uns so in Paris wieder? Hast du die Hauptstadt Frankreichs im schwedischen Dalarne aufgesucht?«

Als nun aber Gustav Wasa im Kreise der schwedischen Edeln Roland Doneldey niederknieen hieß, als er das Reichsschwert zur Hand nahm, und die Schulter des treuen Freundes mit dem Ritterschlage berührt, als er dann an Herrn Bernhard Böchower sich wandte, und bei diesem um die Hand der Tochter für den jungen Ritter warb, da konnte der Rathsherr, der, bei aller Hochschätzung der kaufmännischen Wirksamkeit, auch für zeitliche Ehren nicht unempfänglich war, und in den flehenden Blicken der Tochter ihre Wünsche las, nicht länger widerstehen, und sprach den väterlichen Segen über das glückliche Paar. Unter der Menge, welche Zeuge dieses Auftritts war, bemerkte Roland auch den alten Huskurer, der ihn mit freudeglänzendem Angesichte zunickte, und einen Blick frohen Einverständnisses auf die schöne Braut warf.

Aber die Freude dieses Tages sollte doch durch ein trauriges Ereigniß getrübt werden. Ein reizender Abend, der das Brautpaar an die Ufer des Mälar lockte, folgte dem heitern Tage. Roland und Margaretha hatten einander Tausenderlei zu sagen, aber von der Gewißheit des endlich errungenen Glückes überwältigt, fanden sie nicht Worte dazu. Da bemerkten sie plötzlich einen Haufen Menschen, der sich am Ufer versammelt hatte, sie vernahmen Ausrufungen des Schreckens und mitleidiger Theilnahme, sie traten näher und hatten nun den Schmerz die Leiche der jungen Lille zu erkennen, die so eben die Strömung an's Land getrieben hatte. Ein Kranz von Weiden und Schilf wurde von dem verwirrten, triefenden Haare gehalten, eine Marmorblässe lag auf dem zarten Angesichte, aber auch ein Frieden, den es nie im Leben gezeigt.

»Ihre Träume sind wahr geworden,« seufzte Margaretha. »Der Strömkarl hat die Braut heimgeführt.«

In einem Erlengebüsche am Strande wurde sie still begraben. Die Thränen der Freundin benetzten das einfache Kreuz, das die Ruhestätte einer Unglücklichen bezeichnete, deren kurzes Daseyn ein fortgesetzter Kampf mit Täuschung und Wirklichkeit war.


Unsere Leser wissen aus der Geschichte jener Zeit, daß Gustav Wasa, auf den Wunsch des gesammten Volks, den Thron Schwedens bestieg, daß Stockholm sich dem jungen siegreichen Könige ergab, daß Christian von Dänemark über seine Grausamkeit Krone und Freiheit einbüßte und als ein Gefangener seines Nachfolgers Friedrichs von Holstein in einem vermauerten Thurme auf der Insel Alsen zwölf Jahre zubrachte, bis endlich unter Christian des Dritten Regierung sein Schicksal erleichtert wurde und er unter erträglichen Verhältnissen seinen Tod auf dem Schlosse Callundborg erwarten durfte. Norby's ehrgeizige Entwürfe scheiterten an der Festigkeit Gustav Wasa's und Friedrichs von Holstein. Im Unmuthe hierüber entsagte er jedem fernern öffentlichen Wirken und zog sich in die Stille des Landlebens zurück. Hier fand er in der Gesellschaft seiner Tochter und seines Eidam's Arwed Oxe, in den Liebkosungen seiner Enkel eine Befriedigung, die ihm die glänzendsten Augenblicke seiner kriegerischen Laufbahn nicht gewähren konnten. Arndt Ornflykt entging der Strafe seines Verraths und seiner Treulosigkeit. An dem zu seiner Hinrichtung bestimmten Tage erschien ein flehendes Weib in Gustav Wasa's Lager. Es war Frau Barbara Ornflykt, die schwer gekränkte, mißhandelte Gattin. Ihrer Fürbitte konnte der dankbare Wasa nicht widerstehn. Der Verbrecher wurde begnadigt, aber auf immer aus seinem Vaterlande verbannt. Frau Barbara kehrte in das Kloster zurück, aus dem sie noch einmal in das Getümmel der Welt getreten, sie führte, nachdem auch die Kirche das Band, das sie an Ornflykt fesselte, gelöst, den Entschluß aus, innerhalb jener frommen Mauern das Ziel ihrer Tage zu erwarten.

Jahre waren vergangen und Roland Doneldey, der, nachdem er bei eintretendem Frieden die schwedischen Dienste verlassen, Kriegshauptmann der freien Hansestadt Lübeck geworden, saß eines Tages an der Seite seiner Gattin in der Laube des blühenden Hausgartens – ein Knabe und ein Mädchen, die schönen Pfänder einer glücklichen Ehe, spielten unter den Fenstern des stets noch geschäftigen Großvaters – als der Besuch eines alten Freundes gemeldet wurde, der sich in eigner Person erst zu erkennen geben wollte. Es war Capitän Harslö aus Drontheim. Durch ihn erhielt Roland Doneldey Nachricht von dem glücklichen Hausvaterstande des Ignotus, der nun wieder, als Arwed Oxe, in den Besitz des väterlichen Erbe's getreten war. Auch von dem Schicksale der Frau Virginia Minderhout wußte der Capitän zu erzählen. Es war ihr gelungen, sich jene Erbschaft in Drontheim anzueignen, die einst die Seereise mit dem unglücklichen Jonas Minderhout veranlaßt. Als sie aber, vergnügt, allenthalben eine glückliche Erbin zu seyn, auf einem holländischen Kauffahrer ihrer Heimath zueilte, war sie eines Morgens, in der Nähe jenes norwegischen Vorgebirges, wo das Meer die irdischen Ueberreste ihres Eheherrn aufgenommen, spurlos von dem Schiffe verschwunden. Der wachhaltende Matrose am Steuer wollte um Mitternacht eine weiße Gestalt auf dem Verdeck erblickt haben, die, am Schiffsrande hinschwebend, plötzlich, wie ein Nebelbild, in die Nacht vergangen. Eine Regung abergläubischer Furcht hatte ihn abgehalten, Lärm zu machen. Es schien nun wohl keinem Zweifel unterworfen, daß Frau Minderhout ihren Tod in den Wellen gefunden habe: ob aber das mit einemmale erwachende böse Gewissen sie selbst zu dieser verzweiflungsvollen That bewogen, ob ein rächender Traum sie geführt, ob der Zufall in ihr dem unersättlichen Meere eine Beute gebracht, blieb ein unauflösliches Räthsel.

 


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