Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

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Achtes Kapitel.

Ueber die der Nekropole von Theben gegenüber liegende Stadt der Lebendigen war der Mond aufgegangen.

In den sich eine Stunde weit am Nilufer hinziehenden, durch Sphinxreihen und Pylonen verbundenen Tempelanlagen waren die Abendlieder verklungen, aber in den Straßen der Stadt schien jetzt das Leben erst recht zu erwachen.

Die der Hitze des Sommertages folgende Kühlung lockte die Bürger in's Freie, vor die Thüren und auf die Dächer und Thürme ihrer Häuser, oder an die Schenktische, neben denen man bei Bier, Wein und süßen Fruchtsäften den Geschichten der Märchenerzähler lauschte.

Viele einfachere Leute hockten in kreisförmigen Gruppen am Boden und stimmten in die Schlußsätze des Liedes ein, welches ein bescheidener Sänger zum Klange einer Handtrommel und Flöte vortrug.

Im Süden der Tempel des Amon lag der Königspalast und in seiner Nähe erhoben sich in mehr oder weniger ausgedehnten Gärten die Häuser der Großen des Reichs, unter denen sich eines durch Pracht und Umfang vor allen anderen auszeichnete.

Paaker, der Wegeführer des Königs, hatte es nach dem Tode seines Vaters, in der Hoffnung, seine Base Nefert bald in dasselbe als seine Ehefrau einführen zu können, an der Stelle des schlichteren Hauses seiner Ahnen von einem der geschicktesten Baukünstler errichten lassen.

Wenige Schritte weiter nach Osten hin lag ein anderes, immerhin stattliches, aber älteres und weniger glänzendes Hans, welches der Rosselenker des Königs, Mena, von seinem Vater ererbt hatte und in dem seine Gemahlin Nefert mit ihrer Mutter Katuti wohnte, während er selbst im fernen Syrerlande das Zelt des Königs, als dessen Leibwächter, theilte.

Vor den Thoren beider Häuser standen Fackeln tragende Diener, welche auf die längst erwartete Heimkehr ihrer Gebieter harrten.

Das Thor, welches in das rings von einer Mauer umgebene Grundstück Paaker's Einlaß gewährte, war unverhältnismäßig, fast prahlerisch hoch und mit bunten Malereien bedeckt. Zu seiner Linken und Rechten erhoben sich als Fahnen tragende Maste zwei Cederstämme. Er hatte sie zu diesem Zwecke am Libanon fällen und zu Schiff nach Pelusium an der Nordostgrenze Aegyptens befördern lassen. Von dort aus waren sie auf dem Nil nach Theben geschafft worden.

DurchschrittDas Erbe des Mohar haben wir nach den schönen Bildern der Gärten und Häuser von ägyptischen Großen in den Grüften von Tel el Amarna (abgebildet in Lepsius' Denkmälern aus Aegypten und Aethiopien. Abth. III.) beschrieben. Einen Garten zu besitzen galt als besonderes Glück. Im von Mariette publizirten Papyrus IV. aus Bulaq will der Autor zeigen, daß jeder irdische Besitz zum Ueberdruß führe, und wählt als Beispiel das Haus mit dem Garten: »Du hast Dir,« sagt er, »ein bewässertes Landstück angelegt. Du hast Dein Gartenland mit Hecken umgeben, Sykomoren hast Du in Rondelen gepflanzt, wohl sie ordnend auf dem ganzen Gebiete bei Deinem Hause. Du füllst Deine Hand mit allen Blumen, welche Dein Auge erschaut, dennoch geschieht es, daß man ihrer überdrüssig wird am letzten Ende.« man die Eingangspforte, so kam man in einen weiten gepflasterten Hof, an dessen Seiten sich nur nach hinten zu geschlossene Gänge, deren Dächer von dünnen Holzsäulen getragen wurden, hinstreckten. Hier standen die Rosse und Wagen des Wegeführers, hier wohnten seine Sklaven und wurden die für den Monatsbedarf nothwendigen Vorräthe an Feldfrüchten aufbewahrt.

In der Hinterwand dieses Wirthschaftshofes befand sich ein Thor von mäßiger Höhe, das in einen weiten Garten mit wohlgepflegten Baumreihen und Weinspalieren, Sträuchergruppen, Blumen und Gemüsebeeten führte. Palmen, Sykomoren und Akazienbäume, Feigen, Granaten und Jasminsträucher gediehen hier besonders üppig, denn Paaker's Mutter Setchem leitete die Arbeiten der Gärtner und in dem großen Teich inmitten der Anlage fehlte es niemals an Wasser zum Begießen der Beete und Baumwurzeln, wurde er doch von zwei Kanälen gespeist, in welche von Ochsen gedrehte Schöpfräder Tag und Nacht Wasser aus dem Nilstrome gossen.

An der rechten Seite dieser Anlagen erhob sich das einstöckige, aber unabsehbar lange Wohngebäude, das aus einer einzigen Reihe von Zimmern und Kammern bestand. Fast jeder Raum besaß seine eigene Thür, die in eine von bunten Holzsäulen getragene Veranda mündete, welche sich entlang der ganzen Gartenseite des Hauses hinzog.

An dieses Gebäude schloß sich im rechten Winkel eine Reihe von Vorrathsräumen, in denen die in dem Garten gewonnenen Früchte und das Gemüse, die Weinkrüge und der Besitz des Hauses an gewebten Stoffen, Fellen, Leder und anderen Gegenständen aufbewahrt wurden.

In einem Gemache von festem Quadergemäuer lag, wohl verschlossen, das von Paaker's Vätern und ihm selbst erbeutete reiche Gut in Gestalt von goldenen und silbernen Ringen, Thierfiguren und Gefäßen. Auch an Kupferbarren und edlen Steinen, besonders an Lapis lazuli und Malachitstücken, fehlte es nicht.

Inmitten des Gartens erhob sich ein reich geschmückter Kiosk und eine Kapelle mit Götterbildern, in deren Hintergrund die Statuen der Ahnen Paaker's in Gestalt des in Mumienbinden gewickelten OsirisDer gerechtfertigte Verstorbene wird nach dem Tode Osiris, d. h. er gelangt zum völligen Einssein (Henosis) mit der Gottheit. Die Osiris-Mythe findet sich in all' ihren Theilen in der literarischen Hinterlassenschaft der Aegypter wieder. Vollständig erzählt sie Plutarch. Der Inhalt ist mit Uebergehung des Nebensächlichen folgender: Isis und Osiris beherrschen beglückt und beglückend das Nilthal. Typhon (Seth) verführt Osiris, sich in eine Lade zu legen, verschließt diese mit seinen 70 Genossen und setzt sie auf den Nil, der sie nach Norden in's Meer führt. Am Ufer von Byblos landet sie. Isis sucht sie klagend, findet sie und bringt sie nach Aegypten zurück. Während sie ihren Sohn Horus aufsucht, findet Typhon die Leiche, zerschneidet sie in 14 Theile und streut sie im Lande umher. Indessen ist Horus herangewachsen, bekämpft und besiegt Typhon, ohne ihn zu tödten, und gibt seiner Mutter den Gatten, seinem Vater, der während seines scheinbaren Todes in der Unterwelt fortgeherrscht hatte, seinen Erdenthron zurück. – Diese sinnreiche Mythe personifizirt nicht nur den Kreislauf des vegetativen Lebens, sondern auch die Bahn der Sonne und das Schicksal der Menschenseele. Die Zeugungskraft der Natur und die Fülle des Nils wird von der Dürre, das Licht der Sonne von der Finsternis, der Mensch durch den Tod, das Prinzip des Guten von dem des Bösen, die Wahrheit von der Lüge scheinbar vernichtet, während sie alle im Frühling (der Zeit der Nilschwelle) am Morgen, im Jenseits und am Tage der Vergeltung triumphiren, wie Osiris durch Horus den Sieg über Typhon davongetragen hatte. standen. Nur durch die porträtähnlich gehaltenen Gesichter unterschied sich die eine dieser Bildsäulen von der andern.

Die linke Seite des Wirthschaftshofes war von Finsterniß verschleiert, doch gestattete das Mondlicht, viele nur mit einer Schürze bekleidete dunkle Gestalten, die Sklaven des Wegeführers, zu erkennen, die zu fünfen und sechsen am Boden kauerten oder auf dünnen Matten von Palmenbast, ihren harten Betten, nebeneinander lagen.

Unweit des Thores an der rechten Seite des Hofes brannten einige Lampen und beleuchteten eine Gruppe von braunen Männern, die Hausbeamten Paaker's, welche kurze, hemdenartige weiße Röcke trugen und auf einem Teppich hockend einen kaum zwei Fuß hohen Tisch im Kreise umgaben. Sie verzehrten ihre Abendmahlzeit, eine gebratene Antilope und große flache Brodkuchen.. Einige Sklaven warteten ihnen auf und füllten ihre irdenen Becher mit gelblichem Biere.

Der Haushofmeister zerlegte den großen Braten auf dem Tische, reichte dem Aufseher des Gartens ein Stück von der Antilopenkeule und sagte:Griechen und Römer berichten, die Aegypter wären der Satire und dem beißenden Witze so geneigt gewesen, daß sie Habe und Leben auf's Spiel setzten, wenn es ihre spöttische Neigung zu befriedigen galt. Die anstößigen Bilder im sogenannten Kiosk von Medinet Habu, die Karrikaturen auf einem unbeschreibbaren Turiner Papyrus &c. bestätigen diese Nachrichten. Merkwürdig ist eine Stelle bei Flavius Vopiscus, der die Aegypter mit den Franzosen vergleicht, und welche wir hier mittheilen zu sollen meinen.

»Die Arme thun mir weh; das Sklavengesindel wird immer fauler und widerspenstiger.«

»Ich merk's an den Palmen,« sagte der Gärtner. »Ihr braucht so viele Stöcke, daß ihre Kronen schon so fadenscheinig werden, wie mausernde Vögel.«

»Wir sollten's wie der Herr machen,« sagte der Stallmeister, »und uns Stäbe von Ebenholz anschaffen; die halten hundert Jahre.«

»Jedenfalls länger als die Knochen der Leute,« lachte der oberste Rindshirt, der von dem Landgute des Wegeführers in die Stadt gekommen war, um Opfervieh, Butter und Käse abzuliefern. »Wenn wir's dem Herrn rechtschaffen nachthun wollten, so hätten wir bald nur noch Lahme und Krüppel im Dienerhause.«

»Da drüben liegt der Bursch, dem er gestern das Schlüsselbein zerschlagen,« sagte der Haushofmeister; »'s ist Schade um ihn, denn er war ein geschickter Mattenflechter. Der alte Herr schlug sanfter.«

»Du mußt es wissen!« rief ein dünnes Stimmchen, das sich spottend hinter den Schmausenden hören ließ.

Diese Letzteren schauten sich um und lachten, als sie den seltsamen Gast erkannten, der sich ihnen unbemerkt genähert hatte.

Der neue Ankömmling war ein verwachsenes Männchen in der Größe eines fünfjährigen Knaben, mit einem großen Kopfe und ältlichen, aber ungewöhnlich scharf geschnittenen Gesichtszügen.

Die meisten vornehmen Aegypter hielten sich als Spielwerk Hauszwerge und der kleine Wicht diente als solcher der Gattin des Mena. Man nannte ihn Nemu, d. i. der Zwerg, und fürchtete ihn zwar wegen seiner scharfen Zunge, sah ihn aber doch gern, denn er galt für sehr klug und war ein guter Erzähler.

»Gönnt mir ein Plätzchen, ihr Herren,« sagte der Kleine, »ich nehme nur wenig Raum ein und eurem Bier und Braten droht durch mich geringe Gefahr, denn mein Magen ist winzig wie ein Fliegenkopf.«

»Aber Deine Galle so groß wie ein Nilpferd,« rief der Mundkoch.

»Sie wächst,« lachte der Zwerg, »wenn sie ein Quirldreher und Löffelschwenker von Deiner Art aufrührt. So, da säß' ich.«

»Sei denn willkommen,« sagte der Haushofmeister. »Was bringst Du?«

»Mich selber.«

»Dann bringst Du nichts Großes!«

»Ich würde ja auch sonst nicht zu euch passen,« erwiederte der Zwerg. »Aber ernstlich! Meiner Herrin Mutter, die edle Katuti, und der Statthalter, der uns eben besucht, sandten mich aus, um zu fragen, ob Paaker noch nicht wieder zurück sei. Er begleitete die Prinzessin und Nefert in die Todtenstadt und die Frauen sind noch nicht heimgekehrt. Wir fangen an besorgt zu werden, denn es ist schon spät.«

Der Haushofmeister schaute zu dem gestirnten Himmel auf und sagte: »Der Mond steht schon ziemlich hoch und der Herr wollte vor Sonnenuntergang zu Hause sein.«

»Die Mahlzeit war fertig,« seufzte der Koch; »ich werde nochmals an die Arbeit zu gehen haben, wenn er nicht über Nacht ausbleibt.«

»Wie sollte er?« fragte der Haushofmeister. »Er begleitet ja die Prinzessin Bent-Anat.«

»Und meine Herrin,« fügte der Zwerg hinzu.

»Was die sich erzählen werden!« lachte der Gärtner. »Euer oberster Sänftenträger behauptete, sie hätten gestern auf dem Weg in die Todtenstadt kein Wort miteinander geredet.«

»Könnt Ihr's dem Herrn verargen, wenn er der Frau zürnt, die mit ihm verlobt war und einem Andern in die Ehe folgte? Wenn ich an die Stunde gedenke, in der er von Nefert's Treubruch erfuhr, wird mir heiß und kalt.«

»Sorge wenigstens dafür,« höhnte der Zwerg, »daß Dir im Winter heiß und im Sommer kalt wird.«

»Es ist noch nicht aller Tage Abend,« rief der Stallmeister. »Paaker vergißt keine Beleidigung, und wir werden's erleben, daß er Mena, wie hoch er auch steht, den Schimpf heimzahlt, den er ihm angethan hat.«

»Meine Herrin Katuti,« unterbrach Nemu den Stallmeister, »kassirt jetzt die Ausstände ihres Schwiegersohnes ein. Uebrigens wünscht sie schon längst die alte Freundschaft mit eurem Hause von Neuem anzuknüpfen und auch der Statthalter redet zum Frieden. Gib mir ein Stück Braten, Haushofmeister, mich hungert.«

»Der Beutel, in den Mena's Ausstände fließen,« lachte der Koch, »scheint mager zu sein!«

»Mager, mager! ungefähr wie Dein Witz,« erwiederte der Zwerg. »Gib mir noch ein Stück Braten, Haushofmeister, und Du, Sklave, reich' mir einen Trunk Bier.«

»Sagtest Du nicht eben, Dein Magen sei so klein wie ein Fliegenkopf?« rief der Koch, »und nun schlingst Du Fleisch wie die Krokodile im heiligen Teiche des Seelands.Das heutige Fajum, woselbst beim Tempel des Gottes Sebek zu Krokodilopolis ausgeputzte heilige Krokodile gepflegt und reichlich gefüttert wurden. Du mußt aus der verkehrten Welt stammen, in der die Menschen so klein sind wie die Fliegen und die Fliegen so groß wie die Riesen der Vorzeit.«

»Noch viel größer möchte ich sein!« schmunzelte der Zwerg, indem er unverdrossen weiter kaute, »etwa wie Deine Mißgunst, die mir nicht einmal das dritte Stück Fleisch gönnt, – das da, welches der Haushofmeister, den Zefa mit reichem Besitze segne, eben vom Rücken der Antilope schneidet.«

»Da nimm's, Du Vielfraß, aber löse Deinen Gürtel!« lachte der Haushofmeister. »Ich hatte das Stückchen für mich selbst aufgehoben und bewundere Deine feine Nase.«

»Ja, die Nasen,« sagte der Zwerg, »sie lehren den Kenner besser als ein Horoskop, was an einem Menschen ist.«

»Das wäre!« rief der Gärtner.

»Krame nur Deine Weisheit aus,« lachte der Haushofmeister, »denn wenn Du zu sprechen hast, wirst Du endlich mit dem Essen aufhören.«

»Das läßt sich vereinigen,« sagte der Zwerg. »So hört denn! Eine gebogene Nase, die ich mit dem Schnabel des Geiers vergleiche, wird sich niemals mit unterwürfigem Sinne zusammenfinden. Denkt an den Pharao und sein ganzes stolzes Geschlecht. Der Statthalter dagegen hat eine gerade, wohlgestaltete, mittelgroße Nase, wie die der Amonsbilder im Tempel, und so ist er denn auch geraden Sinnes und von göttlicher Güte. Er ist nicht hochfahrend und nicht unterwürfig, sondern gerade so wie es recht ist. Er hält es nicht mit den Größten und nicht mit den Kleinsten, sondern mit Leuten von unserem Schlage; der gäb' einen König für uns.«

»Einen Nasenkönig!« rief der Koch. »Ich ziehe den Adler Ramses vor. Aber was sagst Du von der Nase Deiner Herrin Nefert?«

»Die ist zart und fein und jeder Gedanke bewegt sie, wie ein Windhauch die Blumenblätter; ihr Herz aber ist gerade so beschaffen.«

»Und Paaker?« fragte der Stallmeister..

»Der hat eine kräftige, stumpfe Nase mit runden, weit geöffneten Nüstern. Wenn Seth Sand aufwirbelt und ein Stäublein fliegt hinein, dann kitzelt ihn das, er wird grimmig und so trägt Paaker's Nase und sie allein die Schuld an euren blauen Flecken. Seine Mutter Setchem, die Schwester meiner Herrin Katuti, hat eine kleine, rundliche, weiche . . .«

»Du Knirps!« rief den Redenden unterbrechend der Haushofmeister, »gefüttert haben wir Dich und Dich lästern lassen nach Herzenslust; rührt aber Deine spitze Zunge an unsere Hausfrau, dann nehme ich Dich am Gürtel und schleudere Dich an's Firmament, daß Dir die Sterne auf dem krummen Buckel kleben bleiben!«

Der Zwerg stand bei diesen Worten auf, trat zurück und sagte gelassen: »Ich würde mir die Sterne sorgfältig vom Rücken lesen und Dir den schönsten Planeten zum Dank für Dein saftiges Stück Braten schenken. Aber da kommen die Wagen! Lebt wohl, ihr Herren, und wenn ein Geierschnabel einen von euch ergreifen und mit in den Krieg nach Syrien schleppen sollte, dann denkt an die Rede des kleinen Nemu, der die Menschen kennt und die Nasen!«

Des Wegeführers Wagen rasselte durch die hohe Pforte seines Hauses in den Hof, die Hunde in ihrem Zwinger heulten freudig auf, der Stallmeister eilte Paaker entgegen und nahm die Zügel in Empfang, der Haushofmeister begleitete ihn und der Vorsteher der Köche stürzte in die Küche, um eine neue Mahlzeit für seinen Herrn zu bereiten.

Ehe Paaker zu der Gartenpforte gelangt war, ließ sich von den Pylonen des ungeheuren Amonstempels erst der weithin tönende Klang von kräftig geschlagenen Erzplatten, dann aber der vielstimmige Gesang eines feierlichen Hymnus vernehmen.

Der Mohar blieb stehen, schaute gen Himmel, rief seinen Dienern zu: »Der göttliche Sothisstern ist aufgegangen!« warf sich zu Boden und erhob betend seine Arme dem Gestirn entgegen.

Die Sklaven und Beamten folgten sogleich seinem Beispiel.

Kein Vorgang in der Natur blieb unberücksichtigt von den priesterlichen Leitern des ägyptischen Volkes. Jedes Phänomen auf Erden oder am gestirnten Himmel begrüßten sie als die Erscheinung einer Gottheit und sie umspannen das Leben der Bürger des Nilthals vom Morgen bis zum Abend, vom Eintritt der Ueberschwemmungszeit bis zu den Tagen der Dürre mit einem Netze von Gesängen und Opfern, von Prozessionen und Festen, welches das menschliche Individuum mit der Gottheit und ihren Vertretern unauflöslich fest verstrickte.

Mehrere Minuten lang lag der Herr mit seinen Dienern schweigend auf den Knieen, das Auge dem heiligen Gestirne zugewandt und den frommen Gesängen der Priester lauschend.

Als die letzteren verstummten, erhob sich Paaker. Alles um ihn her lag am Boden, nur bei den Sklavenwohnungen stand eine vom Mondlichte hell beleuchtete nackte Gestalt regungslos an einem Pfeiler.

Der Wegeführer winkte, die Diener erhoben sich; er aber ging mit heftigen Schritten auf den Verächter der von ihm mit Strenge gehandhabten Andachtsübung zu und rief: »Haushofmeister, hundert Schläge auf die Fußsohlen dem Gottesverächter.«

Der Angeredete verneigte sich und sagte: »Herr, der Arzt hat dem Mattenflechter befohlen, sich nicht zu regen und er kann den Arm nicht erheben. Er leidet große Schmerzen; Du hast ihm vorgestern das Schlüsselbein zerschlagen.«

»Ihm ist recht geschehen,« sagte Paaker, indem er seine Stimme so laut erhob, daß ihn der Verwundete hören mußte. Dann kehrte er ihm den Rücken und betrat den Garten. Hier rief er dem Kellermeister und sagte: »Gib heute den Sklaven Bier zum Nachttrunke; Allen, und reichlich!«

Wenige Minuten später stand er vor seiner Mutter, die er auf dem mit Blattpflanzen geschmückten Dach ihres Hauses fand, als sie eben ihre zweijährige Enkelin, das Kind ihres jüngeren Sohnes, in die Arme der Kinderfrau legte, damit sie es zur Ruhe bringe.

Paaker begrüßte die würdige Matrone ehrerbietig.

Sie war eine Frau von freundlich behäbigem Aussehen, deren Füße jetzt von mehreren kleinen Hunden umschmeichelt wurden.

Ihr Sohn wehrte den ihm entgegenspringenden Lieblingen der oft zu langer Einsamkeit verdammten Wittwe und wandte sich dann dem Kinde zu, um es aus den Armen der Wärterin auf die seinen zu nehmen.

Aber die Kleine sträubte sich mit so lautem und nicht zu beruhigendem Geschrei, daß sie Paaker auf die Erde setzte und unwillig ausrief: »Das ungezogene Ding!«

»Es war den ganzen Nachmittag lieb und artig,« sagte seine Mutter Setchem. »Sie sieht Dich so selten!«

»Mag sein,« erwiederte Paaker. »Doch ich kenne das; die Hunde mögen mich, aber kein Kind läßt sich von mir angreifen.«

»Du hast so harte Hände.«

»Bring' den Schreihals fort!« rief der Wegeführer der Wärterin zu. »Ich habe mit Dir zu reden, Mutter.«

Setchem beruhigte das Kind, gab ihm viele Küsse und schickte es zur Ruhe. Dann trat sie auf ihren Sohn zu, streichelte seine Wange und sagte: »Wäre die Kleine nur Dein eigen, so würde sie schon zu Dir kommen und Dich lehren, daß ein Kind der größte ist von allen Schätzen, welche die Götter uns Menschen anvertrauen!«

Paaker lächelte und sagte: »Ich weiß, worauf Du hinaus willst; aber laß das jetzt, denn ich möchte Dir etwas Wichtiges mittheilen.«

»Nun?« fragte Setchem.

»Ich habe heut zum ersten Male seit damals, Du weißt schon, mit Nefert gesprochen. Das Geschehene mag vergessen sein! Du sehnst Dich nach Deiner Schwester. Suche sie auf, ich habe nichts mehr dagegen.«

Setchem schaute ihren Sohn mit unverhohlenem Erstaunen an, ihre Augen, die sich leicht mit Thränen füllten, flossen über und zaudernd fragte sie: »Darf ich meinen Ohren trauen, Kind, hast Du . . .«

»Ich habe den Wunsch,« sagte Paaker fest, »daß Du die alte herzliche Verbindung mit Deinen Verwandten wieder anknüpfst; die Entfremdung hat lange genug gedauert.«

»Viel zu lange!« rief Setchem.

Der Wegeführer schaute schweigend zu Boden und folgte der Bitte seiner Mutter, sich neben ihr niederzulassen.

»Ich wußte es ja,« sagte sie, seine Hand ergreifend, »daß dieser Tag uns Freude bringen werde, denn mir hat von Deinem osirischen Vater geträumt, und als ich mich in den Tempel tragen ließ, begegnete mir zuerst eine weiße Kuh und dann ein Hochzeitszug. Der heilige Widder des Amon berührte auch den Weizenkuchen, den ich ihm darbot.«Dem Germanikus bedeutete es Tod, als der Apis aus seiner Hand zu fressen verschmähte.

»Das sind glückliche Vorzeichen,« sagte Paaker ernst und mit dem Tone der Ueberzeugung.

»Und laß uns eilen, das, was die Götter uns in Aussicht stellen, dankbar zu ergreifen,« rief Setchem freudig bewegt. »Ich gehe morgen zu meiner Schwester und sage ihr, daß wir wieder in alter Liebe bei einander wohnen und Gutes und Böses theilen wollen. Wir gehören ja demselben Geschlecht an und ich weiß, daß wie die Ordnung und Reinheit das Haus vor dem Verfalle bewahrt und den Gast erfreut, nur die Einigkeit das Glück der Familie und ihr Ansehen vor den Leuten aufrecht erhält. Was geschehen ist, ist geschehen und sei vergessen! Es gibt außer Nefert noch viele Frauen in Theben und hundert Große des Landes würden sich glücklich schätzen, Dich zum Schwiegersohn zu gewinnen.«

Paaker stand auf und begann nachdenklich den weiten Raum zu durchmessen, während Setchem weiter sprach.

»Ich weiß,« sagte sie, »daß ich eine Wunde in Deinem Herzen berührt habe, aber sie ist ja schon halb vernarbt und sie wird heilen, wenn Du glücklicher sein wirst, als der Rosselenker Mena, und ihn darum nicht mehr zu hassen brauchst. Nefert ist gut, aber zart und untüchtig und der Führung eines so großen Haushalts, wie der unsere, kaum gewachsen. Bald werden sie auch mich mit den Mumienbinden umwickeln, und wenn Dich dann die Pflicht nach Syrien ruft, so muß eine umsichtige Hausfrau an meiner Stelle walten. Das ist nichts Kleines. Dein Großvater Assa hat oftmals gesagt, das überall wohlgeordnete Haus sei ein Abbild der auf einen unbefleckten Namen haltenden, in weiser Eintheilung und sicherer Tüchtigkeit lebenden Familie, in der Jeder seinen bestimmten Platz einnimmt, seine begrenzte Pflicht zu üben und sein abgemessenes Recht zu verlangen hat. Wie oft habe ich zu den Hathoren gebetet, daß sie Dir eine Gattin nach meinem Herzen schenken möchten.«

»Eine Setchem werde ich nicht finden,« sagte Paaker, indem er die Stirn seiner Mutter küßte, »denn die Frauen von Deiner Art sterben aus.«

»Schmeichler,« lächelte Setchem, indem sie ihrem Sohne mit dem Finger drohte. »Aber wahr ist es! Was jetzt heranwächst, das prunkt und putzt sich mit Stoffen aus Kaft, das mischt seine Rede mit syrischen Worten und läßt dem Haushofmeister und der Schaffnerin freie Hand, wo man selbst gebieten sollte. Auch meine Schwester Katuti und Nefert . . .«

»Nefert ist anders als die übrigen Frauen,« unterbrach Paaker seine Mutter, »und hättest Du sie erzogen, so würde sie ein Haus nicht nur zu schmücken, sondern auch zu verwalten verstehen.«

Setchem sah ihren Sohn verwundert an; dann sagte sie halb vor sich hin: »Ja, ja, sie ist ein liebes Kind, dem man nicht zürnen kann, wenn man ihm in die Augen schaut. Und doch war ich ihr bös, da Du ihr grolltest und weil, – nun Du weißt ja! – Aber da Du ihr vergeben hast, verzeih' ich ihr gern, ihr und ihrem Gatten.«

Paaker's Stirn verdüsterte sich und indem er vor seiner Mutter stehen blieb, sagte er mit der ganzen seiner Stimme eigenen Härte. »Der soll in der Wüste verschmachten und die Hyäne des Nordlands seinen unbestatteten Leichnam zerreißen.«

Setchem zog bei diesen Worten den Schleier vor ihr Angesicht und schloß ihre Hände fest um die an ihrem Halse hängenden Amulete. Dann sagte sie leise: »Wie furchtbar Du sein kannst! Wohl weiß ich, daß Du den Rosselenker hassest, denn ich habe die sieben Pfeile über Deinem Lager, auf denen geschrieben steht: »Tod dem Mena«, wohl gesehen. Das ist ein syrischer Zauber, welcher Denjenigen verderben soll, gegen den man ihn anwendet. Wie finster Du drein schaust! Ja, ein Zauber ist das, der den Göttern verhaßt ist und dem Bösen Macht gibt über Den, der ihn übt. Dein Vater und ich haben Dich gelehrt, die Götter zu ehren. Ueberlaß es ihnen, den Frevler zu strafen, denn Osiris entzieht Denen seine Huld, die sich den Feind zum Bundesgenossen erwählen.«

»Meine Opfer,« erwiederte Paaker, »sichern mir die Huld der Götter, aber Mena hat als verruchter Räuber an mir gehandelt und ich überantworte ihn dem Bösen, dem er angehört. Genug davon, und wenn Du mich liebst, so sprich den Namen meines Feindes nicht wieder vor mir aus! Nefert und ihrer Mutter hab' ich vergeben, das mag Dir genügen!«

Setchem schüttelte ihr Haupt und rief: »Wohin soll das führen! Der Krieg kann nicht ewig dauern, und wenn Mena heimkehrt, so wird die Versöhnung von heute in um so bitterere Feindschaft umschlagen. Ich sehe nur ein Heilmittel! Folge meinem Rath und laß Dir von mir eine würdige Gattin zuführen.«

»Jetzt nicht!« sagte Paaker ungeduldig. »In wenigen Tagen zieh' ich von Neuem in das Land des Feindes und wünsche nicht wie Mena bei meinen Lebzeiten mein Weib das Dasein einer Wittwe führen zu lassen. Wozu das Drängen! Meines Bruders Gattin und ihre Kinder sind bei Dir. Sie mögen Dir genügen!«

»Die Götter wissen, wie ich sie liebe,« erwiederte Setchem, »aber Dein Bruder Horus ist der jüngere, Du bist der ältere Sohn, dem das Erbgut angehört. Dein Nichtchen ist mir ein freundliches Spielwerk, in Deinem Sohn könnt' ich zugleich den künftigen Erhalter unseres Stammes, das künftige Haupt der Familie in meinem und Deines Vaters Sinn auferziehen. Auch ist mir Alles heilig, was mein verstorbener Gatte wünschte. Er freute sich Deiner frühen Verlobung mit Nefert und hoffte, daß ein Sohn seines ältesten Sohnes Assa's Geschlecht fortführen werde.«

»Es soll nicht meine Schuld sein,« sagte Paaker, »wenn einer seiner Wünsche unerfüllt bleibt! Die Sterne stehen schon hoch. Schlafe gut, Mutter, und wenn Du morgen Nefert und Deine Schwester besuchst, so sage ihnen, das Thor meines Hauses stände ihnen offen. Noch Eins! Katuti's Haushofmeister hat dem unsern eine Rinderheerde zum Verkauf angeboten, obgleich der Viehstand auf Mena's Landgut gering sein soll. Was hat das zu bedeuten?«

»Du kennst meine Schwester,« erwiederte Setchem. »Sie verwaltet Mena's Besitz, hat große Bedürfnisse, sucht an Glanz die Großen zu übertreffen, sieht den Statthalter oft in ihrem Hause, ihr Sohn soll verschwenderisch sein, und da mag es manchmal am Nöthigsten fehlen.«

Paaker zuckte die Achseln, grüßte noch einmal und verließ seine Mutter.

Bald darauf stand er in dem weiten Gemach, in dem er zu wohnen und zu schlafen pflegte, wenn er sich in Theben befand. Die Mauern dieses Raumes waren weiß getüncht und mit einigen frommen Sprüchen in Hieroglyphenschrift, welche die Thüren und die dem Garten zugewandten Fensteröffnungen umrahmten, geschmückt.

Inmitten der Hinterwand stand ein Bett in Gestalt eines Löwen. Sein Kopfende ahmte das Haupt und sein Fußende den gebogenen Schweif dieses Thieres nach. Ein fein gegerbtes Löwenfell war über das Lager hingebreitet und eine mit frommen Sprüchen bedeckte Kopfstütze von Ebenholz stand auf einer treppenförmigen, hohen Fußbank für den Schläfer bereit.

Ueber dem Bette waren verschiedenartige kostbare Waffen und Geißeln in zierlicher Ordnung befestigt und unter ihnen die sieben Pfeile, auf denen Setchem die Worte: »Tod dem Mena« gelesen hatte. Sie kreuzten die Lettern eines Spruches, welcher anbefahl, die Hungernden zu speisen, die Durstigen zu tränken, die Nackten zu kleidenHäufig wiederkehrendes Gebot aus den heiligen Schriften, das schon auf Denkmälern aus dem alten Reiche, z. B. zu Beni Hassan (XII. Dynastie) vorkommt. und mildherzig zu sein gegen den Großen wie gegen den Kleinen.

Eine Nische zur Seite des Kopfendes des Bettes war durch einen Vorhang von Purpurstoff verschlossen.

In allen Ecken des Zimmers standen Bildsäulen. Drei stellten die Trias von Theben: Amon, Muth und Chunsu, und die vierte den verstorbenen Vater des Wegeführers dar. Vor einer jeden war ein kleiner Opferaltar mit Vertiefungen, in denen wohlriechende Essenzen schwammen, angebracht. Auf einem Holzgestell standen kleine Götterbilder und Amulete in großer Zahl und in mehreren bunten Kasten lagen die Kleider, der Schmuck und die Schriften des Wegeführers. Inmitten des Zimmers stand ein Tisch mit mehreren tabouretartigen Stühlen.

Als Paaker dieses Gemach betrat, fand er es mit Lampen erleuchtet und ein großer Hund stürzte ihm freudig entgegen. Er ließ ihn hoch an sich emporspringen, warf ihn zu Boden, ließ sich ein anderes Mal von ihm bestürmen und küßte dann seinen klugen Kopf.

Vor seinem Bette lag ein alter Neger von gewaltigem Körperbau in tiefem Schlafe. Paaker stieß ihn mit dem Fuße und rief dem Erwachenden zu:

»Mich hungert!«

Der schwarze Graukopf erhob sich langsam und verließ das Gemach.

Sobald der Wegeführer allein war, nahm er das Fläschchen mit dem Liebestrank aus seinem Gürtel, betrachtete es mit Zärtlichkeit und legte es in eine Kiste, in der viele Flaschen mit heiligen Opferölen lagen.

Er war gewöhnt, allabendlich die Vertiefungen in den Altären frisch mit Essenzen zu füllen und sich vor den Götterbildern betend niederzuwerfen.

Heute stellte er sich nur vor die Statue seines Vaters, küßte ihre Füße und murmelte: »Dein Wille soll geschehen. Das Weib, das Du mir bestimmtest, soll Deinem ältesten Sohne zu eigen werden!«

Dann ging er auf und nieder und überdachte das an diesem Tage Geschehene.

Endlich blieb er mit gekreuzten Arenen stehen und schaute die Götterbilder so trotzig an, wie ein Wanderer, der einen schlechten Führer verjagt und seinen Weg selbst zu finden gedenkt.

Sein Blick fiel auf die Pfeile über seinem Bett, er lächelte, und indem er mit der Faust an seine breite Brust schlug, rief er. »Ich, ich, ich –!«

Seine Dogge, welche wähnte, daß ihr Herr sie anlockte, eilte auf ihn zu. Er wehrte sie ab und sagte: »Wenn Du einer Hyäne in der Wüste begegnest, so fällst Du über sie her und wartest nicht ab, bis sie von meiner Lanze erreicht wird, und da die Götter, meine Herren, säumen, so werd' ich mir selbst zu meinem Rechte verhelfen; Du aber,« fuhr er fort, indem er sich an die Bildsäule seines Vaters wandte, »wirst mir beistehen.«

Dieses Selbstgespräch wurde durch die Sklaven unterbrochen, welche seine Mahlzeit herbeibrachten.

Paaker überschaute die verschiedenen Speisen, welche der Koch für ihn bereitet hatte, und fragte: »Wie oft soll ich befehlen, mir nicht vielerlei, sondern nur ein großes, kräftiges Gericht zu bereiten? Und der Wein?«

»Du pflegst ihn nicht zu berühren,« antwortete der alte Neger.

»Aber mich lüstet heute nach einem Trunke,« rief der Wegeführer. »Bringt einen der alten Krüge mit Rothem von Kakem!«Ort unweit der Stufenpyramide von Saqqarah in der Nekropole von Memphis, woselbst im Alterthum Weinbau getrieben worden sein muß, da Rothwein von Kakem (Kochome?) mehrfach erwähnt wird.

Die Sklaven sahen einander erstaunt an, der Wein ward gebracht und Paaker leerte Becher auf Becher. Als die Diener ihn verlassen hatten, sagte der Vorlauteste unter ihnen: »Sonst frißt der Herr wie ein Löwe und säuft wie eine Mücke; aber heute . . .«

»Hüte Deine Zunge!« rief sein Begleiter, »und komm' in den Hof, denn Paaker läßt uns heute Bier schenken. Die Hathoren müssen ihm begegnet sein!«

Wohl mußten die Ereignisse dieses Tages tief in das innere Leben des Wegeführers eingegriffen haben, denn er, der nüchternste unter den Kriegern des Ramses, der den Rausch nicht kannte und die Gelage seiner Kampfgenossen mied, saß heut in mitternächtlicher Stunde allein an seinem Tisch und zechte, bis ihm das müde Haupt schwer wurde.

Endlich raffte er sich auf, schritt seinem Lager entgegen und öffnete die Gardine, welche die Nische über dem Kopfende des Bettes verhüllte. Eine weibliche Statue mit dem Hauptschmuck und den Attributen der Göttin Hathor aus bunt bemaltem Kalkstein ließ sich sehen.

Ihr Antlitz trug die Züge der Gattin des Mena.

Der König hatte einem Bildhauer vor vier Jahren befohlen, ein Götterbild mit den lieblichen Zügen der Neuvermählten seines Wagenlenkers zu zieren, und es war Paaker gelungen, sich eine Nachbildung desselben zu verschaffen.

Jetzt kniete er auf seinem Lager nieder, betrachtete das Bildwerk mit feuchten Blicken, sah sich prüfend um, ob er allein sei, beugte sich vor, drückte seinen breiten Mund auf die zarten, kalten, steinernen Lippen, legte sich nieder und entschlief, ohne sich entkleiden und die Lampen in seinem Gemach verlöschen zu lassen.

Unruhige Träume bewegten seine Seele, und als der Morgen graute, schrie er, von einem furchtbaren Gesichte beängstigt, so kläglich auf, daß der alte Neger, welcher sich neben dem Hunde vor seinem Bette ausgestreckt hatte, entsetzt aufsprang und ihn, während die Dogge laut aufheulte, beim Namen rief, um ihn zu wecken.

Paaker erwachte mit dumpfem Kopfschmerz. Das Traumgesicht, welches ihn beängstigt hatte, stand lebhaft vor seiner Seele und er suchte es festzuhalten, um einen Horoskopen aufzufordern, es ihm zu deuten. Nach den verheißungsvollen Phantasieen des gestrigen Abends fühlte er sich trüb und beklommen.

Die Morgenhymnen tönten mit mahnender Stimme aus dem Amonstempel in sein Gemach und er zieh sich sündiger Gedanken, und nahm sich vor, den Göttern wiederum die Lenkung seines Schicksals zu überlassen und den magischen Künsten zu entsagen.

Seiner Gewohnheit gemäß stieg er in das für ihn bereit gehaltene Bad.

Während ihn die lauwarmen Wasser umplätscherten, dachte er mit immer heftigerer Lebendigkeit an Nefert und an den Zaubertrank, den er ihr nicht erst darbieten wollte, sondern der ihr thatsächlich von ihm gereicht worden war und schon jetzt seine Wirkung geübt haben konnte.

Die Liebe stellte rosige, der Haß blutrothe Bilder vor sein inneres Auge. Er rang darnach, sich den ihn fester und fester umgarnenden Lockungen zu entwinden, aber es erging ihm wie einem in den Sumpf gerathenen Manne, der um so tiefer versinkt, je heftiger er sich aus dem Schlamme herauszuarbeiten anstrengt.

Mit der steigenden Sonne hob sich sein Lebensmuth und sein Selbstvertrauen, und als er sich in seinen kostbarsten Gewändern seine Wohnung zu verlassen anschickte, hatte er die Stimmung des gestrigen Abends zurückerlangt, war er wiederum entschlossen, ohne und, wenn es sein mußte, gegen die Götter sein Ziel zu erkämpfen.

Der Mohar hatte seinen Weg gewählt und er kehrte niemals um, wenn er eine Wanderung einmal begonnen hatte.


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