Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

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Dreizehntes Kapitel.

In einem ihrer Dienerzelte hatte Katuti ihren unglücklichen Neffen Paaker verborgen gehalten.

Der verwundete Mann hatte sich vom Schlachtfelde bei Kadesch unter grausigen Schmerzen auf ihm allein bekannten Pfaden und mit Hülfe eines Esels, den er einem syrischen Bauern abkaufte, bis zu der Höhle geschleppt, welche Pentaur von dem Rothbart gezeigt worden war.

Er fand hier seinen treuen äthiopischen Sklaven, der ihn pflegte, bis er sich stark genug fühlte, seine Reise nach Aegypten fortzusetzen.

Unter schweren Entbehrungen kam er als ismaelitischer Kameeltreiber verkleidet nach Pelusium. Seinen Diener, der ihn hätte verrathen können, ließ er in der Höhle zurück.

Ehe man ihn die Bastionen passiren ließ, welche sich auf der das mittelländische mit dem Schilfmeer verbindenden Landenge hinzogen und die nomadischen Schasustämme von Aegypten abzuwehren bestimmt waren,Ebers, Aegypten und die Bücher Mose's S. 78. wurde er einem strengen Verhör unterworfen und unter Anderem befragt, ob er nicht dem verräterischen Wegeführer des Königs, den man ihm beschrieb, begegnet wäre. Niemand ahnte in dem abgezehrten, grauen, einäugigen Kameeltreiber den breitschulterigen, muskelkräftigen und wadenstarken Mohar.

Um sich noch unkenntlicher zu machen, kaufte er von einem Arzte ein in jener Zeit häufig angewandtes Mittel zum Färben der HaareIm Papyrus Ebers finden sich viele Rezepte zur Bereitung von Haarfärbungsmitteln. Eines darunter wird der Dame Schesch, der Mutter des Teta, der Gattin des ersten Königs von Aegypten, zugeschrieben. Es ist also das älteste von allen vorhandenen Rezepten, eine Vorschrift, wie man die Haare färbt. und schwärzte damit seinen Leib.

Katuti war mit dem Statthalter Ani lange vor ihm in Pelusium eingetroffen, um den Bau des Palastes zu leiten.

Als bettelnder Neger, mit einem Palmenzweige in der Hand, wagte er es, sich ihr zu nahen.

Sie beschenkte ihn und befragte ihn nach seiner Heimat, denn auch den geringsten Mann suchte sie hier für sich zu gewinnen; aber obgleich sie seine Antwort mit scheinbarer Theilnahme anhörte, so erkannte sie ihn doch nicht.

Nun erst faßte er Muth, näherte sich ihr am folgenden Tage von Neuem und nannte ihr endlich seinen Namen.

Die Wittwe blieb nicht ungerührt von der schrecklichen Veränderung ihres Neffen und ob sie gleich wußte, daß die Gemeinschaft mit dem Verräther auch von Ani mit dem Tode bedroht worden war, so nahm sie ihn dennoch in ihren Dienst, denn sie konnte den verzweifelten Feind des Königs und ihres Schwiegersohnes niemals besser gebrauchen als jetzt.

Der Verstümmelte, Geächtete, Verfolgte hielt sich, ganz in sich selbst zurückgezogen, fern von den übrigen Dienern und verachtete mit ungebrochenem Hochmuth die geringeren Leute. An Katuti's Tochter dachte er nur noch traumhaft und selten, denn der Haß hatte die Liebe ganz aus seiner Seele gedrängt und nur noch Eines machte ihm das Leben lebenswerth, die Hoffnung, mitarbeiten zu dürfen an dem Verderben, Zeuge zu werden des Todes seiner Feinde.

So bot er sich der Wittwe als ein willkommenes Werkzeug dar, und der Glanz, welcher das sehende Auge Paaker's belebte, als sie ihm die Aufgabe zuertheilte, den Brand in des Königs Gemächer zu schleudern und sein und Mena's Entrinnen zu hindern, lehrte sie, daß sie in dem Wegeführer den zuverlässigsten aller Gehilfen gefunden habe.

Paaker hatte vor der Ankunft des Ramses den Schauplatz seiner Thätigkeit genau untersucht. Unter den wohl vierzig Fuß über dem Erdboden befindlichen Fenstern der königlichen Gemächer zog sich eine schmale Brüstung hin, welche die Köpfe der Balken verkleidete, auf denen die in Pech getränkten und mit Stroh gefütterten Roste ruhten, die die Dielen des Stockwerkes trugen, in dem sich die Zimmer des Ramses befanden.

Die Oeffnungen, in welche der Zündstoff zu schieben war, würde der Wegeführer, auch wenn er auf beiden Augen blind geworden wäre, wieder gefunden haben.

Als Katuti zum ersten Mal ihre Pfeife erschallen ließ, schlich er auf seinen Posten. Keine Schildwache rief ihn an, denn von des Statthalters schwerstem Weine übermannt, schliefen die wenigen in unmittelbarer Nähe des Holzhauses aufgestellten Posten.

Mit Hülfe von tiefen, in Form von Verzierungen in das Holz der Außenwand des Palastes angebrachten Einschnitten kletterte Paaker bis zur Höhe zweier Männer aufwärts. Dort war eine Strickleiter befestigt. Er benützte sie und stand bald auf der Brüstung, über der sich die Fenster der königlichen Gemächer befanden und unter die das Feuer gelegt werden sollte.

Das Schlafzimmer des Ramses war hell beleuchtet. Unbemerkt konnte Paaker es überblicken und jeden Laut verstehen, der darin gesprochen wurde.

Der König saß in seinem Lehnstuhle und blickte zu Boden. Der Statthalter Ani stand vor ihm und der Rosselenker Mena neben seinem Lager und hielt sein Schlafgewand in der Hand.

Jetzt erhob Ramses das sinnende Haupt und sagte, dem Statthalter die Hand mit freimüthiger Herzlichkeit reichend: »Laß mich diesen schönen Tag gut beschließen, Oheim! Als treuen Freund hab' ich Dich gefunden und ich war schon in Gefahr den Ueberängstlichen zu glauben, die Dir Uebles nachsagten. Mißtrauen ist sonst meinem Herzen fremd, aber Manches kam zusammen, das meine Seele verdüsterte, und so that ich Dir Unrecht. Das ist mir leid, aufrichtig leid, und ich schäme mich nicht Dir abzubitten, daß ich an Deiner guten Gesinnung gezweifelt. Du bist mein Freund, und daß ich der Deine bin, das sollst Du erfahren! Da ist meine Hand! Schlag' ein und ganz Aegypten soll wissen, daß Ramses keinem Manne rückhaltsloser vertraut, als seinem Statthalter Ani. Ich übertrage Dir die Ehrenwache in meinem Schlafzimmer. Wir theilen in dieser Nacht dieß Gemach! Ich ruhe hier; nimm Du, wenn ich das Lager besteige, Platz auf den Polstern da drüben!«

Ani hatte Ramses die Hand gereicht, jetzt stand er ihm bleich gegenüber.

Paaker sah ihm gerade in's Gesicht und es kostete ihm Mühe, ein lautes Hohngelächter zu unterdrücken.

Ramses bemerkte nicht die Unruhe des Statthalters, denn schon hatte er Mena gewinkt, näher zu ihm heranzutreten.

»Auch mit Dir,« sagte er, »möchte ich, ehe ich zur Ruhe gehe, zum Abschlusse kommen. Du hast Deiner treuen Gattin Glauben an Dich auf eine harte Probe gestellt und weil sie Dich redlich liebt und sie selbst die Untreue nicht kennt, hat sie Dir mit kindlicher Einfalt, die oftmals klüger ist als die Bedenken der Weisen, freundlich und fest vertraut. Ich versprach Dir, einen Wunsch zu erfüllen, wenn Du gegen mich Recht behieltest. Nun sage mir, was Du forderst!«

Mena sank auf die Kniee nieder, bedeckte das Gewand seines Herrn mit Küssen und rief: »Vergebung erbitt' ich, nichts als Vergebung. Schwer war mein Fehl, ich weiß es, aber mit grimmigem Hohn ward ich herausgefordert, die ehrlose Hand des Verräthers sah ich frech sich strecken nach meinem reinen Weibe, das ihn jetzt, ich weiß es, wie eine Kröte verabscheut!«

»Was war das?« sagte der König. »Ich meine, ich hätte von dorther ein Stöhnen vernommen!«

Er näherte sich dem Fenster, schaute in's Freie, aber sah den Wegeführer nicht, denn dieser verfolgte jede Bewegung des Königs und streckte sich, sobald sich die Klagelaute seiner Brust entrungen hatten, auf der Brüstung nieder.

Mena lag noch immer auf den Knieen, als Ramses sich ihm wiederum näherte.

»Verzeih' mir!« rief er von Neuem. »Laß mich wiederum neben Dir stehen auf dem Wagen und Deine Rosse lenken! Ich lebe nur und bin mir nur etwas werth durch Dich und Deine Gnade, mein König, mein Herr, mein Vater!«

Ramses winkte seinem Lieblinge, sich vom Boden zu erheben, und sagte: »Deine Bitte war gewährt, ehe Du sie aussprachst. Ich bin ja in Deiner Schuld um Deines redlichen Weibes willen! Danke Du Nefert, nicht mir, und wir Alle, laßt uns heute mit besonderer Inbrunst die Himmlischen loben. Was hat dieser Tag mir Alles gegeben! Euch Beide, zwei verloren geglaubte Freunde, schenkte er mir zum andern Mal und endlich bescherte er mir einen neuen Sohn!«

Ein leiser Pfiff drang durch die Nachtluft; es war das dritte Zeichen Katuti's.

Paaker blies den Zunder an, steckte ihn in die Oeffnung unter der Brüstung und richtete sich dann, die eigene Gefahr mißachtend, auf, um weiter zu lauschen.

»Ich bitte Dich,« sagte nun der Statthalter, sich dem Pharao nähernd, »mich zu entlassen. Ich weiß Deine Huld zu schätzen, aber die Anstrengungen der letzten Tage übermannen mich; ich kann mich kaum auf den Füßen halten und die Ehrenwache . . . .«

»Wird Mena halten,« unterbrach ihn Ramses. »Schlafe hier getrost, mein Vetter. Die Anderen sollen nur sehen, daß ich jedes Mißtrauen gegen Dich weit von mir weise! Gib mir mein Nachtgewand, Mena. Nur noch Eines! Die Jugend zieht es zur Jugend, Ani! Bent-Anat hat sich einen würdigen Gatten erwählt, meinen Lebensretter, den Dichter Pentaur. Er galt für einen Mann von geringer Herkunft, für den Sohn eines Gärtners im Dienst des Setihauses. Und was erfahre ich nun durch den Oberpriester Ameni? Er ist der echte Sohn des edlen verstorbenen Mohar, und der ehrlose, verrätherische Unhold Paaker ist der des Gärtners. Eine Hexe in der Nekropole hat die Kinder vertauscht! Das ist das beste Geschenk dieses Tages, denn schon ist des Mohar Wittwe, die edle Frau Setchem, hieher geschleppt worden und ich wäre gezwungen gewesen, unter zwei Richtersprüchen zu wählen. Entweder sie, als des entronnenen Bösewichts Mutter, in die äthiopischen Steinbrüche zu senden, oder sie vor allem Volke enthaupten zu lassen. Um der Götter willen, was war das?« –

Ein lauter Aufschrei aus einer Männerbrust war durch das offene Fenster gedrungen und gleich darauf ein Schall, als sei eine schwere Masse aus großer Höhe zu Boden gestürzt.

Ramses und Mena eilten an's Fenster, aber erschreckt fuhren sie zurück, denn dichter Rauch drang ihnen entgegen.

»Rufe die Wachen!« befahl Ramses.

»Eile Du hinunter, Ani,« rief Mena, »ich verlasse meinen Herrn nicht wieder in der Gefahr.«

Der Statthalter floh aus der Thüre wie ein aus dem Kerker ausgebrochener Sträfling, aber nur wenige Schritte konnte er vorwärts eilen, denn ehe er sie zu betreten vermochte, stürzte die einzige in das obere Stockwerk führende Treppe vor seinen Augen zusammen. Katuti hatte sie, nachdem sie den Brand im Innern des Palastes entzündet, durch einen einzigen Hammerschlag zu Falle gebracht. Ani sah noch das flatternde Gewand der Entfliehenden, rief mit geballten Fäusten ihren Namen und stürzte dann, ohne zu wissen wohin er ihn führe, den langen Vorraum entlang, in welchen die Zimmer des Pharao mündeten.

Das furchtbare Getöse, welches der Zusammensturz der Treppe verursachte, veranlaßte auch den König und seinen Wagenlenker, das Gemach zu verlassen.

»Da liegt die Stiege! Das wird ernst!« sagte Ramses gelassen, trat in das Zimmer zurück und stellte sich an ein Fenster, um von dort aus die Gefahr zu überblicken.

Schon schlugen helle Flammen an dem nördlichen Ende des Palastes empor und verliehen der, der Morgendämmerung weichenden Nacht die Helle des Tages.

Die Südseite des großen Bauwerkes war noch unversehrt.

Mena bemerkte die Brüstung, von der Paaker hernieder in die Tiefe gestürzt war, schwang sich in's Freie, prüfte das Holz unter seinen Füßen und fand es fest genug, um mehrere Männer zu tragen.

Er schaute sich um, sah mit gespanntester Aufmerksamkeit nach dem von den Flammen verschonten Flügel hin und rief dann mit einem lauten Aufschrei: »Das Feuer wird böswillig genährt! Sieh' dort hin! Da hockt ein Mensch und schiebt einen Brand in das Holzwerk.«

Eilends schwang er sich in das von Rauch erfüllte Zimmer zurück, riß Köcher und Bogen des Königs, welche er selbst über seinem Bette aufgehängt hatte, von der Wand, legte einen Pfeil auf die Sehne, zielte lange und mit einem Schrei stürzte der Mordbrenner zusammen.

Später fand man den Zwerg Nemu mit des Rosselenkers Pfeil mitten im Herzen. Er hatte, nachdem er unter Bent-Anat's Gemächern den Brand gelegt, denjenigen Flügel des Palastes, in welchem Uarda's Freund Rameri mit den anderen Söhnen des Königs schlief, angezündet.

Von Neuem schwang sich Mena aus dem Fenster und prüfte den Vorsprung.

Das Gemach des Pharao füllte sich mehr und mehr mit Rauch, und Flammen brachen aus den Fugen der Dielen hervor.

Außerhalb des Palastes und in seinem Innern begann es lebendig zu werden.

»Feuer! Feuer! Mordbrenner! Zu Hülfe! Rettet den König!« schrie der Rothbart, dem eine Schaar von schnell geweckten Leibwächtern folgte.

Uarda war in den Palast gestürzt, um Bent-Anat, deren Gemächer sie kannte, zu rufen.

Der König war Mena auf die Brüstung unter den Fenstern nachgestiegen und rief den Soldaten zu: »Die Hälfte von euch dringt in's Haus und sucht zuerst die Prinzessin zu retten, die andere Hälfte hält das Feuer vom Südende fern. Ich versuche dorthin zu gelangen!«

Aber Nemu's Brände hatten gezündet und auch dort zeigten sich Flammen, gegen welche die Soldaten mit dem Aufgebot aller Kräfte ankämpften. Ihr lautes Geschrei vermischte sich mit dem Knistern und Prasseln der das dürre Holz verzehrenden Lohe und dem die Truppen weckenden Posaunengeschmetter und Trommelschlag.

Jetzt erschienen auch die Prinzen an den Fenstern. Sie hatten aus ihren Mänteln ein Seil zusammengeknüpft und ließen sich an demselben nieder.

Ramses rief ihnen ermunternde Worte zu, aber er sah sich in seinem eigenen Fortschreiten gehemmt, denn die ziemlich breite Brüstung, welche ihn trug, umgab zwar das ganze Haus, war aber in Abständen von der Länge eines Mannes von zehn zu zehn Schritten unterbrochen. Dabei wuchs das Feuer und knisternde Funken umflackerten wie Spreu den die Wurfschaufel schwingenden Drescher, ihn und seine Begleiter.

»Laßt Stroh hier unten aufhäufen,« befahl Ramses, den tosenden Brand überschreiend. »Nur ein Sprung hinab kann uns retten!«

Helle Flammen drangen aus dem Gemach des Königs hervor. Es war unmöglich, in dasselbe zurückzukehren; aber weder Ramses noch Mena verloren die Fassung.

Als der Letztere den zwölften Prinzen am Boden anlangen sah, legte er seine zum Sprachrohr verbundenen Hände an den Mund und schrie Rameri, welcher als Letzter das rettende Seil benutzen wollte, entgegen: »Zieh' das Seil in die Höhe und bewahr' es vor Schaden, bis daß ich komme!«

Rameri folgte diesem Befehl und ehe Ramses es hindern konnte, hatte Mena den Abstand, welcher einen Theil der Brüstung von dem andern trennte, übersprungen.

Dem König und den von unten zuschauenden Prinzen stockte das Blut, als Mena zum zweiten Male den entsetzlichen Sprung wagte. Ein Fehltritt und er war dem gleichen Ende verfallen, wie sein Todfeind Paaker.

Während die Zuschauer athemlos gafften und kein Laut zu vernehmen war, als das Prasseln der Flammen, das Knacken der springenden Aeste im Holze, der dumpfe Fall des einstürzenden Gebälks und der ferne Gesang eines sich vom Lager her der Brandstätte nähernden Priesterchors, kniete die von dem kleinen Scherau erweckte Nefert am Boden und betete mit heißer Inbrunst zu den rettenden Göttern. Ihre Augen folgten dabei jedem Sprunge ihres Gatten und sie biß sich die Lippen blutig, um nicht aufzuschreien.

Sie fühlte, daß er groß und recht handle, und daß er verloren sei, wenn seine Aufmerksamkeit auch nur einen Augenblick von seinem schauerlichen Pfade abgelenkt werde.

Jetzt stand er neben Rameri, jetzt band er sich das eine Ende der das Seil bildenden Mäntel und Tücher um den Leib. Jetzt gab er Rameri, der sich an der Fensterbrüstung festhielt, das andere in die Hand und nun raffte er sich abermals zusammen.

Nefert sah, wie er zum Sprunge ansetzte, sie preßte beide Hände auf die Lippen, um nicht zu schreien, sie schloß die Augen und als sie sie wieder öffnete, war der erste Satz gelungen und auch beim zweiten bewahrten die Himmlischen ihn vor dem Sturze. Beim dritten Sprunge hielt ihm Ramses die Hand entgegen und bewahrte ihn vor dem Fall. Als er das Ende des Seils von seinen Hüften losband und an einen Balkenknopf befestigte, stützte ihn und half ihm der König.

Rameri ließ nun das andere Ende der breiten, schweren Mantelkette los und folgte Mena.

Auch dem schon im Setihause in gymnastischen Spielen geübten Prinzen gelangen die furchtbaren Sätze und bald darauf berührte der Pharao den rettenden Boden.

Rameri folgte ihm und endlich auch Mena, dem sein geliebtes Weib auf dem sichern Boden den Schweiß von den pochenden Schläfen wischte.

Ramses eilte sogleich zu dem Nordende des Palastes, in dem Bent-Anat gewohnt hatte. Er fand sie wohlbehalten, aber mit gerungenen Händen, denn ihr junger Liebling Uarda war in den Flammen verschwunden, nachdem sie sie selbst geweckt und mit ihres Vaters Hülfe gerettet hatte.

Kaschta lief an der brennenden Außenwand des Palastes hin, raufte sein buschiges Haar und rief bald sein Kind mit lauter Stimme, bald lauschte er mit angehaltenem Athem.

Auf's Gerathewohl in das ungeheure, brennende Haus zu dringen, wäre Wahnsinn gewesen.

Der König bemerkte den Beklagenswerten und stellte ihn an die Spitze der Soldaten, denen er, um die Verschwundene zu retten, befohlen hatte, die Wand der frühern Wohnung Bent-Anat's einzureißen.

Kaschta ließ sich ein Beil reichen und erhob es zum Schlage.

Da glaubte er an einer der auf Katuti's Befehl fest verschlossenen Laden des untern Stockwerks ein aus dem Innern des Hauses kommendes Pochen zu hören.

Er folgte dem Klange.

Es wurde geklopft, es war keine Täuschung.

Mit dem Aufgebot aller Kräfte stemmte er die Axt zwischen die Wand und die Lade, ein voller Strom von schwarzem Rauche drang aus der neu erschlossenen Oeffnung und vor ihm stand, wie von dichten Nebeln umflossen, ein taumelnder Mann, der Uarda auf seinen Armen hielt.

In demselben Augenblick schwang sich Kaschta in den von Rauch und Funken erfüllten Raum, entriß seine Tochter ihrem halb erstickten, in die Kniee sinkenden Retter, sprang mit seiner theuren, leichten Last in's Freie, und während er, auf dem sichern Boden angelangt, seine Lippen leise auf ihre geschlossenen Lider drückte, wurden seine Augen feucht und vor seine Seele trat das Bild des Weibes, das sie geboren, und das wie eine einzelne Palme die baumlose Wüste seines Lebens geschmückt hatte.

Aber nur wenige Sekunden gab er diesen Empfindungen Raum.

Bent-Anat selbst nahm Uarda aus seinen Händen entgegen; er aber eilte zu dem brennenden Hause zurück.

Den Retter seines Kindes hatte er wohl erkannt; es war der Priester Nebsecht, welcher seit den Tagen vom Sinai die Prinzessin nicht verlassen und als ihr Leibarzt mit ihrem Gefolge in ihren Gemächern Unterkunft gefunden hatte.

Durch die von der Lade befreite Oeffnung war Zugwind in das Zimmer geströmt. Helle Flammen schlugen jetzt aus dem Fenster und doch war Nebsecht am Leben, denn sein Gestöhn drang wohl vernehmbar durch Rauch und Flammen in's Freie.

Kaschta schwang sich zum andern Mal zu dem Fenster hinauf.

Die hinter ihm Stehenden sahen, daß die Deckenbalken des Zimmers, dem er zustrebte, sich zu senken begannen, und warnten ihn; ja der König selbst gebot ihm, umzukehren. Der Rothbart aber saß schon auf der Fensterbrüstung, und indem er hinabrief: »Mit meinem Blute verschrieb ich mich Diesem, zweimal hat er mein Kind gerettet, jetzt bezahl' ich ihm meine Schulden!« verschwand er in dem brennenden Raume.

Bald darauf zeigte er sich wieder mit Nebsecht, dessen weißes Gewand bereits von den Flammen versengt war, auf den Armen.

Man sah noch, wie er sich mit seiner Last mehr und mehr dem Fenster näherte. Hundert Soldaten, und unter ihnen Pentaur, drängten sich heran, um zu helfen, und fingen den bewußtlosen Arzt, welchen Kaschta zum Fenster hinaushob, in ihren Armen auf.

Der Rothbart schickte sich an, ihm zu folgen, aber ehe er sich aufzuschwingen vermochte, stürzten die Balken der Decke über ihm zusammen und begruben den redlichen Sohn des Paraschiten.

Pentaur ließ seinen leblosen Freund Nebsecht in ein Zelt tragen und half den Aerzten, die seine Brandwunden verbanden.

Der Dichter hatte in tiefem Gespräch mit dem Oberpriester gesessen, als die Feuerrufe erschollen. Es war ihm mitgetheilt worden, daß er kein Sohn eines Gärtners sei, sondern einem der edelsten Häuser des Landes entstamme. Die Grundlagen seines äußern Lebens wurden unter seinen Füßen verrückt, Ameni's Erzählung stellte ihn aus dem Staub auf den Boden eines Palastes und dennoch zeigte sich Pentaur weder ungewöhnlich überrascht, noch hoch erfreut; so sehr war er gewöhnt, Leid und Lust nicht von außen, sondern von innen her zu empfangen.

Sobald er die Feuerrufe vernommen, war er auf die Brandstätte geeilt und hatte sich, als er die Gefahr übersah, in welcher Ramses schwebte, an die Spitze vieler aus dem Lager herbeigeeilter Krieger gestellt, um den Versuch zu wagen, dem Pharao von der Innenseite des Hauses her zu Hülfe zu eilen.

Unter den ihm folgenden Wagenkämpfern befand sich Katuti's leichtsinniger Sohn, der sich vor Kadesch ausgezeichnet hatte und diese neue Gelegenheit, seinen Muth zu zeigen, wahrnahm. Zusammenstürzende Wände hemmten den Weg dieser todesmuthigen Schaar, welche sich erst zurückzog, nachdem Viele aus ihrer Mitte erstickt und von brennenden Balken erschlagen waren. Der Erste, welcher hier um's Leben kam, war Nefert's Bruder, Katuti's Sohn.

Uarda war in das nächste Zelt gebracht worden. Ihr schöner Kopf ruhte in Bent-Anat's Schooß und Nefert versuchte, sie in's Leben zurückzurufen, indem sie ihre Schläfen mit einer stärkenden Essenz rieb.

Die Lippen der Jungfrau bewegten sich leise. Vor ihrem innern Auge zeigte sich noch einmal Alles, was sie in der letzten Stunde erlebt und erlitten hatte. Sie sah sich mit ihrem Vater durch das Lager stürzen und mit ihm auf dem ihr bekannten Wege in die Gemächer der Prinzessin eilen, während er die von Katuti verschlossenen Thüren einschlug, sie erblickte die von ihr erweckte Bent-Anat, die ihr mit ihrem Hofstaat folgte, sie erinnerte sich träumend des Schrecks, den sie empfunden, als sie dicht vor der rettenden Thüre bemerkte, daß sie ihr Kleinod, das einzige Erbtheil ihrer verstorbenen Mutter, in ihrer Truhe vergessen habe, und ihrer schnellen, nur von dem Arzte Nebsecht bemerkten Umkehr.

Noch einmal durchlebte sie die Angst, welche sie empfunden hatte, bis sie das Kleinod an ihrem Busen geborgen, und das Entsetzen, das sie befiel, als ihr auf dem Rückwege Rauch und Flammen entgegenschlugen. Sie fühlte wiederum ihre Kräfte schwinden und es war ihr als höbe sie der weißgekleidete sonderbare Priester von Neuem auf seine Arme. Sie sah im Traum zum andern Male seine mit inniger Zärtlichkeit auf sie gerichteten Augen und lächelte halb dankbar, halb unwillig, als sie des leisen Kusses gedachte, den er, ehe die stärkeren Arme ihres Vaters sie an sich rissen, auf ihre Lippen gedrückt hatte.

»Wie hold sie ist!« sagte Bent-Anat. »Ich glaube, der arme Nebsecht irrte nicht, als er erzählte, ihre Mutter sei die Tochter eines Großen des Auslandes gewesen. Sahst Du jemals zierlichere Hände und Füße? Und durchsichtig ist ihre Haut wie phönizischer Glasfluß.«


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