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Ein »Fluidum«, das heißt etwas Flüssiges, nannten die gelehrten Zeitgenossen Galvanis und Voltas die Elektrizität; »denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein«. Ein geheimnisvolles Fluidum sagten ihre Nachfolger, die Davy, Ampère und Oerstedt, als sie entdeckten, daß dies neue undefinierbare Etwas, das sich aus den galvanischen Batterien in die Drähte ergoß, chemische Wirkungen von bisher ungeahnter Stärke hervorzubringen vermochte, daß es Fernkraftwirkungen durch den Raum hindurch ausübte und in ganz eigenartiger Weise mit den magnetischen Erscheinungen zusammenhing. Geheimnisvoll blieb die Elektrizität auch noch das ganze 19. Jahrhundert hindurch, obwohl man ihre Gesetze längst genau erforscht und sie als eine Form der Energie erkannt hatte. Viel schneller als die Theorie entwickelte sich hier die Praxis, wie das ja des öfteren in der Geschichte der Technik zu verzeichnen ist. Die Männer der Praxis zerbrachen sich nicht lange den Kopf darüber, was dieses elektrische Fluidum nun eigentlich wäre; sie nutzten zunächst die Tatsache aus, daß die Elektrizität sich mit einer unmeßbar großen Geschwindigkeit in Leitungsdrähten fortpflanzt.
So entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts der elektrische Telegraph. Bald überzog ein Netz von Drähten den europäischen Kontinent; bald streckten sich auch die Kabel durch die Ozeane, und der elektrische Strom erfüllte, was jene Männer, welche die Leitungen spannten, von ihm erwartet hatten. Tausend oder dreitausend Meilen entfernt tickte der Hebel des Empfängers im gleichen Moment ebenso, wie der Telegraphist auf der Geberstation die Taste bewegte. Die Ära der elektrischen Nachrichtenübermittlung brach damit an, wirkte umformend auf Handel und Wandel und gab Riesenstaaten, wie dem russischen und englischen Reich, die Möglichkeit einer straffen Organisation.
Das war viel, doch es war nicht alles. Das »Fluidum« vermochte mehr, wenn man es nur in der nötigen Stärke erzeugen konnte. Für die Telegraphie genügten die galvanischen Elemente. Um die Elektrizität als Energieform zu nutzen, als Bringerin von Licht und Kraft auszuwerten, mußte eine Stromquelle erschlossen werden, viele tausend Male mächtiger als die alten galvanischen Elemente. Diese Tat getan, den neuen Stromerzeuger intuitiv erschaut und praktisch entwickelt zu haben, ist das unvergängliche Verdienst des Deutschen Werner Siemens. Durch die Entdeckung des dynamo-elektrischen Prinzips und die Konstruktion der Dynamomaschine hat er ein neues Zeitalter eingeleitet, hat er der Menschheit Möglichkeiten erschlossen, an die vergangene Geschlechter in kühnsten Träumen nicht zu denken wagten.
75 Jahre sind jetzt seit jenem Tage verflossen, an dem die erste Dynamo aus ihrem Anker Starkstrom in die Leitung entsandte. Dem Gedenken dieses Tages und der Großtat des deutschen Altmeisters der Elektrotechnik Werner Siemens gilt das vorliegende Buch.