Georg Ebers
Eine ägyptische Königstochter Bd. I
Georg Ebers

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Rhodopis lächelte den beiden Männern Beifall zu. Dann reichte sie jedem von ihnen die Hand, und sagte. »Leider habe ich Deiner Erzählung, mein armer Phanes, entnommen, daß Deines Bleibens nicht länger in diesem Lande sein kann. Ich will Dich nicht wegen Deines Leichtsinnes tadeln, dennoch konntest Du wissen, daß Du Dich um kleiner Erfolge willen großen Gefahren aussetztest. Der Weise, der wahrhaft Muthige unternimmt ein Wagniß nur dann, wenn der Nutzen, der ihm daraus erwachsen kann, die Nachtheile überbietet. Tollkühnheit ist eben so thöricht, wenn auch nicht eben so verwerflich als Feigheit, denn wenn auch beide schaden, so schändet doch nur die Letztere. Dein leichter Sinn hätte Dir dießmal beinahe das Leben gekostet, ein Leben, welches Vielen theuer ist und das Du für ein schöneres Ende, als dem Erliegen unter den Streichen der Narrheit, aufsparen solltest. Wir können nicht versuchen, Dich uns zu erhalten, denn wir würden Dir dadurch nichts nützen, uns aber schaden. An Deiner Stelle soll in Zukunft dieser edle Spartaner als Oberster der Hellenen unsere Nation am Hofe vertreten, sie vor Uebergriffen der Priester zu schützen, ihr die Gunst des Königs zu bewahren bemüht sein. Ich halte Deine Hand, Aristomachus, und lasse sie nicht eher los, bis Du uns versprochen hast, auch den geringsten Griechen, wie Phanes vor Dir, soweit es in Deinen Kräften steht, gegen den Uebermuth der Aegypter zu beschützen, und eher Deine Stellung aufzugeben, als das kleinste einem Hellenen angethane Unrecht straflos hingehen zu lassen. Wir sind wenig Tausende unter eben so vielen Millionen feindlich gesinnter Menschen; aber wir sind groß an Muth, und müssen stark zu bleiben suchen durch Einigkeit. Bis heute haben sich die Hellenen in Aegypten wie rechte Brüder betragen; Einer opferte sich für Alle, Alle für Einen, und eben diese Einheit machte uns mächtig, soll uns in Zukunft stark erhalten. Könnten wir doch dem Mutterlande und seinen Pflanzstätten dieselbe Einigkeit schenken, wollten doch alle Stämme der Heimath, ihrer dorischen, ionischen oder äolosischen Herkunft vergessend, sich mit dem einen Namen »Hellenen« begnügen, und, wie die Kinder eines Hauses, wie die Schafe einer Heerde leben, – wahrlich, die ganze Welt würde uns nicht zu widerstehen vermögen, und Hellas von allen Nationen anerkannt werden als ihre Königin(Anm. 61) Dieses Streben und dieser Wunsch nach Einheit ist den Hellenen keineswegs fremd gewesen, wenn wir ihn auch nur selten aussprechen hören. Aristoteles VII. 7. sagt z. B.: »Die Hellenen könnten, wenn sie sich zu einem Staate vereinigten, alle Barbaren beherrschen.«

Die Augen der Greisin glühten bei diesen Worten; der Spartaner aber preßte ihre Hand mit ungestümer Heftigkeit, stampfte die Erde mit seinem Stelzfuße und rief: »Beim Zeus Lacedaemonius, ich will den Hellenen kein Härlein krümmen lassen; Du aber, Rhodopis, wärest würdig, eine Spartanerin zu sein!«

»Und eine Athenerin!« rief Phanes.

»Eine Ionierin!« die Milesier.

»Eine Geomorentochter von Samos!« der Bildhauer.

»Aber ich bin mehr als dies Alles,« rief das begeisterte Weib, »ich bin mehr, viel mehr, – ich bin eine Hellenin!«

Alles war hingerissen, selbst der Syrer und der Hebräer konnten sich der allgemeinen Erregung nicht entziehen; nur der Sybarit ließ sich nicht in seiner Ruhe stören und sagte mit vollem Munde:

»Du wärest auch werth, eine Sybaritin zu sein, denn Dein Rinderbraten ist der beste, welchen ich seit meiner Abreise von Italien genossen habe, und Dein Wein von Anthylla(Anm. 62) Athenäus I. 25. nennt den Wein von Anthylla den besten ägyptischen Rebensaft. Die Denkmäler nennen rothe und weiße Weinsorten, z. B. die von Kakem. Näheres Ebers, Aegypten u. d. Bücher Mose's, S. 322. Brugsch, Oasen. mundet mir fast ebenso gut, wie der vom Vesuv und von Chios!«

Alles lachte, nur der Spartaner schleuderte auf den Feinschmecker einen Blick der Verachtung.

»Fröhlichen Gruß!« rief plötzlich eine uns noch unbekannte tiefe Stimme durch das offene Fenster in den Saal hinein.

»Fröhlichen Gruß!« – antwortete der Chor der Zechenden, fragend und rathend, wer der späte Ankömmling sein möge.

Man hatte nicht lange auf den Fremden zu warten, denn, ehe noch der Sybarit Zeit gefunden hatte, einen neuen Schluck Wein sorgfältig mit der Zunge zu prüfen, stand ein großer hagerer Mann in den sechziger Jahren, mit einem länglichen, feinen und geistreichen Kopfe, Kallias, der Sohn des Phänippus von Athen(Anm. 63) Ein viel erwähnter, ausgezeichneter Athener, welcher zur Zeit unserer Geschichte lebte. Derselbe soll nach Herod. VI. 122. mit dem Rennpferde und dem Viergespanne gesiegt haben., neben Rhodopis.

Mit den klaren klugen Augen blickte der späte Gast, einer der reichsten Vertriebenen von Athen, welcher die Güter des Pisistratus zweimal vom Staate gekauft und zweimal, als der Gewalthaber wiederkehrte, verloren hatte, seine Bekannten an, und rief, nachdem er mit Allen freundliche Grüße ausgetauscht hatte:

»Wenn ihr mir mein heutiges Erscheinen nicht hoch anrechnet, dann behaupte ich, daß alle Dankbarkeit aus der Welt verschwunden ist.«

»Wir haben Dich lange erwartet,« unterbrach ihn einer der Milesier. »Du bist der Erste, welcher uns vom Verlaufe der olympischen Spiele Nachricht bringt!«

»Und wir konnten keinen bessern Boten wünschen, als den früheren Sieger,« fügte Rhodopis hinzu.

»Setze Dich,« rief Phanes voller Ungeduld, »und erzähle kurz und bündig, was Du weißt, Freund Kallias!«

»Sogleich, Landsmann,« erwiederte dieser, »'s ist schon ziemlich lange her, seitdem ich Olympia verlassen und mich auf einem samischen Fünfzigruderer, dem besten Fahrzeuge, welches jemals gebaut wurde, zu Kenchreae eingeschifft habe.

»Mich wundert's nicht, daß noch keine Hellene vor mir in Naukratis eingelaufen ist, denn wir hatten grausame Stürme zu bestehen und wären kaum mit dem Leben davongekommen, wenn diese samischen Schiffe mit ihren dicken Bäuchen, Ibisschnäbeln und Fischschwänzen(Anm. 64) So werden die zu jener Zeit hochberühmten samischen Schiffe von Herodot beschrieben; auch haben dieselben wohl häufig Eberköpfe an der Spitze geführt. Dahin deutet wenigstens der Bericht des Strabo, daß die Aegineten den von ihnen gekaperten Schiffen die Eberköpfe abgeschlagen hätten. Herod. III. 59. erzählt dasselbe von den Schiffsschnäbeln. nicht gar so vortrefflich gezimmert und bemannt wären.

»Die anderen Heimkehrenden mögen, wer weiß wohin, verschlagen worden sein, wir aber konnten uns in den Hafen von Samos bergen und nach zehntägigem Aufenthalte wieder absegeln.

»Als wir endlich heute früh in den Nil eingelaufen waren, setzte ich mich sofort in meine Barke und wurde von Boreas, der mir wenigstens am Schlusse der Reise zeigen wollte, daß er seinen alten Kallias noch immer lieb habe, so schnell befördert, daß ich schon vor wenigen Augenblicken das freundlichste aller Häuser erblicken konnte. Ich sah die Fahne wehen, sah die offenen Fenster erleuchtet, kämpfte in mir, ob ich eintreten sollte oder nicht; konnte Deinem Zauber, o Rhodopis, unmöglich widerstehen, und wäre außerdem von all' den Neuigkeiten, die ich noch unerzählt bei mir habe, erdrückt worden, wenn ich nicht ausgestiegen wäre, um euch bei einem Stücke Braten und einem Becher Wein Dinge mitzutheilen, die ihr euch nicht träumen lasset.«

Kallias legte sich behaglich auf ein Polster nieder, und überreichte, ehe er seine Neuigkeiten auszukramen begann, Rhodopis ein prächtiges, eine Schlange darstellendes Armband von Gold(Anm. 65) Bei Th. Hope, Costume I. 138. Auch ägyptische Armbänder in Schlangengestalt sind vorhanden., welches er zu Samos in der Werkstatt eben jenes Theodorus, der mit ihm an einem Tische saß, für vieles Geld erstanden hatte.

»Das bring' ich Dir mit(Anm. 66) Auch im Alterthum war es üblich, seinen Freunden kleine Geschenke von der Reise mitzubringen. So brachte z. B. Theokrit der Gattin seines Freundes Nicias eine elfenbeinerne Spindel, die er mit anmuthigen Versen begleitete. Wir weisen auf die köstliche Uebersetzung dieses Gelegenheitsgedichtes von F. Rückert.,« sagte er, sich an die hocherfreute Greisin wendend, »für Dich, Freund Phanes, hab' ich aber noch etwas Besseres. Rathe, wer beim Viergespann-Rennen den Preis gewann?«

»Ein Athener?« fragte Phanes mit glühenden Wangen; gehörte doch jeder olympische Sieg dem ganzen Volke, dessen Bürger ihn errang, war doch der olympische Oelzweig die höchste Ehre und das größte Glück, welches einem hellenischen Manne, ja einem ganzen griechischen Stamme zu Theil werden konnte.

»Recht gerathen, Phanes!« rief der Freudenbote, »ein Athener hat den ersten aller Preise errungen, und mehr noch, Dein Vetter Cimon, der Sohn des Kypselos, der Bruder jenes Miltiades, welcher uns vor neun Olympiaden dieselbe Ehre brachte, war es, der in diesem Jahre, mit denselben Rossen, die ihm am vorigen Feste den Preis gewannen, zum zweitenmal siegte(Anm. 67) Der zweite Sieg der Rosse des Cimon muß, wie Duncker, Gesch. des Alterthums IV. S. 343 richtig bemerkt, um 528 stattgefunden haben. Dieselben Pferde siegten bei den nächsten Spielen, also vier Jahre später, zum dritten Male. Zum Danke ließ Cimon denselben an »der hohlen Gasse« bei Athen ein Denkmal errichten. Es sei daran erinnert, daß die Griechen die Wiederkehr der olympischen Spiele benützten, um die Jahre zu bestimmen Alle vier Jahre fanden die Wettkämpfe statt. Der erste ward 776 v. Chr. gesetzt. Das Einzeljahr ward genannt das 1., 2., 3., 4. der so und so vielten Olympiade.. Wahrlich, die Philaïden(Anm. 68) Neben den Alkmäoniden die vornehmste Adelsfamilie in Athen, welche sich von Ajax, dem homerischen Helden, abzustammen rühmte. Philäos, der Sohn des Ajax von Salamis, wird als ihr Ahnherr genannt. Die Miltiades und Cimon entstammen ihr. Der erste Miltiades, welcher die Tochter des Kypselos heirathete, war einer der ersten jährlichen Archonten von Athen (Pausan. IV. 23. 5. VIII. 39, 2.) und scheint sein Archontat schon um 664 und 659 bekleidet zu haben. S. a. M. Duncker, Geschichte des Alterthums IV. S. 301, wo der Stammbaum der Familie, von Miltiades an, mitgetheilt wird. verdunkeln immer mehr den Ruhm der Alkmaeoniden! Bist Du stolz, fühlst Du Dich glücklich über den Ruhm Deiner Familie, Phanes?«

In hoher Freude war der Angeredete aufgestanden, und seine Gestalt schien plötzlich um eines Hauptes Länge gewachsen zu sein.

Unsagbar stolz und selbstbewußt reichte er dem Siegesboten die Hand, welcher, den Landsmann umarmend, fortfuhr:

»Ja, wir dürfen stolz und glücklich sein, Phanes; und Du vor Allem magst Dich freuen, denn, nachdem die Kampfrichter dem Cimon einstimmig den Preis zuerkannt hatten, ließ dieser den Gewalthaber Pisistratus von den Herolden als Besitzer des herrlichen Viergespanns und somit als Sieger ausrufen. – Euer Stamm darf nun, Pisistratus ließ dies sogleich verkünden, nach Athen zurückkehren, und somit wartet auch Deiner die langersehnte Stunde der Heimkehr!«

Die Glut der Freude verschwand bei dieser Rede von den Wangen des Obersten, und der selbstbewußte Stolz seiner Blicke wandelte sich in Zorn, als er ausrief:

»Ich sollte mich freuen, törichter Kallias? Weinen möcht' ich, wenn ich bedenke, daß ein Nachkomme des Ajax seinen wohlverdienten Ruhm so schmählich dem Gewalthaber zu Füßen zu legen vermag. Heimkehren soll ich? Ha, ich schwöre bei Athene, beim Vater Zeus und Apollo, daß ich eher in der Fremde verhungern, als meinen Fuß zur Heimath lenken will, so lange der Pisistratide mein Vaterland knechtet. Frei bin ich, wie der Adler in den Wolken, nachdem ich den Dienst des Amasis verlassen; aber ich möchte lieber der hungrige Sklave eines Bauern in fremdem Lande werden, als in der Heimath der erste Diener des Pisistratus sein. Uns, dem Adel, uns gebührt die Herrschaft in Athen; Cimon aber hat, indem er seinen Kranz dem Pisistratus zu Füßen legte, das Scepter des Tyrannen geküßt und sich selbst den Stempel des Knechtes aufgedrückt. Mich, den Phanes, das werde ich Cimon selber zurufen, kann die Gnade des Gewalthabers wenig kümmern; ja ich will ein Verbannter bleiben, bis daß mein Vaterland befreit ist, und Adel und Volk von Neuem sich selbst regieren, sich selbst ihre Gesetze vorschreiben! Phanes huldigt dem Bedrücker nicht, wenn sich auch tausend Cimon und die Alkmaeoniden bis auf den letzten Mann, ja wenn sich auch Dein Geschlecht, Kallias, die reichen Daduchen(Anm. 69) Kallias wird ein Daduche (»δαδου̃χος«) genannt, weil in seiner Familie das Recht, Fackeln bei den eleusinischen Mysterien zu tragen, erblich war. Xenoph. Hell. VI. 3. 2., dem Pisistratus zu Füßen werfen sollte!«

Mit flammenden Blicken überschaute der Athener die Versammlung; aber auch der alte Kallias musterte stolz und selbstbewußt den Kreis der Gäste. Es war, als wollte er einem Jeden zurufen. »Seht, ihr Freunde, solche Männer erzeugt meine ruhmreiche Heimath!«

Dann faßte er von Neuem die Hand des Phanes und sprach:

»Wie Dir, mein Freund, so ist auch mir der Gewalthaber verhaßt; doch ich vermag mich der Ueberzeugung nicht zu verschließen, daß die Tyrannis, so lange Pisistratus am Leben bleibt, kaum gestürzt werden kann. Seine Bundesgenossen Lygdamis von Naxos und Polykrates von Samos sind mächtig; gefährlicher aber als diese ist für unsere Freiheit die Mäßigung und Klugheit des Pisistratus selbst. Mit Schrecken hab' ich bei meinem jetzigen Aufenthalt in Hellas gesehen, daß die Volksmasse von Athen den Bedrücker gleich einem Vater liebt. Trotz seiner Macht läßt er dem Gesammtwesen die Verfassung des Solon. Er schmückt die Stadt mit den herrlichsten Werken. Der neue Tempel des Zeus, welcher von Kallaeschrus, Antistates und Porinus, die Du kennen mußt, Theodorus, aus herrlichem Marmor aufgerichtet wird, soll alle bisherigen Bauten der Hellenen übertreffen(Anm. 70) Vitruv. 7. praef. 15. Pausan. I. 18. Dicaearch. fragm. ed. Müller 59. Es soll nur durch den Artemistempel von Ephesus übertroffen worden sein.. Er weiß Künstler und Dichter jeder Art nach Athen zu locken, er läßt die Gesänge des Homer niederschreiben und die Sprüche des Musaeus von Onomacritus aufzeichnen und sammeln. Er legt neue Straßen an und richtet neue Feste ein; der Handel blüht unter seinem Scepter und der Wohlstand des Volkes scheint trotz der Steuern, die ihm auferlegt werden, zu wachsen, statt sich zu vermindern. Aber was ist das Volk? Ein gemeiner Haufe, der, wie die Mücken, allem Glänzenden entgegenfliegt, und wenn es sich auch die Flügel an ihm verbrennt, die Kerze dennoch umflattert, so lange sie brennt. Laß die Fackel des Pisistratus verlöschen, Phanes, und ich schwöre Dir, daß die veränderungssüchtige Menge dem heimkehrenden Adel, dem neuen Lichte, nicht weniger beflissen entgegenfliegen wird, wie jüngst dem Tyrannen. – Gib mir noch einmal Deine Hand, Du echter Sohn des Ajax; euch aber, ihr Freunde, bin ich manche Neuigkeit schuldig.

»Im Wagenrennen siegte also Cimon, der dem Pisistratus seinen Oelzweig schenkte. Niemals sah ich vier schönere Rosse als die seinigen. Auch Arkesilaus von Cyrene, Kleosthenes von Epidamnus(Anm. 71) Dieser siegte drei Olympiaden später mit seinen vier Hengsten Phönix, Korax, Samos und Knakias, denen er Denkmäler errichten ließ. Pausanias VI. 14., Aster von Sybaris, Hekataeus von Milet und viele Andere hatten köstliche Gespanne nach Olympia gesandt. Ueberhaupt waren die diesmaligen Spiele mehr als glänzend. Ganz Hellas hatte Boten geschickt. Rhoda, die Ardeaten-Stadt im fernen IberienIberien (Spanien). Rhoda im heutigen Catalonien. Tartessus in Andalusien., das reiche Tartessus, Sinope im entlegenen Osten am Gestade des Pontus, kurz jeder Stamm, welcher sich hellenischer Herkunft rühmt, war reichlich vertreten. Die Sybariten sandten Festboten von wahrhaft blendendem Glanze, die Spartaner schlichte Männer von der Schönheit des Achilles und dem Wuchse des Herkules; die Athener zeichneten sich durch geschmeidige Glieder und anmuthige Bewegungen aus, die Krotoniaten wurden von Milo(Anm. 72) Von diesem stärksten aller Hellenen werden unglaubliche Kraftstücke erzählt. Er siegte siebenmal zu Olympia, neunmal zu Nemea, sechsmal bei den Pythien (Delphi), zehnmal auf dem Isthmus. Diod. XII. 9. Daß er schon in der 62. Olympiade den Kranz errang, wissen wir bestimmt. Krause, Olympia S. 327. Darum kann er noch eher in der 63., d. i. 528 v. Chr., gekämpft haben., dem stärksten Manne menschlicher Herkunft, geführt, die samischen und milesischen Festgenossen wetteiferten an Pracht und äußerem Schimmer mit den Korinthern und Mytilenaeern, die ganze Blüthe der hellenischen Jugend war versammelt, und in den Zuschauerräumen saßen neben Männern jeden Alters, jeden Standes und Volkes, viele holde Jungfrauen, welche namentlich von Sparta nach Olympia gekommen waren, um durch ihren Zuruf die Spiele der Männer zu verschönern(Anm. 73) Meyer, Olympische Spiele. Schömann, Privatalterthümer u. a. v. a. O. Verheirathete Frauen durften sich bei Todesstrafe nicht zu den Zuschauern gesellen.. Jenseits des Alphäus war der Markt erbaut. Dort konntet ihr Handelsleute aus allen Ländern der Welt erblicken. Hellenen, Karchedonier, Lyder, Phryger und feilschende Phönizier von Palästina schlossen große Geschäfte ab, oder hielten in Buden und Zelten ihre Waaren feil. Was soll ich euch das drängende Gewoge der Menge, die schallenden Chöre, die dampfenden Festhekatomben, die bunten Trachten, die kostbaren Wagen und Rosse, das Zusammenklingen der verschiedenen Dialekte, die Jubelrufe alter Freunde, welche sich hier nach jahrelanger Trennung wiederfanden, den Glanz der Festgesandten, das Gewimmel der Zuschauer und Kaufleute, die Spannung auf den Verlauf der Spiele, den herrlichen Anblick der überfüllten Zuschauerräume, den endlosen Jubel, sobald ein Sieg entschieden war, die feierliche Belehnung mit dem Zweige, den ein Knabe von Elis, dessen beide Eltern noch leben mußten, mit dem goldenen Messer von jenem heiligen Oelbaum in der Altis(Anm. 74) Altis hieß der heilige Platanen- und Oelbaumhain, welcher, von einer Mauer abgeschlossen, zwischen dem Alpheusfluß und dem Bache Kladeus lag. Pindar Olymp. VIII. Jüngst ist es auf Anregung von E. Curtius deutschen Gelehrten gelungen, auf Kosten ihrer Regierung die Fundamente des Tempels von Olympia frei zu legen und interessante Bildwerke auf seinen Giebelfeldern zu finden. schnitt, den Herkules selbst vor vielen Jahrhunderten gepflanzt hat; – was soll ich euch endlich das nicht aufhörende Jubelgeschrei, welches wie brüllender Donner durch das Stadium brauste, beschreiben, als Milo, der Krotoniat, erschien, und seine von Dameas gegossene Bildsäule von Erz auf den eigenen Schultern, ohne daß ihm die Knie wankten, durch das Stadium(Anm. 75) Der Schauplatz der Kämpfe. in die Altis trug(Anm. 76) Pausanias VI. 14. Euseb. Chron. 6. Ol. 72. Epigramm des Somonides fragm. 179. Bergk. Hartung 222.

»Dieses ist Milon's Bildniß, so schön wie er selber: in Pisa
Hat er gesiegt sechsmal (?) ohne zu fallen auf's Knie.«

!? Einen Giganten hätte die Wucht des Metalls zu Boden gedrückt; Milo aber trug sie, wie eine lacedaemonische Kinderfrau ein Knäblein trägt(Anm. 77) Die spartanischen Kinderfrauen waren in ganz Griechenland berühmt und gesucht..

»Die schönsten Kränze, nach denen des Cimon, wurden einem spartanischen Brüderpaare zu Theil, dem Lysander und Maro, den Söhnen eines verbannten Edlen, mit Namen Aristomachus. Maro siegte im Wettlauf; Lysander aber stellte sich, unter dem Jubel aller Anwesenden, Milo, dem unwiderstehlichen Sieger von Pisa, den Pythien und dem Isthmus, zum Ringkampfe entgegen(Anm. 78) Die Gruppen der Kämpfer wurden durch das Loos bestimmt, nachdem ihre freie Geburt und Unbescholtenheit festgestellt worden war.. Milo war größer und stärker als der Spartaner, dessen Körperbau dem Wuchse des Apollo glich, und dessen große Jugend andeutete, daß er kaum dem PaedanomosVorsteher des spartanischen Erziehungswesens. Xenoph. respubl. Lacedaemon. entwachsen war.

»In ihrer nackten Schönheit, vom goldnen Salböle glänzend, standen sich der Jüngling und der Mann gegenüber, einem Panther und einem Löwen gleichend, die sich zum Kampfe bereiten. Der junge Lysander hob seine Hände vor dem ersten Anlaufe beschwörend zu den Göttern empor und rief: ›Für meinen Vater, meine Ehre und Spartaner-Ruhm!‹ Der Krotoniat aber lächelte überlegen auf den Jüngling herab, wie ein Feinschmecker lächelt, ehe er sich an die Arbeit begibt, die Schale einer Languste(Anm. 79) Langusten sind die wohlschmeckenden scheerenlosen Hummer, die an den Küsten des Mittelmeers, des rothen Meeres, ja schon an den atlantischen Gestaden Frankreichs vorkommen. zu öffnen.

»Jetzt begann das Ringen. Lange konnte keiner von Beiden den Andern greifen. Wuchtig, fast unwiderstehlich faßte der Krotoniat nach seinem Gegner, der sich, wie eine Schlange, den furchtbaren Griffen der Zangenhände des Athleten entwand. – Lange währte das Ringen nach dem Griffe, dem die ganze ungeheure Versammlung stumm und athemlos zuschaute. Man hörte nichts als das Stöhnen der Kämpfer und den Gesang der Vögel in dem Haine der Altis. Endlich, – endlich war es dem Jünglinge gelungen, mit dem schönsten Griffe, den ich je gesehen, sich an seinen Gegner zu klammern. Lange strengte Milo vergebens seine Kräfte an, um sich den festen Armen des Jünglings zu entziehen. Der Schweiß ihrer Riesenarbeit netzte reichlich den Sand des Stadiums.

»Immer höher wuchs die Spannung der Zuschauer, immer tiefer ward das Schweigen, immer seltener wurden die ermunternden Zurufe, immer lauter ließ sich das Stöhnen der beiden Kämpfenden vernehmen. Endlich sanken dem Jüngling die Kräfte. Tausend ermunternde Stimmen riefen ihm zu, noch einmal raffte er sich mit übermenschlicher Anstrengung zusammen, noch einmal versuchte er den Krotoniaten zu werfen; dieser aber hatte die augenblickliche Abspannung seines Gegners wahrgenommen, und preßte ihn in unwiderstehlicher Umarmung an sich. Da entquoll ein schwarzer, voller Blutstrom den schönen Lippen des Jünglings, der leblos aus den ermatteten Armen des Riesen zu Boden sank. Democedes(Anm. 80) Dieser berühmte Arzt stammte aus Kroton in Unteritalien und wurde in der Mitte des sechsten Jahrhunderts v. Chr. geboren. Wegen harter Behandlung seines Vaters soll er die Heimath verlassen und erst den Pisistratiden für 2500, dann dem Polykrates für mehr als 4000 Thaler Jahrgehalt als Leibarzt gedient haben. Später wurde er mit Gewalt an den persischen Hof gezogen, bewährte auch dort seine Geschicklichkeit und entkam durch List. 510 traf er wieder in Kroton ein und vermählte sich dort mit der Tochter des berühmten Athleten Milo., der berühmteste Arzt unserer Zeit, ihr Samier müßt ihn vom Hofe des Polykrates kennen, eilte herbei; aber keine Kunst konnte dem Glücklichen helfen, denn er war todt.

»Milo mußte sich des Kranzes begeben und der Ruhm dieses Jünglings wird durch ganz Hellas fortklingen. Wahrlich, ich möchte selber lieber todt sein gleich Lysander, dem Sohne des Aristomachus, als leben wie Kallias, der in der Fremde thatenlos altert. – Ganz Griechenland, durch seine Besten vertreten, geleitete den schönen Leichnam des Jünglings zum Scheiterhaufen und seine Bildsäule soll in der Altis, neben denen des Milo von Kroton und Praxidamas von Aegina(Anm. 82) Siegte in der 59. Olympiade im Faustkampfe., aufgestellt werden. Endlich verkündeten die Herolde den Spruch der Kampfrichter: ›Sparta soll für den Verstorbenen einen Siegerkranz erhalten, denn nicht Milo, sondern der Tod, habe den edlen Lysander bezwungen; wer aber aus zweistündigem Kampfe mit dem stärksten aller Griechen unbesiegt hervorgehe, der habe den Oelzweig wohl verdient‹(Anm. 81) Nach den Kampfgesetzen hatte Derjenige, dessen Gegner starb, keinen Anspruch auf den Preis des Sieges.

Kallias schwieg einen Augenblick. Der lebhafte Mann hatte während der Schilderung dieser dem hellenischen Herzen theuersten Ereignisse der Anwesenden nicht geachtet, und in's Blaue starrend, die Bilder der Kämpfenden vor seinen Augen vorüberziehen lassen. Jetzt schaute er um sich und gewahrte staunend, daß der graue Mann mit dem Stelzfuße, den er, ohne ihn zu kennen, schon bemerkt hatte, sein Angesicht in den Händen verbarg und heiße Thränen weinte. Zu seiner Rechten stand Rhodopis, zu seiner Linken Phanes und alle Anwesenden schauten auf den Spartaner, als sei dieser der Held der Erzählung des Kallias gewesen. Der kluge Athener merkte sofort, daß der Greis in nächster Beziehung zu irgend einem der olympischen Sieger stehe; als er aber hörte, daß Aristomachus der Vater jenes ruhmgekrönten spartanischen Brüderpaares sei, dessen schöne Gestalten noch immer wie Erscheinungen aus der Götterwelt vor seinen Blicken schwebten, da sah auch er mit neidischer Bewunderung auf den schluchzenden Alten und eine Thräne füllte sein kluges Auge, ohne daß er ihr zu wehren versuchte. In jenen Zeiten weinten die Männer, wann sie eben von dem Balsam der Zähren Erleichterung hofften. Im Zorne, bei hoher Wonne, bei jedem Seelenschmerze sehen wir die starken Helden weinen, wogegen sich der spartanische Knabe am Altare der Artemis Orthia, ohne einen Klagelaut von sich zu geben, wund, ja manchmal zu Tode peitschen ließ, um des Lobes der Männer theilhaftig zu werden.

Eine Zeitlang blieben alle Gäste stumm, die Rührung des Greises ehrend. Endlich unterbrach Jesua, der Israelit, das Schweigen und sagte in gebrochenem Griechisch:

»Weine Dich recht aus, spartanischer Mann! Ich weiß, was es heißt, einen Sohn zu verlieren. Habe ich doch vor elf Jahren einen schönen Knaben in die Grube senken müssen in fremdem Lande, an den Wassern Babels, wo mein Volk in Gefangenschaft schmachtete. Hätte das schöne Kind nur noch ein einziges Jährchen gelebt, so würde es in der Heimath gestorben sein, und wir hätten es bestatten können in der Grube seiner Väter. Aber Cyrus der Perser, Jehovah segne seine Nachkommen, hat uns zu spät befreit um ein Jahr, und ich beweine das Kind meines Herzens doppelt, weil sein Grab gegraben ward im Lande der Feinde Israels. Gibt es etwas Grausameres, als zu sehen, wie unsere Kinder, der reichste Schatz, den wir haben, vor uns in die Grube fahren? Und, Jehovah sei mir gnädig, solch' treffliches Kind, wie Dein Sohn gewesen, zu verlieren, wenn es eben geworden ist zum ruhmreichen Manne, das muß der größte Schmerz sein aller Schmerzen!«

Der Spartaner entfernte die Hände von dem strengen Angesichte und erwiederte unter Thränen lächelnd: »Du irrst, Phönizier; ich weine vor Freude, nicht vor Schmerz, und gern hätt' ich auch meinen zweiten Sohn verloren, wenn er gestorben wäre, wie mein Lysander.«

Der Israelit, entsetzt über diesen Ausspruch, der ihm frevelhaft und unnatürlich erschien, schüttelte nur mißbilligend den Kopf; die anwesenden Hellenen aber überschütteten den vielbeneideten Greis mit Glückwünschen. Aristomachus schien vor hoher Wonne um viele Jahre jünger geworden zu sein, und rief Rhodopis zu. »Wahrlich, Freundin; Dein Haus ist für mich ein gesegnetes, denn seitdem ich es betreten, ist dies die zweite Göttergabe, welche mir in ihm zu Theil wird!« »Und welches war die erste?« fragte die Greisin. »Ein günstiges Orakel.« »Du vergißt die dritte!« rief Phanes, »am heutigen Tage haben die Götter Dich auch Rhodopis kennen gelehrt. Aber was war es mit dem Orakel?« »Darf ich's den Freunden mittheilen?« fragte der Delphier.

Aristomachus nickte bejahend, und Phryxus las zum zweitenmale die Antwort der Pythia:

»Wenn einst die reisige Schaar von schneeigen Bergen herabsteigt
Zu den Gefilden des Stroms, welcher die Ebene benetzt,
Führt Dich der zaudernde Kahn herab zu jenem Gefilde,
Welches dem irrenden Fuß heimischen Frieden gewährt.
Wenn einst die reisige Schaar von schneeigen Bergen herabsteigt,
Schenkt Dir die richtende Fünf, was sie Dir lange versagt!«

Kaum hatte Phryxus das letzte Wort gelesen, als Kallias der Athener in anmuthiger Bewegung aufsprang und ausrief: »Die vierte Gabe, das vierte Göttergeschenk sollst Du jetzo von mir in diesem Hause empfangen; wisse denn, daß ich meine seltsamste Neuigkeit bis zuletzt aufgehoben habe: Die Perser kommen nach Aegypten!«

Keiner der Gäste, außer dem Sybariten, blieb an seinem Platze, und Kallias konnte sich der vielen Fragen kaum erwehren. »Gemach, gemach, ihr Freunde,« rief er endlich; »laßt mich hintereinander erzählen, sonst werde ich niemals fertig! Eine große Gesandtschaft des Kambyses, jetzigen Großkönigs des allgewaltigen Persien, kein Kriegsheer, wie Du Phanes vermuthest, ist auf dem Wege hierher. Zu Samos erhielt ich die Nachricht, daß sie schon in Milet angekommen sind. In wenigen Tagen müssen sie hier eintreffen. Verwandte des Königs, ja auch der alte Krösus von Lydien sind unter ihnen; – wir werden seltsame Pracht zu sehen bekommen! Den Zweck ihrer Sendung kennt Niemand, doch ward vermuthet, der König Kambyses werde Amasis ein Bündniß antragen lassen; ja man wollte wissen, der Großkönig sei Willens, sich um die Tochter des Pharao zu bewerben.«

»Ein Bündniß?« fragte Phanes mit ungläubigem Achselzucken, »die Perser beherrschen jetzt schon die halbe Welt. Alle Großmächte in Asien haben sich ihrem Scepter unterworfen; nur Aegypten und das hellenische Mutterland blieben von dem Eroberer verschont.«

»Du vergißt das goldreiche Indien und die großen asiatischen Wandervölker,« entgegnete Kallias. »Du vergaßest ferner, daß ein so zusammengewürfeltes, aus siebenzig Völkerschaften verschiedener Zungen und Sitten bestehendes Reich fort und fort den Keim des Krieges in sich trägt, und sich vor auswärtigen Kämpfen vorzusehen hat, damit nicht, wenn die Hauptmasse des Heeres abwesend ist, einzelne Provinzen die erwünschte Gelegenheit zum Abfall ergreifen. Frage die Milesier, ob sie ruhig bleiben würden, wenn sie vernehmen sollten, die Macht ihrer Bedrücker habe in irgend einer Schlacht den Kürzeren gezogen?«

Theopompus, der Handelsherr von Milet, rief, den Redenden lebhaft unterbrechend: »Wenn die Perser in einem Kriege unterliegen, so haben sie hundert andere auf dem Halse, und meine Heimath wird sich nicht zuletzt gegen den geschwächten Zwingherrn erheben!«

»Mögen die Gesandten vorhaben was sie wollen,« fuhr Kallias fort, »ich bestehe auf meiner Nachricht, daß sie spätestens in drei Tagen hier sein werden.«

»Und somit wäre Dein Orakel erfüllt, glückseliger Aristomachus!« rief Rhodopis, »die reisige Schaar von den Bergen kann Niemand sein als die Perser. Wenn diese zu den Gestaden des Nils heranziehen, so soll sich der Sinn der richtenden Fünf, eurer Ephoren(Anm. 83) Die fünf Ephoren von Sparta waren eingesetzt worden, um die abwesenden Könige während des messenischen Kriegs zu vertreten. Später bediente sich der Adel des Ephorats, um der königlichen eine aus seiner Mitte hervorgehende Macht entgegenzustellen. Als höchste richterliche, pädagogische und sittenpolizeiliche Behörde wußten sie sich bald bei den meisten Angelegenheiten selbst über das Königthum zu stellen. Jeder Adelige, welcher über 30 Jahre alt war, hatte das Recht, sich alljährlich um das Ephorat zu bewerben. Aristot. polit. II. u. IV. Laërt. Diog. I. 68., ändern, und man wird Dich, den Vater zweier olympischer Sieger, in die Heimath zurückberufen. – Fülle die Becher von Neuem, Knakias! Laßt uns diesen letzten Pokal den Manen des ruhmreichen Lysander spenden; dann aber mahn' ich euch, wenn auch ungern, an den nahenden Morgen. Soll doch der Wirth, der seine Gäste liebt, die Tafel aufheben, wenn die Wogen der Freude am höchsten fluthen. Die angenehme, ungetrübte Erinnerung wird euch bald in dieses Haus zurückführen, während ihr es unlieber besuchen würdet, wenn ihr an Stunden der Abspannung gedenken müßtet, welche der Freude folgten.« Alle Gäste stimmten Rhodopis bei und Ibykus nannte sie eine echte Schülerin des Pythagoras, die festlich-freudige Erregung des Abends lobend.

Jeder bereitete sich zum Aufbruche. Auch der Sybarit, welcher um seine Rührung, die ihm höchst unbequem war, zu übertäuben, übermäßig viel getrunken hatte, erhob sich, von seinen herbeigerufenen Sklaven(Anm. 84) Die Griechen pflegten sich von ihren Sklaven zu Gastereien begleiten zu lassen. Alcibiades brachte z. B., nach Plato, Diener mit, als er das Symposion des Agathon besuchte. unterstützt, aus seiner bequemen Stellung, indem er von einem Bruche des Gastrechts faselte.

Als ihm Rhodopis beim Abschiede die Hand reichen wollte, rief er, vom Geiste des Weines übermannt: »Beim Herkules, Rhodopis, Du wirfst uns zum Hause hinaus, als wären wir lästige Gläubiger. Ich bin nicht gewohnt, so lange ich noch stehen kann, von einem Gastmahle zu weichen; noch weniger aber, mir gleich einem Parasiten die Thür weisen zu lassen!«

»Begreife doch, Du unmäßiger Zecher,« wollte Rhodopis lächelnd sich zu entschuldigen versuchen; Philoinus aber, den in seiner Weinlaune diese Entgegnung der Greisin verdroß, lachte spöttisch auf, und rief, der Thür entgegentaumelnd. »Unmäßiger Zecher nennst Du mich? Wohl! und ich heiße Dich eine unverschämte Sklavin! Beim Dionysus, man merkt Dir immer noch an, was Du in Deiner Jugend gewesen! Lebe wohl, Sklavin des Iadmon und Xanthus, Freigelassene des Charaxus! . . .« Er hatte nicht ausgesprochen, als sich der Spartaner plötzlich auf ihn warf, ihm einen gewaltigen Faustschlag versetzte und den Bewußtlosen wie ein Kind in den Nachen trug, welcher mit seinen Sklaven an der Pforte des Gartens wartete.


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