Georg Ebers
Eine ägyptische Königstochter Bd. I
Georg Ebers

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Zweites Kapitel.

Die Flügelthüren des Speisesaales öffneten sich. An jeder Seite des Eingangs stand ein schöner, blondgelockter Knabe, mit Myrtenkränzen in der Hand; in der Mitte des Saales erhob sich ein großer, niedriger, glänzend polirter Tisch, an dessen Seiten purpurrothe Polster die Gäste zu bequemer Rast einluden(Anm. 37) Gewöhnlich hatte wohl jeder Gast sein eigenes Tischchen; doch hören wir schon im Homer von großen Anrichtetafeln reden. Ilias IX. 206. 215. Odyss. I. 111. In dem Symposion, welches Xenophanes ungefähr zur Zeit unserer Geschichte schildert, kommt eine Tafel vor, deren Ausstattung bei der folgenden Beschreibung von uns besonders benutzt worden ist. Xenoph. fragm. ed. Bergk I. In homerischer Zeit saß man bei Tische, später wurde die liegende Stellung ganz allgemein. S. A. Overbeek, Pompeji. Erste Aufl. S. 376 fgd..

Auf der Tafel prangten reiche Blumensträuße. Große Braten, Gläser und Schalen voller Datteln, Feigen, Granatäpfel, Melonen und Weintrauben standen neben kleinen silbernen Bienenkörben voller Honig; zarter Käse von der Insel Trinakria lag auf getriebenen kupfernen Tellern, und in der Mitte des Tisches stand ein silberner, einem Altar gleichender Tafelaufsatz, der rings mit Myrten und Rosenkränzen umwunden war, und von dessen Spitze süße Räucherungsdüfte aufstiegen.

Am äußersten Ende des Tisches glänzte das silberne Mischgefäß(Anm. 38) Die Griechen pflegten gemischten Wein zu trinken. Den reinen Rebensaft soll Zaleukus bei Todes-, Solon bei strenger Strafe allen Bürgern, welche ihn nicht als Arzenei benutzen mußten, verboten haben. Die gewöhnliche Mischung war /  Wasser und /  Wein. Schol. z. d. Rittern des Aristophanes V. 1184., ein herrliches äginetisches Werk, dessen gekrümmte Henkel zwei Giganten darstellten, die unter der Last der Schale, welche sie trugen, zusammenzubrechen schienen. Dieser Mischkrug war, wie der Altar in der Mitte des Tisches, mit Blumen umwunden, und auch um jeden Becher(Anm. 39) Es gab Becher bei den Griechen wie den Aegyptern in mannigfaltigen Formen und aus den verschiedensten Stoffen. Die graziösen griechischen Trinkgeschirre sind bekannt, aber auch die Aegypter wußten schöne Becher zu fabriziren. Sie sind von edlen Metallen, von Erz (die Becher der Priester nach Herod.), von feinem, zum Theil glasirtem Thon (im berliner Museum mit blauer Glasur) oder auch, doch wohl nur selten, von Glas. Viele waren bunt emaillirt und zeigten die Form einer sich öffnenden Blume, andere ahmten die Köpfe von Säugethieren und Vögeln nach, aus deren Hälsen man trank, wieder andere gleichen unseren Henkeltassen. Wilkinson II. S. 348–55. Rosellini, Mon. civ. T. LIII–LXII. Ebers, Aegypten u. d. B. Mose's, S. 328. Originale in den Museen von Berlin, London, Paris, Leyden, Turin, Bulaq &c. schlang sich ein Rosen- oder Myrtenkranz.

Rosenblätter waren in dem ganzen Zimmer umhergestreut(Anm. 40) Das Speisezimmer der Kleopatra soll eine Elle hoch mit Rosen bestreut gewesen sein. Athenäus, Deipnos. IV. 148. ed. Meineke., an dessen glatten Wänden von weißem Stuck viele Lampen hingen.

Kaum hatte man sich auf die Polster niedergelegt, so erschienen die blonden Knaben, umwanden die Häupter und Schultern der Schmausenden mit Myrten- und Epheukränzen, und wuschen ihre Füße in silbernen Becken(Anm. 41) Die Griechen gingen nur bekränzt zur Mahlzeit. Vor derselben wurden den Gästen die Füße von Sklaven gewaschen. Plato, Symposion p. 213. Auch goß man vor dem Essen Wasser über die Hände. Athen. II. 60.. Als der Vorschneider schon die ersten Braten, um sie zu zerlegen, vom Tische genommen hatte, machte sich der Sybarit noch immer mit den Knaben zu schaffen, und ließ sich, obgleich er schon nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftete, förmlich in Rosen und Myrten einwickeln; nachdem jedoch das erste Gericht, Thunfische mit Senfbrühe(Anm. 42) Dieses Gerichtes erwähnt Hipponax ungefähr zur Zeit unserer Geschichte. Hipponact. fragm. 34 ed. Bergk., aufgetragen worden war, vergaß er aller Nebendinge und beschäftigte sich ausschließlich mit dem Genusse der trefflichen Speisen. Rhodopis saß auf einem Armstuhle an der Spitze der Tafel neben dem Mischkruge, und leitete sowohl die Unterhaltung, als auch die aufwartenden Sklaven(Anm. 43) Die Frauen pflegten sitzend zu essen. Die Griechen hatten Arm- oder Lehnstühle, wie die Aegypter. Aus Pompeji und den Darstellungen mancher Götter und besonders vornehmer Persönlichkeiten ist uns die Gestalt der Solia oder Throne bekannt geworden, welche eine hohe, etwas steile Lehne und an den Seiten Stützen besaßen, auf denen die Arme ruhen konnten. – Gewöhnlich wurde ein Symposiarch oder Leiter des Gastmahls durch Würfelung gewählt; hier aber kommt dieses Amt der Rhodopis von selbst zu. Ein Sklave des Hauses hatte die anderen, zum Theil von den Gästen mitgebrachten, Diener zu leiten..

Mit einem gewissen Stolze sah sie auf ihre fröhlichen Gäste, und schien sich mit jedem ausschließlich zu beschäftigen, indem sie sich bald bei dem Delphier nach dem Erfolge seiner Sammlungen erkundigte, bald den Sybariten fragte, ob ihm die Werke ihres Koches behagten, bald dem Ibykus lauschte, welcher erzählte, daß Phrynichus von Athen die religiösen Schauspiele des Thespis von Ikaria in's bürgerliche Leben gezogen habe, und mit Chören, Sprechern und Gegensprechern ganze Geschichten aus der Vorzeit aufführen(Anm. 44) Zur Zeit unserer Erzählung war das Drama noch in seiner Entstehung. Thespis gab den dionysischen Chören durch Wechselgesänge und Masken eine dramatische Gestalt, während Phrynichus als der erste eigentliche Tragödiendichter genannt werden muß. lasse.

Dann wandte sie sich an den Spartaner und sagte ihm, daß er der Einzige sei, bei dem sie sich nicht wegen der Einfachheit ihres Gastmahls, wohl aber wegen der Ueppigkeit desselben zu entschuldigen habe. Wenn er nächstens wiederkomme, solle ihm ihr Sklave Knakias, der sich rühme, als entwichener spartanischer Helot(Anm. 45) Sklaven in Sparta, die sich ziemlich häufig ihrer Dienstbarkeit, welche übrigens im Allgemeinen zu schwarz geschildert wird, zu entziehen suchten., eine köstliche Blutsuppe kochen zu können (bei diesen Worten schauderte der Sybarit), eine echt lacedämonische Mahlzeit bereiten.

Als die Gäste gesättigt waren, wuschen sie sich von Neuem die Hände. Dann wurde das Speisegeschirr abgeräumt, der Fußboden gesäubert, und Wein und Wasser in den Mischkessel gegossen. Endlich(Anm. 46) Nach der eigentlichen Mahlzeit begann das Symposium. Erst jetzt bekränzte man sich gewöhnlich, wusch die Hände mit Smegma oder Smema (einer Art von Seife) und griff zum Weine. wandte sich Rhodopis, nachdem sie sich überzeugt hatte, daß Alles im besten Gange sei, an den mit den Milesiern streitenden Phanes und sagte:

»Edler Freund! Wir haben jetzt unsere Ungeduld so lange bemeistert, daß es wohl Deine Pflicht wäre, uns mitzutheilen, welches schlimme Ungefähr Dich aus Aegypten und unserem Kreise zu entreißen droht. Mit leichtem Sinne, den die Götter euch Ioniern allen als köstliches Geschenk bei der Geburt zu spenden pflegen, magst Du Dich von uns und diesem Lande trennen; – wir aber werden Deiner lange schmerzlich gedenken, denn ich kenne keinen größeren Verlust, als den eines seit Jahren treu bewährten Freundes. Einige von uns haben auch zu lange am Nil gelebt, um nicht ein wenig von dem unwandelbar beständigen Sinne der Aegypter angenommen zu haben! Du lächelst; und dennoch glaube ich zu wissen, daß Du, obgleich Du Dich schon lange nach Hellas sehnest, nicht ohne alles Bedauern von uns scheiden wirst. Du gibst mir Recht? Wohl, so erzähle uns denn, warum Du Aegypten verlassen mußt oder willst, damit wir überlegen können, ob es nicht möglich sei, Deine Verweisung vom Hofe rückgängig zu machen, und Dich für uns zu erhalten.«

Phanes lächelte bitter und sagte: »Ich danke Dir, Rhodopis, für Deine schmeichelhaften Worte und die gute Absicht, Dich meines Abschiedes wegen betrüben oder denselben womöglich verhindern zu wollen. Hundert neue Gesichter werden Dich das meine bald vergessen lassen, denn ob Du auch schon lange am Nilstrom wohnst, so bist Du doch, und dafür magst Du den Göttern danken, Hellenin geblieben vom Scheitel bis zur Sohle. Auch ich bin ein Freund der Treue, aber ein Feind der ägyptischen Thorheit; und ist wohl Einer unter euch Allen, der es weise finden könnte, sich über Unvermeidliches zu grämen? Die ägyptische Treue ist in meinen Augen keine Tugend, sondern ein Wahn. Diese Menschen, die ihre Todten seit Jahrtausenden bis heute bewahren, und sich eher das letzte Brot, als einen Knochen ihres Urahnen nehmen lassen(Anm. 47) Der verschuldete Aegypter konnte die Mumien seiner Vorfahren versetzen und gab sein letztes hin, ehe er sie verfallen ließ, denn seiner wartete, wenn er dies that, Schmach und Schande; auch wurde ihm nach dem Tode das Begräbniß versagt. Diodor I. 93., sind nicht treu, sondern thöricht. Kann mir's Freude machen, diejenigen, welche ich liebe, traurig zu sehen? – Gewiß nicht! Ihr sollt euch meiner nicht in monatlangen und sich täglich wiederholenden Wehklagen erinnern, wie die Aegypter, wenn ihnen ein Freund dahin scheidet! Wollt ihr in der That des Fernen oder Abgeschiedenen, – denn ich darf Aegypten, so lange ich lebe, nie wieder betreten, – in späteren Tagen gedenken, so thut es mit lachendem Munde, und rufet nicht: ›Ach warum mußte Phanes uns verlassen!‹ sondern saget: ›Wir wollen fröhlich sein, wie Phanes, als er noch in unserm Kreise weilte!‹ So sollt ihr's halten, so befahl es schon Simonides, als er sang:

›Ja möchten wir nur etwas klüger sein,
So stellten wir die langen Klagen ein,
Und weinten an des Todten Sarkophag
Nur einen Tag.
Zum Tode haben wir ja Zeit genug;
Das Leben aber, es verrinnt im Flug,
Und ist auch sonder übergroßem Harm,
So kurz und arm(Anm. 48) Eigene Uebersetzung nach Simonidis fragm. ed. Bergk.!‹

»Wenn man nicht über die Todten klagen soll, so ist es noch viel weniger weise, sich um scheidende Freunde zu grämen, denn jene sind für immer dahin, diesen aber sagen wir beim Abschied: Auf Wiedersehen!«

Jetzt konnte der Sybarit, welcher schon lange ungeduldig geworden war, nicht länger schweigen und rief mit kläglicher Stimme: »Fange doch endlich zu erzählen an, Du mißgünstiger Mensch. Ich kann keinen Tropfen trinken, wenn Du nicht aufhörst vom Tode zu sprechen. Mir ist ganz kalt geworden, und ich werde jedesmal krank, wenn ich über . . . nun, wenn ich davon reden höre, daß wir nicht ewig leben!« – Die ganze Gesellschaft lachte, Phanes aber begann seine Geschichte zu erzählen.

»Zu Sais wohne ich, wie ihr wißt, in dem neuen Schlosse; zu Memphis aber wurde mir, als Obersten der griechischen Leibwache, welche den König begleiten muß, wohin er auch reist, ein Quartier im linken Flügel des alten Palastes angewiesen(Anm. 49) Die Stadt Memphis soll schon von Menes, den die alten Chronologen meist nach Manetho den ersten König von Aegypten nennen, gegründet worden sein. Dieser soll auch den Nil, welcher vordem dicht an dem libyschen Gebirge vorbeifloß, 100  Stadien oberhalb Memphis abgedämmt, sein altes Bett ausgetrocknet und ihn gezwungen haben, zwischen den östlichen und westlichen Grenzbergen des Nilthals die Mitte zu halten. Noch zu Herodot's Zeit, unter den Persern wurde der Damm jener abgeschnittenen Nilkrümmung sorgfältig erhalten und ausgebessert, denn sein Durchbruch setzte Memphis der Gefahr aus, überflutet zu werden. Obgleich von diesen Dammbauten keine nachweisbaren Spuren übrig geblieben sind, so darf doch nicht an der Richtigkeit dieser Mittheilung gezweifelt werden, denn von dem Dorfe Seft aus wendet sich der Nil nach Westen und würde, wenn er nicht bei der Insel esch Schekame wieder eine Schwenkung nach Osten machte, die libyschen Höhen erreichen. Sein Name hat sich mehrfach auf Monumenten wieder gefunden, und zwar als erster in dem Stammbaume der Könige; so in der von Dümichen entdeckten Königstafel, welche mit Seti I. schließt. Menes (ägyptisch Mena) darf, trotz des Verdachtes, den sein Name erregen könnte, mit Bestimmtheit als historische Persönlichkeit betrachtet werden. S. de Rougé, Mém. sur les VI premières dyn. aeg. Er regierte nach Lepsius, welcher alle Chronographen und die vorhandenen Inschriften mit scharfer Kritik benutzt hat, 3892 v. Chr. und diese auf streng methodischem Wege gewonnene Zahl wird wunderbar bestätigt durch eine astronomisch-kalendarische Notiz auf dem Rücken des Papyrus Ebers. Des Menes Sohn und Nachfolger soll nach Manetho, einem Priester von Heliopolis, der um 250 v. Chr. für die Ptolemäischen Pharaonen die heiligen Schriften der Aegypter in's Griechische übersetzte, den Palast von Memphis gegründet haben. Von der Riesenstadt sind nur spärliche Reste bei den heutigen Dörfern Bedreschëin und Mitrahenneh übrig geblieben. Einige große Schutthaufen, die umgestürzte Kolossalstatue Ramses II., welche, von Caviglia und Slaone entdeckt, von den Klassikern erwähnt ward und jetzt Eigenthum der Engländer ist, Trümmer von Säulen und Steinbildern, Mauerspuren des Ptahtempels, Scherbenreste und kleinere Denkmäler in größerer Zahl ist Alles, was von der einstigen Riesenstadt übrig geblieben. Dennoch ist es möglich, ein ungefähres Bild von ihrer Gestalt zu gewinnen. Schmal und noch im 12. Jahrh. eine halbe Tagereise lang, streckten sich ihre Straßen zwischen dem Nil und dem Bahr Jusuf hin, im Norden bei Gizeh, im Süden etwa in der Breite der Pyramiden von Daschur endend. Das Quartier, in dem der phönizischen und ägyptischen Liebesgöttin ausschweifende Kulte gefeiert wurden, und in dem die Fremden sich später ansiedeln durften, heißt Ta anch, d. i. die Welt des Gebens. Es ward auch das Syrierviertel genannt und lag mit seinen heiligen Hainen gewiß mehr nach Süden hin. Der Königspalast stand auf einem heute noch vorhandenen Hügel dreiviertel Kilometer östl. von Mitrahenneh, von dem aus man heute noch sämmtliche Pyramiden zu überblicken vermag und von dem dereinst die Pharaonen den Bau ihrer Mausoleen geleitet haben werden. Besonders prächtig war das uralte Quartier Amhi, in dem die Tempel der Haupt-Götter standen, unter denen keiner berühmter und älter war, als der von Menes gegründete Tempel des Ptah, an den sich die ganze Geschichte der Stadt knüpft. Die mohammedanischen Eroberer verlegten ihre Residenz an eine Stelle des rechten Nilufers, die dem nördlichsten Theile von Memphis gegenüber lag, und hier entstand in der Nähe des befestigten Babylon das heutige Kairo. Die Todtenstadt von Memphis hat sich besser erhalten.. Die Pyramiden bleiben ewig stehen, das Serapeum, die Apisgräber, Mastaba (s. A. 1) &c. sind von Mariette-Bey, einem gelehrten im Dienste des Vicekönigs stehenden Franzosen, ausgegraben worden. Die Wohnungen der Könige befanden sich keineswegs, wie von mehreren Seiten behauptet worden ist, in den Tempeln. Die Paläste der Pharaonen scheinen, wie die ägyptischen Privathäuser, aus weit leichterem und darum der Zerstörung zugänglicherem Material erbaut worden zu sein, als die Tempel. Diese bestanden wohl aus Nilziegeln, jene fast ausnahmslos aus Quadern von hartem Stein..

»Seit dem ersten Psamtik(Anm. 50) Der erste Psamtik, bekannter unter seinem griechischen Namen Psametich, gehörte zur 26. oder saitischen Dynastie. Er eröffnete Aegypten zuerst dem Verkehr mit dem Auslande. Hier leisten die Inschriften aus den Apisgräbern so gute Hülfe, daß wir den Thronbesteigungstag des Psamtik auf den 5. Februar 664 setzen können. residiren die Könige zu Sais, darum wurde das Innere der anderen Schlösser ein wenig vernachlässigt. Meine Wohnung war im Grunde ganz vorzüglich gelegen, köstlich eingerichtet und wäre vortrefflich gewesen, wenn sich nicht, gleich bei meinem ersten Einzuge in dieselbe, eine furchtbare Plage fühlbar gemacht hätte.

»Bei Tage, wo ich übrigens selten zu Hause war, ließ meine Wohnung nichts zu wünschen übrig, bei Nacht aber war an keinen Schlaf zu denken, so fürchterlich spektakelten Tausende von Ratten und Mäusen unter den alten Fußböden, Tapeten und Ruhebetten.

»Ich wußte mir keinen Rath in dieser Noth, bis mir endlich ein ägyptischer Soldat zwei schöne große Katzen verkaufte, welche mir auch nach mehreren Wochen einige Ruhe vor meinen Peinigern verschafften.

»Ihr werdet Alle wissen, daß eines der liebenswürdigen Gesetze dieses wunderlichen Volkes, dessen Bildung und Weisheit ihr, meine milesischen Freunde, nicht sattsam preisen könnt, die Katzen für heilig erklärt. Göttliche Ehre wird diesen glücklichen Vierfüßlern, wie so mancher andern Bestie, zu Theil, und ihre Tödtung eben so streng bestraft, als der Mord eines Menschen.«

Rhodopis, welche bis dahin gelächelt hatte, wurde ernster, als sie vernahm, daß die Verweisung des Phanes mit seiner Mißachtung der heiligen Thiere zusammenhing. Sie wußte, wie viele Opfer, ja wie viele Menschenleben, dieser Aberglaube der Aegypter bereits gekostet hatte. Vor Kurzem noch hatte König Amasis selbst einen unglücklichen Samier, welcher eine Katze getödtet hatte, nicht vor der Rache des zornigen Volkes zu retten vermocht(Anm. 51) Die Katze war wohl das heiligste von den vielen heiligen Thieren, welche die Aegypter verehrten. Während viele andere Thiere nur bezirksweise vergöttert wurden, war die Katze allen Unterthanen der Pharaonen heilig. Herod. II. 66 erzählt, daß die Aegypter, wenn ein Haus brenne, nicht eher an's Löschen dächten, als bis ihre Katze gerettet sei, und daß sie sich die Haare, als Zeichen der Trauer, abschören, wenn ihnen eine Katze stürbe. Wer eines dieser Thiere tötete, verfiel, mochte er mit Willen oder aus Versehen der Mörder desselben geworden sein, unerbittlich dem Tode. Diod. I. 81 war Augenzeuge, als die Aegypter einen unglücklichen römischen Bürger, welcher eine Katze getödtet hatte, des Lebens beraubten, obgleich, um der gefürchteten Römer willen, von Seiten der Behörden alles Mögliche geschah, um das Volk zu beruhigen. Die Leichen der Katzen wurden sorgfältig mumisirt und beigesetzt. Von den vielen balsamirten Thieren wurden und werden keine häufiger gefunden, als die sorgfältig mit Leinenbinden umwickelten mumisirten Katzen. Balsamirte Exemplare besitzt jedes Museum. Trotz der großen Pflege, welche die Katzen genossen, kann es doch an Mäusen in Aegypten nicht gefehlt haben. In einem Nomos oder Gau (dem Athribitischen) war die Spitzmaus heilig, und ein obscöner und satirischer Papyrus zu Turin zeigt uns einen Katzen-Mäusekrieg; Pap. Ebers enthält Mittel gegen Mäuse. Wir besitzen eine sehr schön gearbeitete Spitzmaus aus Bronze. Mr. de Potonnier, der Gefährte des bekannten Gründers des Ueberlandweges nach Indien, Waghorn, erzählte uns zu Kairo, daß er in einem alten Gemäuer in Unterägypten eines Nachts von Ratten überfallen worden sei. Die Narben der Bisse dieser ekelhaften Thiere hatten lange Jahrzehente nicht zu verwischen vermocht. Noch spät, ja als bereits der Islâm in Aegypten eingedrungen war, schenkte man den Katzen besondere Berücksichtigung. In Kairo wurde eine Summe Goldes vermacht, um verhungernde Katzen zu füttern, und die große nach Mekka reisende Pilgerkarawane wird heute noch von einem alten Manne, welcher mehrere Katzen bei sich führt und der der Katzenvater genannt wird, begleitet. S. die schöne Darstellung von Gentz in Ebers, Aegypten in Bild und Wort I. S. 103..

»Alles war gut,« erzählte der Oberst weiter, »als wir Memphis vor zwei Jahren verließen.

»Ich hatte das Katzenpaar der Pflege eines ägyptischen Schloßdieners anvertraut, und wußte, daß die rattenfeindlichen Thiere meine Wohnung für künftige Fälle rein erhalten würden, ja ich begann schon selbst den freundlichen Rettern aus der Mäusegefahr eine gewisse Verehrung zu zollen.

»Im vorigen Jahre ward Amasis krank, ehe der Hof sich nach Memphis begeben konnte, und wir blieben zu Sais.

»Endlich, vor etwa sechs Wochen, machten wir uns auf den Weg zu der Pyramidenstadt(Anm. 52) Näheres im III. Theile des Textes S. 188.. Ich bezog mein altes Quartier, und fand in demselben keinen Schatten eines Mäuseschwanzes wieder; statt der Ratten wimmelte es aber von einem anderen Thiergeschlechte, welches mir nicht lieber war, wie seine Vorgänger. Das Katzenpaar hatte sich nämlich in den zwei Jahren meiner Abwesenheit verzwölffacht. Ich versuchte die lästige Brut von Katern jeden Alters und aller Farben zu vertreiben; aber es gelang mir nicht, und ich mußte allnächtlich meinen Schlaf von entsetzlichen Vierfüßler-Chorgesängen, Katzenkriegsgeschrei und Katerliedern unterbrechen lassen.

»Alljährlich, zur Zeit des Bubastisfestes, ist es erlaubt, die überflüssigen Mäusefänger in den Tempel der katzenköpfigen Göttin Pacht abzuliefern, woselbst sie verpflegt, und, wie ich glaube, wenn sie sich gar zu stark vermehren, bei Seite gebracht werden. Diese Priester sind Spitzbuben!

»Leider fiel die große Fahrt zu dem besagten Heiligthume(Anm. 53) Die Göttin Pacht (Sechet und Bast), welche mit dem Katzenkopfe abgebildet wurde, hatte zu Bubastis im östlichen Delta ihr vornehmstes Heiligthum. (S. Ebers, Durch Gosen zum Sinai, S. 15 fgd. 482 fgd.) Dorthin brachte man auch gewöhnlich die Katzenmumien, welche aber auch an anderen Orten, namentlich sehr häufig beim Serapeum bei Speos Artemidos und sonst gefunden worden sind. Sie war nach Herodot gleich der griechischen Artemis (Diana) und wurde die Bubastische genannt. Nach Stephanus von Byzanz soll die Katze auch auf ägyptisch Bubastos geheißen haben. Uebrigens nannte man das Thier für gewöhnlich Mau und in den jüngeren Sprachformen Emu und Schau. Man scheint auch in der Pacht die Beschützerin der Geburt und des Kindersegens verehrt zu haben. Bilder derselben bei Birch, Gallery p. 16 fgd. Wilkinson m. a. c. VI. Pl. 27 u. 35. Ebers, Aegypten in Bild und Wort I. S. 102. Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, daß man in der Bast gewisse Seiten der durch die Phönizier den Aegyptern zugekommenen Astarte (Fremden-Aphrodite, Venus urania) verehrte. Ueber die Fahrt nach Bubastis im Text II. Theil S. 93 u. A. 73. nicht in die Zeit unseres Aufenthaltes bei den Pyramiden; ich aber konnte es schlechterdings mit dieser Armee von Peinigern nicht länger aushalten, und beschloß, als mich zwei Katzenmütter von neuem mit einem Dutzend gesunder Nachkommen beehrten, wenigstens diese bei Seite zu schaffen. Mein alter Sklave Müs(Anm. 54) Müs, μυ̃ς, ein bei den Griechen nicht ungewöhnlicher Name, bedeutet »Maus«., schon dem Namen nach ein geborener Katerfeind, erhielt den Auftrag, die jungen Dinger zu tödten, in einen Sack zu stecken und in den Nil zu werfen.

»Dieser Mord war nothwendig, denn ohne ihn würde das Miaulen der jungen Kater den Schloßwärtern den Inhalt des Sackes verrathen haben. Als es dunkelte, begab sich der arme Müs mit seiner gefährlichen Last durch den Hathor Hain(Anm. 55) Die Liebesgöttin der Aegypter, die uralte Horizontgöttin und Mutter des jungen Horus. Sie ist eine der vornehmsten ägyptischen Gottheiten. Ihr Hauptheiligthum befand sich zu Dendera (Ta-n-tarer, das Land des Nilpferdes, der Nilpferdgöttin), wo sie in all' ihren Namen, von denen sich zu Edfu über 300 finden, genannt wird. Ueberall erscheint sie als das dem männlichen, zeugenden entgegengesetzte weibliche, also empfangende und gebärende Princip, und kosmisch als die Welt, die Darstellung Gottes in der sichtbaren Welt, die Natur, in welcher die Gottheit wirksam ist. Als personifizirte Fruchtbarkeit stellt sie die Ergiebigkeit der Felder dar. Da diese in Aegypten vom Nile abhängt, so ist es Isis-Hathor, die »den Nil wachsen läßt zu seiner Zeit«. Sie ist die hehre Göttin der Liebe, die große himmlische Mutter, welche mit ihrem göttlichen Schutze den Müttern zur Seite steht, die Geberin aller Güter des Lebens, die Schöngesichtige, die da erfüllt Himmel und Erde mit ihren Wohlthaten. In späterer Zeit ward sie geradezu zur Muse. Tanz, Gesang, Scherz, ja selbst der Genuß und Rausch beim Weintrinken standen unter ihrem Schutze; in erster Reihe aber ward sie als Liebesgöttin verehrt. Strick und Tamburin in ihrer Hand deuten auf die fesselnde Kraft und die Lust der Liebe. Sie wird die große Königin des goldenen Kranzes genannt und die Amme, die den Gebärenden zur Seite steht. Sie war die Lieblingsgöttin der königlichen Frauen. Ihr heiliges Thier war die Kuh, und sie erscheint gewöhnlich in der Gestalt eines kuhköpfigen Weibes, das die Sonnenscheibe zwischen den Kuhhörnern, die an die Sichel des Mondes erinnern, trägt, oder als Kuh, die am Horizonte die junge Sonne gebiert. Abbildungen bei Birch, Gallery p. 19. Champollion, Panthéon Égyptien. T. 18. Rosell. mon. d. culto etc. Das Beste über unsere Göttin bei Dümichen, Bauurkunde von Dendera L. 1865. Isis ist die Hathor in außersinnlicher Form, die Fruchtbarkeit als der organischen Welt immanenter Begriff. nach dem Nile. Doch der ägyptische Schloßdiener, welcher meine Thiere zu füttern pflegte, und jede einzelne Katze bei Namen kannte, hatte unsern Plan durchschaut.

»Mein Sklave ging gelassen durch die große Sphinxallee an dem Tempel des Ptah(Anm. 56) Der Tempel des großen Gottes von Memphis, Ptah, war eines der berühmtesten Bauwerke in Aegypten. König Menes sollte denselben bereits angelegt haben. Die aus Memphis stammenden und hier residirenden Pharaonen der 3., 4., 5. u. 6. Dyn. vergrößerten ihn. In der 12. Dynastie versah der unter dem Namen Möris bekannte Amenemha III. den Norden des Tempels mit Propyläen und auch die nach der Vertreibung der Hyksos zu Theben residirenden Könige versäumten es nicht, das Heiligthum des Ptah reich auszuschmücken. Ramses II. soll seine und seiner Gemahlin Statuen, nebst denen von zwei seiner Kinder vor diesem Tempel aufgestellt haben. Der Koloß des Königs ist von Caviglia und Slaone 1820 aufgefunden worden und liegt noch an seinem Platze. Ramses III. beschenkte, wie der große Papyr. Harris lehrt, den Tempel auf's reichste. Selbst die Aethiopier berücksichtigten das Heiligthum des Ptah, das der erste König der 26. Dyn., zu der auch Amasis gehörte, glänzend ausbaute. Amasis stellte hier Bildsäulen auf, von denen die größte schon zu Herodot's Zeiten am Boden lag. Ueber den hier verehrten Apis weiter unten. Spärliche Spuren des Tempels sind heute noch bei dem Araberdorfe Mitrahenneh nachweisbar. vorüber; das Säckchen hielt er unter seinem Mantel verborgen. Schon im heiligen Haine bemerkte er, daß man ihm folge; er achtete aber nicht darauf und setzte seinen Weg vollkommen beruhigt fort, als er bemerkte, daß die Leute, welche hinter ihm hergingen, am Tempel des Ptah stehen blieben und sich dort mit Priestern unterredeten.

»Schon stand er am Ufer des Nils. Da hörte er, wie man ihm rief, wie viele Menschen ihm in schnellem Laufe folgten, und ein geschleuderter Stein dicht an seinem Kopfe vorüberpfiff.

»Müs übersah die Gefahr, welche ihm drohte. Mit dem Aufgebot aller Kräfte jagte er bis an den Nil, schleuderte den Sack in das Wasser, und stand klopfenden Herzens, aber, wie er glaubte, ohne jeden Beweis seiner Schuld, am Ufer des Stromes. Wenige Augenblicke später war er von hundert Tempeldienern umringt. Der Oberpriester des Ptah, Ptahotep, mein alter Feind, hatte es nicht verschmäht, in eigner Person den Häschern zu folgen.

»Mehrere derselben, und unter ihnen jener verrätherische Palastdiener, stiegen sofort in den Nil und fanden zu unserm Verderben den Sack mit seinen zwölf Leichnamen, der unversehrt im Papyrus Rohre und den Bohnenranken am Ufer hing. Vor den Augen des Oberpriesters, einer Schaar von Tempeldienern und wenigstens tausend herbeigeeilten Memphiten ward der baumwollene Sarg geöffnet. Als man seinen unseligen Inhalt gewahrte, erhob sich ein so entsetzliches Wehegeheul, ein so furchtbares Klage- und Rachegeschrei, daß ich's bis zum Schlosse vernehmen konnte. Die wuthentbrannte Menge stürzte sich in wilder Leidenschaft auf meinen armen Diener, riß ihn zu Boden, trat ihn mit Füßen, und würde ihn sofort getödtet haben, wenn der allmächtige Oberpriester nicht ›Halt‹ geboten, und, in der Absicht, mich, in dem er den Urheber der Frevelthat ahnte, mit in's Verderben zu ziehen, befohlen hätte, den schrecklich zugerichteten Missethäter in's Gefängniß zu setzen.

»Eine halbe Stunde später ward auch ich festgenommen.

»Mein alter Müs nahm alle Schuld des Verbrechens auf sein Haupt, bis der Oberpriester ihm durch Bastonnaden das Geständniß abnöthigte, ich habe ihm geboten, die Katzen zu tödten; er aber, als treuer Diener, meinem Befehle Folge leisten müssen.

»Das Obergericht(Anm. 57) Dieser Gerichtshof, welcher Diod. I. 75 mit dem Areopag zu Athen und der Gerusia zu Sparta verglichen wird, bestand aus 30 Richtern aus der Priesterkaste (10 von Heliopolis, 10 von Memphis, 10 von Theben) und wählte den Trefflichsten (ένα τὸν άριστον) zum Präsidenten. Alle Klagen und Vertheidigungen mußten schriftlich eingereicht werden, damit Wort und Geberde den Richter nicht beeinflusse. Dieses Tribunal war selbst vom Könige unabhängig. Sehr lehrreich in Bezug auf die Rechtspflege bei den alten Aegyptern ist namentlich ein turiner – und der Papyrus Abbott geworden, welcher bekannter ist unter dem Namen des Papyr. judiciaire. Näheres und Angabe der Literatur bei Ebers, Durch Gosen zum Sinai, S. 534 fgd., gegen dessen Urtheilssprüche selbst der König keine Macht besitzt, ist aus Priestern von Memphis, Heliopolis und Theben zusammengesetzt; ihr könnt euch also denken, daß man den armen Müs sowohl, als meine hellenische Wenigkeit ohne Bedenken zum Tode verurtheilte. Den Sklaven wegen zweier Kapitalverbrechen: erstens wegen des Mordes von heiligen Thieren, zweitens wegen der zwölfmaligen Verunreinigung des heiligen Nils durch Leichname; mich, wegen der Urheberschaft dieses, wie sie's nannten, vierundzwanzigfachen Kapitalverbrechens(Anm. 58) Schon der Mitwisser eines Verbrechens war nach ägyptischem Gesetz eben so strafbar als der Thäter.. Müs ward noch am nämlichen Tage hingerichtet. Möge ihm die Erde leicht sein! In meinem Andenken wird er nicht als mein Sklave, sondern als mein Freund und Wohlthäter fortleben! Im Angesicht seiner Leiche ward auch mir das Todesurtheil vorgelesen, und ich machte mich schon zur langen Reise in die Unterwelt fertig, als der König befehlen ließ, die Vollstreckung meiner Hinrichtung aufzuschieben.

»Ich ward in mein Gefängniß zurückgebracht.

»Ein arkadischer TaxiarchAnführer einer Taxis oder Compagniehauptmann. Lysias, Apol. p. 162., welcher sich unter meinen Wächtern befand, theilte mir mit, daß sämmtliche griechischen Offiziere der Leibwache und eine Menge von Soldaten, im Ganzen mehr als viertausend Mann, gedroht hätten, ihren Abschied zu nehmen, wenn man mich, ihren Führer, nicht begnadigen werde.

»Als es dunkelte, wurde ich zum Könige geführt, welcher mich gnädig empfing. Er selbst bestätigte mir die Mittheilung des Taxiarchen und sprach sein Bedauern aus, einen so beliebten Obersten verlieren zu müssen. Was mich betrifft, so gestehe ich gern, daß ich dem Amasis nicht zürne, und mehr noch, daß ich ihn, den mächtigen König, bedaure. Ihr hättet mit anhören sollen, wie er sich beklagte, nirgend handeln zu können, wie er wolle, und selbst in seinen persönlichsten Angelegenheiten überall von den Priestern und ihrem Einflusse behindert und gefährdet zu sein. Käme es nur auf ihn an, sagte er, so würde er mir, dem Fremden, die Uebertretung eines Gesetzes, welches ich nicht verstehen könne, und darum, wenn auch fälschlich, für abgeschmackten Aberglauben halten müsse, gern vergeben. Der Priester wegen dürfe er mich aber nicht ungestraft lassen. Verbannung(Anm. 59) Gegen die eingeborenen Aegypter scheint die Verbannung nicht als Strafe angewendet worden zu sein; der Fremde, welcher entfernt werden sollte, konnte leicht mit ihr belegt werden. aus Aegypten sei die gelindeste Buße, welche er mir auferlegen könne. ›Du weißt nicht,‹ mit diesen Worten schloß er seine Klagen, ›wie große Zugeständnisse ich den Priestern machen mußte, um Gnade für Dich zu erlangen. Ist doch unser Obergericht selbst von mir, dem Könige, unabhängig!‹

»Also ward ich verabschiedet, nachdem ich einen großen Eid geleistet hatte, Memphis noch am selbigen Tage und Aegypten spätestens in drei Wochen verlassen zu wollen.

»An der Pforte des Palastes traf ich mit Psamtik, dem Kronprinzen, zusammen, welcher mich schon lange, ärgerlicher Geschichten wegen, die ich verschweigen muß (Du kennst sie, Rhodopis), verfolgt. Ich bot ihm meinen Abschiedsgruß; er aber kehrte mir den Rücken zu, indem er ausrief: ›Auch dießmal entkommst Du der Strafe, Athener; meiner Rache aber bist Du noch nicht entgangen! Wohin Du auch gehst, ich werde Dich zu finden wissen!‹ – ›So darf ich hoffen, Dich wieder zu sehen!‹ entgegnete ich ihm, schaffte meine Habseligkeiten auf eine Barke, und kam hierher nach Naukratis, woselbst mir das Glück meinen alten Gastfreund Aristomachus von Sparta zuführte, welcher, als früherer Befehlshaber der Gruppen von Cypern(Anm. 60) König Amasis führte einen erfolgreichen Krieg gegen Zypern. Herod. II. 178. Diod. I. 68., höchst wahrscheinlich zu meinem Nachfolger ernannt werden wird. Ich würde mich freuen, einen so trefflichen Mann an meinem Platze zu sehen, wenn ich nicht fürchten müßte, daß neben seinen vorzüglichen Diensten die meinen noch geringer erscheinen werden, als sie es in der That gewesen sind.«

Hier unterbrach Aristomachus den Athener und rief: »Genug des Lobes, Freund Phanes! Spartanische Zungen sind ungelenk; mit Thaten will ich Dir aber, wenn Du meiner bedarfst, eine Antwort geben, die den Nagel auf den Kopf treffen soll.«


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