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René Théophile Hyacynthe Laennec

1781 – 1826

Laennec muß als der Begründer der Lehre vom Behorchen und Hören in der Krankenuntersuchung bezeichnet werden. Man findet zwar schon in den ägyptischen Papyris den Satz: »Das Ohr hört darunter« und in dem Corpus hippocraticum heißt es:: »Wenn man lange Zeit das Ohr an die Brustwand drückt, kocht es drinnen wie Essig«, aber es genügt zu sagen, daß vor Laennec niemand etwas Rechtes damit anzufangen gewußt hat.

So sagt z.B. Robert Hooke (1635–1703) in seiner Micrographia, die 1665 in London erschien, daß er durch die Erfahrung etwas mehr ermutigt sei, da er »sehr deutlich die Schläge des menschlichen Herzens gehört habe«. Derartige Sätze kehren auch bei Laennec's Lehrer, Corvisart (1775 bis 1821), wieder, ebenso in Doubles Lehrbuch, das 1812 erschien. Aber auch sie haben nichts damit anzufangen gewußt.

Die Erziehung Laennec's, der am 17. Februar 1781 in Quimper in der Bretagne geboren war, lag mehr in den Händen seines Onkels, der Arzt in Nantes war, als in der seiner Eltern. Als Neunzehnjähriger kam Laennec (1800) nach Paris, um seine medizinischen Studien zu vollenden. Dort schloß er sich an Corvisart, den großen Kliniker und Leibarzt Napoleons, an und konnte 1804 mit einer Dissertation: »Proposition sur la doctrine d'Hippocrate à la Medicine practique« promovieren. Durch diese Arbeit wurde der junge Arzt ein genauer Kenner der hippocratischen Schriften, und hier fand er wohl neben dem oben genannten Ausspruch auch den folgenden: »Es knirscht wie von einem Lederriemen«. Durch Laennec's planmäßige Versuche wurden diese wertvollen Lesefrüchte zu einem neuen Leben erweckt. Der Gedanke des Behorchens hatte offenbar Laennec schon längere Zeit beschäftigt, bevor er 1816 auf die Idee kam, mit festzusammengerollten Papierrollen die Herztöne seiner Kranken zu belauschen. Mit Bayle zusammen hatte er das Ohr auf die Brust der Kranken gelegt, den Versuch aber wieder aufgegeben, sicherlich nicht bloß wegen der Unappetitlichkeit der Spitalkranken und wegen der damaligen prüden Zurückhaltung der Frauen, sondern weil sie der pathologisch-anatomischen Grundlage des zu Hörenden noch nicht sicher waren.

Das Horchen mit dem bloßen Ohr war Laennec auf die Dauer unsympathisch und er fürchtete sich vor allem vor einer Ansteckung an Lungenschwindsüchtigen, worüber er genau orientiert war.

Daher ersetzte er die Papierrollen durch einen Holzzylinder, dem er im Laufe der Jahre verschiedene Formen gegeben hat. Das im Museum in Nantes noch aufbewahrte Originalhörrohr, das er als Sthetoscop-Brustprüfer benannte, war aus poliertem Nußbaum hergestellt, 33 cm lang und von einem Querdurchmesser von 3,8 cm. Das von Laennec eigenhändig gedrechselte Hörrohr wurde von seinem Verleger für 3 Francs verkauft, gleichzeitig mit der 1. Auflage seines klassischen Werkes, das am 1 5. August 1819 erschien, und zur Feier von Laennec's 100. Todestag wieder neu gedruckt wurde.

Als Laennec sein Buch herausgab, war er schon ein schwer kranker Mann. Die Lungenschwindsucht, die seinen Freund Bayle (1774–1816) dahingerafft hatte, hatte auch ihn befallen und zwang ihn, sein Arbeitsfeld zu verlassen, um im abgelegenen Kerlouarnec in der Bretagne seiner Gesundheit zu leben. Leidlich erholt kehrte er nach Paris zurück. Schon vor Jahren hatte Laennec am eigenen Körper erfahren, daß die Tuberkulose durch Einimpfung übertragen werden kann, als er sich bei einer Sektion einen Leichentuberkel zugezogen hatte. Hatte sich Laennec schon damals von der Möglichkeit überzeugt, daß ein tuberkulöser Herd ausheilen kann, so tritt er in seinem Werk gegen die verbreitete Ansicht auf, daß die Lungentuberkulose im Anfangsstadium heilbar sei. In den letzten Jahren, in denen Laennec nicht nur gegen seine Krankheit, sondern auch um seine Anerkennung in Paris rang, war er körperlich und seelisch nach vielen Jahren innerlicher Läuterung zusammengebrochen.

Die zweite Auflage seines Buches, das er zu einem Lehrbuch umgestaltet hatte, war das letzte Vermächtnis für seine Anhänger und Schüler, die so reichlich aus aller Welt herbeigeströmt waren, um nicht nur seine neuen Lehren zu vernehmen, sondern auch die neue Krankenuntersuchungsmethode kennen zu lernen.

Laennec's Name als eines Genies, das für alle Zeiten als Pfadfinder und Bahnbrecher auf dem Gebiete der Brustkrankheiten unsterblich sein wird, trägt das Tragische in sich, daß er vereinsamt am heimatlichen Gestade am 13. August 1826 der von ihm wie von keinem anderen aufgeklärten Lungenschwindsucht zum Opfer fiel. (Vgl. E. Ebstein, Leipziger Illustr. Zeitung Nr. 4249; C. Gerhardt, Die med. Woche. 1900. Nr. 50; Karcher, Schweiz, med. Wochenschrift, 1927. Nr. 4; E. Ebstein, Ärzte-Briefe usw. Berlin 1920. S. 81–83.)


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