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Während der geschilderten Vorgänge war das Haus des Rosselenkers Mena nicht leer geworden von Besuchern.
Dasselbe glich dem benachbarten Erbe Paaker's, doch waren die Gebäude weniger neu, der bunte Anstrich an Säulen und Wänden verblichen und der große Garten entbehrte der sorgfältigen Pflege. Nur in der Nähe des Wohnhauses prangten einige gut gehaltene Beete in reichem Blumenschmuck und der offene Säulengang, in dem sich Katuti mit ihrer Tochter aufhielt, war mit königlicher Pracht ausgestattet.
Die zierlich gearbeiteten Stühle bestanden aus Elfenbein, die Tische aus Ebenholz und hatten, wie die Ruhebetten, vergoldete Füße. Die kunstreich gearbeiteten syrischen Trinkgeschirre auf dem Schenktisch, den Tafeln und Konsolen zeigten mannigfaltige Formen; schöne Vasen voller Blumen standen überall, feiner Wohlgeruch entstieg alabasternen Schalen und der Fuß versank in der dichten Wolle der Teppiche, welche den Boden der Halle bedeckten.
Ueber der scheinbar ordnungslosen Aufstellung dieses reichen Geräths schwebte ein besonderer Reiz, ein unbeschreiblich anmuthiges Etwas.
Auf einem Ruhebette lag lang ausgestreckt, mit einer seidenhaarigen weißen Katze spielend, die schöne Nefert, welche sich von einem Negermädchen Kühlung zufächeln ließ, während ihre Mutter Katuti ihrer Schwester Setchem und deren Sohn Paaker Abschiedsgrüße nachwinkte.
Beide hatten zum ersten Male seit vier Jahren, das heißt seit Mena's Vermählung mit der schönen Nefert, diese Schwelle betreten und die alte Feindschaft schien nun einem neuen herzlichen Einvernehmen und Zusammenleben Platz machen zu wollen.
Nachdem der Wegeführer und seine Mutter hinter den Granatensträuchern am Eingange des Gartens verschwunden waren, wandte sich Katuti ihrer Tochter zu und sagte:
»Wer hätte das gestern gedacht? Ich glaube, Paaker liebt Dich noch immer!«
Nefert erröthete und rief leise und, indem sie ihr Kätzchen sanft mit dem Fächer schlug. »Mutter!«
Katuti lächelte.
Sie war eine hochgewachsene Frau von edler Haltung, die mit ihren scharf, aber fein geschnittenen Zügen und lebhaften Augen noch immer Anspruch auf weibliche Schönheit erheben durfte. Sie trug ein langes, bis über die Knöchel reichendes Gewand von kostbarem Stoff, aber gesuchter Einfachheit und dunkler Farbe, an Stelle des Schmuckes an Arm und Knöchel, Ohr und Fingerringen, an Halsketten und Spangen, dessen sich die ägyptischen Frauen und auch ihre Schwester und Tochter reichlich zu bedienen pflegten, frische Blumen, an denen es in dem Garten ihres Schwiegersohnes niemals fehlte. Nur ein schlichtes, goldenes Diadem, das Zeichen ihrer königlichen Abkunft, pflegte vom frühen Morgen bis zum späten Abend ihre für eine schöne Frau überhohe, aber edel geformte Stirn zu bedecken und die langen, blauschwarzen Haare zusammen zu halten, welche ungeflochten, als ob ihre Trägerin das eitle Werk ihrer künstlichen Anordnung verachte, auf ihren Rücken herniederhingen. Aber nichts an ihrem Aeußeren war unberechnet und die schmucklose Diademträgerin in schlichten Kleidern und mit der königlichen Gestalt überall sicher, bemerkt zu werden und Nachahmerinnen ihrer Tracht, ja sogar ihrer Bewegungen zu finden.
Und doch hatte Katuti lange Zeit in Dürftigkeit gelebt; ja auch zu der Stunde, in welcher wir sie kennen lernen, war wenig ihr eigen. Sie lebte jetzt auf dem Erbe ihres Schwiegersohnes als sein Gast und als Verwalterin seiner Güter, während sie vor der Vermählung ihrer Tochter mit ihren Kindern in einem ihrer Schwester Setchem gehörenden Hause gewohnt hatte.
Sie war die Gattin ihres eigenen, früh verdorbenen Bruders gewesen,Geschwisterehen waren im alten Aegypten gestattet. Die Ptolemäischen Fürsten adoptirten diese der macedonischen widersprechende Sitte. Als Ptolemäus II. Philadelphus seine Schwester Arsinoe heirathete, scheint man es doch für nöthig gefunden zu haben, dieß durch die Stellung der Venus zum Saturn in jener Zeit und den zwingenden Einfluß dieser Konstellation zu entschuldigen. der in verschwenderischer Prachtliebe den größten Theil der Besitztümer, welche ihm von der neuen Pharaonenfamilie gelassen worden waren, vergeudet hatte.
Als Wittwe war sie von Paaker's Vater, ihrem Schwager, mit ihren Kindern wie eine Schwester aufgenommen worden. Sie bewohnte ein eigenes Haus, genoß die Einkünfte eines ihr von dem ältern Mohar zugewiesenen Landgutes und überließ ihrem Schwager die Sorge für die Erziehung ihres mit allen Ansprüchen eines vornehmen Jünglings aufwachsenden schönen und übermüthigen Sohnes.
So große Wohlthaten würden die stolze Katuti bedrückt und beschämt haben, wenn sie mit ihnen und der Art und Weise der Geber einverstanden und zufrieden gewesen wäre. Dieß war aber keineswegs der Fall; vielmehr glaubte sie, eine glänzendere äußere Lage beanspruchen zu dürfen, fühlte sie sich gekränkt, wenn man ihren leichtfertigen Sohn, während er die Schule besuchte, ermahnte, sich ernsterer Arbeit hinzugeben, weil er sich später auf sein eigenes Können und seine eigene Kraft zu verlassen haben werde. Auch hatte es sie verletzt, wenn ihr Schwager sie gelegentlich zur Sparsamkeit anhielt und sie in seiner offenen Art an ihre bescheidenen Mittel und die unsichere Zukunft ihrer Kinder erinnerte.
Dabei fühlte sie sich gern gekränkt, denn nun glaubte sie sich sagen zu dürfen, daß ihre Angehörigen mit all' ihren Gaben die Beleidigungen, die sie ihr zufügten, doch nicht gut machen könnten. Auch bewährte sich an ihr die Erfahrung, daß wir Niemand leichter grollen, als einem Wohlthäter, dem wir das, was er uns Gutes erweist, nicht zu vergelten vermögen.
Als ihr Schwager für seinen Sohn um ihre Tochter warb, gab sie dennoch gern ihre Einwilligung.
Nefert und Paaker waren miteinander aufgewachsen und durch diese Verbindung sah sie ihre eigene und ihrer Kinder Zukunft sicher gestellt.
Kurz nach dem Tode des Mohar begehrte der Rosselenker Mena Nefert's Hand, aber sie würde ihn abgewiesen haben, wenn nicht der König selbst die Werbung seines jungen Schlachtgenossen und Lieblings unterstützt hätte.
Nach der Hochzeit zog sie mit Nefert in Mena's Haus und übernahm, als er in den Krieg zog, die Verwaltung seiner großen, aber schon durch seinen Vater mit einigen Schulden belasteten Güter.
Das Schicksal gab ihr die Mittel an die Hand, sich und ihre Kinder für lange Entbehrungen schadlos zu halten, und sie benützte dieselben, um dem ihr angeborenen Trieb, beachtet und bewundert zu werden, nachzugeben, ihren Sohn, glänzend ausgerüstet, in die Schaar der vornehmsten jungen Wagenkämpfer eintreten zu lassen und ihre Tochter mit fürstlicher Pracht zu umgeben.
Als der Statthalter, der ein Freund ihres verstorbenen Gatten gewesen war, den Pharaonenpalast in Theben bezog, näherte er sich ihr und die geschickte und entschiedene Frau wußte sich dem unentschlossenen Manne erst angenehm, und endlich unentbehrlich zu machen.
Sie benützte den Umstand, daß sie wie auch er dem alten Königshause entstammte, um seinen Ehrgeiz anzustacheln und ihm Aussichten zu eröffnen, an die nur zu denken er sich, eh' er mit ihr vertraut gewesen war, als verbrecherisch untersagt hatte.
Ani's Werbung um die Hand der Prinzessin Bent-Anat war Katuti's Werk. Sie hoffte, daß der Pharao den Statthalter abweisen, persönlich verletzen und dadurch geneigter machen werde, die gefährliche Bahn, die sie für ihn ebnete, zu betreten.
Der Zwerg Nemu war ihr gefügiges Werkzeug.
Mit keinem Worte hatte sie ihn in ihre Pläne eingeweiht; er aber gab jeder Regung ihres Innern mit freien Worten, die nur durch Fächerschläge bestraft wurden, Ausdruck und hatte sich erst gestern zu sagen unterfangen, daß, wenn der Pharao nicht Ramses, sondern Ani hieße, Katuti keine Königin sein würde, sondern eine Göttin, denn sie würde dann dem Pharao, der ja selbst zu den Himmlischen gehöre, nicht nur zu gehorchen, sondern ihn vielmehr zu lenken haben.
Katuti bemerkte nicht das Erröthen ihrer Tochter, denn sie schaute gespannt nach dem Gartenthore hin und sprach:
»Wo Nemu nur bleibt! Es werden doch auch für uns Nachrichten vom Heere eingetroffen sein.«
»Mena hat so lange nicht geschrieben,« sagte Nefert leise. »Ach, der Haushofmeister!«
Katuti wandte sich dem Beamten zu, welcher die Veranda durch eine Nebenpforte betreten hatte, und fragte: »Was bringst Du?«
»Der Händler Abscha,« lautete die Antwort, »dringt auf Zahlung. Der neue syrische Wagen und der Purpurstoff . . .«
»Verkaufe Korn,« befahl Katuti.
»Unmöglich, denn die Abgaben für die Tempel sind noch nicht bezahlt und es ist schon so viel an die Händler abgeliefert worden, daß uns kaum mehr genug für die Erhaltung der Wirtschaft und die Aussaat übrig bleibt.«
»So zahle mit Rindern.«
»Aber Herrin,« gab der Haushofmeister ängstlich zurück, »wir haben erst heute wieder eine Heerde an den Mohar verkauft und die Schöpfräder wollen gedreht, das Korn will gedroschen sein und wir bedürfen Opfervieh und Milch, Butter und Käse für den Hausstand und Dung für die Feuerung.«In dem holzarmen Aegypten ist heute noch der getrocknete Dünger des Viehs das gewöhnliche Brennmaterial.
Katuti blickte nachdenklich zu Boden und sagte sodann: »Es muß sein. Fahre nach Hermonthis und sage dem Vorsteher des Gestütes, er möge zehn von Mena's Goldfüchsen hierher führen lassen.«
»Ich habe schon mit ihm geredet,« erwiederte der Haushofmeister; »er behauptet aber, Mena hätte ihm streng verboten, auch nur eines von den Rossen, auf deren Zucht er stolz ist, fortzugeben. Nur vor dem Wagen der Herrin Nefert . . .«
»Ich verlange Gehorsam,« sagte Katuti entschieden, indem sie dem Beamten das Wort abschnitt, »und erwarte morgen die Pferde.«
»Aber der Gestütmeister ist ein trotziger Mann, den Mena für unentbehrlich hält und der . . .«
» Ich gebiete hier, nicht der Abwesende,« rief Katuti gereizt, »und verlange die Rosse, trotz des veralteten Befehls meines Schwiegersohnes.«
Nefert hatte sich während dieses Gespräches aus ihrer trägen Stellung aufgerafft. In Folge der letzten Worte Katuti's verließ sie ihr Lager und sagte mit einer Entschiedenheit, die selbst ihre Mutter überraschte:
»Man wird den Befehlen meines Gatten gehorchen. Die Pferde, die Mena liebt, bleiben in ihren Hürden. Nimm dieß Armband, das mir der König geschenkt hat; es ist mehr werth als zwanzig Rosse.«
Der Haushofmeister musterte das mit Edelsteinen reich besetzte Kleinod und schaute Katuti fragend an. Sie zuckte die Achseln, nickte dann zustimmend und sagte: »Abscha soll es als Pfand behalten, bis Mena's Beute hier eintrifft. Seit einem Jahre sandte Dein Gatte nichts von Belang.«
Nachdem der Beamte sich entfernt hatte, streckte sich Nefert wiederum auf ihrem Lager aus und sagte müde: »Ich dachte, wir wären reich.«
»Wir könnten es sein,« antwortete Katuti bitter; als sie aber wahrnahm, daß Nefert's Wangen wiederum erglühten, sagte sie freundlich: »Unser hoher Rang legt uns große Pflichten auf. In unseren Adern fließt fürstliches Blut und die Augen des Volks sind auf die Gattin des glänzendsten Helden im Heere des Königs gerichtet. Man soll nicht sagen, daß sie von ihrem Gemahl vernachlässigt werde. Wie lange Nemu ausbleibt!«
»Ich höre Lärm im Hofe,« sagte Nefert, »der Statthalter wird kommen.«
Katuti wandte sich wiederum dem Garten zu.
Ein athemlos herbeistürzender Sklave berichtete, Bent-Anat, die Tochter des Königs, sei an der Pforte des Hauses aus ihrem Wagen gestiegen und nähere sich mit dem Prinzen Rameri dem Garten.
Nefert verließ ihr Lager und schritt mit Katuti den hohen Besuchern entgegen.
Als Mutter und Tochter sich neigten, um das Gewand der Prinzessin zu küssen, wehrte ihnen Bent-Anat und sagte: »Haltet euch ferner von mir; die Priester haben die Unreinheit noch nicht ganz von mir genommen.«
»Und trotz ihrer bist Du rein wie das Auge des Ra,« rief der sie begleitende Prinz, ihr siebenzehnjähriger Bruder, der im Setihause erzogen ward, das er aber in wenigen Wochen verlassen sollte, indem er die ihn Abwehrende küßte.
»Ich werde den Wildfang bei Ameni verklagen,« sagte Bent-Anat lächelnd. »Er wollte mich durchaus begleiten. Dein Gatte, Nefert, ist ja sein Vorbild und es ließ auch mir zu Hause keine Ruhe, denn wir kommen, um euch gute Botschaft zu künden.«
»Von Mena?« fragte das junge Weib, ihre Hand auf's Herz pressend.
»Du sagst es,« gab Bent-Anat zurück. »Mein Vater preist seine Tüchtigkeit und schreibt, daß er bei der Vertheilung der Beute vor allen Anderen zu wählen haben werde.«
Nefert warf ihrer Mutter einen triumphirenden Blick zu und Katuti athmete tief auf.
Bent-Anat streichelte Nefert's Wange, wie die eines Kindes. Dann wandte sie sich an Katuti, führte sie in den Garten und bat sie, ihr, der die Mutter zu früh entrissen sei, in einer wichtigen Angelegenheit mit ihrem Rathe beizustehen.
»Mein Vater,« sagte sie nach einigen vorbereitenden Worten, »theilt mir mit, der Statthalter Ani begehre mich zum Weibe und räth mir, die Treue des würdigen Mannes durch meine Hand zu belohnen. Er räth, hörst Du, er befiehlt nicht.«
»Und Du?« fragte Katuti.
»Und ich,« antwortete Bent-Anat entschieden, »muß ihn abweisen.«
»Du mußt?«
Bent-Anat machte eine bejahende Bewegung und fügte hinzu:
»Es ist ganz klar in mir. Ich kann nicht anders.«
»So bedarfst Du meines Rathes nicht mehr, denn an Deinen Entschlüssen, das weiß ich, vermag selbst Dein Vater nichts zu ändern.«
»An diesem kein Gott,« sagte Bent-Anat fest. »Aber Du bist Ani's Freundin, und weil ich ihn schätze, so möcht' ich ihm eine Demüthigung ersparen. Suche ihn zu bewegen, von seiner Werbung abzulassen. Ich will ihm so begegnen, als wüßte ich nichts von seinem Brief an den Vater.«
Katuti schaute sinnend zu Boden. Dann sagte sie:
»Der Statthalter verbringt zwar gern bei mir seine Mußestunden, plaudernd oder beim Brettspiel, aber ich weiß nicht, ob ich es wagen darf, über so wichtige Dinge mit ihm zu reden.«
»Heirathspläne sind Frauensachen,« lächelte Bent-Anat.
»Aber die Vermählung einer Prinzessin ist eine Staatsangelegenheit,« erwiederte die Wittwe. »In diesem Falle freilich wirbt nur der Oheim um seine Nichte, die ihm theuer ist, und von der er hofft, daß sie ihm die gefürchtete zweite zur schönern Hälfte seines Lebens gestalten werde. Ani ist gut und ohne Härte. Du würdest in ihm einen Gatten gewinnen, der jedem Deiner Winke gewärtig sein und sich gern Deinem festen Willen fügen würde.«
Bent-Anat's Augen leuchteten auf und lebhaft rief sie: »Das eben ist's, was mir das entschiedene, unabwendbare ›nein‹ auf die Lippen drängt. Meinst Du, weil ich stolz bin wie meine Mutter und entschiedenen Sinnes wie mein Vater, begehrte ich einen Gatten, über welchen ich herrschen und den ich leiten könnte? Wie schlecht Du mich kennst! Gehorchen sollen mir meine Hunde, meine Diener, meine Beamten, will's die Gottheit, meine Kinder. Unterwürfige, die mir den Fuß küssen, find' ich auf allen Gassen und kauf' ich, wenn ich will, zu Hunderten auf dem Sklavenmarkt. Zwanzigmal ward ich umworben und zwanzig Freier schickte ich heim, aber nicht weil ich fürchtete, sie könnten meinen Stolz und meinen Willen beugen, sondern gerade weil ich mich ihnen gewachsen fühlte. Der Mann, dem ich meine Hand zu reichen wünsche, muß von höherer Art, muß größer und fester und besser sein als ich, und den mächtigen Flügelschlägen seines Geistes will ich nachflattern und dabei meine Schwäche belächeln und seine Ueberlegenheit voller Bewunderung preisen.«
Katuti hörte der Jungfrau mit jenem Lächeln zu, durch welches der Erfahrene seine Ueberlegenheit über den Schwärmer anzudeuten liebt, und sagte:
»Die Vorzeit mag solchen Mann gezeugt haben, doch wolltest Du in unseren Tagen auf ihn warten, so müßtest Du die JugendlockeEine unten gebogene Haarflechte, welche alle jüngeren Mitglieder der fürstlichen Familien an der Seite des Hauptes trugen. Auch der jugendliche Horus wird mit ihr dargestellt. tragen, bis sie grau wird. Unsere Denker sind keine Helden und unsere Helden keine Weisen. Da kommt Dein Bruder mit meiner Nefert.«
»Willst Du Ani von seiner Werbung abzulassen bewegen?« fragte die Prinzessin dringend.
»Ich kann es versuchen, Dir zu Liebe,« gab Katuti zurück. Dann wandte sie sich halb dem jungen Rameri, halb seiner Schwester zu und sagte.
»Der Leiter des Setihauses, Ameni, war in seiner Jugend ein Mann, wie Du ihn schilderst, Bent-Anat. – Sage uns, Du Sohn des Ramses, der unter den jungen Sykomoren aufwächst, welche dieses Land dereinst beschatten sollen, wen schätzest Du am höchsten unter Deinen Genossen? Ist einer unter ihnen, der alle anderen weit überragt an hohem Sinn und Geisteskraft?«
Der junge Rameri schaute die Fragerin lebhaft an und antwortete lachend: »Wir sind Alle wie wir eben sind, und thun mehr oder weniger gern, was wir müssen, und am liebsten Alles, was wir nicht sollen.«
»Einen gewaltigen Geist, einen Jüngling, welcher ein zweiter Snefru,Der noch spät in hohen Ehren gehaltene erste König der IV. Dynastie, von dem es an mehreren Stellen heißt, Gleiches sei nicht gesehen worden seit den Tagen des Snefru. Dem Kultus seiner Manen standen noch spät eigene Priester vor. Die seiner Zeit angehörenden Denkmäler sind die ältesten, welche überhaupt bis auf uns gekommen sind. ein Thutmes, oder auch nur ein Ameni zu werden verspräche, kennst Du nicht im Setihause?« fragte die Wittwe weiter.
»Doch!« rief Rameri mit lebhafter Entschiedenheit.
»Und der wäre?« fragte Katuti.
»Pentaur, der Dichter!« rief der Jüngling.
Bent-Anat's Antlitz färbte sich mit glühendem Roth, während ihr Bruder erklärend fortfuhr: »Er ist edel und von hohem Geiste und alle Götter wohnen in ihm, wenn er redet. Sonst schlafen wir gern in den Schulhöfen, aber seine Worte reißen uns mit sich fort, und wenn wir die Fülle seiner Gedanken auch nicht immer fassen, so wissen wir doch, daß sie groß sind und echt.«
Bent-Anat athmete schneller bei diesen Worten und ihre Augen hingen an ihres Bruders Lippen.
»Du kennst ihn, Bent-Anat,« fuhr Rameri fort.. »Er war mit Dir bei dem Paraschiten und im Tempelhofe, als Ameni die Unreinheit über Dich verhängte. Er ist schön und stattlich wie der Gott Menth, und ich meine, daß er zu Denen gehört, die man nicht vergessen kann, wenn man sie einmal gesehen. Gestern, nachdem Du den Tempel verlassen, sprach er wie nie vorher. Er goß Feuer in unsere Seelen. Lächle nicht, Katuti, ich fühle es noch fortbrennen. Heute Morgen theilte man uns mit, er sei aus dem Tempel verwiesen worden, wer weiß wohin, und lasse uns Lebewohl sagen. Man hält es niemals für nöthig, uns Gründe mitzutheilen; wir wissen aber mehr, als die Herren denken. Er soll Dir nicht streng genug entgegengetreten sein, Bent-Anat, und nun verstoßen sie ihn dafür aus dem Setihause. – Wir haben aber beschlossen, zusammenzutreten und um seine Zurückberufung zu bitten. Der junge Auana setzt einen Brief an den Oberpriester auf, den wir Alle unterschreiben. Einem Einzelnen würde das schlecht bekommen; aber Allen auf einmal können sie nichts anhaben. Vielleicht sind sie auch verständig und rufen ihn zurück. Wo nicht, so beklagen wir uns Alle bei unseren Vätern, und die sind nicht die Letzten in diesem Lande!«
»Das ist ja ein völliger Aufstand,« rief Katuti. »Nehmt euch in Acht, ihr Herrchen! Ameni und die anderen Propheten lassen nicht mit sich spaßen.«
»Wir auch nicht,« lachte Rameri. »Halten sie Pentaur verbannt, so bitt' ich den Vater, mich in die Schule von Heliopolis oder Chennu zu versetzen, und die Anderen folgen mir nach. Komm, Bent-Anat! Ich muß vor Sonnenuntergang wieder in der Falle sein; verzeih', Katuti, so nennen wir die Schule. Da kommt ja auch euer kleiner Nemu!«
Die Geschwister verließen den Garten.
Sobald die Frauen, welche ihnen das Geleit gaben, ihnen den Rücken gekehrt hatten, drückte Bent-Anat die Hand ihres Bruders mit ungewöhnlicher Wärme und sagte: »Hütet euch vor Unvorsichtigkeiten, aber eure Forderung ist gerecht und wenn es in meiner Macht steht, so will ich euch helfen.«